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KAPITEL ZWEI

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Blind. Kalt. Brausend, ohrenbetäubend, drängend, schmerzend.

Das Erste, was Reid bemerkte, als er aufwachte, war, dass die Welt schwarz war – er konnte nichts sehen. Der beißende Geruch von Benzin füllte seine Nase. Er versuchte seine pochenden Glieder zu bewegen, aber seine Hände waren hinter seinem Rücken zusammengebunden. Ihm war kalt, aber es gab keine Brise; nur kalte Luft, so als würde er in einem Kühlschrank sitzen.

Langsam, wie durch einen Nebel, kehrten die Erinnerungen an das, was passiert war, zu ihm zurück. Die drei Männer aus dem Nahen Osten. Der Sack über seinem Kopf. Die Nadel in seinem Arm.

Er verfiel in Panik, zerrte an seinen Fesseln und schüttelte seine Beine. Schmerz schoss durch seine Handgelenke, von der Stelle, wo sich das Metall der Handschellen in seine Haut grub. Sein Fußgelenk pulsierte und sendete Schockwellen sein linkes Bein hinauf. Er hatte einen starken Druck in seinen Ohren und konnte nichts hören, nichts außer einem laufenden Motor.

Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er in seinem Bauch das Gefühl zu fallen – ein Resultat negativer Vertikalbeschleunigung. Er befand sich in einem Flugzeug. Und dem Klang nach zu urteilen, war dies kein gewöhnliches Passagierflugzeug. Das Dröhnen, der extrem laute Motor, der Geruch von Benzin … Er realisierte, dass er sich in einem Frachtflugzeug befinden musste.

Wie lange war er bewusstlos gewesen? Was hatten sie ihm gespritzt? Waren die Mädchen sicher? Die Mädchen. Tränen schossen ihm in die Augen, als er entgegen aller Hoffnung trotzdem hoffte, dass sie sicher waren, dass die Polizei genug von seiner Nachricht gehört hatte und die Behörden zu seinem Haus geschickt wurden …

Er rutschte auf seinem Metallsitz umher. Trotz der Schmerzen und der Heiserkeit in seinem Hals versuchte er zu sprechen.

„H-Hallo?“ Es kam als ein kaum hörbares Flüstern heraus. Er räusperte sich und versuchte es noch mal. „Hallo? Irgendjemand …?“ Er bemerkte dann, dass der Lärm des Motors ihn für jeden, der nicht direkt neben ihm saß, unhörbar machen würde. „Hallo!“, versuchte er zu rufen. „Bitte … kann mir jemand sagen, was –“

Eine schroffe männliche Stimme zischte ihn auf Arabisch an. Reid schreckte zurück; dieser Mann war nach nicht mal einen Meter von ihm entfernt.

„Bitte, sagen Sie mir einfach, was vor sich geht“, bettelte er. „Was passiert hier? Warum tun Sie das?“

Eine andere Stimme rief drohend etwas auf Arabisch, dieses Mal auf seiner rechten Seite. Reid zuckte wegen der scharfen Zurechtweisung zusammen. Er hoffte, dass das Rütteln des Flugzeugs den Fakt verbarg, dass seine Glieder zitterten.

„Sie haben die falsche Person“, sagte er. „Was wollen Sie? Geld? Ich habe nicht viel, aber ich kann – Moment!“ Eine starke Hand schloss sich mit festem Griff um seinen Oberarm und einen kurzen Moment später wurde er aus seinem Sitz gerissen. Er taumelte, versuchte zu stehen, aber das Schwanken des Flugzeugs und der Schmerz in seinem Fußgelenk besiegten ihn. Seine Knie gaben nach und er fiel auf die Seite.

Etwas Hartes und Schweres traf ihn in der Körpermitte. Schmerz zog sich wie ein Spinnennetz durch seinen Oberkörper. Er versuchte zu protestieren, aber seine Stimme kam nur als unverständliches Schluchzen heraus.

Ein anderer Stiefel trat ihn in den Rücken. Noch einer, dieses Mal ins Kinn.

Trotz der grauenvollen Situation kam Reid ein bizarrer Gedanke. Diese Männer, ihre Stimmen, die Schläge wiesen alle auf einen persönlichen Rachefeldzug hin. Er fühlte sich nicht nur angegriffen. Er fühlte sich verabscheut. Diese Männer waren wütend – und ihre Wut richtete sich gegen ihn wie der Lichtpunkt eines Lasers.

