Читать книгу È la vita - Dirk Josczok - Страница 3

Kapitel 1: SONNTAG

Оглавление

8.03 h. München Bus-Bhf.

Blutdruck: 154/92. Puls: 102 bpm.

Es geht los. Mulmiges Gefühl.

Warte auf die Wirkung der Tablette.

Augen zu. Und Mozart.

12.40h. Raststätte. Kurz vor Ljubljana.

BD: 128/80. P: 68.

Österreich verschlafen.

Karl hat mich geweckt. Hat mich komisch angesehen.

Ahnt er was?

Günter hat mir zu meinem „gesunden Schlaf“ gratuliert.

Sie sind alle raus zum Klo und Kaffeeholen.

Bleib im Bus.

Alles gut. Ein bisschen müde. Angenehm betäubt.

Sie kommen.

13.20 h. Ljubljana.

Busbahnhofskabuff. Draußen lausiges Wetter. 6 Grad, Regen.

Warten auf den Anschluss nach Triest. Abfahrt 15 h.

Der Bus fährt bis Venedig. Lange her. War schön.

Wär schön.

Noch 1h35 bis Triest.

Schaff ich das ohne?

Mit Vivaldi.

Karl nervt.

Wir sollen dehnen.

17.00 h / 45° 38′ N , 13° 48′ O.

Zimmernummer 331.

Pünktlich in Triest angekommen. Strammer Regen. In Rollkoffer-Kolonne zum Hotel. Liegt etwas außerhalb der Altstadt in Hafennähe. Vor lauter Regenschirm kaum was gesehen.

Einzelzimmer. Hab ich drauf bestanden.

Hab die letzte Nacht in München kaum geschlafen.

Günter hat im Schlaf gesprochen. Irgendwas mit einer Helga.

Oder Helgoland?

Ich ertrag das nicht: das fremde Atmen neben mir.

All die Gedanken an dich.

Ich hab TB geschrieben. Still und heimlich mit der Handylampe. Wie früher Superman unter der Bettdecke.

Günter hätte mich beinah ertappt. Er musste mitten in der Nacht raus. Probleme mit der Prostata. Aber er hat nichts gemerkt. Keiner von den „Jungs“. Marvin hat mich nur gefragt, ob ich Notizen für die Arbeit mache. Gute Ausrede. Ich belasse es dabei.

Bin ich ein Betrüger?

Ich glaub, sie halten mich für einen – tja, wofür eigentlich?

Für einen schweigsamen Mitläufer.

Soll ich sie aufklären?

Geht nur uns beide an.

Wir hier sind nur eine Zweckgemeinschaft. Start – Ziel. Mehr nicht.

Auch wenn Karl das gerne anders hätte. Sieben Freunde soll’n wir sein.

Sieben Samurai!

Ernsthaft. Sieben mittelalte Männer auf Triest-Tour.

Ich glaube, sie genießen das. Fern von Zuhause.

Stefan hat meinen Ring bewundert. Er hat nach dir gefragt. Was man so fragt. Familie, Kinder. Ich habe ebenso üblich geantwortet. Mittlerweile kann ich das ganz gut. Man muss Gegenfragen stellen. Meistens wollen ja alle nur von sich selbst erzählen.

Ich schreibe dir.

Ich hab ein frisches Notizbuch angefangen. Extra für die Reise.

Das wievielte ist das?

Werd ich das alles irgendwann noch einmal lesen?

Ist das nötig?

Britta?

Es klopft.

Karl hat den Wochenplan gebracht. Alles schön mit Excel.

Er sah sehr zufrieden mit sich aus und seinem Plan. Für jeden Tag Programm. Mo-Do: morgens Training. Anschließend gemeinsames Frühstück im Hotel. Dann Kultur. Wünsche können geäußert werden.

Abends: Geselliges Beisammensein.

Fehlt nur noch Kuscheln.

Freitag ist Startnummernausgabe. Samstag „mentale Vorbereitung“ auf den Lauf.

Sonntag 6 h Frühstück.

6.30 h Taxi zum Shuttle-Bus.

Nicht soweit denken.

Tag für Tag.

Heute Abend: Überraschung!

Ich mag keine Überraschungen. Besonders, wenn sie keine sind.

Soll ich raten?

Ein paar neue Worte: Ascensore. Estintore. Uscita di sicurezza.

Schöne Sprache.

23.23h. 331.

AB INITIO ERAT BIRRA

Die erwartete Überraschung. Günter hat‘s uns übersetzt. Er ist Lateiner, Lehrer an einem Gymnasium in Wilmersdorf. Laufen gegen den Burn-out.

AM ANFANG WAR DAS BIER

Am Ende auch. Dazwischen Karl in Höchstform.

Ist mir ein Rätsel, wie der Mann das macht: Saufen und Laufen. Übungssache?

Jedenfalls war er bester Laune – und spendabel. Er hat die erste Runde übernommen. Wahrscheinlich damit wir ihm aus Dankbarkeit zuhören. Wieder mal sein Erweckungserlebnis: New York-Marathon.

