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Der Weg zurück Diagnose Burn-out, und dann? Was nach der Krankschreibung passiert, ist nicht geregelt. Wie Patienten trotzdem gesund werden.

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Von Susanne Schäfer

Eigentlich dachte Christian Bergmann*, er könne sich mit neuer Kraft seiner Arbeit widmen, schließlich war er gerade aus dem Urlaub gekommen. Er begann, die 300 neuen Mails zu lesen. »Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass ich gar nicht registrieren konnte, worum es darin ging«, erzählt er. »Ich dachte nur: Das kannst du nicht alles an einem Tag erledigen!« Eine schreckliche Vorstellung für ihn, den Perfektionisten, der immer bis zum Feierabend seine To-do-Liste des Tages abarbeitete. Eine Weile saß er apathisch vor seinem Rechner, dann ging er zum Arzt – und brach in Tränen aus. »Ich war gar nicht mehr zu beruhigen.«

Festgestellt wurden ein Hörsturz – schon zum zweiten Mal– und das Burn-out-Syndrom. Mit seiner Hausärztin besprach Bergmann, ob er sich zu Hause erholen oder in eine Klinik gehen wollte. Er entschied sich, zu Hause zu bleiben, und suchte sich einen Gesprächstherapeuten. Nach ein paar Stunden merkte er, dass er mit ihm nicht zurechtkam. »Er hat mir kaum Rückmeldungen gegeben auf das, was ich ihm erzählt habe, sodass ich keine großen Fortschritte gemacht habe.«

Vier Monate brauchte Bergmann, um überhaupt Abstand zu seiner Arbeit als Finanzdienstleister zu bekommen. »Bis dahin konnte ich nicht schlafen und hatte ein schlechtes Gewissen aus Angst, dass meine Aufgaben im Büro unerledigt bleiben könnten«, erinnert sich Bergmann. »Erst nach dieser Zeit konnte ich mir überhaupt eingestehen, dass es mir nicht gut geht – und dass ich deswegen kein minderwertiger Mensch bin.«

Wie man Burn-out behandelt, ist nicht in Leitlinien festgelegt, das Syndrom ist nicht einmal als Krankheit anerkannt. Therapeuten gehen deshalb unterschiedlich vor. Einig sind sich Psychologen darin, dass zwei Schritte entscheidend sind, damit Betroffene sich dauerhaft erholen: Erstens sollten sie lernen, ihren Umgang mit Stress zu ändern, beispielsweise in einer Verhaltenstherapie oder mithilfe von Entspannungsmethoden. Zweitens ist es notwendig, nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz die Belastungen dort zu reduzieren.

Bergmann fand eine neue Therapeutin, Alexandra Zäuner, sie begleitet ihn seitdem bei diesen Schritten. »In ihrer Therapie erkenne ich einen roten Faden, sie versteht mein Arbeitsumfeld und ist mehr bei mir«, sagt er.

Alexandra Zäuner, Verhaltenstherapeutin und Coach in München, betreut viele Patienten, die an dem Syndrom leiden. Zunächst analysiert sie mit dem Klienten zusammen die Arbeitsstruktur und die äußeren Faktoren, die zum Burn-out geführt haben. »Für viele ist allein das schon eine Entlastung«, sagt Zäuner. Gerade für diejenigen, die allein sich die Schuld für den Zusammenbruch gegeben haben.

Als Nächstes sucht die Therapeutin mit dem Patienten nach Überzeugungen, zu denen dieser durch seine bisherigen Lebenserfahrungen gekommen ist und die das Arbeitsleben beeinflussen. Einige sind hilfreich dabei, mit Druck umzugehen (»Ich sollte auf mich achten«), andere eher schädlich (»Ich darf keine Unsicherheiten zeigen«, »Ich muss immer Verantwortung übernehmen«).

Bergmann erkannte, dass er auch solche ungünstigen Gewissheiten hatte, zum Beispiel: »Ich darf mir erst erlauben, Spaß zu haben, wenn ich alles erledigt habe« oder »Wenn ich von meinen Vorgesetzten keine Anerkennung bekomme, muss ich eben noch besser werden«. Zäuner versuchte nicht, Bergmann seinen Perfektionismus abzugewöhnen, sondern diese Überzeugungen ein wenig umzuformulieren – statt »Du musst immer perfekt sein« sagt er sich nun »Gib dein Bestes«.

Ein Dreivierteljahr blieb Bergmann krankgeschrieben, seit zwei Monaten arbeitet er wieder, beim selben Unternehmen, aber in einer anderen Abteilung. Das hat für ihn den Vorteil, dass die Kollegen sein altes Ich nicht kennen. So präsentiert er sich jetzt als jemand, der nicht jede Aufgabe an sich reißt, sondern auch mal Nein sagt. Der langsame Wiedereinstieg sei für ihn wichtig gewesen, sagt er. In der ersten Zeit wagte er sich nur in Teilzeit ins Büro, inzwischen arbeitet er wieder Vollzeit. Auch andere Dinge, die er in der Therapie gelernt hat, helfen ihm: Er hat eine Kollegin, die er schon vor dem Burn-out kannte und noch immer oft sieht, gebeten, ihn darauf hinzuweisen, falls er in alte Muster zurückfällt – bisher hat sie nichts gesagt.

Und er nimmt sich Zeit, um sich zu erholen. Wenn er abends doch nicht mehr ausgehen will, sagt er Freunden ab. Die regelmäßigen Yoga-Stunden helfen ihm. Nachmittags verlässt er ab und zu das Büro und spaziert um den Block. Und wenn er am Ende des Arbeitstags mal seine To-do-Liste noch nicht ganz abgearbeitet hat, geht er trotzdem nach Hause und sagt sich: »Es ist doch nur ein Job.«

* Name von der Redaktion geändert

Anleitung für ein besseres Leben

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