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Dr. Matthias Meier
Der Mensch – zu schlau zum Überleben
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Kapitel 2 Das zentrale Nervensystem Es dürfte hinlänglich bekannt sein, dass sich unser zentrales Nervensystem als Gehirn und Rückenmark im Schädel und in der Wirbelsäule befindet. Das Gehirn mit seinen geschätzten 80–85 Milliarden Zellen steuert alle Stoffwechselprozesse des menschlichen Körpers, seien es Gelenkstoffwechsel, Herzschlag, Verdauung, Hormonausschüttung u. a. Der gesamte Prozess ist so unglaublich komplex, dass fraglich ist, ob wir jemals die Details in ihrer Gesamtheit verstehen werden. Es ist in diesem Fall aber ausreichend zu wissen, dass das Gehirn unser zentraler Rechner ist, der die Kontrolle über Organe, Gelenke, Muskeln, Hormondrüsen, Haltung und Verarbeitung von Emotionen besitzt. Es kommuniziert über das Rückenmark und die daraus zwischen den Wirbelkörpern entspringenden Nervenwurzeln mit dem jeweiligen Endorgan. Diese Kommunikation geht in beide Richtungen, sodass das Gehirn auch ständig über die Stoffwechsellage aller Bereiche informiert ist. Diese Verbindung ist essenziell für Gesundheit, was einem logisch erscheint, aber in der Behandlung von Erkrankungen praktisch keine Rolle spielt. Dazu aber später. Das zentrale Nervensystem baut sich aus verschiedenen Komponenten auf: das Gehirn, das Rückenmark und das autonome Nervensystem. Das Gehirn ist unser Zentralkommando, das alles überwachende und omnipotente Zentrum. Von hier gehen alle Signale zu den jeweiligen Körperregionen, und hier enden alle Rückmeldungen von denselben. Jede Stellung jedes Muskels und jedes Gelenks wird sofort registriert und auf das Grad genau ausgerechnet und ggf. gegengesteuert, um eine möglichst aufrechte Haltung und eine präzise Koordination zu gewährleisten. Jedes
Quelle: Adobe Stock Hormon wird Mikrogramm-genau ausgeschüttet und stressadaptiert vermehrt oder vermindert. Alle Sinneseindrücke werden blitzschnell weitergeleitet und sowohl logisch als auch emotional verarbeitet. Es entstehen Erinnerungen und Gefühle, und das vegetative Nervensystem reagiert mit erhöhtem Herzschlag, veränderter Verdauung, Anpassung der Atmung und vielem mehr. Am „Temporallappen“ des Gehirns gibt es eine große Furche, die den vorderen und hinteren Teil des Lappens teilt. Der vordere Teil (Gyrus präcentralis) ist in seinen Zellanteilen nach Körperregion aufgeteilt und dient der motorischen Steuerung. Von hier aus werden motorische Signale ausgesendet und enden direkt am Muskel, der die entsprechenen Befehle ausführt. Hinter der Furche ist der Gyrus postcentralis, der ebenfalls nach Körperregion aufgeteilt und für die Sensibilität zuständig ist sowie als Ziel von Signalen dient, die von der Peripherie nach zentral in das Gehirn geschickt werden. Die rechte und die linke Hemisphäre des Gehirns sind mit einer Art Brücke verbunden, sodass Informationen ausgetauscht werden können. Im Zwischenhirn befinden sich Thalamus und Hypothalamus, die jeweils für Bewusstsein, Sinneseindrücke weiterleiten (Thalamus) und Hormonproduktionsstätte sowie Zentrum für Kreislauf, Atmung, Temperaturregelung und Schlaf-Wach-Rhythmus (Hypothalamus) wichtig sind. Im Mittelhirn werden viele Informationen verarbeitet und weitergeleitet, die mit Bewegungen zu tun haben. Augenbewegungen werden von hier kontrolliert. und Die Substantia nigra (schwarze Substanz) sorgt für Dopaminausschüttung, die durch Bewegung stimuliert wird und beispielsweise bei Parkinson Patienten in ihrer Funktion beeinträchtigt ist. Das Mittelhirn zählt bereits zum Hirnstamm, was phylogenetisch einen sehr alten Teil des Gehirns darstellt und sich im Laufe der Evolution des Menschen, im Gegensatz zum Großhirn, kaum verändert hat. Das Rückenmark ist die Verlängerung des Hirnstamms und praktisch die