Читать книгу KATENKAMP UND DIE GROSSE SCHWEINEREI - Detlef Wolff - Страница 6

Erstes Kapitel

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»Ach, bei der Gelegenheit... Wem haben Sie denn nun den Fall da draußen in Duvenbek übertragen? Oder hat sich das inzwischen alles erledigt? Ein paar Meter weiter, und wir wären gar nicht mehr zuständig gewesen. Schade, nicht?«

Hauptkommissar Wilke legte den Kopf in den Nacken und betrachtete die Decke des Dienstzimmers.

»Ist ja wohl nichts Weltbewegendes, was sich da abgespielt hat. Das kann ja jeder Assistent... Ich meine, Sie sollten Ihre Leute... Verzetteln Sie sich da nicht. Wer macht das denn nun?«

Wilke atmete tief durch und hielt den Hörer fester. »Katenkamp, Herr Kriminalrat«, sagte er schließlich. Dabei betonte er den Titel so nachdrücklich, als könnte er die Verantwortung damit auf seinen Gesprächspartner abschieben. Er wusste, dass es die Möglichkeit nicht gab.

»Nun, ja. Katenkamp also. Einen anderen Mann hatten Sie nicht frei?«

Die Frage wurde so gefährlich beiläufig gestellt wie alle übrigen. Arthur Wilke kannte die Anzeichen. Da braute sich etwas zusammen. Er wusste nur nicht, über wessen Kopf. »Die Personalsituation...«, sagte er zögernd. Oben schien ein besonderes Interesse an dem Fall in Duvenbek zu bestehen, das er sich nicht erklären konnte. »Katenkamp ist einer meiner fähigsten Männer.«

»Eben.«

»Bitte?« Wilke spürte die Feuchtigkeit an der Handfläche, aber er wagte nicht, den Hörer in die andere Hand zu nehmen.

»Ihr Katenkamp soll ja ganz tüchtig sein... Nur... Ich meine, manchmal hat er ja wohl ein etwas gestörtes Verhältnis zu den Dienstvorschriften. Oder?«

Wilke schwieg. Lag gegen Katenkamp was vor? Wer hatte denn kein gestörtes Verhältnis zur Dienstvorschrift? »Nun ja«, sagte er hilflos. Oder galt der Rüffel ihm selbst?

»Ich möchte nur verhindern, dass da unnötig viel Staub aufgewirbelt wird. Der Mann neigt ja wohl dazu, sich in Nebensächlichkeiten zu verbeißen.«

Und da haben wir mal lernen müssen, dass es bei Mordfällen keine Nebensächlichkeiten gibt, dachte Wilke. Innerlich atmete er auf. »Eigentlich ist der Fall erledigt.«

»So? Na, dann ist ja nichts mehr zu befürchten. Was den Kollegen Borgfeld betrifft... Ich konnte leider nicht zu der Beisetzung kommen.«

Von den höheren Dienstgraden konnte wohl überhaupt niemand kommen, dachte Wilke. Von der Familie nur die Witwe. Natürlich ist es an mir hängengeblieben, am Grab ein paar Sätze zu sagen. Und das bei dem Wetter! »Ich glaube, ich habe die richtigen Worte gefunden, Herr Rat.« Was soll man schon über einen sagen, der erst vor ein paar Tagen zur Mordkommission versetzt worden war?

»Ich bedanke mich bei der Gelegenheit. Wie hat Borgfeld sich denn so gemacht?«

»Schwer zu sagen.«

»Wohl nicht besonders, was?«

»Dieser Fall in Duvenbek...«

»Ist ja wohl nun erledigt«, kam die Unterbrechung. »Katenkamp soll sich da kein Bein ausreißen. Handelt sich ja auch bloß um einen Ausländer. Ich meine, nichts gegen Ausländer.«

»Ja, ja«, sagte Wilke. »Vielleicht sind wir auch gar nicht zuständig. »

»Wenn wir die Geschichte auf das Gleis kriegten, wäre es ja noch besser; dann brauchte sich Katenkamp gar nicht erst zu bemühen. - Übrigens, noch was: Kommen Sie an Borgfelds Schreibtisch ran?«

»Selbstverständlich... Ich hoffe es jedenfalls.« Worauf lief das denn nun wieder raus? Wollte jetzt doch einer von den höheren Chargen in Erscheinung treten und der Witwe die Hinterlassenschaften Borgfelds überreichen?

