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Reiseplanung mit Hindernissen

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Vor ein paar Wochen entdeckte ich auf einem Reiseportal im Internet eine „Wikinger Reise“ genau zu dem Hotel „Balneario Pozo de la Salud“ im westlichsten Winkel von El Hierro, das ich schon ein Jahr zuvor im Visier hatte, als wir uns dann aber doch für eine Pauschalreise nach „Val Gran Rey“ auf La Gomera entschieden. Pauschalreise deshalb, weil An- und Abreise zu Kanareninseln ohne internationalen Flughafen langwierig und umständlich zu organisieren sind. Damals waren wir trotzdem 18 Stunden unterwegs und erreichten unser Hotel erst gegen Mitternacht.

Die oben genannte „Wikinger Reise“ inspirierte mich, es genauso mit einer Zwischenübernachtung auf Teneriffa oder Cran Canaria zu planen, denn bei einem Flug von Deutschland aus, erreicht man kaum noch am gleichen Tag den letzten Inlandflug nach El Hierro.

Anknüpfend an die ganz oben geschilderte November-Situation, wo ich lange in meinem „Schlaf-/Arbeitszimmer“ am Computer gesessen hatte, musste ich nun mit meinen Reisegedanken schnell aufhören, da sonst wieder mahnende Rufe aus dem Wohnzimmer gekommen wären, wo der Abendbrottisch schon lange gedeckt war.

Die detaillierte Reiseplanung hatte ja auch noch Zeit und entwickelte sich an den Folgetagen zum Sport, denn die billigsten Flüge bei „easyjet“ und „Binter“ (Inlandfluggesellschaft auf den Kanaren) sollten die Reisetermine im März des nächsten Jahres bestimmen. Und wie es der Zufall wollte, waren es genau solche An- und Abreisetermine, dass wir etwa parallel zu der „Wikinger Reise“ in demselben Hotel sein konnten. Über „booking.com“ buchte ich das Hotel und die Zwischenübernachtungen dazu, so dass uns die Gesamtreise sogar ca. 500 € weniger als bei den „Wikingern“ kosten würde. Den Namen des Hotels „Balneario Pozo de la Salud“ hatte ich damals noch nicht ins Deutsche übersetzt, was dann auf der Reise zu einer lustigen Begegnung führte. Aber dazu später.

Als ich alle Reisetermine, also auch die für die Hotels zur Zwischenübernachtung auf Teneriffa „unter Dach und Fach“ hatte, sagte meine Frau: „Hast du auch daran gedacht, dass unsere Schwiegertochter eine Kur beantragt hat und die eventuell auf März fallen könnte?“.

Und es kam, wie es eben kommen musste: Der Kurtermin fiel auf März/April und unsere Reise erstmal „ins Wasser“, denn wir hatten zugesagt, uns während der Kur um unseren Enkelsohn zu kümmern. Also musste ich die Flüge auf Mai/Juni verschieben und aus der „Frühlingsreise“ wurde mehr eine „Sommerreise“. Da ich keine Flextarife gewählt hatte, kostete die Umbuchung gleich 250 € zusätzlich. Die Hotels konnte ich, dank „booking.com“, kostenlos umbuchen und Mietautos hatte ich glücklicherweise noch nicht bestellt.

Der Winter nahm nun seinen normalen Verlauf. Es wurde kalt und kälter, Eis und Schnee gab es in Mengen und an Frühling oder Sommer war nicht mehr zu denken. Da wir im März nun nicht verreisen konnten, nahmen wir im Februar schon mal eine kurze „Auszeit“. Auf Usedom gibt es eine schönes Hotel direkt am Strand, es heißt dementsprechend auch Strandhotel „Seerose“. Ein kleiner „Binnensee“ hatte sich schon vor langer Zeit hinter Dünen gebildet. Also in der warmen Zeit wunderschön, aber auch im Winter gut. Man kann stundenlang am Strand entlang wandern, und wenn es kalt genug ist, friert auch der See zu. Am Ostseeufer gefrieren dann die Wellen. Also kurzum, diese Kombination gefiel uns sehr.