Autobahn für Nervensignale in den Körper und transportiert alle Signale vom Gehirn überallhin (bis auf die Hirnnerven selbst, die Augen, Ohren, Innenohr, Zunge und Schlund, Gesicht etc. steuern). Die Nervensignale erreichen eine Geschwindigkeit von bis zu 120 Metern pro Sekunde, andere Nerven sind deutlich langsamer (Sie kennen das: Sie stoßen sich den Zeh an der Bettkante, lassen etwas darauf fallen oder klemmen ihn in der Garagentür ein. Sie wissen, was gleich kommt, aber der Schmerz lässt noch 1–2 Sekunden auf sich warten. Die Nerven, die dieses Signal senden, leiten es mit einer Geschwindigkeit von nur 1–2 Meter/Sekunde weiter, daher der verzögert einsetzende Schmerz). Die Geschwindigkeit der Weiterleitung hängt vom Nerventyp ab. Manche sind von einer Nervenscheide umgeben, die kleine Einschnürungen besitzt. Die elektrischen Signale springen dann von Ring zu Ring und erreichen damit die höchsten Geschwindigkeiten. Nervenscheiden bestehen hauptsächlich aus Cholesterin und werden bei der Erkrankung „Multiple Sklerose“ in ihrer Struktur beschädigt. Das Rückenmark gibt zwischen den Wirbeln kleine Nervenwurzeln ab, die nach rechts und links abbiegen und einzelne Körperareale mit Signalen versorgen und diese wieder zurücktransportieren. Die Nervenwurzeln geben aber auch vegetative Nervenfasern ab, die Stoffwechsel und Dinge, wie auf Stress oder Ruhe adaptieren, kontrollieren. An der Brustwirbelsäule verbinden sich die großen vegetativen Zentren zu Längssträngen, die unter den Rippengelenken rechts und links bis zur oberen Lendenwirbelsäule den sogenannten „sympathischen Grenzstrang“ bilden. Dies ist unser Stresssystem und reagiert auf Stress mit Änderung von Hormonproduktion und Energieangebot, um den Körper in Notfallsituationen am Leben zu erhalten (erhöhter Herzschlag, erhöhter Blutzucker und erhöhtes Cholesterin, schnellere Atmung, erhöhter Muskeltonus, Weitung der Bronchien, Reduktion von Verdauung und Schilddrüsenfunktion). Diskrete Änderungen sind aber physiologisch und ändern sich innerhalb eines Tages, von Tag zu Tag und von Woche zu Woche und passen sich automatisch den äußeren Umständen an. Vom Hirnstamm und aus dem Steißbein kommen die großen parasympathischen Nerven, die wie ein Gegenspieler des Sympathikus fungieren. Sie fördern Schlaf, Verdauung und Heilung sowie Wachstum durch Stimulierung der Schilddrüse.
Quelle: Adobe Stock Wer kennt es nicht? Eine kleine Drehung oder eine Bückbewegung und plötzlich schießt es in den Nacken, ein stechender Schmerz zwischen den Schulterblättern oder an der tiefen Lendenwirbelsäule. Was ist es, dass uns diese Misere beschert, die Tage oder Wochen braucht, um wieder zu verschwinden, und hat es eine tiefergehende Bedeutung? Kann man es abwarten oder sollte man es behandeln lassen? Blockierungen an der Wirbelsäule in all ihren Abschnitten führen zu einer gestörten Biomechanik, was die Beweglichkeit der kleinen Wirbelsegmente einschränkt, Druck auf die Bandscheiben ausübt und deren Nährstoffversorgung reduziert. Sie können die Weiterleitung von Nervensignalen stören. Dies ist eine entscheidende Erkenntnis, da die Nervenwurzeln Signale für den Stoffwechsel der Muskeln, Sehnen, Gelenke, Organe und Hormondrüsen weiterleiten. Eine dauerhaft gestörte Weiterleitung kann somit zu einer chronischen Erkrankung in dem Versorgungsgebiet der Nerven führen (beispielsweise Schwindel bei Blockierungen der oberen Halswirbelsäule, Herzrhythmusstörungen bei Blockierungen der oberen Brustwirbelsäule oder Kniearthrose bei Blockierungen der mittleren Lendenwirbelsäule und vielem mehr). Eine Blockierung ist genau genommen ein Schutzmechanismus des Gehirns, um bestimmte Wirbelsegmente davor zu bewahren, zu sehr in eine Fehlstellung zu geraten, beispielsweise nach einem Unfall oder bei Bandscheibendegeneration. Muskeln, die die einzelnen Wirbel stabilisieren, bekommen