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Vorbemerkung der Autorin zur deutschen Ausgabe
ОглавлениеKleine Notiz zur Organisation der französischen Polizei in den Jahren 1985 – 86 für akribische Leser. Die Lektüre ist nicht obligatorisch für Leute, die sich einfach nur gern dem Rhythmus eines Romans hingeben.
Mit der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Gesamtheit der Polizeiaufgaben sind 1985 zwei große staatliche Organe betraut, die Polizei und die Gendarmerie.
Die Gendarmerie ist Teil der französischen Streitkräfte und untersteht dem Verteidigungsministerium. Sie übernimmt polizeiliche Aufgaben im ländlichen Raum und in Städten mit unter 10 000 Einwohnern. Allerdings hat sich ihr Zuständigkeitsbereich stetig erweitert. So wurden zum einen Fahndungsabteilungen gegründet, die in Zusammenarbeit mit den zuständigen Richtern Ermittlungen durchführen und dieselben Kompetenzen und Rechte haben wie die Kriminalpolizei; zum anderen die GIGN (Groupe d’Intervention de la Gendarmerie Nationale), ein sagenhaft trainiertes Elitecorps, das im Notstandsfall und bei besonderen Gefährdungslagen eingreift, z. B. Geiselnahme. Die GIGN befindet sich daher häufig in Konkurrenz zur Polizei.
Die Polizei, die aus zivilen Ordnungskräften besteht, ist dem Innenministerium unterstellt. Der Direction Générale de la Police Nationale unterstehen einzelne Direktionen mit unterschiedlichen Zuständigkeiten:
Die Direction de la Sûreté Publique (Direktion für öffentliche Sicherheit) befehligt die uniformierte Polizei, die im ganzen Staatsgebiet in Kommissariaten auf Stadt- und Stadtteilebene organisiert ist. Ihr obliegen alle allgemeinen Polizeiaufgaben. Noria Ghozali ist eine Berufsanfängerin, die einem solchen Kommissariat zugeteilt ist. Diese Polizisten führen bei Mordfällen den ›Ersten Angriff‹ durch, werden dann aber schnell von der Kriminalpolizei abgelöst.
Die Kriminalpolizei (DPJ, Direction de la Police Judiciaire) arbeitet bei allen Ermittlungen und Nachforschungen mit den zuständigen Richtern zusammen. Im gesamten Staatsgebiet ist sie in Regions- und Départements-Dienststellen unterteilt. Aber in Paris, und ausschließlich in Paris, gibt es innerhalb der Kriminalpolizei die sogenannten »grandes brigades«. (≈ große Dezernate), die am Quai des Orfèvres Nr. 36 beheimatet sind, dort, wo Maigret sein Büro hatte: die Brigade Criminelle (abgekürzt als Crim oder BC; Morddezernat), das Rauschgiftdezernat (les Stupéfiants), das Sittendezernat (les Mœurs), das Dezernat Finanzermittlungen (la Brigade Financière), das Dezernat für Fahndung und Intervention (la BRI, Recherches et Interventions, auch Brigade antigang) etc. Diese Dezernate bestehen aus hochqualifizierten und hochspezialisierten Mitarbeitern. Die Mitglieder der Crim gelten als die Intellektuellen der Polizei.
Im Roman tauchen zwei weitere Direktionen auf: die Direction des Renseignements Généraux (RG; immer Plural) (Zentraler Nachrichtendienst) und die Direction de la Surveillance du Territoire (DST) (Inlandsnachrichtendienst).
Die RG sind eine französische Besonderheit, eine Polizei ohne Vollstreckungsgewalt. Ihre Aufgabe ist die Recherche und Auswertung von Informationen mit dem Ziel, die Regierung über die großen Tendenzen der öffentlichen Meinung, über unlautere Machenschaften und kleine Fehltritte gewisser Persönlichkeiten und Gruppen zu unterrichten; eine besonders undurchsichtige und durchtriebene Organisation. Um das Chaos komplett zu machen, genießt die Pariser Abteilung der RG, die RGPP (Renseignements Généraux de la Préfecture de Police de Paris) weitgehende Autonomie. Es ist diese Abteilung, die Macquart leitet. Die RG haben außerdem eine Sektion »Rennen und Glücksspiele«. (Courses et Jeux), die die Rennbahnen, Kasinos und Spielhallen kontrolliert. Eine unerschöpfliche Quelle an Informationen und Mauscheleien.
Der Inlandsnachrichtendienst DST (Direction de la Surveillance du Territoire) ist zuständig für Spionageabwehr und Terrorismusbekämpfung innerhalb des Staatsgebiets, während die DGSE (Direction Générale de la Sécurité Extérieure), die für dieselben Aufgaben zuständig ist, jedoch außerhalb des Staatsgebiets, aus Militärs besteht und dem Verteidigungsministerium unterstellt ist.
Während der Präsidentschaft von François Mitterrand haben sich die Rivalitäten zwischen den verschiedenen Polizeiapparaten noch verschärft, denn der Präsident hegte – zu Recht oder zu Unrecht – großes Misstrauen gegen die Staatspolizei. Deshalb gründete er direkt im Élysée-Palast einen speziellen Sicherheitsstab, der im Prinzip für den persönlichen Schutz des Präsidenten verantwortlich war, und besetzte ihn mit Gendarmen des GIGN (siehe vorn), die ihm vertrauenswürdiger erschienen. Diese »cellule de l’Élysée« [im Roman: Antiterrorstab oder kurz Stab] agierte außerhalb jeglichen Rahmens und jeglicher Kontrolle, es sei denn durch den Präsidenten und bestimmte seiner Berater, und war binnen kurzem in alle möglichen Skandale verwickelt, angefangen mit der Fälschung von Beweismitteln in Terrorismusangelegenheiten bis hin zur Einrichtung eines großen geheimen Abhördienstes*.
In diesem morastigen Gelände ist Roter Glamour angesiedelt.
Dominique Manotti im Februar 2011
Wer mehr über diesen Hintergrund erfahren möchte, dem seien folgende Links empfohlen: www.spiegel.de/spiegel/print/d-8924011.html und www.spiegel.de/spiegel/print/d-8700841.html