Читать книгу Jhoseph und die Villeroy Lady - Doreen Brigadon - Страница 6
ОглавлениеDer „ERSTE“ Tag
Es war schon später Freitagabend, als ich eintraf. Ein Mädchen, wahrscheinlich das Zimmermädchen, das sich als Doris vorstellte, zeigte mir mein Zimmer im Nebenhaus.
„Die gnädige Frau erwartet Sie morgen pünktlich um 8 Uhr in ihrem Büro.“
Ich bedankte mich und fiel auch bald ins Bett. Also dürfte der ‚gnädige Herr‘ derzeit nicht zu Hause sein, darum durfte ich mich bei der ‚gnädigen Frau‘ mal vorstellen. Auf dem Vertrag, bei der Adresse des Arbeitgebers stand nur ‚Firma Voss‘.
Ich wurde pünktlich um 7 Uhr wach. Holte noch einige Sachen von meinem Auto rein, duschte, zog einen guten Anzug an und ging in das Haupthaus. Doris erwartete mich schon. Sie sah mich geringschätzig an. Behielt aber ihre Meinung für sich. Was auch besser war für sie.
„Gnädige Frau! Der Chauffeur ist hier“, meldete sie mich an.
Ich trat ein und sagte laut: „Guten Morgen!“
„Nicht so laut! Oder wollen Sie Tote aufwecken?“
Ich dachte noch, was daran bitte laut gewesen sein sollte. Aber dann verschlug es mir die Sprache. Die Frau, die vom Schreibtisch aufstand, war keine andere als die Frau, die bei dem Anwalt gesessen hatte. Heute hatte sie Rock und Bluse an. Beim Anwalt einen Hosenanzug. Also waren sie und ihr Mann meine neuen Chefs.
„Guten Morgen“, sagte sie und reichte mir ihre Hand, „Ich hoffe, Sie hatten eine gute Fahrt und eine ruhige Nacht?“
„Ja, danke, es ging alles gut, und die Fahrt war angenehm, nur lang.“
Dann setzten wir uns in die Sitzecke.
„Hier ist die Adresse von meinem Schneider.“
Ich fragte mich noch, was ich mit der Adresse ihres Schneiders sollte, bis sie weitersprach!
„Dort fahren Sie heute noch hin. Sie sind schon angemeldet. Er wird Ihnen hoffentlich einen passenden Anzug geben können. Er wird dann noch Maß nehmen und einen, nein, eigentlich mehrere, für Sie nach Maß anfertigen. Dann kommen Sie wieder zurück, und Rudolf, mein Butler, wird Ihnen dann die Garage mit den Autos zeigen und Sie unterweisen. Das wäre vorläufig alles. Nach dem Mittagessen melden Sie sich wieder bei mir.“
Als wäre es ausgemacht, klopfte es an der Türe, und ein Mann trat ein. Zuerst dachte ich, es wäre der Herr des Hauses, doch er trug eine Butler Uniform.
„Rudolf, zeigen Sie bitte Herrn Vossner die Garage und wenn er vom Schneider wieder hier ist, dann auch die anderen Autos! Danke, das wäre es vorläufig.“
„Ich hätte noch eine Frage?“
Der Butler sah mich erschrocken an.
„Und die wäre?“, fragte sie überrascht.
„Wann lerne ich den Herrn des Hauses kennen?“
Der Butler hätte fast das Glas fallen gelassen. Sie schmunzelte etwas.
„Gar nicht!“, sagte sie und lächelte, „Es gibt nämlich keinen!“
Daraufhin drehte sie sich um und ging zum Schreibtisch. Ich war immer auf viel gefasst und ließ mir auch nichts anmerken, doch diesmal fiel mir fast die Kinnlade runter. Gut, dass sie es nicht mehr sah. Rudolf ging mit einem Glas und einem Teller hinter ihr her, stellte es hin und sie nahm sofort die Tablette und trank Wasser nach. Er hatte wahrscheinlich erwartet, dass sie verärgert wäre. Aber mir wurde nichts gesagt, außer dass ich den Mandanten erst hier kennen lernen würde.
‚Kopfschmerzen?‘ dachte ich mir, ‚Gestern zu viel getrunken?‘
Normalerweise hätte ich schon etwas gesagt, aber diesmal war ich in angestellter Position und nicht Chef. Ich musste mich sehr zusammenreißen, um nichts zu sagen. Das war noch Neuland für mich und schon etwas ungewohnt und gewöhnungsbedürftig. Dann nahm der Butler das Geschirr sofort wieder mit und sagte zu mir, etwas von oben herab: „Folgen Sie mir bitte!“
Er stellte das Glas und den Teller auf einer Kommode ab und ging durch die Halle und einen langen Korridor entlang, bis zu einer versperrten Tür. Es war eine dicke Tür, ähnlich einer Brandschutztür.
„Hier hängt immer der Schlüssel zum Aufsperren“, sagte Rudolf und nahm den Schlüssel vom Haken runter und sperrte auf.
Wir kamen sofort in die Garage.
„Sie bekommen später für diese Tür, für die Eingangstüre und für das Nebenhaus noch die Schlüssel. Und hier muss jeder, der die Türe mit diesem Schlüssel zusperrt, ihn wieder dort aufhängen, damit man immer und zu jeder Zeit durchkann“, nahm von dem Schlüsselbord rechts einen Schlüssel und ging dann zu einem Mercedes.
„Mit diesem Auto dürfen Sie heute fahren, und immer, wenn sie es anordnet“, sagte er in einem etwas abwertenden Ton.