das Signal, sich zu kontrahieren und anzuspannen. Das schützt zwar das Segment vor weiterer Fehlstellung, bedeutet aber auch eine Verschlechterung der Biomechanik und einen physischen Stress für den Menschen. Um optimal zu funktionieren, ist es wichtig, dass Schädel und Wirbelsäule mit Becken in ihrer physiologischen Struktur und Stellung bestehen. Ein Auffahrunfall oder ein Sturz, ein Schlag auf den Hinterkopf oder andere als banal gewertete Ereignisse können die gesunde Biomechanik der Wirbelsäule aufheben, auch wenn keine Frakturen oder Bandscheibenschäden festgestellt werden können. Schutzblockierungen verursachen eine zwar minimale, aber für die Physiologie bedeutsame Seitneigung, Kompression und Rotation des Wirbels, die dadurch die Bewegung auf der Bandscheibe einschränken und den Druck verstärken sowie die Nährstoffzufuhr zur Bandscheibe vermindern. Wenn diese nicht gelöst werden, kommt es langfristig zu Verformungen der Wirbelsäule und weiterer Degeneration von Bandscheiben und Arthrose in den Wirbelgelenken. Dies führt auch dazu, dass die Nerven, die aus diesen Segmenten herauskommen, immer mehr unter Druck geraten, was eine Weiterleitung des Nervensignals verhindert. Die Nerven haben verschiedene Aufgaben, zu denen Motorik, Sensibilität, inklusive Schmerz und Stoffwechselsteuerung gehören. Diese Zuordnung von Nerven und peripheren Gelenken, Organen, Hormondrüsen, Muskeln und Faszien ist gut dokumentiert und für alle Menschen praktisch gleich.
Quelle: Adobe Stock Ein Beispiel aus dem echten Leben: Eine junge Frau erleidet auf dem Weg zur Arbeit einen Auffahrunfall und geht ins Krankenhaus, um sich untersuchen zu lassen. In der Notaufnahme wird standardmäßig eine Röntgenuntersuchung der Halswirbelsäule durchgeführt, um eine Fraktur auszuschließen. Es wird Entwarnung gegeben, keine Fraktur, nur eine Steilstellung der Halswirbelsäule, wie sie bei Auffahrunfällen häufig auftritt.
Quelle: Adobe Stock Der behandelnde Arzt sagt der Patientin, es sei „muskulär bedingt“. Nach einigen Tagen bemerkt die Patientin einen zunehmenden Gesichtsschmerz auf der linken Seite und Hinterkopfschmerzen sowie einen Schwindel. Da es ein Arbeitsunfall war, stellt sie sich beim D-Arzt (behandelnde Unfallchirurg) vor und berichtet darüber. Um eine weitere Verletzung der hirnzuführenden Gefäße auszuschließen, wird eine MRT Untersuchung durchgeführt, die jedoch keinen weiteren Befund bringt. Es wird eine Rehabilitationsmaßnahme indiziert, die auch innerhalb von 2 Wochen beginnt. Die Patientin bekommt das gesamte Spektrum der Rehabilitationsmedizin inkl. Physiotherapie, Massagen, Fango, Elektrotherapie und psychologische Unterstützung. Nach 3 Wochen hatte sich noch keine Besserung ergeben, die Maßnahme wurde um 1 Woche verlängert, jedoch ohne positives Ergebnis. So langsam regte sich Unmut in der Belegschaft. Simulierte die Patientin etwa? Die Patientin wurde entlassen, wie sie aufgenommen wurde, mit der Maßgabe, sie könne wieder arbeiten gehen. Solche Patienten gibt es in Notaufnahmen und Reha-Abteilungen täglich, und viele Patienten profitieren auch von den durchgeführten Behandlungen. Aber wenn die Symptome nicht verbessert werden können, dann ist die Ursache der Problematik nicht erkannt worden. Die Lösung des Problems ist aber einfacher, als man denken mag. Wenn man sich die Röntgenaufnahmen dieser Menschen anschaut, wird man feststellen, dass die Wirbelsäule nicht in ihrer physiologischen Position steht. Entweder gibt es eine Seitneigung, eine Steilstellung (wie im Beispiel) oder sogar eine Umkehr der natürlichen Kurven, am häufigsten in der Hals- und Lendenwirbelsäule. Diese Veränderungen gehen mit einer vermehrten Spannung des Rückenmarks und den Segmentwurzeln einher und sorgen damit für eine Verschlechterung der Signalweiterleitung über die Nerven. Das Wiederherstellen der