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Die Arthrose kommt schleichend

Eine Arthrose entsteht nicht von heute auf morgen. Das ist tückisch, denn zu Beginn merkt man meist gar nichts von der Erkrankung, sondern erst, wenn die Arthrose weiter fortgeschritten ist. Nicht selten finden sich daher bei einigen Patienten arthrotische Gelenkveränderungen per Zufall im Röntgenbild, ohne dass der Betroffene Schmerzen verspürt.

Das Frühstadium

Zunächst verliert der Gelenkknorpel seine Elastizität. Einzelne Knorpelzellen sterben ab und das Knorpelgewebe wird immer dünner, raut auf und reißt ein. In diesem Stadium spricht man noch nicht von einer Arthrose, sondern von einem Knorpelschaden. Dieser ist anfänglich meist noch so klein, dass er oft nicht bemerkt wird. Er löst aber bereits schwerwiegende Veränderungen aus. Durch diese Schädigung wird nämlich die Belastungsverteilung auf den Gelenkflächen verändert. Die gesunden Knorpelanteile müssen die Last der geschädigten mit tragen, die Belastung auf den gesunden Knorpelflächen steigt an. Auf bestimmte Gelenkanteile treffen dadurch sehr hohe Belastungsspitzen. Schon bei Alltagsbelastungen müssen die tragenden Gelenkanteile dann

„Höchstleistung“ vollbringen. Durch diese zunehmende Belastung wird nach und nach der darunter liegende Knochen angegriffen, der nun nicht mehr durch den Knorpel geschützt ist. Der Knochen versucht den fehlenden Knorpelschutz auszugleichen, er verdichtet und verhärtet sich. Dies sieht man nun auch auf dem Röntgenbild und wird in der Fachsprache „subchondrale Sklerosierung“ genannt. Erst jetzt spricht man von einer Arthrose.

Merke: Eine Arthrose liegt nur dann vor, wenn Knorpel und Knochen geschädigt sind. Ist nur der Knorpel angegriffen, spricht man von einem Knorpelschaden.

Durch die rau gewordene Knorpeloberfläche ist der reibungslose Bewegungsablauf der Gelenkpartner nicht mehr möglich. Kleine Knorpelteilchen können sich ablösen, die in der Gelenkflüssigkeit schwimmen und im Gelenk wie „Sand im Getriebe“ wirken. Dies kann zum einen

schmerzhaft sein, reizt aber auch die Gelenkinnenhaut, die mit einer Entzündungsreaktion antwortet. Die Folge ist ein immer schnelleres Fortschreiten der Erkrankung, wenn man diesen Teufelskreis nicht möglichst frühzeitig durchbricht. Je früher also eine Arthrose behandelt wird, desto eher kann man tief greifende Schädigungen vermeiden.

Mittleres Stadium

Wegen des fehlenden Schutzes durch den Gelenkknorpel erhöht sich die Belastung auf den Knochen. Der Körper versucht, den erhöhten Druck auszugleichen, indem er die Gelenkfläche vergrößert. Am Rand der Gelenkflächen kommt es zu knöchernen Auswachsungen, es bilden sich wulstige Knochenvorsprünge, die sogenannten Osteophyten. Diese Deformierung des Knochens ist manchmal sogar sichtbar und spürbar und schränkt die Beweglichkeit des Gelenkes zunehmend ein. Schreitet der Prozess weiter fort, wird der Gelenkspalt immer enger. Auch der Knorpelschaden breitet sich durch die zunehmende Belastung auf immer kleiner werdende Gelenkanteile weiter aus. Die Patienten leiden unter phasenweisen Schmerzen, Schwellungen, Muskelverspannungen und Bewegungseinschränkungen im Bereich des betroffenen Gelenkes.

Spätstadium

Greift man in diesen fortschreitenden Krankheitsprozess nicht ein, wird die Knorpelschicht nach und nach vollständig abgerieben und die darunter liegenden Knochen liegen frei. Die gelenkbildenden Knochen reiben dann direkt und ohne Schutz aufeinander. Ist der Gelenkspalt im Endstadium der Erkrankung ganz verschwunden, wird das Gelenk steif. In diesem Stadium hilft nur noch eine Operation mit einem künstlichen Gelenkersatz.