„Meistens werden Sie mit der Limousine fahren. Das Mercedes Cabriolet ist für Sie tabu. Wenn Sie damit fahren will, dürfen Sie es vorfahren, mehr jedoch nicht. Der Range Rover wird eher selten benutzt. Den sollten Sie hin und wieder, wenn Sie Zeit haben, bewegen, aber nur hier auf dem Gelände.“
Er sperrte die Tür vom Mercedes auf und drückte mir eine Fernbedienung in die Hand.
„Ich hoffe, Sie kennen sich mit so etwas aus. Der ist für das Eingangstor und die Garage. Die Adresse haben Sie ja und falls Sie bei privaten Fahrten einen Schaden machen, zahlen Sie dafür. Die Türe lasse ich noch offen, damit Sie nachher wieder rein können, und wieder zusperren!“
Mit diesem Satz ließ er mich stehen und verschwand. Ich sah ihm noch nach und dachte mir meinen Teil. Das war doch eine ganz andere Welt als die, die ich bisher kannte. Diesmal war ich … auf der anderen Seite.
Ich wurde schon ganz neugierig, was noch so kommen würde. Hielt die Fernbedienung zur Tür und wirklich sie ging auf. Danach stieg ich ins Auto und fuhr los. Das Garagentor ließ ich offen und fuhr die Auffahrt raus. Jetzt erst sah ich, wie groß das Anwesen war. Hinter mir im Spiegel sah ich das Herrenhaus. Ich fuhr zu der Adresse, die mir gegeben wurde. Gut, dass das Auto ein Navi hatte, und die Adresse war sogar schon gespeichert.
Ich wurde wirklich schon erwartet. Der Schneider, Herr Sebastian, so stellte er sich mir vor, nahm sofort Maß und sah sofort nach. Er hatte wirklich einen fast perfekten Anzug lagernd. Mit dem durfte ich auch gleich wieder abfahren und die anderen konnte ich Mittwoch, spätestens Donnerstag abholen. Er gab mir noch seine Nummer, damit ich ihn anrufen könnte, wenn es mir meine Zeit erlaubte. Mit dem Vermerk noch: „Ich könnte ihn auch privat anrufen! Ich wäre ein toller Mann!“
Das hatte ich gleich bemerkt, dass er vom anderen Ufer ist, aber so weit war es noch lange nicht. Frauen waren mir aber immer noch lieber. Er gab mir noch eine Tasche, in die ich meine privaten Sachen einpacken konnte. Und sagte noch zum Schluss: „Na dann viel Spaß mit der neuen Chefin!“, und lachte etwas süffisant.
So fuhr ich dann wieder Richtung neuer Heimat. Jetzt konnte ich mir die Gegend erst richtig ansehen. Sie wohnte weit außerhalb der Stadt. Das Haus war von einem großen Grundstück umgeben. Das Haupthaus war in der Mitte, links war das Nebenhaus, in dem ich wohnte. Die Garage war an das Haupthaus angebaut. Ich fuhr das Auto wieder in die Garage, stellte es ab, sperrte zu und hängte den Schlüssel wieder an seinen Platz. Die Tür war wirklich offen. Ich sperrte diese auch zu und hängte den Schlüssel auch auf. Ging den Korridor entlang, stand dann wieder in der Halle und wusste nicht, wo ich jetzt hinsollte. Denn bis ich wieder bei ihr erscheinen sollte, dauerte es noch. Zum Glück kam Doris vorbei. Sie zeigte mir die Räume, in denen wir uns aufhalten durften. Die Küche, wo ich täglich mein Essen bekam, so fern ich hier war, den Aufenthaltsraum, wo ich kurz meine Kleidung deponieren konnte, und noch andere Räume, die ich kennen sollte. Der Butler wartete schon auf mich. Er sah mich etwas wütend an. Wieso sagte er nicht. Er ging mit mir wieder zur Garage und erklärte mir die Limousine. Es gab einige besondere Dinge. So wie die zwei Glasscheiben, die die Fahrerkabine vom hinteren Teil trennten. Sie konnten nur von hinten geöffnet und geschlossen werden. Wo das Navi versteckt war, sowie die Fernbedienung für die Tore.
„Und jetzt drehen wir gleich eine Runde zur Übung“, und grinste frech.
Ich stieg ein, startete und öffnete das Tor. Das Tor war noch nicht ganz offen, fing ich schon an zu fahren.
„Das Tor ist noch nicht ganz offen!“, sagte er ganz laut.
„Aber es bleibt nicht stehen und während ich zurücksetze, geht es ganz auf“, bot ich ihm Paroli.
Das konnte es ja nicht geben, dass er mich von oben herab behandelte. Ich war zwar hier auch angestellt, aber deswegen und weil ich neu war, musste er mich ja nicht so von oben herab behandeln.
Also fuhr ich mal gemächlich raus. Fuhr zum Haupthaus und blieb, so als würde ich schon auf meine Chefin warten, stehen.
„Passt das so?“, fragte ich etwas ironisch.
„Wenn Sie immer so langsam fahren, müssen Sie schon eine Stunde früher wegfahren.“
Ich nicht feig, schmiss den Gang wieder rein und zog mit einem kleinen Kavaliersstart weg und fuhr die Auffahrt raus.
„Spinnen Sie? Sie können hier nicht so wegfahren!“, sagte er ganz laut.
Inzwischen waren wir schon fast beim Tor. Ich drückte auf die Fernbedienung, damit das Tor aufgehen konnte. Weil das Tor aber langsamer aufging, als ich fuhr, musste ich stark bremsen.