normalen Biomechanik führt zu einem Sistieren der Symptomatik. Bei der Patientin im Beispiel wurde durch 30 chiropraktische Behandlungen der gesamten Wirbelsäule inklusive Becken genau das erreicht. Da die einzelnen Nervenwurzeln aus der Wirbelsäule bei allen Menschen den gleichen Verlauf und das gleiche Zielorgan haben, ist es leicht, einzelne Fehlstellungen einer Symptomatik zuzuordnen und dementsprechend zu behandeln. Um Ursachen von Erkrankungen zu verstehen, sind die Anatomie und Funktion unseres „autonomen Nervensystems“ ganz entscheidend. Man kann sich das autonome Nervensystem ähnlich einer lebendigen Batterie in uns vorstellen, die Stoffwechsel, Energielevel, Schlafbedürfnis und -qualität, Verteilung von Durchblutung kontrolliert. Sie kann aufgeladen sein oder fast leer. Stress und Erholung sind von einer Balance der beiden Gegenspieler abhängig: dem Sympathikus und der Parasympathikus. Das sympathische Nervensystem ist unser Stresssystem und überlebenswichtig in bedrohlichen Situationen. Typische „sympathische“ Reaktionen sind: Erhöhung des Herzschlags, Blutdrucks, Cholesterinlevels der Fettsäuren sowie des Blutzuckers, Erniedrigung der Schilddrüsenaktivität, Verschlechterung der Verdauung und des Schlafs und die Erhöhung des Tonus der kleinen Wirbelmuskeln. Dies sind alles natürliche Reaktionen auf eine Stresssituation, wobei der Körper nicht zwischen emotionalem, chemischem oder körperlichem Stress unterscheidet. Er antwortet immer zuerst mit einer Erhöhung der Sympathikus Aktivität, und das ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Normalerweise sollte die akute Stresssituation irgendwann nachlassen und dementsprechend die Reaktion ausbleiben, wenn aber der Stress chronifiziert, ist das ein Problem. Die Konstellation erhöhter Blutdruck, erhöhtes Cholesterin, niedrige Schilddrüsenwerte, schlechte Verdauung und eingeschränkte Schlafqualität betrifft sehr viele Menschen. Oft werden vom Arzt ein Blutdruckmedikament, Cholesterinsenker, Schilddrüsenhormone, Abführmittel und Schlafmittel verschrieben. Ohne Medizin studiert zu haben, wird man nun aber verstehen, dass die Ursache für die Veränderungen nicht behandelt oder gar abgefragt wurde. Denn die verschiedenen Formen des Stresses sind weiterhin vorhanden und werden im Laufe der Zeit nicht von selbst weniger. Typische emotionale Stressfaktoren sind Beziehungsprobleme, finanzielle Sorgen, Mobbing bei der Arbeit etc. Chemischer Stress sind Medikamente, Pestizide, schlechte Ernährung, Mineralienmangel etc. Physischer Stress bezieht sich vor allem auf Wirbelsäulenfehlstellungen, die im Röntgenbild offensichtlich von der Norm abweichen, jedoch in der Medizin nicht als Problem gewertet werden. Bei einer ganzheitlich orientierten Therapie sollte es immer Ziel sein, herauszufinden, um welcher Art Stress es sich handelt, und diesen (oder alle) zu reduzieren. Die Veränderungen von Blutdruck, Cholesterin, Blutzucker, Schilddrüsenwerten, Schlaf etc. werden sich dann wieder der physiologischen Norm annähern und machen Medikamente häufig unnötig. Der Parasympathikus ist der Gegenspieler, der den Herzschlag reduziert, Schlaf reguliert, den Blutdruck senkt, die Schilddrüsenaktivität stärkt, die Verdauung angeregt und Gewebeheilung induziert. Am oberen Halsmark, unter der Schädelkalotte, sitzt der Kern des sogenannten „N. vagus“, einer der wichtigsten parasympathischen Nerven, der eine Vielzahl von Funktionen übernimmt, u. a. die Nervenversorgung von Bronchien, Lungen, Herz, Speiseröhre, Magen, Darm für muskuläre Kontraktion, aber auch, und sogar hauptsächlich, sensible Impulse aus dem Darm und den übrigen inneren Organen zum Gehirn weiterleitet und durch Blockierungen oder Fehlstellungen der oberen Halswirbelsäule oder des Schädels selbst in seiner Funktion eingeschränkt oder irritiert sein kann. Des Weiteren befindet sich