»Dann bringen Sie mir doch eben mal hoch, was sich da so angesammelt hat. Ich meine, das brauchen wir ja der Witwe nicht so unsortiert zu überstellen.«

Als ob wir Pornohefte, Liebesbriefe und Telefonnummern nicht selbst aussorderen würden, dachte Wilke. »Selbstverständlich«, sagte er.

»Wenn Sie sich beeilen könnten. Ich muss gleich aus dem Haus. Die volle Besetzung ist bei Ihnen ja jetzt wohl noch nicht da? Oder sind Sie überhaupt allein?«

Dumme Frage. Als ob das Dezernat mal nicht besetzt wäre.

Wussten die da oben denn über gar nichts Bescheid? Halt die Schnauze, dachte Wilke. Tu ihm den Gefallen. Wenn der will, dann macht er dir das Leben zur Hölle. Bring ihm den Kram hoch. Und wenn es sein muss, dann lass die Geschichte da draußen im Sande verlaufen. Dafür deckt er dich vielleicht mal in einem Fall, an dem mehr hängt als an diesem irgendwie zu Tode gekommenen Ausländer.

»Bringen Sie die Sachen bitte persönlich.«

»Sofort, Herr Kriminalrat.« Wilke legte den Hörer auf die Gabel und wischte mit den Händen über die Hosenbeine. Warum spielte der Herr nicht mit offenen Karten? Ihm brauchte man nicht zu erklären, wie man einen Fall vertuscht. Oder waren hier geheimdienstliche Belange tangiert? Das kann man einem doch sagen. Jedenfalls kam es darauf an, Katenkamp ein bisschen zu bremsen.

Wilke öffnete die Tür und ging mit schnellen Schritten über den Flur.

Die Schweine sollen sich außergewöhnlich ruhig verhalten haben... Katenkamp las den Satz ein zweites und drittes Mal. Nachjedem Lesen vermehrten sich die Fragezeichen in seinem Gehirn. Schließlich fragte er in den Raum hinein: »Versteht hier zufällig jemand was von Schweinen?«

Drechsler fuhr fort, einen Bleistift zu spitzen. »Jede Menge. Das ist schließlich unser Beruf.«

»Ich meine richtige Tiere; ganz normale Schweine. Es handelt sich um das gemeine deutsche Hausschwein oder Mastschwein - ich weiß auch nicht, wie man die Viecher korrekt bezeichnet. Ich weiß auch nicht, wann und warum sich Schweine außergewöhnlich ruhig verhalten.«

Drechsler prüfte die Bleistiftspitze. »Und in welchem Zusammenhang sollen die Tierchen sich nicht aufgeregt haben? Schließlich könnte das ja wichtig sein.«

»Im Zusammenhang mit einer Leichensache.« Katenkamp starrte auf die eigenwillige Handschrift in dem blau eingebundenen Notizbuch. »Die Schweine sollen sich außergewöhnlich ruhig verhalten haben«, las er laut.

»Frag doch den, der den Quatsch geschrieben hat.«

»Geht nicht. Den haben wir vorgestern beerdigt.«

»Borgfeld?«

»Genau. Es geht da um den australischen Schiffsoffizier. Borgfeld war da dran, und ich soll den Abschlussbericht zusammenstümpern. Praktisch ohne Unterlagen. Entweder war Borgfeld ein Genie an Merkfähigkeit, oder seine Aufzeichnungen sind verschüttgegangen. Mit dem, was ich hier habe, komm ich nicht zu Rande. Dabei sieht es so aus, als ob es uns gar nicht betrifft. Scheint ein Unfall gewesen zu sein.«

»Dann mach doch einen entsprechenden Bericht und lass die Schweine auf sich beruhen.« Drechsler kicherte vor sich hin. »Schweine!«

»Es interessiert mich aber, warum Borgfeld das überhaupt notiert hat.«

»Ich hätte da möglicherweise eine Erklärung«, sagte Janssen von seinem Schreibtisch her in gedehntem Hamburgisch. »Die Leiche, lag die direkt im Schweinestall?«

»Ja. Wenigstens das hat Borgfeld notiert.«

»Also, dann kann einen das schon wundern, wenn die Schweine ganz ruhig geblieben sind.« Janssen drehte sich mit dem Stuhl zu Katenkamp hin.