Langsam ließ der Schmerz nach und machte Platz für eine kalte Taubheit, die seinen Körper überkam, als er bewusstlos wurde.


*


Schmerz. Scharf, pochend, schmerzend, brennend.

Reid wachte wieder auf. Die Erinnerungen an die Vergangenheit … er wusste nicht einmal, wie lange es gewesen war und auch nicht, ob es Tag oder Nacht war und wo er sich befand, dass es Tag oder Nacht sein könnte. Aber die Erinnerungen kamen wieder, unzusammenhängend, wie einzelne Aufnahmen, die aus einem Film geschnitten und auf dem Boden liegengelassen worden waren.

Drei Männer.

Der Notrufkasten.

Der Transporter.

Das Flugzeug.

Und jetzt …

Reid traute sich die Augen zu öffnen. Es war schwer. Seine Lieder fühlten sich an, als wären sie zusammengeklebt. Hinter der dünnen Haut konnte er sehen, dass es ein helles, grelles Licht auf der anderen Seite gab. Er konnte dessen Hitze auf seinem Gesicht fühlen und das Netzwerk der winzigen Kapillaren durch seine Lider erkennen.

Er blinzelte. Alles was er sehen konnte, war dieses gnadenlose Licht, hell und weiß, welches sich in seinen Kopf brannte. Gott, sein Kopf tat weh. Er versuchte zu stöhnen und bemerkte durch einen plötzlichen Stoß erneuter Schmerzen, dass sein Kiefer ebenfalls wehtat. Seine Zunge fühlte sich fett und trocken an und er hatte einen metallenen Geschmack im Mund. Blut.

Seine Augen, wie er dann bemerkte – waren so schwer zu öffnen gewesen, weil sie in der Tat zusammengeklebt waren. Die Seite seines Gesichts fühlte sich heiß und klebrig an. Blut war seine Stirn hinunter und in seine Augen gelaufen, zweifellos von den unnachgiebigen Tritten, die zur Bewusstlosigkeit im Flugzeug geführt hatten.

Aber er konnte das Licht sehen. Der Sack war von seinem Kopf entfernt worden. Ob das gut oder schlecht war, blieb abzuwarten.

Als sich seine Augen langsam eingewöhnten, versuchte er wieder verzweifelt, seine Hände zu bewegen. Sie waren noch immer zusammengebunden, aber dieses Mal nicht mit Handschellen. Dicke, raue Seile hielten sie an Ort und Stelle. Seine Fußgelenke waren ebenfalls an die Beine eines hölzernen Stuhls gebunden.

Endlich hatten sich seine Augen an das grelle Licht gewöhnt und es formten sich vage Umrisse. Er befand sich in einem kleinen fensterlosen Raum mit unebenen Betonwänden. Es war heiß und stickig, genug dass sich Schweißperlen auf der Rückseite seines Nackens bildeten und doch fühlte sich sein Körper kalt und teilweise taub an.

Er konnte sein rechtes Auge nicht vollständig öffnen und es brannte, wenn er es versuchte. Entweder war er dort getreten worden oder seine Entführer hatten ihn weiter geschlagen, während er bewusstlos war.

Das grelle Licht kam von einer Verhörlampe auf einem hohen, dünnen Gestell auf Rädern, die so eingestellt war, dass sie auf sein Gesicht hinunter schien. Die Halogenleuchte war unerbittlich. Wenn es irgendetwas hinter dieser Lampe gab, konnte er es nicht sehen.

Er zuckte zusammen, als ein schweres Geräusch durch den kleinen Raum hallte – das Geräusch eines Riegels, der zur Seite geschoben wurde. Türangeln knarrten, aber Reid konnte keine Tür sehen. Sie schloss sich mit einem dissonanten Klang.

Eine Silhouette blockierte das Licht und warf einen Schatten auf ihn, als sie über ihm stand. Er zitterte und traute sich nicht aufzuschauen.

„Wer sind Sie?“ Die Stimme war männlich, etwas höher, als die seiner vorherigen Entführer, aber noch immer mit einem Akzent des Nahen Ostens.

Reid öffnete seinen Mund, um zu sprechen – um ihnen zu sagen, dass er nichts mehr war als ein Geschichtsprofessor, dass sie den falschen Mann hatten – aber er erinnerte sich schnell an das letzte Mal, als er dies versucht hatte und dafür bis zur Gefügigkeit getreten wurde. Stattdessen entfloh seinen Lippen ein kleines Wimmern.