„Gänsehautfeeling.“

Ich weiß nicht, wie oft er uns die Geschichte schon erzählt hat. In den drei Monaten, seit ich dabei bin. Er scheint davon zu zehren. Aber gut, es war bestimmt ein prägendes Erlebnis.

42,125 Km durch New York. Er erzählt das auch sehr plastisch.

Besonders beeindruckend: die hundert Meter lange Pinkelrinne vor dem Start auf Staten Island. Wie ein Fotograf seinen „Pullermann“ ungefragt und ungeniert beim Pinkeln abgelichtet hat.

„Das Foto hängt jetzt im MOMA.“

Da kriegt er immer seinen Lacher. Wir wissen, was sich gehört.

Wir schenken ihm unsere andächtig-staunenden Gesichter, wenn er den Startschuss knallen lässt (die Kellner haben irritiert geguckt!).

Tausende Luftballons und Hubschrauber in der Luft, die Sirenen und Fontänen der Feuerlöschbote auf dem Hudson. Der Jubel der 40000 kurzen Hosen beim Überqueren des Hudson, vorneweg ein Trupp Marines mit Stars & Stripes.

„Im Gleichschritt.“

Von Brooklyn rüber nach Manhattan. Die endlose First Avenue.

Dann Harlem und – kurze, dramatische Sprechblasen-Pause und atemlose Spannung um den Biertisch: „Plötzlich so ein Ziehen in der linken Wade.“

Der erste Krampf bei Kilometer 26.

„Trinken Männer, trinken, trinken!“

Was wir dann auch taten – während Karl sich noch von Waden-Krämpfen geschüttelt bis in den Central Park quälte. Wie ihn dann, als er endlich das Ziel vor sich sieht, noch einmal die Euphorie packt, ihm Flügel verleiht und über die Ziellinie trägt. Karl der Adler. Völlig erschöpft, aber überglücklich.

„Ihr werdet es erleben!“

Karl behauptet, wir werden andere Menschen sein, wenn wir den Berlin-Marathon „bestanden“ haben. Für ihn ist das eine Prüfung fürs Leben.

Sowas wie das Überschreiten einer Grenzmarkierung. Danach ist man praktisch ein neuer Mensch.

Will ich das überhaupt: ein anderer Mensch werden?

Was heißt das denn, dass man alles vergisst, was davor gewesen ist?

Weil man 42 Kilometer gelaufen ist, durchgehalten hat, den inneren Schweinehund besiegt hat? Dass man das Gefühl hat: Ab jetzt kann ich alles schaffen? Wie lange hält das vor, wie viele Kilometer?

Ich weiß ja nicht mal, ob ich die 21 schaffen werde.

Karl ist NY in 3:51 h gelaufen. Keine üble Zeit. Seine Story zu erzählen, hat fast genauso lang gedauert. Man erkennt den Versicherungsagenten. Egal. Er braucht das und uns tut es nicht weh. Der Samurai erduldet.

Ohne King-Karl wären wir nicht hier. Und er hat Vorsprungwissen.

Er ist der einzige von uns, der schon Marathon gelaufen ist. Mehrere.

Berlin schon drei Mal. Für uns anderen wird es das erstes Mal sein.

Triest ist die Generalprobe. Eine halbe sozusagen.

Also hingen wir an seinen Lippen und am selbstgebrauten Bier. Im Ristorante Birreria Forst. So eine Art Hofbräuhaus auf Triestinisch. Birra Bionda und deftige Küche mit slawisch-österreichischem Einschlag.

Triest gehörte wohl lange zu Österreich. Das kleine Wien an der Adria.

Der Hafen von Austria. Kann man sich gar nicht mehr vorstellen.

Österreich am Meer.

Von der Stadt hab ich noch nicht viel gesehen. Es regnet noch immer.

Aber wir sind über diesen gewaltig-weiten Platz gekommen, an dem das imposante Rathaus steht. Mit einem Glockenspiel im Turm. Und Ausblick aufs Meer. Beeindruckend. Das Wohnzimmer der Stadt (laut Reiseführer). Rechteckige Anlage. Eingefriedet von weiteren Prachtbauten. Einer davon ist der Stammsitz „meiner“ Generali. (Von der mir Karl übrigens abgeraten hat. Er versucht es halt doch.)

Unten drin ist ein riesiges Edel-Café. Die wissen schon was gut tut: ein schneller Espresso zwischen zwei Versicherungspolicen.

Eben hatte ich drei Halbe. Und das letzte Schnitzel vor dem Lauf.

Ab Morgen nur noch Pasta!

Basta!

3 Bier à 0,5 Liter in 3 Stunden bei 13% Alkohol = ein unerwartet netter Einstand in Triest.

Was steht morgen auf dem Plan?

7 h Wecken. 7.30h Training. Was heißt Schinderei auf Italienisch?

23.58h.

Buona Notte.

Ich wünschte, du wärst hier.

È la vita

Подняться наверх