„Sie werden diesen Job auch nicht lange haben, wenn Sie so weiter machen“, sagte er zynisch.
„Wieso?“, fragte ich sofort, denn ich hörte da etwas raus, das mir nicht gefiel.
„Das werden Sie schon sehen!“
Mehr sagte er nicht. Inzwischen waren wir schon auf der Straße, und ich fuhr in Richtung der nächsten Ortschaft, dort gab es einen Kreisverkehr, bei dem ich wieder ohne Probleme umdrehen konnte. Er sprach kein Wort mehr. Erst als wir wieder zur Garage kamen.
„Das Tor war auch wieder nicht zu!“
‚Wieso wieder?‘, dachte ich bei mir. Ich fuhr nicht gleich wieder rein, sondern drehte um und fuhr rückwärts in die Garage.
„Passt das so?“, fragte ich jetzt wieder ironisch.
Dazu sagte er nichts, stieg aus und sagte: „Halb 12 gibt es Mittagessen!“, und verschwand.
Ich sah auf die Uhr. Es war erst 11 Uhr. Was sollte ich machen bis dorthin? Der Range Rover gehört bewegt, meinte vorhin der Butler. Okay, also bewege ich ihn gleich. Ich holte mir vom Kästchen den Schlüssel und startete ihn. Oh je! Verstand zwar nicht viel von Motoren, aber das hörte sich nicht gut an. Ich fuhr ihn mal langsam an und wirklich vorsichtig raus. Drehte dann eine langsame Runde. Es wurde zwar etwas besser, aber eines wusste ich jetzt schon! Der gehört in eine Werkstatt! Da stimmte etwas nicht. Ich stellte ihn wieder zurück, schloss das Garagentor, hängte alle Schlüssel auf und ging zurück ins Haus. Nicht vergessend, die Türe zuzusperren und Schlüssel aufzuhängen. Die Küche fand ich dann schnell. Die Köchin freute sich, mich endlich auch kennen zu lernen. Sie war eine Köchin, wie man sie sich vorstellt: Mollig und immer gut drauf. Sie stellte sich als Herta vor und ihr Küchenmädchen war die Bina. Abkürzung von Sabine. Rudolf kannte ich schon, so wie das Zimmermädchen Doris. Der Gärtner wohnte im Südhaus mit seiner Familie. Dann setzten wir uns um den Tisch und begannen zu essen. Es sprach keiner etwas, nur Herta fragte mich aus, von wo ich komme, was ich vorher gemacht hatte usw. Ich erzählte ihr lieber nicht alles, weil sonst sicher noch mehr Fragen aufgetaucht wären. Pünktlich um 12 bekam die ‚gnädige Frau‘, wie sie hier alle ansprachen, das Essen. Um halb eins holte mich der Butler ab zur gnädigen Frau. Er klopfte wieder an und wartete, bis sie herein sagte. Dann trat er ein.
„Und haben Sie ihm alles gezeigt und erklärt, Rudolf?“
„Ja, gnädige Frau. Darf ich dazu noch etwas sagen?“
„Ja, bitte.“
„Er hat das Garagentor nicht zugemacht, wie üblich, wenn man wegfährt. Und hat die Limousine wegziehen lassen, was man nicht tut, und fast das Tor umgefahren.“
Ich hörte mir ruhig seine Anschuldigungen an. Auch die gnädige Frau hörte ruhig zu. Er war sehr enttäuscht, dass er dann gleich gehen durfte, ohne dass sie mir, vor ihm, Vorhaltungen machte.
„Danke Rudolf, ich habe es vom Fenster aus gesehen. Und ich sage es Ihnen noch einmal und Sie können das auch den anderen nochmal sagen. Der Chauffeur ist nur mir unterstellt und hat von euch nur die Anweisungen zu erledigen, die ich euch sage. Er arbeitet selbstständig, und wenn etwas ist, hat er es mit mir zu besprechen. Ist das klar?“
Sie wurde immer wütender. Der Butler ging betroffen und etwas beleidigt wieder raus. Dann wandte sie sich an mich.
„Ich muss mich für Rudolf leider entschuldigen. Er ist zwar ein guter Butler, habe ihn von meinem Vater übernommen, besser gesagt, übernehmen müssen. Er glaubt, er muss sich als Herr hier aufspielen, weil es keinen Mann an meiner Seite gibt.“
Inzwischen waren wir wieder bei der Sitzecke angelangt.
„Wie ich sehe, hat Sebastian eine Uniform für Sie gefunden. Und wann bekommen Sie die anderen?“
„Am Mittwoch oder Donnerstag. Er hat mir seine Nummer gegeben, dass ich ihn anrufen kann, wann ich dann Zeit habe, sie abzuholen. Auch wenn ich privat Interesse hätte, mich mit ihm zu treffen“, sagte ich dann noch lächelnd.
Sie lächelte diesmal auch. Wenn sie lächelte, war sie sehr hübsch. Kam es mir in den Sinn, aber dann kam es mir gleich wieder.
‚Hallo! Du bist hier angestellt! Da gibt es keine Affäre mit der Chefin!‘
Sie schob mir die auf dem Tisch liegenden Gegenstände zu. Es war ein Schlüsselbund, eine Mappe und Papiere.