»Mach’s kurz«, sagte Drechsler. »Wenn du mal wieder auf deine Zeit bei der Sitte zu sprechen kommst, dann ist Gründlichkeit am Platz.«

»Selbst ein Schwein«, sagte Janssen. »Also, normalerweise machen Schweine einen Mordsspektakel, wenn jemand in den Stall kommt. Die denken dann, es gibt was zu fressen.«

»Aha.« Katenkamp nickte. »Ich verstehe.«

»Es kann aber auch sein«, fuhr Janssen fort, »dass sie besonders wild werden, wenn sie eine Leiche riechen. Schweine sind nämlich auch Aasfresser.«

»Was gibt es heute in der Kantine?«, fragte Drechsler dazwischen.

»Schweinebraten.« Janssen lächelte verschmitzt. »Geht das um die Sache da draußen in Duvenbek?«

»Ja, um den Toten in der Schweinemästerei.« Katenkamp hielt Borgfelds unergiebiges Notizbuch hoch.

»Würd ich die Finger von lassen«, murmelte Janssen.

»Warum?«

»Keine Ahnung.« Janssen gab sich gleichgültig. »Aber was die Schweine betrifft, die kriegen manchmal was ins Futter, damit sie sich nicht so aufregen und sich schön langsam bewegen. Jede Bewegung kostet Kalorien. Da wird das Futter dann schlecht verwertet. Hat was mit Wirtschaftlichkeit zu tun.« Janssen strich sich über die schütteren blonden Haare. »Genügt das?«

»Scheint so«, antwortete Katenkamp. »Wäre das nicht was für dich, wo du dich da schon ein bisschen auskennst?«

»An so was geht man besser nicht ran. Halb aufgearbeitete Fälle, das ist immer so undankbar.« Janssen erhob sich. »Ich geh jetzt mal in die Kantine. Tschüs dann.«

»Es gibt schon Gemütsmenschen«, sagte Drechsler. Er drückte die Bleistiftspitze auf die Schreibtischplatte. »Scheiße«, murmelte er, als die Spitze abbrach. »Gemütsmenschen«, wiederholteer.

»Manchmal sind sie ja nützlich, wie sich nun gezeigt hat.«

»Ansichtssache... Was hast du denn sonst noch von Borgfeld geerbt? Kann man davon was gebrauchen? Ich hab zum Beispiel gerade mein Feuerzeug verbummelt.«

»Fehlanzeige.« Katenkamp schüttelte den Kopf. »Hier hat offenbar schon jemand aufgeräumt. Es sieht aus, als ob er nie hier gewesen wäre.«

»Ist Borgfeld eigentlich besoffen gewesen?«

»Wenn ja, dann hat keiner Wert darauf gelegt, das offiziell festzustellen. Laut Protokoll ist er in einer unübersichtlichen Kurve von der Straße abgekommen. Überhöhte Geschwindigkeit bei Glatteis. Totalschaden mit Todesfolge.«

»Dann sei man vorsichtig«, meinte Drechsler. »In Ausübung des Dienstes draufzugehen gilt zwar als besonders ehrenvoll, aber für den Betroffenen macht es keinen Unterschied, ob er in seinem Schrebergarten stirbt oder auf der Dienstfahrt zu einer Schweinemästerei. »

»Auf der Rückfahrt«, korrigierte Katenkamp. »Ein kleiner Fleischgroßhandel soll auch noch zu dem Betrieb gehören. Das scheint Borgfeld imponiert zu haben. Es steht hier noch zusätzlich. Sogar unterstrichen.«