vor dem Steißbein am Becken ein großes parasympathisches Nervengeflecht, dessen Funktionen bei Fehlstellungen des Beckens oder nach Unfällen oder nach Geburt eingeschränkt oder irritiert sein und zu Schlafstörungen, Verdauungsproblemen, Gemütsschwankungen und erhöhte Infektanfälligkeit führen können. Das bedeutet, dass jegliche Einwirkung auf die Wirbelsäule auch Einwirkungen auf Organe, Muskeln, Gelenke, Faszien und Hormondrüsen haben kann. Unfälle oder andere äußere Gewalteinwirkungen sowie Mineralienmängel mit nachfolgender Degeneration von Bandscheibenmaterial werden strukturell negative Folgen für die Wirkungsweise der Wirbelsäule und des darin enthaltenen Nervensystems haben. Da Emotionen Ausdruck verschiedener biochemischer Vorgänge sind, werden sie auch beeinflusst. Ohne hier auf Einzelheiten einzugehen, ist es wichtig zu verstehen, dass Sympathikus und Parasympathikus eine Balance halten müssen, mal ist der eine, mal der andere dominant, so wird der Stoffwechsel an die Umgebung angepasst und reguliert. Wenn allerdings eine ständige Dysbalance verhindert, dass sich der Stoffwechsel anpassen kann, kommt es zur Symptomatik, die je nach Wirbelsäulenkonfiguration unterschiedlich sein kann. Quelle: https://www.vnsanalyse.de/de/
herzfrequenzvariabilitaet/physiologische-grundlagen.html
Hoher Blutdruck ist unter diesem Gesichtspunkt also keine Erkrankung, sondern eine Adaption des autonomen Nervensystems an einen bestehenden Stressfaktor. Genauso kann man es für andere chronische Erkrankungen erklären (s. von A–Z) (1). Um dem Ganzen noch ein bisschen Schliff zu verleihen, kann man das autonome Nervensystem bildlich darstellen und vor/nach einer Behandlungsserie zeigen, wie sich die autonome Funktion (und damit die Gesundheit!)
verbessert hat. Anhand einer Herzfrequenzvariabilitätsmessung kann man das autonome Nervensystem bildlich darstellen. Das Prinzip beruht darauf, dass das Herz in einer bestimmten Frequenz schlägt. Der Abstand zwischen 2 Schlägen ist in Ruhe fast gleich, aber nicht genau. Die Unterschiede in den Zeitabständen zwischen Herzschlägen nennt man Herzfrequenzvariabilität. Wie variabel dieser Abstand ist, ist von der Aktivität des autonomen Nervensystems abhängig, die von Nerven der oberen Hals- und oberen Brustwirbelsäule stammt. Quelle: Dr. Matthias Meier
Quelle: Dr. Matthias Meier In der Abbildung S. 28 sieht man eine Patientin, die sich in einer sympathischen Dominanz befindet (weißer Punkt). Irgendein Stressfaktor (physisch, chemisch oder physisch) führt dazu, dass der Körper mit einer Stressreaktion antwortet. Symptomatik mit Verdauungsproblemen, immer wiederkehrenden Hautproblemen, Konzentrationsschwierigkeiten und Schmerzen an der Wirbelsäule mit Schwindelattacken begleiteten sie. In der Abbildung S. 29 ein Patient, der seit Jahrzehnten einem kombinierten Stress ausgesetzt ist und bei dem die typische Stressreaktion in eine Burn-out Situation, und damit in einen tief parasympatischen Zustand ausgeartet ist. Ständige Müdigkeit, Nachtschweiß, Motivationslosigkeit und bereits mehrere Herzereignisse in der Vergangenheit waren Teil seiner Geschichte. Beide Patienten sind in der Aktivität ihres autonomen Nervensystems zu tief und haben somit keinen optimalen Schlaf oder optimale Heilungsfähigkeit. Das Ziel muss es hier sein, beide Patienten in den grünen Bereich zu bekommen. Nicht nur die Balance wird wiederhergestellt, auch die Aktivität des Nervensystems kann dadurch positiv beeinflusst werden, was wiederum eine Vielzahl von Auswirkungen hat: Das Energielevel steigt tagsüber, Schlaf wird erholsamer, die Symptomatik verringert sich, Medikamente können reduziert werden, Schmerz verschwindet und das Immunsystem wird stärker. Gut und erholsam durchzuschlafen, ohne nachts aufstehen zu müssen oder wach zu werden, ist hier ein Schlüsselelement. Heilung passiert im