„Bitte die Papiere korrekt ausfüllen, damit wir Sie am Montag auch korrekt anmelden können. In der Mappe befinden sich die Papiere für die Autos und ein Tagebuch. Was Ihre Vorgänger so gemacht haben. Die Schlüssel müssen Sie leider selber rausfinden, wo ein jeder zugehörig ist. Ich will Sie der ‚Herzlichkeit‘ des Butlers nicht noch einmal aussetzen. Ich hoffe, er hat Sie im Haus auch etwas rumgeführt.“
„Nein, das hatte Doris erledigt.“
Sie sah mich etwas böse an.
„Der ist wahrscheinlich noch verärgert, weil ich nicht seinen Neffen als Chauffeur eingestellt habe. Aber meine Leute, mit denen ich ständig zusammen bin und zusammenarbeiten muss, suche ich mir schon selber aus.“
Sie machte eine kurze Pause und sah mich an.
„Haben Sie noch Fragen?“
„Ja, danke, gnädige Frau.“
Es war mir etwas zuwider, sie so nennen zu müssen, aber sie erlöste mich sofort davon.
„Nein, Sie sagen Frau Voss zu mir. Das ‚gnädige Frau‘ überlassen Sie dem Hauspersonal. Wenn ich Sie dafür Josef nennen darf.“
Ich zwickte etwas herum und sagte dann etwas leiser: „Jhoseph bitte, wenn, dann Jhoseph. Meine Eltern waren da sehr heikel und ich bin es leider auch so gewohnt, weil sonst könnte es sein, dass ich nicht darauf reagiere.“
Sie hielt mir die Hand hin und sagte: „Gut Jhoseph! Ich bin dann Frau Voss.“
Ich schlug auch sofort ein. Ihre Hand war sehr zart, warm und weich. Ich glaube, ich hielt sie etwas zu lang in meiner. Sie lächelte nur und sagte nichts.
„Und haben Sie noch was auf dem Herzen?“
„Ja, zuerst möchte ich mich für meine Fahrweise entschuldigen. Aber der Butler brachte mich, mit seiner etwas überheblichen Art, auf die Palme.“
„Ich weis, ist entschuldigt. Und sollte wieder etwas sein, sagen Sie es mir bitte und bitte nicht selber austragen. Er wird sowieso nicht auf Sie hören. Noch etwas?“
„Ja, ich bin mit dem Range Rover kurz gefahren, der gehört in eine Werkstätte.“
Sie deutete auf die Mappe und sagte: „Da ist alles drinnen, was Sie benötigen, und wenn ein Auto in die Werkstatt gehört, vorhersagen, dann Termin ausmachen und hinstellen. Noch etwas?“
„Ja. Warum muss man das Garagentor schließen, wenn man gleich wieder da ist und im Haus sich sowieso wer befindet? Und außerdem gehört dort auch gelüftet. Ist eine total stickige Luft darin.“
Sie sah mich immer noch lächelnd an.
„Ist Ihr Arbeitsort, Sie können, vorausgesetzt Sie haben Zeit, die Autos jeden Tag rausstellen, lüften und waschen, wie es Ihnen beliebt. Die anderen haben Ihnen da nichts drein zu reden. Und würden Sie mir jetzt noch einen Gefallen tun? Bevor ich Sie in Ihre wohlverdiente Freizeit entlasse? Apropos Freizeit. In Ihrer Wohnung gibt es ein Festnetztelefon sowie ein Handy. Das Handy sollten Sie auch in Ihrer Freizeit mithaben, falls ich Sie für etwas Dringendes brauche. Darum ist auch das Gehalt etwas höher als bei einem normalen Chauffeur. Sie sollten immer erreichbar sein.“
So etwas Ähnliches hatte ich mir schon gedacht, denn inzwischen hatte ich mich auch schon erkundigt, was ein ‚normaler Chauffeur‘ bekommt. Weitaus nicht das, was ich hier bekomme. Und dazu noch freies Quartier und Essen.
„Und was für einen Gefallen soll ich Ihnen noch tun?“
Sie lächelte mich schelmisch an und sagte: „Würden Sie bitte aufstehen und dort rüber gehen, und wieder zurück? Ich würde Sie gerne in der Uniform betrachten.“
Das hat sie bis jetzt auch getan. Aber was war schon dabei? Ich machte ihr den Gefallen. Stand auf, setzte meine Kappe auf und ging um ihren Schreibtisch und dann wieder zurück.
„Schn….. Schneidig!“, sagte sie.
Wollte sie vorhin was anderes sagen?
„Danke, das sagte auch Sebastian.“
„Ja, das kann ich mir vorstellen. So, wir sehen uns dann wieder Montag um halb 8 Uhr mit der Limousine vor der Tür. Falls ich Sie nicht für etwas anderes am Wochenende brauche. Dann wünsche ich uns eine gute Zusammenarbeit.“
Und hielt mir zum Abschied noch einmal die Hand hin. Ich nahm sie und freute mich auch auf eine gute Zusammenarbeit. Diesmal hielt ich ihre Hand nicht so lange. Ich schnappte mir meine Sachen und ging. Hörte ich da, bevor ich die Tür zumachte, noch einen anerkennenden Pfiff? Hab mich wahrscheinlich verhört, das war sicher nur die Tür. Bevor ich noch draußen war, sah ich den Butler zu ihr gehen. Ich probierte sofort die Schlüssel, welcher für das Haupthaus gehört. Der war Gott sei Dank einfach zu merken. Ich sah dann noch, wie der Butler mit rotem Kopf wieder rauskam. Er sah mich wütend an.