Wir waren schon vor einigen Jahren im Winter dort und fuhren jetzt kurzentschlossen mit dem Zug hin. Freitag früh gings los. Es gab nur noch ein sogenanntes „Wellness-Zimmer“, da gehört statt einer Dusche eine Badewanne dazu. Diese steht direkt hinter dem Doppelbett. Wenn man will, kann dort ein „Massagebrett“ aufgelegt werden. Ins Zimmer kommt dann ein Masseur oder eine Masseuse usw., ein Luxus den wir nicht brauchten. Es gab eben nur dieses Zimmer, denn im Hotel fand am Samstagabend ein Jazzkonzert mit der „Blue Wonder Dixiland Band“ statt. Mich reizte daran, dass ich den Jazz-Moderator aus meiner Jugendzeit kannte. Jetzt war er schon 84 Jahre alt, eigentlich lange in Rente, nur zu besonderen Anlässen trat er auf. Dazu später.

Freitagmittag stiegen wir aus der „Ostsee-Bäderbahn“ und wollten gerade mit einem kleinen Rollkoffer zum Hotel laufen, da hielt der „Shuttle-Bus“ vom Hotel neben uns und brachte uns direkt bis zum Hoteleingang. Ich hatte bei meiner Buchung im Internet auch gleich die Eintrittskarten für das Jazzkonzert bestellt und angegeben, dass wir gegen 12 Uhr mit dem Zug ankommen würden. Insgeheim hoffte ich auf eine Abholung, tat aber ganz überrascht. So nahm alles einen guten Anfang!

Nach der langen Zugfahrt hatten wir große Lust, am Strand zu laufen. Der Wind blies von Westen und trieb uns gen Osten. Auf Usedom hatte ich immer gar nicht das Gefühl, auf einer Insel zu sein. Nur der Verstand sagte es mir und unsere kleine „Insel-Romanze“ begann. Wir liefen einige Kilometer, bis wir an das Strandrestaurant „Utkiek“ kamen. Zeit zum Aufwärmen. Wir kannten das Restaurant schon von früher, sehr gemütlich! Gutes und reichliches Essen.

Auf dem Rückweg wollten wir nicht mühselig mit Gegenwind den Strand entlang laufen, sondern wir nahmen geschützt einen Weg durch den Wald hinter den Dünen. Nach einiger Zeit kam uns eine Frau mit zwei Krücken entgegen, die wirklich schlecht laufen konnte. Sie fragte nach dem Weg und zeigte auch nach hinten, wo sie hergekommen war. Da konnten wir jetzt zwischen den Bäumen einen großen Gebäudekomplex erkennen. Eine Kurklink. Wir gingen in diese Richtung und sie humpelte in die andere weiter und verschwand hinter den Bäumen. Ein paar Minuten später rollte auf einem Elektroroller ein Mann heran und fragte ganz aufgeregt: „Haben Sie hier meine Frau mit zwei Stöcken gesehen? Sie ist einfach losgelaufen, dabei schafft sie es wohl kaum zurück. Ich will sie abholen!“. Wir wiesen ihm die Richtung und gingen nachdenklich weiter an der Kurklink vorbei. Welche Schicksale mochten hinter dieser Begegnung liegen? Trotz dieser Frage hatten wir aber eine herrliche „Leichtigkeit des Seins“, die wir aus unserer Jugend kannten und die im Alltag mehr und mehr zu verschwinden drohte.

