Читать книгу Das Leben ist bunt. - Dorothea Müller - Страница 6
Fußballeuphorie
ОглавлениеDas konnte einfach nicht wahr sein. Kaum war ich einen Tag nicht da, tobte das Chaos in Gestalt von Ehemann, einer fast erwachsenen Tochter sowie zwei pubertierenden Söhnen durchs Hause und stellte alles auf den Kopf.
Als ich dann quasi nebenbei erfuhr, dass Schwiegermutter meine Kaffeemaschine „geschafft“ hatte, und eines unserer Sohn Kinder zwei der selbstverständlich nicht mehr nachzukaufenden Weingläser beim Ausräumen der Spülmaschine zerdeppert hatte, war ich angesäuert. Das Argument, ich solle mich lieber freuen, dass er die Spülmaschine ausgeräumt habe, konnte ich in diesem Fall nicht wirklich akzeptieren.
Nachdem ich das „männliche Haushaltschaos“ beseitigt, sich meine Nerven nicht mehr ganz so „strapaziert“ anfühlten, suchte ich im Katalog nach einer neuen Kaffeemaschine. Selbstverständlich klingelte das Telefon, als ich mir gerade einen von Hand gefilterten Kaffee eingegossen hatte.
Seufzend ging ich zum Telefon und hörte ein melodisches Tuten. Unsere Tochter hatte in der oberen Etage den Anruf angenommen. Gewiss war das Gespräch ohnehin für sie oder einen ihrer Brüder, die trotz Handys regelmäßig Dauergespräche um die Wette führten. Zwanzig Sekunden später klingelte es erneut. Dieses Mal jedoch hausintern.
Kalli, ein Kollege meines Herzallerliebsten, wollte selbigen sprechen. Da mein „ehemaliger Verlobter“, wie Kalli ihn spaßeshalber nannte, sich auf Baumarkttour befand und ich die Dauer seiner Tour nicht abschätzen konnte, bat ich ihn zwei Stunden später erneut anzurufen. Befreit atmete ich auf und wandte mich erneut dem Katalog wie meinem Kaffee zu.
Eine Stunde später stand mein Göttergatte mit einer neuen Kaffeemaschine vor mir. Er erzählte mir, dass dies nicht nur ein Superschnäppchen sei, sondern Andrea, eine frühere gemeinsame Freundin ihm dazu geraten habe, als er sie unterwegs traf. Die Betonung lag auf „frühere Freundin…“.
Hellhörig wurde ich erst, als die Sprache auf das am Freitagabend stattfindende Europameisterschaftsspiel kam. So erfuhr ich beiläufig, dass in unserem Garten eine Art Puplic Viewing geplant war.
In der bangen Erwartung, wer alles auflaufen würde, zog ich scharf die Luft ein. Andrea mit Ehemann plus ihrer drei Kinder. Es würde sicherlich nett werden, begeisterte sich mein Mann, wo man sich doch so selten sähe...!
Nett – für wen? Die Männer saßen im Garten, Andrea dazwischen. Ihre Kinder waren so erzogen, dass sie kein nein kannten, geschweige denn auf eine Ermahnung reagierten (daher die Betonung frühere Freunde).
Wir hatten bereits diverse böse Überraschungen mit diesen Kindern erlebt. Bislang waren jedes Mal wir die Dummen, die irgendwelche Schäden begrenzten, besser gesagt, die Kosten trugen. Jedes Mal ging etwas zu Bruch oder es herrschte Katastrophenalarm mit Ausnahmezustand in unserem Haus oder Garten. Ich war also alles andere als ehrlich begeistert! Ehe ich meinem Unmut über bereits ausgesprochene Einladungen Luft machen konnte, meldete sich Kalli erneut.
Es kam, wie es kommen musste: Kalli nebst Bruder würden ebenfalls zum Fußballfeeling am Freitag kommen… Mein Mann war in einer, sagen wir mal, euphorisch-großzügigen Stimmung. Es wurde Zeit, ihn auszubremsen...
Selbstverständlich sollte gegrillt werden – nichts Großes, wie mein Mann mir eilig versicherte - ein paar Würstchen im Brötchen mit Senf und Ketchup wären ausreichend.