In meinem Zimmer packte ich endlich die restlichen Sachen aus. Dann suchte ich gleich die anderen Schlösser für die Schlüssel. Und merkte sie mir mit farblichen Überziehern. Später sah ich die Mappe durch, was sich darin alles befand. Die Adressen von den Werkstätten, wo ein jedes Auto hingebracht werden sollte, und auch, wann etwas am Auto gemacht wurde. Das Service vom Range Rover war schon lange her. Das wäre das erste, was ich montags dann erledigen musste. Im Nachtkästchen fand ich einen Zettel, wo darauf stand, wann gegessen wurde. Frühstück ab halb 7, Mittagessen halb 12 und Abendessen um 17 Uhr. Ich sah auf meine Uhr. Es war fünf Minuten davor. Also musste ich mich beeilen und kam gerade noch rechtzeitig.
„Freut mich, dass du rechtzeitig hergefunden hast, obwohl es dir keiner gesagt hat, dass um 17 Uhr zu Abend gegessen wird“, sagte Herta und sah Doris und Rudolf böse an.
Das Essen verlief diesmal still. Ich zog mich dann wieder in meine Räumlichkeiten zurück. Und war froh, dass die anderen woanders untergebracht waren. Frau Voss flitze mit dem Cabrio gerade an mir vorbei, als ich zurückging.
Das Haus gehörte mir allein. Es war hergerichtet, dass der Chauffeur mit seiner Familie hier wohnen konnte. Ich sah dann noch etwas fern und musste irgendwann eingeschlafen sein, als mich ein ungewöhnliches Läuten weckte. Ich musste mich zuerst zurechtfinden. Mein neues Handy klingelte wie verrückt. Ich hob ab und es meldete sich Frau Voss.
„Entschuldigen Sie, dass ich Sie störe, aber ich würde Sie jetzt schon mal benötigen.“
Ich war noch schlaftrunken und kam nicht ganz mit.
„Ja, ich komme sofort rüber zu Ihnen.“
„Nein!“, schrie sie fast in das Telefon.
Das machte mich wach.
„Ich bin nicht zu Hause und es ist mir etwas peinlich, denn ich stehe hier auf der Landstraße mit dem Cabriolet und habe keinen Sprit.“
Jetzt verstand ich sofort die Situation.
„Wo sind Sie?“
Sie erklärte es mir und ich sagte: „Ich komme so schnell als möglich zu Ihnen.“
„Danke sehr.“
Und hängte auf. Ich rieb mir noch den Rest Schlaf aus den Augen und überlegte, was ich machen sollte. Sprit, Sprit! Wo sollte ich jetzt einen Sprit herbekommen? Außerdem: Was brauchte sie denn? Diesel oder Super?
Mein Blick fiel auf die Mappe. Ich schnappte sie mir und blätterte rasch durch. Zuerst fand ich die Limousine, Diesel stand dabei, dann fand ich den Mercedes, Benzin stand auch dabei. Nach einigem Suchen fand ich den Range Rover, der war auch ein Diesel. Und das Cabrio? Das fand ich erst auf der letzten Seite: Ein Benziner. Okay das wäre mal geschafft. Aber wie bringe ich Benzin zu ihrem Auto? Und womit? Ich schnappte mir die Schlüssel, meine Börse, das Handy, und setzte mir die Kappe auf. Wieso, das wusste ich da auch nicht, es war ein Reflex. Ich lief zur Garage und sperrte die Tür auf. Holte mir die Schlüssel von den Autos und sah in jedem Kofferraum nach, ob wo ein Reservekanister war. In der Limousine war mal keiner. Notieren: Einen kaufen! Im Mercedes war zwar einer, aber leer. Im Range Rover stand ein fast voller Kanister. Der fasste sogar 10 Liter. Ich roch daran. Ja, es war Benzin. Momentan wunderte es mich nicht das Benzin im Range Rover stand. Damit sollte ich auskommen. Ich schnappte mir den Mercedes, öffnete das Garagentor und fuhr los. Eine halbe Stunde später - plus zwei Anrufe - hatte ich sie gefunden. Es war doch nicht so leicht, wenn man sich nicht auskannte, und bei Nacht noch schlimmer.
„Oh danke, dass Sie so nett sind und mir aus der Patsche helfen“, lallte sie daher.
War sie vorher auch schon so? Hatte ich es nicht gehört, weil ich noch halb geschlafen hatte? Sie saß im Auto, die Türe offen und die Füße auf der Straße.
„Bitte würden Sie den Tankdeckel öffnen?“, fragte ich sie.
Sie beugte sich vor und sah zu mir.
„Sie stehen ja davor, wieso soll ich aufstehen und den Tankdeckel öffnen?“, sagte sie etwas bissig.
Anscheinend hatte sie noch nie getankt. Ich ging zu ihr, sagte: „Entschuldigung“, und griff in das Auto.
Der Öffner war gerade unter ihren Beinen. Sie hatte wundervolle Beine, die in einem Minirock steckten, und die Füße in hohen Schuhen. Ich musste mich zusammenreißen. Während ich ihren Wagen tankte, überlegte ich, wie ich sie, ihr Auto und den Mercedes heil nach Hause bringen konnte. Sie stand auf und kam auf mich zu.
„Du bist so lieb zu mir!“, nahm meine Kappe runter und setzte sie sich selber auf.
Strich mir übers Haar und sagte: „Du solltest öfter die Haare so lassen.“
‚Hoppla! Was war da jetzt? Sie würde doch nicht etwas von mir wollen?‘
Ich hatte Naturlocken. Und die bändigte ich durch Föhnen oder mit ein wenig Gel. Dann nahm sie aus ihrer Tasche eine Flasche und machte einen Schluck. Auch das noch! Ich war endlich fertig und wagte einen Vorstoß.
