Читать книгу Golf - Dieter Frank - Страница 9
ОглавлениеJeder Golfer ist damit vertraut, dass die Fehlschläge und Enttäuschungen im Spiel viel häufiger sind als die Erfolgserlebnisse und die glücklichen Minuten. Trotzdem hält er an seinem Hobby fest und versucht es immer wieder von Neuem. Es drängt sich auf zu untersuchen, welche Parallelen zur Institution der Ehe gegeben sind.
Der geschichtliche und gesellschaftliche Erfolg der Ehe ist von der Natur nicht unbedingt vorgegeben. Die Bindung an den Partner möglichst bis zum Lebensende kommt vor allem bei Enten und Schwänen vor. Bei höheren Wirbeltieren ist sie seltener, bei Affen herrscht das Haremsprinzip. Die Grauhaarigen haben oft die schönsten Jungtiere.
Gleichwohl ist die Ehe in fast allen Kulturen eine der erfolgreichsten Einrichtungen des sozialen Lebens. Ihr Siegeszug hat drei Gründe:
–Der erste ist die Vermeidung einer ungezügelten Entfaltung der Fleischeslust. Nach langen Ehejahren tritt dieser Erfolg in der Regel ein.
–Der zweite Grund liegt in dem natürlichen Drang, liebe Kinder aufzuziehen, für die das Ehepaar manches Opfer bringt. Wenn schon die Philosophie bis heute keine Antwort auf den Sinn des Daseins geben kann, so tragen Kinder dazu bei, das Problem zu verdrängen. Die Kinder danken es ihren Eltern, indem sie eine aufdringliche Zuwendung durch Anmaulen auf das rechte Maß zurückführen.
–Der dritte Erfolgsfaktor der Ehe liegt darin, dem Geld des Mannes, das er im Laufe seines Lebens anhäuft, einen konsumtiven Sinn zu geben. Hier verfügen viele Ehefrauen über eine angeborene Fähigkeit, die einem Wunder der Natur gleichkommt. Es handelt sich dabei um ein a priori, also vor aller Erfahrung in der Frau eingebettetes Wissen. Immanuel Kant hat es nur deshalb nicht beschrieben, weil er nie verheiratet war. So wie der Zugvogel instinktiv seinen Weg in den Süden findet, erkennt die Frau den Zugang zum Bankguthaben. Dem Mann kann das nur recht sein, denn alles Geld, was die Frau für Kleidung ausgibt, unterliegt nicht der Erbschaftsteuer.
Schon vor Beginn der Ehe zeigt sich die Parallele zum Erwerb der Mitgliedschaft in einem Golfclub. Die meisten überlegen sich lange, ob und wo sie eintreten oder ob sie nicht lieber auf Greenfee unterschiedliche Plätze spielen wollen.
Ist der Schritt einmal vollzogen, so geht es beim Golf meistens aufwärts, was in der Ehe nicht immer glückt. So verwandeln sich voreheliche Schmeichelkätzchen bald nach Vertragsabschluss nicht selten in herbe Gebieterinnen, die beim Mann die Frage auslösen, ob er nicht lieber bei seiner Mutter geblieben wäre. Aber auch bei den Männern mutiert manch einfühlsamer Romeo zum Zigarren rauchenden und Wein trinkenden Schnarcher, dem Fußball wichtiger ist als die sensible Pflege der Frauenseele.
Auch auf dem Golfplatz lässt beim Heavy User der ersten Jahre die Begeisterung im Laufe der Zeit nach. Der Greenkeeper kann den Rasen noch so schön herrichten: Das Mitglied kommt nicht.
Die zarten Bande zwischen den Ehepartnern werden vom Golfspiel nicht selten auf harte Proben gestellt. Selbst wenn der Ehemann noch in der Handicapklasse 36–54 weilt und seine Frau schon 20 hat, kann er es nicht lassen: „Du musst die Hüfte mehr drehen, die Schulter war zu früh …”
Frauen nehmen dies aus unbekannten Gründen geduldig hin, auch wenn es sie ganz aus dem Spiel bringt. Was wäre, wenn die Frau ihren Mann bei den ehelichen Pflichten in ähnlicher Weise belehren würde? „Halt den Kopf unten, den linken Arm steifer, dein Griff ist falsch, der Daumen muss weiter nach innen.” Da ginge es beim Mann auch daneben.
Beim Golf werden Regelverstöße ohne Ansehen des Geschlechts geahndet. In der Ehe kommt es darauf an, ob der Mann oder die Frau die Sünde begeht. Die gottgewollte Ordnung sieht vor, dass dem Mann mehr erlaubt ist als der Frau. Die Begründung (aus männlicher Sicht) ist einfach: Es war immer so.
Die Ursache für golferische Ermüdung liegt auf der Hand. Man kennt jede Stelle des Platzes, er bietet keine neue Herausforderung, das Spiel funktioniert eher mechanisch, die schönen Schläge von früher sind dahin. Bei der ehelichen Ermüdung ist es ähnlich, aber hier steht die Schuldfrage im Vordergrund.
Der Schuldige ist auch leicht zu finden: Es ist immer der andere. Beim Golfen ist das nicht so einfach. Da man auch hier selbst als Ursache ausscheidet, bieten sich an: der Golflehrer, das Sekretariat, der Präsident oder die Ökonomie.
Eheliche Fehltritte können auch innerhalb des Clubs geschehen. Allerdings sollten sie mildernde Umstände erhalten, zumal sie häufig auf einem optischen Irrtum beruhen.
Ein gut geführter Club ergreift rechtzeitig vorbeugende Maßnahmen. Geeignet wäre z. B. ein Tag der offenen Tür in der Herren- beziehungsweise Damengarderobe, jeweils für das andere Geschlecht. Manches warme Sehnen würde im kalten Licht der Garderobenbeleuchtung rasch verklingen.
Nicht in allem sind Golf- und Eheregeln zu vergleichen. So sind die von der Golfetikette gebotenen Regeln der Höflichkeit manchem Eheleben fremd. Auch Strafen für ungebührliche Spielverzögerung gibt es in der Ehe nicht. Und ein klassischer Vierer unterscheidet sich deutlich von einem flotten Dreier.
Im Krisenfall treten Mitglieder aus dem Club aus, und Ehepaare lassen sich scheiden. Hier wird oft nicht bedacht, was danach kommt. Man verliert Geld, die Leute reden, die Freunde werden in zwei Lager aufgeteilt. Vielleicht startet man im neuen Club als heavy user, und nach einiger Zeit ist alles wie früher. Lohnen würde sich ein Wechsel nur, wenn der neue Platz objektive Vorteile bietet, also z.B. trichterförmige Grüns. Bei ehrlicher Betrachtung findet man diese Vorteile in der Regel weder bei einem neuen Partner noch bei einem neuen Club. Der Freund der Weisheit nimmt deshalb die Welt so an, wie sie ist. Er weiß, dass sein eigener Schwung an sich schön ist, auch wenn er dem Golflehrer nicht gefällt. Und wenn er im Wettspiel nichts gewinnt, ist er gleichwohl sein eigener Bruttosieger, denn er hat letzten Endes gegen sich selbst gewonnen.