Читать книгу Zart und frei - Dr. Carolin Wiedemann - Страница 5
1.Patriarchat
ОглавлениеAuf dem Fahrrad mit kurzer Hose durch Berlin. Eine Strecke von 20 Minuten. Einer ruft mir »Fotze« hinterher, ein anderer pfeift mir nach. Durchschnittliche Quote.
Ich bin auf der Geburtstagsfeier einer Freundin, spreche mit zwei Journalisten, die gegen den Kapitalismus schreiben. Sie fragen nach meinen Themen. Ich erzähle von einem Interview zur Frage, wie sich die misogyne und queerfeindliche maskulinistische Bewegung über Social Media organisiert. Der eine schlägt dem anderen auf den Oberschenkel und ruft: »Mensch, sie ist uns auf die Schliche gekommen!« Beide lachen lauthals.
Der Physiotherapeut duzt mich ungefragt und tätschelt mir die Wange.
Der Bekannte, der seine Lippen zum Abschied auf meine drückte und seine Zunge hervorschnellen ließ, obwohl ich den Kopf zum höflichen Wangenkuss zur Seite gedreht hatte, schreibt wieder eine SMS: Dass er traurig sei, dass ich mich so selten melde. Ob wir nicht mal wieder was trinken gehen wollen. Meine Email mit der Erklärung, warum ich sein Verhalten übergriffig fand, hat er wahrscheinlich schon vergessen.
Mein Kollege fragt: Warum denn vom Patriarchat schreiben? Warum immer so negativ? Wir hätten schließlich eine Kanzlerin. Ein anderer pflichtet bei: Spätestens nach #MeToo seien die Beschwerden nun wirklich übertrieben.
Es gibt einen Zusammenhang zwischen diesen Erfahrungen, die ich alltäglich mache. Und die andere alltäglich machen. All jene, die nicht als männlich gelten: Die Erfahrung von Abwertung und die gleichzeitige Erfahrung, dass diese nicht ernst genommen wird. Die Grade der Abwertung sind unterschiedlich, doch strukturell sind alle Frauen und Queers von ihr betroffen.
»Patriarchat« ist der Begriff für diese Struktur. So wird sie von denen genannt, die sie bekämpfen.