„Frau Voss, ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich bringe Sie jetzt nach Hause und hole Ihr Auto morgen ab.“
„Wenn, dann Valerie, bitte!“, und schmiegte sich an mich.
Sie war, wenn sie betrunken war, anscheinend sehr anlehnungsdürftig.
„Frau Valerie, ich bringe Sie jetzt nach Hause und hole das Cabrio morgen dann ab.“
Jetzt schlug sie auf einmal voll um.
„Ihr Männer seid alle gleich! Ich kann noch Auto fahren! Ich werde es dir beweisen!“, torkelte zum Auto zurück und fiel buchstäblich hinein.
Beim zweiten Starten schaffte sie es endlich. Bevor sie die Türe zuschlug, sagte sie noch: „Ich zeig es dir schon, dass ich noch Auto fahren kann, auch wenn ich etwas getrunken habe!“, schlug die Türe zu und fuhr an.
Ich setzte mich sofort in den Mercedes und folgte ihr. Zuerst fuhr sie rasanter. Aber als sie in einer Kurve fast die Beherrschung über den Wagen verloren hätte, wieder langsamer. Mir blieb fast das Herz stehen. Wir kamen heil und ganz zu Hause an. Sie parkte den Wagen, wenn auch etwas schief, und ging zur Tür und brauchte eine Weile, bis sie die Türe offen hatte. Ich wollte ihr schon helfen, da ging die Tür auch schon auf. Ich schloss noch alle Tore und ging zum Haus zurück. Dort erst sah ich auf die Uhr. Es war jetzt 3 Uhr morgens.
Leider konnte ich nicht gleich einschlafen. Ich ging die Nacht noch einmal durch und machte mir Notizen, was ich alles nachsehen und erledigen sollte. Dass sie vom Sie zum Du kam, war mir dort gar nicht aufgefallen. Ich schob es dem Alkohol zu. Irgendwann musste ich dann doch eingeschlafen sein und wachte erst nach 8 Uhr auf. Ich duschte mich rasch, nahm meine Schlüssel, das Handy, nur meine Kappe fand ich nicht. Da fiel mir ein, die hatte sie ja noch aufgehabt, als sie weggefahren war. Ich ging direkt auf dem Weg zur Garage, denn ob ich jetzt noch ein Frühstück bekommen würde. Ich holte mir das Cabrio und fuhr zur nächsten Tankstelle. Dort fiel mir erst ein, dass ich das jetzt selber zahlen musste. Ich fand zwar die Tankkarte, doch kannte ich den PIN nicht. Und die Mappe lag zu Hause, wo ich nachsehen hätte können. Aber es war jetzt schon egal. Ich kaufte mir auch gleich etwas zu essen, ließ das Auto durch die Waschstraße und fuhr dann gemütlich zurück. Ich ließ das Auto gleich heraußen stehen und suchte sofort nach Putzutensilien. Diese fand ich in einem Abstellraum. Auch einen Wasserschlauch. Ich polierte den Wagen nach und stellte ihn auf die Seite. Den Mercedes stellte ich auch etwas abseits und öffnete alle Türen zum Durchlüften. Denn der stank etwas nach Benzin. Woher wohl? Die Limo stellte ich auf den Waschplatz und fing an, sie zu waschen. Den konnte ich schwer in einer Waschstraße waschen lassen. Ich war so in meine Arbeit vertieft, dass ich erschrocken zusammenfuhr, als mich von hinten jemand ansprach.
„Sie sind ja schon wieder in Ihrer Freizeit fleißig.“
Ich drehte mich erschrocken um. Hinter mir stand Frau Valerie oder besser Frau Voss in einem leichten Sommerkleid.
„Ich habe Sie schon einige Male versucht anzurufen.“
Sofort suchte ich das Handy. Da ich weder Taschen im Leibchen noch in der kurzen Hose hatte, hatte ich es wo hingelegt. Ach ja, ich hatte es in der Limousine geparkt, aber das Radio laut aufgedreht. Ich sah darauf: Fünf Anrufe in Abwesenheit. Das war mir jetzt etwas peinlich.
„Tut mir leid, wird nicht wieder vorkommen“, sagte ich entschuldigend.
„Das macht doch nichts. Eigentlich haben Sie ja auch noch frei und morgen wäre eigentlich Ihr erster Arbeitstag. Und Sie arbeiten jetzt schon, und das noch an einem Sonntag?“
Sie war wieder ganz anders.
„Naja. Ich musste ja noch das Cabrio tanken fahren, was ich leider aus meiner Tasche zahlen habe müssen, da ich den PIN nicht wusste. Den Mercedes musste ich lüften, weil er sonst ständig nach Benzin riecht. Und wenn ich Morgen anfange zu arbeiten, sollte das Auto doch sauber sein, oder?“
Ich kannte in meinem alten Job selten Sonn- und Feiertage. Da ich da die beste Zeit hatte, um zu arbeiten und mich keiner störte.
Sie lächelte mich nur an.
„Ich hätte da wieder eine Frage, aber diesmal sieht mich der Butler nicht so erschrocken an, wie das letzte Mal.“
„Ja, dem habe ich leider letztens eine Rüge verpassen müssen, weil er mir zu großkotzig geworden ist. Er glaubt, er kann dich auch so herumkommandieren wie die anderen. Nur bei Herta beißt er sich die Zähne aus. Ich habe ihm erklärt, dass du eigenständig arbeitest und du nicht auf seine Anweisungen warten musst. Und außerdem hat er schon gepetzt, dass du eigenmächtig mit dem Cabrio gefahren bist und jetzt wie ein Böser die Autos putzt.“
Jetzt wurde ich sogar noch rot dabei. Aber ich durfte ja eigenmächtig handeln, oder nicht? Und zum Du war sie auch wieder übergesprungen.