»Schade um Borgfeld. Ich finde, er war ein guter Mann.«

»Er berechtigte zu den schönsten Hoffnungen. - Erstaunlich, was manche Leute bei minus zwanzig Grad noch von sich geben können.«

»Meinst du denn, Beerdigungen sind im Sommer besser? Man kann bloß froh sein, dass man das alles nicht mehr mitkriegt.«

Drechsler drückte einen Knopf seiner klobigen Digitaluhr. »So spät schon? Dann will ich auch mal zusehen, dass ich in die Kantine komme. Aber Schweinefleisch esse ich heute nicht.«

»Dann nimm eben verseuchten Fisch!«, rief Katenkamp. Etwas zu spät. Drechsler hatte die Tür bereits hinter sich geschlossen.

Ratlos blätterte Katenkamp zum wiederholten Mal in Borgfelds Notizbuch. Je öfter er die wenigen Aufzeichnungen las, desto intensiver fragte er sich, weshalb Borgfeld überhaupt noch einmal nach Duvenbek gefahren war. Schließlich lagen die paar Häuser des Ortsteils am äußersten Stadtrand. Der Skizze nach verlief unmittelbar hinter der Schweinemästerei von Walter Reineker die Grenze zu Schleswig-Holstein. Den Weg da raus machte einer doch nicht zum Spaß. Nach den Unterlagen zu urteilen war Borgfeld dreimal in Duvenbek gewesen. Zu oft, um eine Routineangelegenheit zu erledigen.

Katenkamp legte sich einen Bogen Papier zurecht und versuchte, die Angelegenheit zu rekonstruieren.

An einem Februarabend verirrt sich der australische Schiffsoffizier William Greenbuck - der Dritte Offizier des australischen Frachters Carpentaria - in die Stallungen der Schweinemästerei Walter Reineker in Duvenbek...

Ein heftiger Sturm klatschte nasse Schneeflocken gegen die großen Scheiben der Fenster des Polizeihochhauses. Für Augenblicke bildete der Schnee einen dichten, milchigen Kristall Vorhang. Es wurde dämmrig in dem Dienstraum der Mordkommission. Dann rutschte der Schneeschleier in sich zusammen, und fahles Februarlicht fiel auf die Schreibtische.

Katenkamp spielte mit dem Kugelschreiber. Was kann einen australischen Seemann nach Duvenbek treiben? Selbst im Zustand der Volltrunkenheit verirrt sich niemand in die Gegend. Aber Greenbuck war laut Autopsiebericht nicht einmal angetrunken gewesen, geschweige denn volltrunken. Also hatte er sich auch nicht verirrt. In Duvenbek landet man nicht zufällig. Nach Borgfelds Unterlagen war Duvenbek mit öffentlichen Verkehrsmitteln kaum zu erreichen. Jedenfalls nicht ohne mehrmaliges Umsteigen. Also konnte Greenbuck nicht in einem Bus eingeschlafen und erst an der Endhaltestelle aufgewacht sein. Außerdem hätte er dann einfach Sitzenbleiben und die Strecke zurückfahren können... Nein - Greenbuck wollte nach Duvenbek. Laut Borgfelds Ermittlungen war der Mann am frühen Nachmittag von Bord gegangen. Zeuge: der Zweite Offizier der Carpentaria. Greenbuck musste mit ihm die Wache tauschen, um den Frachter verlassen zu können.