Der Mann seufzte und entfernte sich vom Licht. Etwas kratzte über den Betonboden; die Beine eines Stuhls. Der Mann stellte die Lampe so ein, dass sie leicht von Reid weg leuchtete und setzte sich dann ihm gegenüber auf den Stuhl, so dass sich ihre Knie fast berührten.

Reid sah langsam auf. Der Mann war jung, höchstens dreißig, mit dunkler Haut und einem sauber getrimmten schwarzen Bart. Er trug eine runde silberne Brille und eine weiße Kufi, eine randlose, runde Kappe.

Hoffnung machte sich in Reid breit. Dieser junge Mann schien ein Intellektueller zu sein, nicht wie die Barbaren, die ihn angegriffen und ihn aus seinem Haus gerissen hatten. Vielleicht konnte er mit diesem Mann verhandeln. Vielleicht hatte er hier das Sagen …

„Wir werden einfach anfangen“, sagte der Mann. Seine Stimme war sanft und ruhig, die Art, wie ein Psychologe mit einem Patienten sprechen würde. „Wie lautet Ihr Name?“

„L … Lawson.“ Seine Stimme versagte beim ersten Versuch. Er hustete und war leicht besorgt, als er die Flecken von Blut auf dem Boden sah. Der Mann vor ihm zog angewidert seine Nase in Falten. „Mein Name ist … Reid Lawson.“ Warum fragten sie immer wieder nach seinem Namen? Den hatte er ihnen doch schon gesagt. Hatte er unwissentlich irgendjemandem etwas getan?

Der Mann schniefte langsam durch seine Nase ein und aus. Er stützte sich mit seinen Ellbogen auf seine Knie und lehnte sich vor, wobei er seine Stimme noch weiter senkte. „Es gibt eine Menge Leute, die in diesem Moment gerne in diesem Raum wären. Zum Glück für Sie, sind es nur Sie und ich. Wie dem auch sei, wenn Sie nicht ehrlich mit mir sind, habe ich keine andere Wahl, als die Anderen auch einzuladen. Und die haben nicht so viel Mitgefühl wie ich.“ Er setzte sich aufrecht. „Also ich frage Sie noch mal. Wie … lautet … Ihr … Name?“

Wie konnte er ihn davon überzeugen, dass er, er selbst war. Reids Herzschlag verdoppelte sich im Tempo, als ihm plötzlich etwas klar wurde. Es war sehr gut möglich, dass er in diesem Raum starb. „Ich sage Ihnen die Wahrheit!“, versicherte er. Und plötzlich flossen die Worte wie ein Schwall aus seinem Mund. „Mein Name ist Reid Lawson. Bitte sagen Sie mir einfach nur, warum ich hier bin. Ich weiß nicht, was hier passiert. Ich habe nichts getan –“

Der Mann schlug Reid mit der Rückseite seiner Hand über den Mund. Sein Kopf flog in die andere Richtung. Er keuchte, als er den Stich seiner frisch aufgeplatzten Lippe spürte.

„Ihr Name.“ Der Mann wischte Blut von seinem goldenen Ring an der Hand.

„Ich h-habe es Ihnen gesagt“, stammelte er. „M-Mein Name ist Lawson.“ Er verschluckte sich an einem Schluchzen. „Bitte.“

Er wagte es aufzusehen. Sein Vernehmer starrte ihn passiv und kalt an. „Ihr Name.“

„Reid Lawson!“ Reid fühlte Hitze in sein Gesicht aufsteigen, als sich der Schmerz langsam in Wut umwandelte. Er wusste nicht, was er sonst sagen sollte, was sie von ihm hören wollten. „Lawson! Es ist Lawson! Sie können meinen … meinen …“ Nein, sie konnten seinen Ausweis nicht prüfen. Er hatte seine Brieftasche nicht bei sich gehabt, als die drei muslimischen Männer ihn entführt hatten.

„Na, na, na!“, sagte sein Vernehmer missbilligend und schlug seine knochige Faust in Reids Solarplexus. Wieder wurde die Luft aus seinen Lungen heraus gezwungen. Für eine ganze Minute lang konnte Reid nicht einatmen; dann kam endlich das schmerzverzerrte Keuchen. Seine Brust brannte heiß. Schweiß tropfte von seinen Wangen und brannte auf seiner aufgeplatzten Lippe. Sein Kopf hing schlaff, sein Kinn zwischen den Schlüsselbeinen und er kämpfte gegen eine Welle der Übelkeit an.