„Aber als ich ganz wach war und mich gefangen hatte, gab ich ihm zur Antwort, dass ich das angeschafft hatte, dann war er zwar überrascht, aber ruhig.“
Sie ging ein paar Schritte auf mich zu. Diesmal hatte sie nur Ballerinas an, und war um einen guten Kopf kleiner als ich.
„Und was wolltest du noch von mir?“
Ich sah sie überrascht an und musste überlegen, was ich fragen wollte.
„Ach ja, wissen Sie, ob es eine Maschine gibt, mit der man die Garage aufwaschen kann? Oder muss man die mit der Hand aufwaschen?“
Sie sah zurück und fragte: „Wieso?“
„Naja, weil die auch staubig ist und mal aufgewaschen gehört.“
„Ich werde Rudolf fragen, ob es so etwas gibt und wer das macht. Aber du musst das heute nicht mehr tun. Ruh dich noch aus. Die Woche wird noch stressig genug werden.“
„Und ich dachte, dem bin ich entkommen!“, rutschte es mir raus.
„Wem wolltest du entkommen?“
„Dem Stress!“
Sie lächelte und meinte: „Wie du siehst, hast du genug Stress mit mir. Und das noch in deiner Freizeit! Aber geht dir denn nichts ab?“
Ich zuckte nur mit den Achseln. Und wusste nicht, durfte ich sie jetzt auch duzen? Oder durfte nur sie das?
„Ich wüsste nicht was?“
Sie kam ganz auf mich zu und sagte, in dem sie meine Kappe hinter ihrem Rücken vorzog: „Das?“, und setzte sie mir wieder auf, so wie sie die Kappe abgenommen hatte.
Ich roch ihr Parfum und sah auch in ihren Ausschnitt. Und versuchte, nur in ihre Augen zu sehen, obwohl diese Messer scharfen grünen Augen mir fast den Atem raubten. Mir wurde heiß, aber nicht von der Sonne. Machte sie das absichtlich?
„Und ich hasse es, wenn Männer ihre Haare mit Gel glätten, nur damit sie elegant aussehen. Im Gegenteil, sie sehen glitschig und kitschig aus“, drehte sich um und im Gehen sagte sie noch: „Danke für die Hilfe und Rudolf sagte ich, dass Du einem Bekannten heute Nacht hast helfen müssen. Der hatte keinen Sprit“, lächelte sie und verschwand.
Ich stand da und sah ihr nach. Dass sie meine Haare so mochte, freute mich. Die Mittagsglocken holten mich aus meinen Gedanken. Essen! Ich ging rasch in die Küche. Dort saßen schon alle und aßen. Herta stand sofort auf und brachte mir mein Essen. Der Butler wollte etwas erwidern, doch Herta fuhr ihm sofort drüber: „Die gnädige Frau hat mich angerufen und gesagt, dass Herr Vossner später zum Essen kommt. Und er am Wochenende, wenn er in der Nacht einen ‚Einsatz‘ hat, auch später ein Frühstück bekommt.“
„Ja, ja, einen Einsatz! Das kennen wir schon. Aber die Kappe könnte er schon abnehmen beim Essen!“
Das war mir gar nicht aufgefallen, dass ich sie noch aufhatte. Ich nahm sie sofort ab und entschuldigte mich und ging gar nicht erst auf den ‚Einsatz‘ ein, den er spöttisch erwähnte. Das ging ihn gar nichts an, was ich in der Nacht mit der gnädigen Frau machte. Es musste reichen, was sie ihm erzählte. Ja, ja, das Getratsche unter den Angestellten, das kannte ich auch. Da wurde etwas vermutet, was gar nicht stimmte und sich später anders herausstellte. Ich bedankte mich für das Essen und wollte wieder zu meiner Arbeit gehen und fertig machen.
„Und die Nachspeise und der Kaffee?“, fragte da Herta enttäuscht.
„Den würde ich gerne später trinken. So gegen 15 Uhr? Ich möchte die Autos noch fertig machen.“
„Ausnahmen gibt es nicht!“, sagte Rudolf gehässig.
Herta wandte dann ein: „Erstens ist das meine Sache, zweitens ich trinke am Sonntag den Kaffee auch gerne erst um 15 Uhr, und die gnädige Frau bekommt ihn auch um diese Zeit und du danach, also ist es mit keiner zusätzlichen Arbeit verbunden. Und außerdem arbeitet er in seiner Freizeit, er müsste das jetzt gar nicht tun.“
So konnte Rudolf gar nichts mehr einwenden. Ich bedankte mich, machte die Autos noch fertig und stellte sie wieder schön gereiht in die Garage. Ich hatte noch Zeit zu duschen, und wollte gerade losgehen, als das Handy klingelte. Dieser Klingelton brachte mich noch um. Ich musste sehen, ob ich einen anderen auf dem Handy hatte.
„Ja, bitte sehr?“
„Hallo! Ich hoffe, du hast noch etwas zu essen bekommen. Ich habe es Herta gesagt, dass du heute später kommst.“
„Ja danke, Herta war sehr freundlich, im Gegensatz zum Butler.“
Ich mochte ihn nicht Rudolf nennen, er war eben nur ein Butler für mich. Ich hörte sie sogar durch das Telefon lächeln.
