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1. Das Grundgesetz schützt Ehe und Familie

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Am 30. Juni 2017 beschloss der Deutsche Bundestag in einer auf Antrag von SPD, Die Linke und Grünen anberaumten Sitzung, eine formelle Ehe­schließung auch für gleich­geschlechtliche Paare zuzulassen. Damit hat nach anderen westlichen Gesell­schaften nun auch die Bundes­republik Deutsch­land einen beispiel­losen Bruch mit dem vollzogen, was kultur-, generationen- und zeitüber­greifend in der Mensch­heits­geschichte – außer in dem Kapitel, das wir gerade schreiben – klare Norm, fester Brauch und integraler Bestandteil der Zivilisation war. Wie konnte es so weit kommen? Und: Ist das wirklich gut für Deutschland? Diesen Fragen möchte diese Streitschrift auf den Grund gehen und dabei allen Orientierung geben, die bei dem Gedanken an Ehepaare, bestehend aus Mann plus Mann oder Frau plus Frau, ein Unbehagen beschleicht, ohne dass sie sachlich genau begründen könnten, warum.

Ein erster Blick geht in das Grundgesetz, das in der Gestalt universeller unverletzlicher Regeln, die zum Teil zurückgehen auf die französische Erklärung der Menschenrechte von 1789, den großen rechtlichen Rahmen für das Zusammenleben aller Menschen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland setzt. Wenn wir im Grundgesetz Artikel 6 lesen:

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft[,]

dann darf unterstellt werden, dass keine moderne Modifikation des Begriffs Ehe der verfassungs­gebenden Versammlung vor Augen stand, sondern die qua Common­sense geltende Definition der Ehe als einer verbind­lichen Gemein­schaft zwischen Mann und Frau, aus der, auf natürliche Weise, die in Absatz 2 genannten Kinder hervorgehen. Niemand wird ernsthaft bezweifeln wollen, dass die Verfasser des Grund­gesetzes Ende der vierziger Jahre bei dem Begriff »Ehe« allein die Ehe zwischen Mann und Frau im Blick hatten und keine experimentellen Umdeutungen. Der Schutz, von dem Absatz 1 spricht, gilt eo ipso auch, vielleicht sogar in besonderer Weise für Angriffe, wie sie SPD, Linke, Grüne und progressive Kreise innerhalb der Union durch das Postulat einer so genannten »Ehe für alle« führen. Denn Schutz bedeutet selbstver­ständlich auch Schutz vor allen Versuchen, den im Grund­gesetz genannten Begriff Ehe zu ent­werten, zu modifizieren oder komplett neu zu deuten. Ob die deutschen Verfassungsrichter dieser Argumen­tation im Falle einer (durchaus möglichen) Klage folgen würden, bleibt abzuwarten. Schließlich hat das Bundes­verfassungs­gericht auch schon bei der Zulassung der einge­tragenen Lebens­partnerschaft von 2002 veränderten Wahr­nehmungen und Bedürfnissen in der Gesell­schaft Rechnung getragen. Allerdings darf man unterstellen, dass die Väter des Grund­gesetzes etwas festzu­schreiben gedachten, was sie auf der Grundlage von christlicher Tradition und Commonsense für universell gültig hielten, und nicht etwas, das fort­währenden Modifikationen auf der Grundlage eines sich wandelnden Geschmacks, sich wandelnder Moden oder eines sich wandelnden Zeitgeistes unterliegt. Für solche Verän­derungen in der Gesellschaft gibt es das BGB, das durch die Lebens­partner­schafts­regelung den erkennbaren gesell­schaftlichen Verän­derungen bereits umfassend Rechnung getragen hat. Im Hinblick auf die aktuelle Debatte würde die Abkehr vom Prinzip der Univer­salität des Grund­gesetz­textes, konkret: der Unver­änderlichkeit des Ehe-Begriffs, zudem implizieren, dass eine »Eheschließung für alle« in absehbarer Zeit auch wirklich alle mit einschließt, also beispielsweise auch Minder­jährige, die heiraten möchten, Geschwister, die heiraten möchten und Menschen, die bereits mit einem anderen Partner verheiratet sind und noch einen heiraten möchten (Polygamie). Sobald gesell­schaftliche Veränderungen (mit Blick auf die Polygamie etwa der fortdauernde Zuzug von Muslimen, in deren Kultur Polygamie weitgehend akzeptiert ist) dies als opportun erscheinen lassen, müsste die Politik, gemessen an der Logik, die zu dem neuen Ehegesetz führte, erneut reagieren.

In Anbetracht solcher Implikationen überrascht es nicht, dass die »Ehe für alle« nach Auffassung führender Verfassungs­rechtler wie des ehemaligen Präsidenten des Bundes­verfassungs­gerichts Hans-Jürgen Papier und seines Kollegen Hans Hugo Klein1 mit dem Grundgesetz schlicht unvereinbar ist. Bei so einem drastischen Befund stellt sich automatisch die Frage: Warum wird dieser Angriff auf das Grundgesetz nicht mit großem medialen Getöse öffentlich thematisiert und diskutiert? Die Antwort ist erschreckend einfach: weil die Stimmung im Land dagegen spricht. Kein Politiker, kein Medium, keine andere Stimme von Gewicht kann mit einem Frontal­angriff auf die Eheöffnung punkten. Um diese »Stimmung« – man könnte auch sagen: öffentliche Meinung – besser zu verstehen, muss man verstehen, wer sie am besten anheizt und am meisten beeinflusst. Das führt uns zum zweiten Kapitel.

BÖSE FALLE Ehe für alle

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