„Ihr Name“, wiederholte der Vernehmer ruhig.

„Ich … Ich weiß nicht, was Sie von mir hören wollen“, flüsterte Reid. „Ich weiß nicht, wonach Sie suchen. Aber ich bin es nicht.“ Verlor er den Verstand? Er war sich sicher, er hatte nichts getan, was eine derartige Behandlung verdiente.

Der Mann mit der Kufi lehnte sich wieder nach vorn, dieses Mal hob er Reids Kinn langsam mit zwei Fingern hoch. Er hob seinen Kopf und zwang Reid, ihm in die Augen zu sehen. Seine dünnen Lippen formten ein halbes Lächeln.

„Mein Freund“, sagte er, „das hier wird erst sehr viel schlimmer werden, bevor es besser wird.“

Reid schluckte und hatte wieder den metallenen Geschmack in seinem Hals. Er wusste, dass Blut ein Brechmittel war; fünfhundert Milliliter davon und er würde sich übergeben müssen, ihm war bereits jetzt übel und schwindlig. „Hören Sie mir zu“, flehte er. Seine Stimme klang furchtsam und ängstlich. „Die drei Männer, die mich entführt haben, sie kamen zu meinem Haus in der Ivy Lane 22. Mein Name ist Reid Lawson. Ich bin ein Professor für europäische Geschichte an der Columbia Universität. Ich bin ein Witwer mit zwei Teen …“ Er stoppte sich. Bislang hatten seine Entführer noch kein Zeichen verlauten lassen, dass sie über seine Mädchen Bescheid wussten. „Wenn das nicht ist, wonach Sie suchen, kann ich Ihnen nicht helfen. Bitte. Das ist die Wahrheit.“

Der Vernehmer starrte ihn für einen langen Moment, ohne zu blinzeln an. Dann bellte er etwas Kurzes auf Arabisch. Reid zuckte wegen des plötzlichen Ausbruchs zusammen.

Der Riegel an der Tür bewegte sich wieder. Hinter der Schulter des Mannes konnte Reid den Umriss der dicken Tür erkennen, als sie sich öffnete. Sie schien aus irgendeiner Art Metall gemacht zu sein, Eisen oder Stahl.

Dieser Raum, wie er dann bemerkte, war als Gefängniszelle gebaut.

Eine Silhouette erschien im Türrahmen. Der Vernehmer rief noch etwas in seiner Muttersprache und die Silhouette verschwand. Er grinste Reid an. „Das werden wir sehen“, sagte er schlicht.

Es gab ein verräterisches Quietschen von Rädern und die Silhouette tauchte wieder auf. Dieses Mal schob sie einen Stahlwagen in den kleinen Betonraum. Reid erkannte den Transporteur als den stillen, massigen Brutalo, der zu seinem Haus gekommen war. Er hatte noch immer den gleichen finsteren Blick.

Auf dem Wagen befand sich eine altertümliche Maschine, ein brauner Kasten mit dutzenden Knöpfen und Reglern und dicken schwarzen Kabeln, die in die Seite gesteckt waren. Auf der anderen Seite sah man eine Rolle mit weißem Papier mit vier Nadeln, die dagegen pressten.

Es war ein Polygraf – wahrscheinlich fast so alt wie Reid selbst, aber trotzdem ein Lügendetektor. Er atmete ein halb erleichtertes Seufzen. Zumindest würden sie wissen, dass er die Wahrheit sagte.

Was sie hinterher mit ihm tun würden … darüber wollte er lieber nicht nachdenken.

Der Vernehmer schickte sich an, die Sensoren mit Klettband an zwei von Reids Fingern zu befestigen, eine Manschette um seinen linken Oberarm zu wickeln und zwei Kabel um seine Brust zu legen. Er setzte sich wieder, zog einen Bleistift aus seiner Tasche und steckte sich das Ende mit dem Radiergummi in den Mund.

„Sie wissen, was das ist“, sagte er schlicht. „Sie wissen, wie es funktioniert. Wenn Sie irgendetwas anderes sagen, als die Antworten auf meine Fragen, werden wir Ihnen wehtun. Haben Sie das verstanden?“

Reid nickte einmal. „Ja.“

Der Vernehmer legte einen Schalter um und drehte an den Reglern der Maschine. Der finster aussehende Brutalo stand hinter ihm, blockierte das Licht von der Verhörlampe und starrte Reid an.