Die Arthrose beeinflusst nicht nur den Knorpel allein, sondern im Laufe des Krankheitsprozesses alle an der Gelenkfunktion beteiligten Strukturen, also Gelenkknorpel, Gelenkschmiere, Gelenkinnenhaut, den das Gelenk umschließende Kapsel-Bandapparat, die Muskulatur und die zuständigen nervalen Steuerzentralen. Sukzessiv versagt die funktionelle Einheit „Gelenk“.

Doch dieser Verlauf ist nicht schicksalhaft! Die Arthrose ist durch einen dynamischen Verlaufsprozess gekennzeichnet mit Wechseln von Phasen des Stillstands und des Fortschreitens, der bei jedem Menschen anders ist. Vor allem kann mit einer frühzeitigen Therapie und einem sorgsamen Umgang mit den Gelenken viel dazu beigetragen werden, den Verlauf der Arthrose aufzuhalten oder zu verlangsamen.

Gelenk-Check ab 40

Die Arthrose verläuft zeitlich und von der Symptomatik bei jedem Menschen anders. Bei manchen Betroffenen entwickelt sich der degenerative Prozess sehr schnell, bei anderen dauert es Jahre, einige leiden unter starken Symptomen, andere haben relativ wenig Beschwerden.

In der Regel ist die Arthrose aber ein langsamer und schleichender Prozess. Lange Zeit treten keine Beschwerden auf oder erste Anzeichen werden nicht ernst genommen Schädigungen des Knorpels verursachen nämlich keine Schmerzen, da das Knorpelgewebe nicht schmerzempfindlich ist. Die Früherkennung ist somit sehr schwierig. Ich empfehle meinen Patienten einen regelmäßigen Gelenk-Check ab 40 Jahren, liegt eine familiäre Vorbelastung vor, bereits ab 30 Jahren. Ausnahme bilden Patienten, die Verletzungen erleiden, nach denen es zu einer vorzeitigen Arthrose kommen kann, wie Gelenk- und Bandverletzungen; diese Patienten sollten frühzeitig regelmäßig untersucht werden. Der Gelenk-Check umfasst eine genaue Anamnese und klinische Untersuchung sowie gegebenenfalls eine weiterführende Diagnostik und kann vom Orthopäden durchgeführt werden. Als Vorsorgeleistung wird der Check leider nicht von den Krankenkassen übernommen.

Die ersten deutlicheren Beschwerden treten also in der Regel erst auf, wenn der Knochen bereits angegriffen ist, Entzündungen entstehen oder die Muskulatur als Reaktion auf die Veränderungen verspannt. Typisch für die Arthrose ist der so genannte Anlaufschmerz. Gerade zu Beginn einer Bewegung, also wenn Sie morgens aus dem Bett aufstehen oder lange gesessen haben, sind die Schmerzen am stärksten und Ihr Gelenk fühlt sich

wie „eingerostet“ an. Die Schmerzen werden besser oder verschwinden ganz, wenn Sie sich einige Schritte gegangen sind und sich eine Weile bewegt haben. Im Frühstadium verspüren viele Betroffene manchmal ein merkwürdiges Spannungsgefühl im Gelenk und haben vielleicht Schmerzen in den Gelenken nach körperlicher Betätigung oder Sport (Belastungsschmerz). Es können auch Gelenkgeräusche wie Knirschen oder Knacken (Krepitationen) auftreten. Aber nicht jeder, der Gelenkgeräusche hat, hat eine Arthrose.

Je weiter die Erkrankung fortschreitet, desto deutlicher und häufiger werden auch die Symptome. Schon bei normalen Bewegungen schmerzen die Gelenke. Wenn Sie Schmerzen haben, auch wenn das betroffene Gelenk passiv bewegt wird, z. B. durch ihren Arzt, so ist dies ein Hinweis, dass es sich um eine Arthrose handeln könnte. Neben den Schmerzen können in diesem Stadium auch Entzündungen, Schwellungen und ein Gelenkerguss entstehen.

Im Spätstadium der Arthrose schmerzen die Gelenke auch in Ruhe, die Bewegungen sind deutlich eingeschränkt. Diese ist vor allem auf die zunehmende Deformierung der Gelenkknochen zurückzuführen. Der Gelenkspalt wird immer enger und somit auch die Gelenkbeweglichkeit. Die zunehmende Belastung der Gelenkknochen führt zu häufigen Entzündungen und Schwellungen. Der Verlust des Gelenkknorpels bewirkt auch, dass das Gelenk instabil wird. Ein Gelenk wird im gesunden Zustand durch Bänder stabilisiert. In einem arthrotisch veränderten Gelenk ist der Gelenkspalt schmaler geworden. Die Bänder sind aber auf eine physiologische Länge eingestellt und können deshalb das Gelenk nicht mehr so stabil halten. Ist der Knorpel allerdings vollkommen abgerieben (Knorpelglatze), wird das Gelenk vollständig steif.