Obwohl er ihn auswendig kannte, stand Katenkamp auf und trat vor den großen Stadtplan. Um vom Vulkanhafen nach Duvenbek zu kommen... Himmel, was für ein Umstand! Am besten nahm da einer ’ne Taxe... Ob es Zweck hatte, festzustellen, ob Greenbuck sich tatsächlich eine Taxe genommen hatte? Nicht aussichtslos, da zu einem Ergebnis zu kommen. Touren vom Vulkanhafen nach Duvenbek gab es vermutlich nicht alle Tage. Aber was war damit gewonnen, wenn sich ein Taxifahrer fand, der sich erinnerte, Greenbuck gefahren zu haben? Hatte Greenbuck dem Fahrer erzählt, was er in Duvenbek wollte? Mit Sicherheit nicht, dass er plante, sich in der Schweinemästerei Reineker in einem Abstellraum vor das falsch montierte Auspuffrohr eines Notstromaggregats zu legen und so lange Abgase einzuatmen, bis der Tod eingetreten war... Es gab wirklich naheliegendere Methoden, Selbstmord zu begehen. Und nach Angaben des Kapitäns der Carpentaria hatte Greenbuck keinerlei Anzeichen von Schwermut gezeigt. Außerdem besaß Greenbuck einen Revolver. Nicht ganz legal zwar, doch das spielte in diesem Zusammenhang keine Rolle. Bei Selbstmordabsicht hätte er die Waffe jederzeit gegen sich selbst richten können. Am Tage seines Todes trug er sie übrigens bei sich.

Nein, Borgfeld hatte völlig richtig gehandelt. Greenbucks Tod ließ sich nicht als Routineangelegenheit erledigen. Nicht nach dem Motto: Seemann kommt unter zwar nicht alltäglichen Umständen zu Tode, doch am Ende handelt es sich nur um einen Unfall. Keine Hinweise auf Fremdeinwirkung. Die ordnungsgemäß hinzugezogene Kripo liefert die Bestätigung und einen kurzen Abschlussbericht... Erwiesen war hier mit Sicherheit nur Greenbucks Tod. Über die näheren Umstände seines Sterbens herrschte weitgehend Unklarheit. Die Sache ließ sich keineswegs als erledigt betrachten.

Aus Borgfelds Unterlagen ging zumindest das hervor: Befragung mehrerer Personen erbrachte kein Ergebnis. Fragliche Person wurde zu Lebzeiten von niemand wahrgenommen. Entdeckung der Leiche erfolgte zufällig während eines Kontrollgangs... Und dann der Satz: Die Schweine sollen sich außergewöhnlich ruhig verhalten haben.

Bevor Claus Borgfeld weitere Erkenntnisse zu Papier bringen konnte, war er auf der Rückfahrt von Duvenbek tödlich verunglückt.

Katenkamp warf Borgfelds Notizbuch in den Papierkorb. Eine schöne Schweinerei. Die ganze Geschichte musste neu aufgerollt werden.

Hätte Borgfeld denn nicht später verunglücken können? Es gehört sich einfach nicht, einen unerledigten Fall zu hinterlassen. Das macht kein anständiger Kriminalkommissar.

Katenkamp fischte Borgfelds Notizbuch wieder aus dem Papierkorb.

Existierten denn nicht wenigstens Fotos vom Fundort der Leiche? In dieser Angelegenheit war von Anfang an geschludert worden. Wie war der Tote gekleidet gewesen?

Nichts als offene Fragen.

Nur eine flüchtige Skizze.

Katenkamp ertappte sich dabei, dass er sie in Gedanken als Tatortskizze bezeichnete.

Mit wenigen Strichen hatte Borgfeld die Lage des Toten markiert. Danach hatte er leicht zusammengekrümmt in einer Abstellkammer gelegen. Auf der Skizze fehlten die Maße. Wie es schien, hätte Greenbuck sich in dem Raum auch kaum lang ausstrecken können. Oder stimmte die Skizze nicht? Bei anderen Kollegen wusste man wenigstens, in welchem Grad Verlass auf ihre Zeichnungen war... Gestrichelte Linien bezeichneten die Mauern. Über einem Hinweispfeil stand das Wort Loch. Eine dicke Linie führte durch das Loch hindurch zu einem Quadrat. Daneben standen die Buchstaben NSA. Also Notstromaggregat.

Die Skizze erklärte nur sich selbst und darüber hinaus gar nichts.

Natürlich führt das Einatmen von Abgasen den Tod herbei. Aber wie kommt ein Mann dazu, Abgase einzuatmen?

Liste der bei dem Toten gefundenen Gegenstände: eine Brieftasche, ein Reisepass, ein Seefahrtsbuch, Geldbeträge in verschiedenen Währungen, ein Revolver.

