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1Der Umgang mit dem Tod in verschiedenen Kulturen

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Wir können dem Tod nicht entrinnen. Er steht am Ende unseres Lebens, zumindest auf dieser Welt. Jede Kultur hat im Laufe der Jahrhunderte ihren eigenen Umgang mit dem Tod und auch damit, ob etwas nach dem Tode kommt oder nicht, entwickelt. Es gibt Beweise dafür, dass sich alle Menschen um einen erlittenen Verlust grämen, wenn auch in unterschiedlicher Stärke. Laut Berichten von Wissenschaftlern, die andere Kulturen und ihre Reaktionen auf den Verlust eines Menschen untersucht haben, gibt es überall kurz nach dem Verlust ein allgemeines Bemühen um die Wiedererlangung der geliebten Person und/oder es wird an ein Wiedersehen nach dem Tode geglaubt.

Schon früh in unserem Leben lernen wir den Umgang mit dem Tod. Wir bekommen mit, wie sich unsere Eltern verhalten, wenn unser Hamster stirbt oder wir die Großmutter oder eine Nachbarin verlieren. Vielleicht hat man uns erzählt, dass man traurig sein muss, wenn jemand stirbt, dass man schwarze Kleiderträgt, dass der Tod Gottes Wille ist, dass es ein Weiterleben nach dem Tod gibt, dass man nicht weinen darf und stark sein muss, dass man nicht über den Tod reden darf, dass der Tod nur andere betrifft, oder dass wir in den Himmel oder in die Hölle kommen usw. Alles in allem bietet unsere westliche Kultur keine allzu große Unterstützung, wenn es um den Tod geht.

Bis ins 18. Jahrhundert war der Tod noch Bestandteil des Alltags. Auf dem Friedhof vor der Kirche wurden Gerichtsversammlungen abgehalten, Krämer stellten dort ihre Stände auf und man sah beim Vorbeigehen die Gebeine der Toten liegen. Totenschädel wurden sogar als Schmuckstück auf dem Schreibtisch benutzt. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts veränderte sich der Umgang mit dem Tod. Der Friedhof wurde vor die Stadt verlagert, der Tod wurde zur unerträglichen Erinnerung. Es wurden Leichenhäuser eingeführt. Immer mehr Menschen, insbesondere in den Städten wünschen eine anonyme Bestattung, bei der sie ohne Angehörige und ohne Grabstein auf einem Gräberfeld bestattet werden. Der Tod wird hierbei sozusagen unsichtbar.

In ländlichen Gegenden war und ist es heute auch manchmal noch anders. Ich habe noch miterlebt, wie der Großvater zuhause in einem Zimmer bis zur Beerdigung aufgebahrt wurde, wie die Großmutter seinen Sarg liebevoll schmückte und wie dann nahezu die ganze Dorfbevölkerung hinter dem Sarg durch das Dorf bis zum Friedhof zog und die Nachbarn den Sarg trugen. Ich habe erlebt, wie der tägliche Gang zum Friedhof, das tägliche Schmücken des Grabes, die weiterhin bestehende Anteilnahme der Nachbarn meine Großmutter stützte und ihr half, sich behutsam vom Großvater zu lösen. Sie trug ein Jahr schwarze Kleidung und zeigte damit nach außen ihre Trauer. Sicher war der langsame Weg zu einer neuen Lebensperspektive ohne Partner auch nicht einfacher wie heute, aber das Geborgensein in einer bekannten Umgebung war sicherlich sehr förderlich.

Wenn wir beginnen, die Trauer als eine normale menschliche Reaktion auf Verlust anzusehen, dann brauchen wir uns deshalb nicht mehr schuldig oder schwach zu fühlen.

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