Am nächsten Tag fuhren wir einkaufen. All die Dinge, die für das Public Viewing noch im Haushalt fehlten. Nach drei Stunden in fünf Supermärkten hatten wir, Ketchup, Curryketchup, Steaksenf, süßen wie scharfen Senf und Senf mit Orangengeschmack erstanden, plus Zigeunersoße. Der Bratwursteinkauf gestaltete sich etwas „exotischer, da eines der Kinder von Andrea keine normalen Bratwürstchen aß. Somit grasten wir die halbe Stadt ab, ehe wir zu einem Metzger kamen, der spezielle Käsewürstchen verkaufte. Für die Kleinen kauften wir Nürnberger Mini-Würstchen, normale Bratwürstchen gab es auch und nicht zu vergessen – fettreduzierte für Andreas schlanke Linie.
Kalli und Co bevorzugten Thüringer, doch nur die langen dünnen, wobei unsere Kinder sich dieses Mal Geflügelwürstchen wünschten...
Zwischenzeitlich rief Andrea an, um uns mitzuteilen, dass ihre Tochter momentan auf dem „vegetarischen Trip“ sei . Wir sollten bitte so gut sein Tofu und fleischfreie Würstchen für sie zu besorgen.
Als ich beim SB-Bäcker die Brötchen einpackte, war ich froh, dass mir niemand begegnete, oder mich via Handy verständigte, welche Wünsche er jetzt noch gerne erfüllt hätte.
Den Getränkeeinkauf bewältigte mein Mann allein. Wir hatten uns auf die „Bier-Hausmarke“ und zum Mixen für das Alsterwasser auf Zitronenlimonade geeinigt, da es sehr warm war.
Verwunderlich war, dass mein Mann eine Stunde vor Spielbeginn immer noch nicht zu Hause war… Als er endlich schweißgebadet zurückkam, verstaute er Altbier, dunkles und helles Weißbier, Weißbier mit Kirschgeschmack, Pils, Export, sowie Bier mit Cola und Malzbier in unsere beiden Kühlschränke.
Abgehetzt sprang er unter die Dusche. Meinen genervten Verzweiflungsschrei hörte er glücklicherweise nicht mehr!
Das Maß war voll! Ich musste handeln, also schrieb ich ihm eine Notiz:
Das Pappgeschirr findest du im Kellerschrank, Plastikbesteck gleich daneben – habe gerade einen Anruf aus der Klinik erhalten, muss kurzfristig für eine erkrankte Kollegin den Nachtdienst übernehmen - Also grüße alle von mir!
Rasch warf ich meine Lesebrille in die Kulturtasche, griff nach einem Buch, warf ein Schlaf-T-Shirt in meinen Rucksack und verließ das Haus. Ich suchte mir einen abgelegenen, sehr idyllischen Landgasthof zum Übernachten, wo der Fernseher für mich keine Bedeutung hatte. So genoss ich den Abend ohne König Fußball, Grillwürstchenwünsche, oder Kinderbelustigung für Freunde, die längst keine mehr waren und hoffte inständig, dass auch mein Mann selbiges in seiner Euphorie rasch erkennen würde...!
Als ich am Morgen heim kam, stellte ich zu meiner Verwunderung fest, alles war sauber und aufgeräumt.
Mein Mann lag im Bett und murmelte: „Schatz sei froh, dass du arbeiten musstest, dieses Chaos mit Andreas Familie, wird es hier nicht noch einmal geben! Ich bin jetzt noch völlig erledigt vom Grillen und dem Drumherum. Übrigens, wir müssen eine Seitenscheibe vom Gewächshaus auswechseln.... Der Fußball.... du weißt schon...! Meldest du der Versicherung den Schaden...?“
Er redete rasch weiter und ließ mir keine Zeit, Fragen zu stellen.
„Das Schlimmste war – ich hatte gar keine Zeit mir das Spiel anzusehen.... Weißt Du, wer gewonnen hat…?“
Ich lächelte verständnisvoll, nickte ihm zu, während er wieder einschlief.
Jetzt war ich sicher, die Fußballeuphorie würde ihn gewiss nicht noch einmal zu derartig spontanen Einladungen animieren!
Es lebe der Sport!