Genauer war das nicht aufgenommen worden? Eine Brieftasche. Und ihr Inhalt? Keine Fotos? Keine Briefe oder dergleichen?

Der Tote machte einen gepflegten Eindruck.

Katenkamp verschloss Borgfelds Notizen in seinem Schreibtisch. Da hatte sich einer tagelang mit diesem Fall befasst, und das war alles, was er hatte zu Papier bringen können?

Wenigstens existierte noch die Fotokopie des Obduktionsbefunds. Danach hatte William Greenbuck keinerlei äußere Verletzungen aufgewiesen. Wenn er wenigstens eine Kopfverletzung gehabt hätte! Ein Mann kommt zu Fall, bleibt vor dem Auspuffeines Motors benommen liegen... Aber keine Anhaltspunkte dafür.

Also gab es nur die Möglichkeit, die Angelegenheit von vorn aufzurollen.

Im Chefzimmer teilte man die Ansicht nicht.

»Machen Sie keine Schwierigkeiten!« Wilke führte einen Zeigefinger an die Stirn, wandelte die Bewegung dann aber in ein leichtes Kratzen der Augenbraue um. »Unsere Personalsituation ist Ihnen ja wohl bekannt. Und durch Borgfelds Abgang hat sich die nun wirklich nicht verbessert.«

Katenkamp nickte stumm.

»In dieser Situation wollen Sie sich den Luxus leisten, den ganzen Kram wieder...? Davon werden Sie mich nicht überzeugen können. Ich hatte Sie doch gebeten, mal zu Papier zu bringen, wie sich die Sache darstellt. Haben Sie das dabei?«

Katenkamp reichte seinen Bericht über den Schreibtisch. »Mehr kann man darüber beim besten Willen nicht von sich geben.«

Wilke überflog den Bericht. »Also, mir genügt das. Fremdverschulden wurde nicht festgestellt... Was wollen Sie eigentlich noch mehr?«

»Fremdverschulden ist aber auch nicht auszuschließen.«

»Haben Sie konkrete Anhaltspunkte?«

»Nein«, musste Katenkamp einräumen. »Aber mir gefällt da einiges nicht.«

»Das ist kein Argument«, stellte Wilke fest. »Selbst wenn an der Kiste was faul sein sollte, dann kommen Sie mit Intuition kaum weiter.«

»Ganz meine Meinung. Deshalb will ich ja einhaken.«

»Herrgott!« Wilke hob den Blick theatralisch zur Zimmerdecke.

Das ist auch kein Argument, dachte Katenkamp. Aber jetzt hat sich der gute Wilke in seiner eigenen Logik verstrickt.

»Schließen Sie die Akte!«, sagte Wilke mit Nachdruck. »Es kräht kein Hahn danach, ob wir hier einhaken oder nicht. Machen Sie einen zusätzlichen Durchschlag für das australische Generalkonsulat, und damit hat sich’s... Sollte jemand ein Haar in der Suppe finden, dann stammt das eben von Borgfeld. Also?« Er lächelte gezwungen.

»Ich setze meinen Namen da nicht drunter.«

Wilke faltete die Hände. »Schön«, sagte er betont liebenswürdig. »Was glaubt der Herr Kollege, wie lange er braucht?« Das war schon die blanke Ironie.

»Einen halben Tag.«

»Bitte?«

»Ich will ja nicht mehr, als mich mal an Ort und Stelle umsehen. Und mal bei Borgfeld... Bei seiner Frau vorbeischauen. Vielleicht hat er ja Material mit nach Hause genommen. Dann könnte sich alles Weitere schon erübrigen.«

»Wenn Sie’s denn gar nicht lassen können... Aber ich glaube nicht, dass Borgfeld ein Heimarbeiter war. Versuchen Sie Ihr Glück.«

»Danke.«

»Verrennen Sie sich da bloß nicht.« Wilke begann in seinem Terminkalender zu blättern. »Sie können gehen.«

KATENKAMP UND DIE GROSSE SCHWEINEREI

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