Die dünnen Nadeln tanzten leicht auf der Rolle des weißen Papiers und hinterließen vier schwarze Spuren. Der Vernehmer markierte das Blatt mit einem Gekritzel und richtete dann seinen kalten Blick zurück auf Reid. „Welche Farbe hat mein Hut?“

„Weiß“, antwortete Reid ruhig.

„Welcher Spezies gehören Sie an?“

„Mensch.“ Der Vernehmer erstellte eine Basislinie für die nachfolgenden Fragen – für gewöhnlich vier bis fünf bekannte Wahrheiten, damit er danach potenzielle Lügen aufdecken konnte.

„In welcher Stadt wohnen Sie?“

„New York.“

„Wo befinden Sie sich jetzt?“

Reid spottete fast: „Auf einem … auf einem Stuhl. Ich weiß es nicht.“

Sein Vernehmer markierte das Papier wieder. „Wie lautet Ihr Name?“

Reid versuchte sein bestes, seine Stimme ruhig zu halten. „Reid. Lawson.“

Alle drei blickten auf die Maschine. Die Nadeln liefen ungestört weiter; es gab keine signifikanten Höhen oder Tiefen in den gekritzelten Linien.

„Was ist Ihr Beruf?“, fragte der Vernehmer.

„Ich bin ein Professor für europäische Geschichte an der Columbia Universität.“

„Wie lange sind Sie schon ein Universitätsprofessor?“

„Dreizehn Jahre“, antwortete Reid wahrheitsgemäß. „Ich war für fünf Jahre ein Assistenzprofessor und für weitere sechs Jahre ein außerordentlicher Professor in Virginia. Seit zwei Jahren bin ich Dozent in New York.“

„Waren Sie jemals in Teheran?“

„Nein.“

„Waren Sie jemals in Zagreb?“

„Nein!“

„Waren Sie jemals in Madrid?“

„N – ja. Einmal, ungefähr vor vier Jahren. Ich war dort zu einem Gipfeltreffen im Auftrag der Universität.“

Die Nadeln blieben ruhig.

„Sehen Sie es nicht?“ So sehr Reid auch brüllen wollte, er zwang sich ruhig zu bleiben. „Sie haben die falsche Person. Nach wem auch immer Sie suchen, ich bin es nicht.“

Die Nasenflügel des Vernehmers weiteten sich, aber sonst gab es keine Reaktion. Der Brutalo faltete seine Hände, seine Venen waren deutlich unter seiner Haut zu sehen.

„Haben Sie jemals einen Mann namens Scheich Mustafar getroffen?“, fragte der Vernehmer.

Reid schüttelte seinen Kopf. „Nein.“

„Er lügt!“ Ein großer dünner Mann kam in den Raum – einer der beiden anderen Männer, die ihn in seinem Haus angegriffen hatten, der gleiche, der ihn zuerst nach seinem Namen gefragt hatte. Er kam mit langen Schritten herein, sein feindlicher Blick war auf Reid gerichtet. „Diese Maschine kann überlistet werden. Wir wissen das.“

„Es würde irgendein Zeichen geben“, antwortete der Vernehmer ruhig. „Körpersprache, Schwitzen, Vitalwerte … alles hier deutet darauf hin, dass er die Wahrheit sagt.“ Reid kam nicht umhin zu denken, dass sie zu seinen Gunsten Englisch sprachen.

Der große Mann drehte sich weg und lief im Betonraum auf und ab, während er wütend etwas auf Arabisch murmelte. „Frage ihn nach Teheran.“

„Das habe ich“, antwortete der Vernehmer.

Der großgewachsene Mann drehte sich wütend zu Reid um. Reid hielt die Luft an und wartete darauf, wieder geschlagen zu werden.

Stattdessen ging der Mann weiter auf und ab. Er sagte kurz etwas auf Arabisch. Der Vernehmer antwortete. Der Brutalo starrte Reid an.

„Bitte!“, sagte er laut, um ihre Unterhaltung zu übertönen. „Ich bin nicht der, für den Sie mich halten. Ich habe keine Erinnerung an irgendetwas, was Sie mich fragen …“

Der großgewachsene Mann verstummte und riss plötzlich seine Augen weit auf. Er schlug sich fast selbst gegen die Stirn und sprach dann aufgeregt mit dem Vernehmer. Der passive Mann mit der Kufi strich sich übers Kinn.