Es kamen immer wieder Bodenwellen, wo es steil nach unten und danach natürlich wieder bergan ging. Wie wir so fast den letzten Berg hinauf keuchten, hörten wir hinter uns forsche Schritte. Eine katholische Schwester schritt auf uns zu. Sie fragte, wo der Weg denn hinführte. Wir antworteten ihr, dass wir gleich den nächsten Ort und unser Hotel erreichen würden. Bis dahin wollte sie uns begleiten. Wir erfuhren in wenigen Worten viel von ihr. Sie war erst gestern in der Kurklinik angekommen. Die anderen Kurgäste gefielen ihr aber nicht. Sie blieben bei dem kalten Wetter nur im Haus, rauchten, tranken und „blödelten“ viel herum. Da musste sie allein hinaus in den herrlichen Wald! Abendessen gab es erst um 19 Uhr. Bis dahin waren noch zwei Stunden Zeit. Wir erfuhren, dass sie früher viele Jahre in Süddeutschland im Kloster gelebt hatte. Als sie dort nicht mehr arbeiten konnte, holte sie ein befreundeter Pastor nach Norddeutschland in seine Gemeinde unter dem Vorwand, dass sie als „Mädchen für alles“ für das Allgemeinwohl da sein könnte. Aber er wollte ihr etwas Gutes tun, versorgte sie mit einer Wohnung, mit Essen und Trinken und herzlicher Zuwendung, so dass sie nun im Alter ein Zuhause hatte, denn eine Rente bekam sie nicht. Sie leistete bis vor ihrer Krebserkrankung vor allem soziale, medizinische Hilfe bei alten Leuten. Jetzt war sie also selbst krank und alt. Nach OP und Chemo: Reha-Kur. Der „Herr da oben“ hielt seine Hand über sie und ließ sie gesunden! Sie hatte eine überzeugende innere Kraft, war sehr aufgeschlossen und beeindruckte uns mit ihrem schwungvollen Gang und Optimismus. Nur zum Schluss beim Verabschieden ließ sie erkennen, dass sie noch gar nicht gerne zum „Herrn da oben“ abgerufen werden möchte. Da hatte sie dann doch sehr ernste Augen, vielleicht auch versteckte Tränen.

Wir waren an unserem Hotel angelangt, die Schwester bedankte sich für das Gespräch, das sie ja eigentlich fast allein bestritten hatte, und trat im Halbdunkeln den langen Rückweg durch den Wald an. Sie hatte keine Angst, was sollte ihr schon passieren!

Wir nahmen schnell ein heißes Bad in der Wanne. Dann gings zum Abendessen. Der bestellte Tisch lag direkt am Fenster in einer Niesche. Nach der einen Seite konnte man zur Ostsee über die Dünen schauen, d. h. die Ostsee lag als dunkle Fläche im Hintergrund, die Strandpromenade war aber hell erleuchtet. Es herrschte jetzt Windstille. Auf der anderen Seite sahen wir den See, wo sich der Mond glitzernd spiegelte. Das Essen war gut, der Wein noch besser! Als wir zum Zimmer zurückkamen, lockte nur noch das große Doppelbett …

Der Samstag verlief wie geplant. Tagsüber wieder eine lange Wanderung in die andere Richtung. Am späten Nachmittag mussten wir „Schlafen gehen“! Der Abend sollte ja noch lang sein. Das Jazzkonzert hielt, was wir erwarteten, der Moderator immer noch klasse! Zwischendurch konnte man Essen und Trinken bestellen. Wir leerten drei bis vier Flaschen Bier. Gegen Mitternacht fielen wir dann nur noch ins Bett. Es passierte nichts mehr!

Am Sonntag ging’s zurück nach Berlin. Wir hatten einen kleinen Vorgeschmack auf unsere große „Insel-Romanze“, die nun hoffentlich im Mai/Juni kommen sollte. Im März schien der Winter vorbei zu sein, aber der Frühling ließ hierzulande noch auf sich warten, während auf El Hierro sicher schon alles blühte.

Die Kur unserer Schwiegertochter begann. Unser Sohn hatte sich arbeitsmäßig so eingerichtet, dass er viel im „Home Office“ erledigen konnte und lediglich, wenn er auf Dienstreise musste, war unsere Hilfe bei der Enkelbetreuung gefragt. An den Wochenenden und zu Ostern fuhren beide – Vater und Sohn – zu Besuch in den Kurort. Also kurzum, unsere Hilfeleistungen waren eigentlich gering.

Der Mai kam heran und es grünte und blühte zu Hause auch sehr schön, aber wir freuten uns nun doch auf unser „Reiseabenteuer“. Die Mietautos hatte ich schnell noch per Internet bestellt und so konnte es endlich losgehen. Auch wenn der italienische Schauspieler „Alberto Sordi“ (1919 – 2003) mal übertrieben feststellte „Abenteuerurlaub besteht aus siebzig Prozent Vorfreude und aus dreißig Prozent Nachsorge“, wir haben jedoch all die Reisetage genossen!

Der 20. Mai war Abflugtermin nach Teneriffa. Die Koffer waren schnell gepackt. Mehr Mühe hatten wir mit Haus und Garten, denn im Mai gibt es eben mehr zu tun als im März. Aber als kleine Gegenleistung kümmerten sich unser Sohn & Co. während unserer Abwesenheit darum.


Sommer auf El Hierro

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