„Gib nichts auf sein Geschwätz. Wenn etwas ist, machen wir uns das aus. Du musst aber dann schon einen großen Hunger gehabt haben, da du ja nicht beim Frühstück warst, wie mir Herta sagte.“
„Ich habe mir etwas an der Tankstelle gekauft, als ich tanken war.“
„Das hättest du nicht müssen. Herta hat den Auftrag, dass du auch später was bekommst, da wir uns, wenn Arbeitszeit ist, nicht immer an die Zeiten halten können. Auch wenn heute Sonntag ist und du trotzdem arbeitest. Die Tankrechnung hast du noch?“
Sie duzte mich immer. Ich sagte nichts dazu. Das war ihre Sache, sie war die gnädige Frau, die Chefin.
„Ja, die habe ich noch.“
„Die gibst du mir morgen, wenn wir zur Arbeit fahren. Ich werde sie weiter leiten, damit du dein Geld bekommst.“
„Okay, danke!“
Und sie hängte wieder auf, ohne sich zu verabschieden. Ich ging duschen und kam frisch angezogen zu Herta in die Küche. Vom Butler war weit und breit nichts zu sehen. Als hätte sie meine Blicke gesehen, sagte sie: „Der hat schon Kaffee und Kuchen bekommen und bringt jetzt der gnädigen Frau ihre Nachspeise. Er braucht sich nicht aufzuregen. Er isst seinen Kuchen, bevor er zur gnädigen Frau geht! Also keine Mehrarbeit für mich. So komm, setz dich her zu mir und jetzt trinken wir zwei gemütlich Kaffee.“
Sie stellte den Kaffee auf den Tisch und ein großes Stück Kuchen für mich!
„Das wäre aber nicht nötig gewesen.“
„Oh doch! So fleißig wie du heute schon warst! Und ‚Nachtdienst‘ hattest auch schon, noch bevor du richtig angefangen hast zu arbeiten. Da hast du schon einen Stein im Brett bei der gnädigen Frau.“
„Aber keinen beim Butler!“, und grinste sie an, „Was hat der gegen mich?“, fragte ich nach einem Schluck Kaffee.
„Der hat gegen alle Chauffeure etwas. Nachdem sie ihren Freund, er war auch Chauffeur hier, entlassen musste, weil er sich eine andere gefunden hatte, wollte er seinen Neffen hier reinbringen. 14 Tage lang war er Chauffeur, dann hatte sie ihn schon gefeuert. Er spielte sich schon als Chef auf. Denn er dachte, er könne bei ihr landen, so wie ihr Ex. Aber das hat er falsch angefangen und so war er schneller wieder weg, als er glaubte. Und seitdem hat sie die Chauffeure gewechselt wie die Unterwäsche! Du bist mittlerweile der Elfte in zwei Jahren. Ich hoffe, du bleibst länger! Denn du bist nett, adrett und fleißig. Wenn ich ein paar Jährchen jünger wäre, würde ich dich umgarnen“, und sie grinste breit.
Dann sprach sie weiter.
„Ja das fing an, als ihr Vater vor drei Jahren starb. Sie musste die Firma übernehmen und leiten, und hatte dann wenig Zeit für ihren Hans. Der suchte sich eine Neue und sie ist, glaube ich, noch nicht darüber hinweg.“
Herta machte einen kräftigen Atemzug und sprach weiter.
„Ich glaube, sie ist auf der Suche nach einem passenden Mann, hat ihn aber bis jetzt noch nirgends gefunden. Sie führt, wenn man es sagen kann und darf, ein Lotterleben. Ist sehr hin und hergerissen. Bräuchte einen festen, standhaften Mann, der ihr auch mal Paroli bieten kann. Aber so was ist ihr noch nicht untergekommen. Und in den Neffen von Rudolf ist Doris verschossen. Sie sollte ihn stehen lassen. Er spielt nur mit ihr und verspricht ihr alles. Ein Haus, Kinder usw. Und sie soll dafür die Geliebte spielen, wenn er die gnädige Frau geheiratet hat. Der Chauffeurs Posten würde ihr schon gefallen, aber das andere nicht.“
Inzwischen war ich auch mit Kaffee und Kuchen fertig. Ich bedankte mich und ging wieder zurück in mein Quartier. Jetzt verstand ich auch so einiges. Dass sie mich ständig anfing zu duzen, wenn wir alleine waren, dass sie die Männer hasste und kein Gel im Haar mochte! Hatte er welches? Mochte sie es darum nicht? Ich sah mir noch die Unterlagen durch und fand endlich auch den PIN für die Tankkarte. Ich musste mir das alles neu ordnen. Also kam auf die Liste auch ‚Ein neuer Ordner‘ oder besser gleich mehrere. Wann ich alles erledigen konnte, wusste ich nicht. Aber es würde sich schon ergeben. Nachdem ich einen anderen Klingelton für mein Hany gefunden hatte, ging ich dann noch etwas spazieren und kam dann leider zum Abendessen zu spät. Der Butler wollte noch was sagen, aber als ihn Herta böse ansah, sagte er nichts und verschwand.
„Das wäre geregelt!“, sagte sie und lächelte mich wieder an.
Ich aß gemütlich und dann tranken wir noch einen Kaffee mit dem Rest vom Kuchen. Sie erzählte mir ein bisschen was von früher, wie hier alles gewesen war. Bei 15 Jahren hier in dem Haus hatte sie schon einiges erlebt. Ich ging dann wieder in mein Reich zurück und legte mir für morgen alles zurecht. Dann sah ich noch etwas fern und ging dann schlafen.