Schlaf, v. a. in den Tiefschlafphasen, daher muss es immer ein Ziel der Therapie sein, Schlafqualität zu verbessern und nächtliche Störungen zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren, um den größtmöglichen Effekt auf Gesundheit zu haben. Es gibt einige Hinweise darauf, dass die gestörte Funktion bzw. eine fehlende Balance ein Motor für viele chronische Erkrankungen ist und dessen Messung einen Anhalt für den aktuellen Stresszustand des Patienten geben kann. Die Wirbelsäule als Hülle und Stütze des Nervensystems ist für die Funktion und Balance essenziell. Normalerweise ist die Wirbelsäule von vorne gesehen gerade und weist von der seitlichen Ansicht eine doppelte S-Kurvenform auf. Diese Struktur gilt als physiologisch, kann aber durch viele Faktoren beeinflusst werden: Unfälle oder andere äußere Gewalteinwirkungen, chronischer Mineralienmangel, chronische Fehlhaltungen, ständiges Sitzen u. a. wirken sich kurz-, mittel- und langfristig auf die Struktur der Wirbelsäule und damit auch auf die Funktion des darin enthaltenen Nervensystems aus. Interessant wird es, wenn die Fehlhaltung/strukturellen Probleme verbessert werden. Dies hat einen starken Einfluss auf die autonome Kontrolle von peripheren Geweben und kann so positiv auf praktisch alle chronischen Erkrankungen einwirken. Das zeigt, wie mächtig unser zentrales Nervensystem ist und wie sehr es versucht, für uns zu arbeiten. Aus diesem Grund können Kniebeschwerden verschwinden, wenn die Wirbelsäule entlastet wird, auch wenn das Knie nie angetastet worden ist. Das Prinzip ist für alle Gewebe zulässig, da die Nerven aus der Wirbelsäule alle Zellen des menschlichen Körpers erreichen und beeinflussen. Quelle: Adobe Stock
Wenn Sie ein Heer haben, dass die Schlacht verliert, tauscht man auch nicht einen einzelnen Soldaten aus (höchstens in Hollywood Filmen), sondern lässt den General andere Befehle erteilen, damit die gesamte Armee anders agiert. So ähnlich kann man sich das vielleicht für die Funktion des Nervensystems vorstellen. Oftmals wird eine MRT Untersuchung durchgeführt, um Bandscheibenschäden und Kompressionszeichen von Nervenwurzeln zu diagnostizieren. Diese Diagnostik hat aber zwei entscheidende Nachteile. Zum einen sieht man immer nur eine Schicht der Wirbelsäule und nie das ganze Konstrukt auf einem Bild, zum anderen liegt der Patient. Die Wirbelsäule sieht bei einem Patienten im Liegen und Stehen manchmal ganz anders aus, was sich durch eine andere Lastverteilung und dementsprechende Biomechanik beim Stehen erklären lässt. Wenn man also einen Menschen manualmedizinisch behandeln möchte, ist ein stehendes Röntgenbild der gesamten Wirbelsäule eine größere Hilfe und gibt ein realistischeres Bild ab als eine MRT Untersuchung. Hier eine 17-jährige junge Frau, die über chronische Kopfschmerzen klagt. In der durchgeführten MRT Untersuchung fanden sich außer einer etwas steil gestellten Halswirbelsäule und diskreter Bandscheibenvorwölbungen keine weiteren krankhaften Veränderungen, sodass außer Physiotherapie keine konkreten Maßnahmen empfohlen wurden. In der stehenden Röntgendiagnostik jedoch zeigt sich ein deutlicher Knick zwischen dem vierten und fünften Halswirbel (Pfeil), der auf eine Verletzung des sogenannten hinteren Längsbandes hinweist und die harmonische Kurve der hinteren Längskante unterbricht. Diese Störung der Struktur kann dazu führen, dass das Rückenmark, welches ja in der Wirbelsäule enthalten ist, eine Spannungsänderung erfährt. Die Reaktion wird immer sein, dass die Nackenmuskulatur verspannt, um diese Fehlstellung möglichst nicht größer werden zu lassen. Die Knickbildung ist im MRT nicht sichtbar, aber im Röntgenbild eindeutig zu sehen. Die Behandlungsempfehlung ist aufgrund der nun feststehenden Diagnose klar. Die gelbe Kurve zeigt, in welcher Stellung die Halswirbelsäule stehen sollte.
