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6. Wir haben euch was mitgebracht (Hass! Hass! Hass!)

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JOURNALISTIN Nehmen wir Thomás. Thomás aus Prag, 19 Jahre alt. Thomás ist Rom. Weil das die Hälfte der Leute hier nicht versteht, sag ichs klarer: Thomás gehört Europas größter Minderheit an, den Roma. Richtig ausgesprochen heißt es Roma, gerolltes R, kurzes O. Rom heißt Mensch. Noch Fragen? Also Thomás ist aus Prag. Als Thomás sechs Jahre alt ist, wird er zur Schuluntersuchung gebeten... Thomás' Eltern sitzen mit ihm auf der Wartebank im Gesundheitsamt. Sie sehen zu wie die Kinder anderer Eltern vorgelassen werden. Nach drei Stunden ist Thomás dran. Die Amtsärztin sagt: Lies das, mal hier mal was hin, mach das, drück aufs Knöpfchen, wenn du das Fiepen nicht mehr hörst, und husten. Wenn die Amtsärztin mit Thomás' Eltern spricht, klingt das genauso als würde sie mit Thomás sprechen. Wahrscheinlich geht sie davon aus, dass sie die Sprache nicht verstehen. Thomás' Vater sagt nichts. Er nickt. Er starrt auf das Papier, das sie nach der Untersuchung herausholt, er hypnotisiert den Stift, mit dem sie zum Schreiben ansetzt. Er will diese Stelle aus dem Papier verbannen, weg, weg, weg, verschwinde, du Stelle, geh in verdammte Flammen auf. Es hilft nichts. Die Amtsärztin macht ihr Kreuzchen, wo sie es bei allen seinen Kindern gemacht hat, warum sollte es bei Thomás anders sein. Nur weil Thomás seinen Geschwistern intelligenzmäßig jetzt schon überlegen ist, weil er jetzt schon schneller rechnet als sein drei Jahre älterer Bruder, nur weil er in ein paar Jahren seinem eigenen Vater meilenweit überlegen sein wird, heißt das noch lange nicht, dass er nicht auf eine Schule für geistig Behinderte kommt. Er kommt auf die Schule, auf die sie alle kommen, fertig aus, mehr hab ich dazu nicht zu melden.

Furcht und Ekel. Das Privatleben glücklicher Leute

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