Warnsignale einer Arthrose

 Phasenweiser oder dauernder Schmerz in einem Gelenk

 Anlaufschmerzen, Steifheit, wenn man aus dem Bett aufsteht

 Gelenkschwellung oder –empfindlichkeit in einem oder mehreren Gelenken

 Ein knirschendes Gefühl oder ein Geräusch, als ob Knochen auf Knochen reibt (=Krepitation)

  Muskelverspannungen

  Bewegungseinschränkung

 Funktionsverlust des Gelenkes

 Dauerhaft heiß, rot oder empfindlich? Wahrscheinlich keine Arthrose. Ihr Arzt wird mögliche andere Ursachen abklären, wie z. B. Rheuma

Nicht jeder Arthrose-Patient hat Schmerzen. Tatsächlich haben nur etwa ein Drittel aller Betroffenen mit einer klaren Röntgendiagnose Schmerzen oder andere Symptome.

Die Bedeutung der Muskulatur

Arthrose ist eine Gelenkerkrankung, was hat sie also mit der Muskulatur zu tun? Schon wenn Sie noch gar nicht an Arthrose denken, treten oft als erstes Zeichen Schmerzen in der Muskulatur auf. Diese entstehen, weil Sie unbewusst Schonhaltungen (z. B. Schonhinken) einnehmen, um das betroffene Gelenk zu schützen oder Bewegungen zu vermeiden, die das Gelenk belasten. Eine Schonhaltung ist aber nicht ökonomisch und die Muskeln werden nicht ihrer Funktion entsprechend beansprucht. Darauf reagieren sie mit Verspannungen, die Sie als schmerzhaft verspüren.

Das Fatale: es entsteht ein Teufelskreis aus Schonhaltung, Verspannung, Schmerzen, verstärkter Schonhaltung und noch mehr Schmerzen. Verspannung bedeutet, dass der Muskel kontrahiert (=sich zusammen zieht). Anders als bei einer bewussten Anspannung, um z. B. etwas zu greifen oder zu heben, kontrahiert der verspannte Muskel aber nicht willentlich. Bei länger anhaltenden Verspannungen passt sich die Muskulatur an, sie verkürzt. Dies

wiederum hat vielfältige Konsequenzen. Die Muskulatur zieht verstärkt und einseitig an den Gelenkknochen, an denen sie ansetzen. So wird das ohnehin geschädigte Gelenk zusätzlicher Belastung ausgesetzt und die gesamte Haltung nach und nach verändert.

Sie müssen sich die Funktion der verschiedenen Muskeln als eine sich bedingende Funktionskette vorstellen. Eine Störung etwa in der Beinmuskulatur setzt sich über die Hüfte, den Rücken bis hin zur Schulter und Nackenmuskulatur fort – nach und nach verändert sich Ihre gesamte Haltung. Dabei funktionieren Muskeln immer als Paare. Es gibt wie im Sport Spieler (Agonisten) und Gegenspieler (Antagonisten). Wenn Sie z. B. ihr Bein ausstrecken, spannen Sie ihre vordere Oberschenkelmuskulatur an (Agonist), dafür muss aber die hintere Oberschenkelmuskulatur (Antagonist) entspannen.

Die Dysbalance

Was heißt das für die gestörte Muskelfunktion? Verkürzt ein Muskel aufgrund andauernder Verspannung und Fehlhaltung, schwächt sich automatisch der Gegenspieler dieses Muskels ab. Es entsteht eine Dysbalance, die auch das Gleichgewicht des dazugehörigen Gelenks verschiebt. Sie können sich das vorstellen wie bei der Takelage eines Schiffmastes. Ist diese nicht gleichmäßig von allen Seiten gespannt, kann der Mast nicht aufrecht stehen.

Es ist sehr wichtig, dass Ihr Arzt oder Physiotherapeut genau untersucht, welche Muskeln bei Ihnen verkürzt sind und welche abgeschwächt. Dann kann mit einem zielgerichteten Dehnungs- und Kräftigungsprogramm der Teufelskreis unterbrochen werden.

TIPP:

Nach Gelenk- und Bänderverletzungen sollten Sie sich regelmäßig einem Arthrose-Check unterziehen.

Gut leben mit Arthrose

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