Quelle: Dr. Matthias Meier
Quelle: Dr. Matthias Meier 52-jährige Dame mit Menstruationsbeschwerden, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und Herzrhythmusstörungen. Im linken Bilde ist deutlich zu erkennen, dass der Kopf nach links abweicht und an der oberen Brustwirbelsäule ein Knick von 10,3° und an der Lendenwirbelsäule ein Gegenknick von 12,3° sowie ein Beckenschiefstand von 12,3 mm die Symmetrie stört. Nach 29 Behandlungen konnte der Kopf zentriert werden und die jeweiligen Werte auf 4,3° an der oberen Brustwirbelsäule, 9,7° an der Lendenwirbelsäule und der Beckenschiefstand auf 9,9 mm reduziert werden. Das mag nicht allzu spektakulär aussehen, geht aber mit dem Verschwinden von Kopfschmerzen, Herzrhythmusstörungen und Menstruationsbeschwerden sowie einer deutlichen Verbesserung der Rückenschmerzen einher. Quelle: Dr. Matthias Meier
Junge Frau (17) mit Kopfschmerzen und Skoliose. Diese sollte verbessert werden. Im linken Bild erkennt man, dass die Halswirbelsäule an den oberen Segmenten der Kurve nicht mehr folgt, sondern nach vorne fällt (wenn auch nur wenig), die Lendenwirbelsäule zeigt eine Kurve von 29,4° (40° gelten als physiologisch). Nach Behandlung konnte die Halswirbelsäule harmonisiert werden (oberen Segmente folgen der Kurve) und die Lendenwirbelsäule zeigt nun 34,3°. Die beiden Bilder haben einen zeitlichen Abstand von 2 Wochen, in dieser Zeit ist die junge Frau 1,5 cm gewachsen.
Quelle: Dr. Matthias Meier 72-jähriger Mann mit einer Prostatavergrößerung, Ellenbogenschmerzen beidseits und Fußschmerzen rechts. Die Fehlstellungen konnten nach ebenfalls 29 Behandlungen an der Brustwirbelsäule von 12,1° auf 7,6°, an der Lendenwirbelsäule von 11,8° auf 8,7° und der Beckenschiefstand von 19,4 mm auf 14,9 mm verbessert werden. Dies bedeutet den Unterschied zwischen 6 Mal pro Nacht mit Medikation zum WC aufstehen und ohne Medikamente 1–2 Mal aufstehen und gelegentlich sogar durchschlafen. Die Schmerzen an Ellenbogen und Fuß verschwanden.
Quelle: Dr. Matthias Meier Wie sieht es mit einer solchen Wirbelsäule aus? Wird diese ältere Dame einen normalen Blutdruck haben? Gut schlafen? Regelmäßige Verdauung haben? Sie erraten die Antwort: Nein, der physische Stress auf dem Nervensystem ist hier deutlich sichtbar. Organstörungen sowie Bindegewebsinstabilitäten der Knie mit nachfolgender Arthrose beidseits sind bereits eingetreten. Aufrecht stehen und gehen gerät zur Qual und Medikamente werden genommen, um die Situation erträglich zu machen. Die Ursache sieht man auf dem Bild deutlich. Allerdings sind die Möglichkeiten der Rekonstruktion deutlich eingeschränkt, da die Beweglichkeit der einzelnen Wirbelsegmente signifikant nachgelassen hat. Eine Symptomlinderung durch Manipulation der Wirbelsäulenanteile kann trotzdem durchgeführt werden. Auch wenn keine strukturelle Änderung daraus resultiert, können in der Regel einige Medikamente reduziert werden. Es wird also deutlich, dass die Stellung der Wirbelsäule über Schmerzen, Organfunktion und Aktivität und Dominanz des vegetativen Nervensystems bestimmt und daher zu Krankheitsentstehung beitragen kann. Sie muss zu jeder Behandlung eines Patienten mit einer chronischen Erkrankung mit berücksichtigt werden, um ursächlich behandeln zu können. Ein anderer Aspekt ist hier ebenfalls interessant. Wenn man die Struktur der Wirbelsäule rekonstruktiv behandelt, kommen manchmal vorübergehend alte Symptome wieder zum Vorschein. Beispielsweise berichtete eine junge Frau, die sich wegen Herzrhythmusstörungen vorstellte, dass diese nach wenigen Behandlungen verschwunden seien, aber nach mehreren Wochen Therapie sich ein Instabilitätsgefühl in der rechten Schulter eingestellt hatte, welches sie seit Jahren nicht mehr hatte. Vor 5 Jahren