„Möglich“, sagte er in Englisch. Er stand auf und nahm Reids Kopf zwischen seine beiden Hände.

„Was soll das? Was machen Sie da?“, fragte Reid. Die Fingerspitzen des Mannes suchten langsam seine Kopfhaut ab.

„Ruhe“, sagte der Mann schlicht. Er testete Reids Haaransatz, seinen Nacken, seine Ohren – „Ah!“, sagte er endlich. Er plapperte wieder auf Arabisch mit seinen Kollegen, die hinüberkamen und Reids Kopf gewalttätig auf eine Seite drückten.

Der Vernehmer ließ seinen Fingern über Reids linken Warzenfortsatz gleiten, der kleine Abschnitt des Schläfenbeins, direkt hinter dem Ohr. Dort gab es eine längliche Beule unter der Haut, kaum größer als ein Reiskorn.

Der Vernehmer bellte den großgewachsenen Mann an und der verschwand schnell aus dem Raum. Reids Hals schmerzte von dem seltsamen Winkel, in dem sie seinen Kopf festhielten.

„Was? Was ist los?“, fragte er.

„Diese Beule hier“, sagte der Vernehmer und ließ seinen Finger wieder darüber gleiten. „Was ist das?“

„Es ist … es ist ein Knochensplitter“, sagte Reid. „Ich habe ihn seit einem Autounfall in meinen Zwanzigern.“

Der großgewachsene Mann kam schnell wieder. Dieses Mal mit einem Plastiktablett. Er stellte es auf den Wagen neben den Lügendetektor. Trotz des gedämmten Lichts und dem merkwürdigen Winkel seines Kopfs konnte Reid klar sehen, was sich auf dem Tablett befand. Angst schnürte ihm die Kehle zu.

Auf dem Tablett lag eine Reihe scharfer, silberner Werkzeuge.

„Wofür sind die?“ Seine Stimme war panisch. Er wand sich in seinen Fesseln. „Was machen Sie da?“

Der Vernehmer gab eine kurze Anweisung an den Brutalo. Der trat vorwärts und das plötzlich grelle Licht der Verhörlampe ließ Reid fast erblinden.

„Warten Sie … Warten Sie!“, schrie er. „Sagen Sie mir einfach, was Sie wissen wollen.“

Der Brutalo griff Reids Kopf mit seinen großen Händen und hielt ihn fest, zwang ihn stillzuhalten. Der Vernehmer wählte ein Werkzeug – ein Skalpell mit dünnem Messer.

„Bitte nicht … Bitte nicht …“, Reids Atmung war kurz und keuchend. Er hyperventilierte fast.

„Schhh“, sagte der Vernehmer ruhig. „Sie werden stillhalten wollen. Ich möchte nicht gerne Ihr Ohr abschneiden. Zumindest nicht aus Versehen.“

Reid schrie, als das Messer die Haut hinter seinem Ohr aufschlitzte, aber der Brutalo hielt ihn ruhig. Jeder Muskel in seinen Gliedmaßen war angespannt.

Ein seltsamer Klang erreichte seine Ohren – eine sanfte Melodie. Der Vernehmer sang ein arabisches Lied, während er Reids Kopf aufschnitt.

Er ließ das blutige Skalpell auf das Tablett fallen, während Reid kurzatmig durch seine zusammengebissenen Zähne Luft holte. Dann griff der Vernehmer nach einer Nadelzange.

„Ich befürchte, das war nur der Anfang“, flüsterte er in Reids Ohr. „Der nächste Teil wird wirklich wehtun.“

Die Zange griff etwas in Reids Kopf – war es sein Knochen? – und der Vernehmer zog. Reid schrie mit Höllenqualen, als der unermessliche Schmerz durch sein Gehirn schoss und in den Nervenenden pulsierte. Seine Arme zitterten. Seine Füße traten gegen den Boden.

Der Schmerz wurde stärker und stärker, bis Reid dachte, er konnte auf keinen Fall mehr ertragen. Blut rauschte in seinen Ohren und seine eigenen Schreie klangen, als wären sie weit weg. Dann dimmte sich das Licht der Verhörlampe und alles um ihn wurde dunkel, als er langsam in die Bewusstlosigkeit sank.

Agent Null

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