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III. Betrug und Erschleichen von (Sozial-)Leistungen

Soziale Leistungen des Staates sind Hilfen für Menschen, die in einer finanziell und sozial schwachen Lage und somit bedürftig sind. Wer Sozialleistungen wie ALG II, Wohngeld oder BAföG beantragt, muss daher alle Angaben zu Einkommen, Vermögenswerten oder zum Gesundheitszustand wahrheitsgemäß angeben. Aufgrund all dieser Angaben, die man von sich preisgeben muss, ist es für viele Menschen unangenehm, soziale Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern (SGB) in Anspruch zu nehmen. Dennoch gibt es auch Antragssteller, die andere Einnahmen besitzen, beispielsweise aber das Prinzip der Grundsicherung für sich anders auslegen. Zum Teil ist die Leistungserschleichung, bzw. der Sozialbetrug mit weiteren Straftaten verbunden, wie beispielsweise Schwarzarbeit.

Das Erschleichen (unbefugte Inanspruchnahme) von öffentlichen Leistungen z. B. durch falsche Angaben über die Erwerbsfähigkeit oder die tatsächlichen Vermögensverhältnisse bei der Beantragung von Arbeitslosengeld II (ALG II) fällt grundsätzlich in den Bereich des Betrugstatbestandes gemäß § 263 Strafgesetzbuch (StGB).

Betrug gem. § 263 StGB

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1. gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,

2. einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,

3. eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,

4. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger missbraucht oder

5. einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

Betrug nach § 263 StGB ist also die durch Täuschung verursachte Vermögensschädigung eines anderen in Bereicherungsabsicht. Geschütztes Rechtsgut ist das Vermögen, und zwar sowohl das private als auch das Vermögen der öffentlichen Hand. Ist die Vergabe von öffentlichen Mitteln an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, so liegt nach allgemeiner Auffassung ein Vermögensschaden der öffentlichen Hand im Sinne des § 263 StGB vor, wenn die Leistung erbracht wird, ohne dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Sozialleistung (z. B. ALG II) erfüllt sind. Für das Vorliegen des Betrugstatbestandes ist darüber hinaus erforderlich, dass der Leistungsempfänger die Behörde über das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen getäuscht und damit einen Irrtum über anspruchserhebliche Tatsachen erregt hat.

Erscheinungsformen:

• Offene oder verdeckte Arbeitsverweigerung

• Verschweigen von Vermögen

• Verschweigen von Erwerbs- und sonstigen Einkommen

• Manipulation von Unterkunftskosten

• Mehrfachbezug von Sozialleistungen

• Missbrauch von Krankenscheinen

• Verweigerung von Auskünften

Mittlerweile ist Sozialleistungsmissbrauch zu einem bedeutsamen Problem für den Staat geworden.

Am 18. Juli 2019 ist das Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch in Kraft getreten.45 Ziel des Gesetzes ist es, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch besser vor illegalen Lohnpraktiken und Arbeitsausbeutung zu schützen und Schwarzarbeit, Sozialleistungsmissbrauch und illegaler Beschäftigung insgesamt noch konsequenter entgegenzuwirken.46

Da Scheinselbstständigkeit zu fehlender sozialer Absicherung bei den vermeintlich Selbstständigen führt und die Sozialsysteme belastet, werden die Prüfungs- und Ermittlungsbefugnisse der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS) mit diesem Gesetz erweitert. Bei Verdacht auf Scheinselbstständigkeit ist eine Prüfung beim Scheinselbstständigen an der gemeldeten Betriebsstätte oder an Amtsstelle möglich. Das betrügerische Erschleichen von Sozialleistungen geht oft mit fingierten Arbeitsverträgen, die den zuständigen Behörden als Nachweis für die vermeintliche Anspruchsberechtigung vorgelegt werden, einher. Daher wird der FKS die Prüfung vorgetäuschter Beschäftigungsverhältnisse ermöglicht. Diese Befugniserweiterung wird als bedeutsamer Schritt zur wirkungsvollen Bekämpfung des Sozialleistungsbetrugs gesehen.47

1. Zur Psychologie des Betrugs

Studien und Statistiken der Justizvollzugsanstalten lassen den Schluss zu, dass ein Großteil der Betrüger meist zwischen 18 und 40 Jahren alt und männlich ist.48 Tatsächlich ist Betrug als vielschichtiges Phänomen (von leichten bis schweren Formen, von einmaligem bis mehrmaligem Betrug, von dem persönlichen bis hin zum systematischen Betrug gegen Fremde usw.), in dem sich alle sozialen sowie Alters- und Personengruppen wieder finden.

Allwinn, Hoffmann, Tultschinetski und Streich haben einige weitere Merkmale und Faktoren herausgearbeitet: Demnach nutzen Betrüger sog. Neutralisierungstechniken, um die persönliche Verantwortung zu minimieren oder zu leugnen. Beispielsweise leugnen sie Verantwortung, weil ihnen eine Information fehlte, sie es nicht genau wussten oder sogar, weil sie gar nicht die Möglichkeiten hatten, sich anders zu verhalten.49 Auch die Fremdschädigung wird geleugnet, bzw. bagatellisiert (beispielsweise, der Staat habe genug Geld, niemand würde direkt geschädigt,50 etc.).51 Eine andere Neutralisierungstechnik ist es, den Fokus auf die Kontrollinstanz (z. B. den Staat) zu richten und ihm Korruption vorzuwerfen.52 Auch die Bezugnahme auf Dritte zählt zu entsprechenden Strategien (man habe den Betrug nicht für sich, sondern für jemand anderen begangen, etc.).53 Zu unterscheiden ist auch, ob es sich bei einem Betrüger um einen Gelegenheitstäter (durch situative Umwelteinflüsse, die eine Tat begünstigt haben) oder um einen professionellen Verbrecher handelt (eine Person, die aktiv nach Möglichkeiten zum Betrug sucht).54

2. Bedrohungsmanagement

An sich handelt es sich beim Betrugsverdacht zunächst immer um einen Prüffall, der unter Umständen zu einer Strafanzeige führt. Regelmäßig sehen die Strukturen es hier vor, den nächsten Vorgesetzten einzuschalten und den Sachverhalt entsprechend aufzubereiten. Dies ist zunächst keine bedrohliche Lage. Wenn in solchen Fällen eine Strafanzeige erfolgt, führt dies unter Umständen dazu, dass Personen aggressiv reagieren.

Sie haben einen Sachverhalt korrekt geprüft und bei der Feststellung von Unstimmigkeiten ein entsprechendes Verfahren eröffnet. Doch genau davor haben Beschäftigte im öffentlichen Dienst manchmal Angst, vor allem dann, wenn sie die Person bereits negativ erlebt haben oder wissen, dass er schon im strafrechtlichen Kontext in Erscheinung getreten ist. Entsprechend wichtig ist hier, dass Beschäftigte nicht als die Verantwortlichen alleine dastehen.

3. Zusammenfassung

• Betrügerisches Verhalten ist gesellschaftlich weit verbreitet.

• Bezogen auf das Erschleichen von Leistungen empfinden viele Täter ihre Tat als weniger schlimm oder auch als gerechtfertigt.

• Mittlerweile stellt die Dimension des Sozialleistungsmissbrauches in Deutschland ein Problem dar, dem nun stärker entgegengewirkt werden soll.

• Aggressives Verhalten durch das Entlarven eines Täters ist nicht zwangsläufig; es empfiehlt sich jedoch, sich niedrigschwellig und individuell um Schutzmaßnahmen für die Mitarbeiter zu kümmern, die die Sachverhalte ermitteln und aufbereiten.

Sicherheit für Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst

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