hatte sie beim Aufschlag im Rahmen eines Tennisspiels eine Schulterluxation (Auskugelung) erlitten, die sie spontan wieder „einrenken“ konnte. Hiernach hatte sie eine Weile ein Instabilitätsgefühl, das sich aber durch Physiotherapie und Training verbessern ließ. Dieses Instabilitätsgefühl kam also nach einer gewissen Therapieanzahl wieder, war jedoch nur von wenigen Wochen Dauer. Es ist fast so, als würde man mit der Therapie die Zeit zurückdrehen, und der Patient erlebt seine Symptome in zeitlich umgekehrter Reihenfolge wieder. Das bedeutet, dass mit einer entsprechenden Wirbelsäulenfehlstellung bestimmte Symptome auftreten, die bei weitergehender Fehlstellung evtl. verschwinden, während andere hinzukommen, die jedoch als gefährlicher eingestuft werden können (Schulterschmerzen vs. Herzrhythmusstörungen). Der Körper versucht zu kompensieren, so viel er kann, um die Funktion des Menschen zu erhalten, gibt aber deutliche Signale, wenn es ein ernstzunehmendes Problem gibt. Opioide Die Opioidkrise in den USA zeigt in dramatischer Weise, wie das zentrale Nervensystem missbraucht werden kann und welche Folgen sich hieraus ergeben. CNN berichtet2, dass 2017 ca. 1,7 Millionen US-Amerikaner von den Folgen von verschriebenen Opiaten litten und 652.000 Menschen heroinabhängig wurden. Ca. 70.200 Menschen starben an einer Substanzüberdosierung, davon waren 47.600 Opiatüberdosierungen. In den Jahren 2016 und 2017 starben mehr als 130 Menschen jeden Tag an einer Opiatüberdosierung (US Department of Health & Human Services). 2011 wurden 240 Milliarden Milligramm Morphium verschrieben, 2017 waren es dann „nur noch“ 171 Milliarden Milligramm3. Weltweit wird der Umsatz an illegalen Drogen, der unter anderem den Mißbrauch von verschreibungspflichtigen Medikamenten befeuert wird, auf ca. 320 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt.
2
https://edition.cnn.com/2017/09/18/health/opioid-crisis-fast-facts/index.html
3
https://edition.cnn.com/2017/09/18/health/opioid-crisis-fast-facts/index.html Die Wirkungsweise von Opiaten wird durch Rezeptoren vermittelt, die im Rückenmark und im Gehirn, also unserem zentralen Nervensystem, zu finden sind. Die Schmerzweiterleitung wird unterbunden, zudem wird Dopamin im Gehirn freigesetzt, was ein Wohlgefühl, manchmal auch eine Euphorie – ein Highsein – auslösen kann. Opiate werden von der Opiumpflanze (Mohngewächse) gewonnen und gehören den Betäubungsmitteln an. Heroin ist ein synthetisches Derivat von Morphin und gilt als eine Droge mit hoher Suchtgefahr. Opium spielt schon seit Jahrhunderten eine Rolle in verschiedenen Gesellschaften. Besonders bekannt sind die Opiumkriege in China (erster Opiumkrieg 1839–1842, zweiter Opiumkrieg 1856–1860). Die momentan größten Produktionsländer sind Mexiko, Kolumbien, Afghanistan, Iran, Pakistan, Burma, Thailand, Laos und Vietnam. Hydrocodon und Oxycodon sind semi-synthetische Opiate, die in Laboren mit natürlichen und synthetischen Inhaltsstoffen hergestellt werden. 2016 wurden in den USA allein 6,2 Milliarden Oxycodon Tabletten an Patienten verschrieben (IQVIA). Zwischen 2005 und 2015 resultierten 15 % der Patientenbesuche in der Notaufnahme und 3 % der Termine in Praxen in eine Verschreibung von Opiaten. 2015 wurde vom „International Narcotics Control Board“ berichtet, dass 99,7 % des weltweiten Hydrocodon Konsums durch amerikanische Patienten repräsentiert wird.4 2016 wurde vom „National Institute on Drug Abuse“ geschätzt, dass ca. die Hälfte der heroinabhängigen Menschen vorher eine Sucht durch rezeptierte Opiate entwickelt hatte, und dass Menschen, die eine Sucht auf verschriebene Opiate entwickeln, eine 40-fach höhere Wahrscheinlichkeit haben, heroinsüchtig zu werden5.
4
https://www.incb.org/documents/Publications/AnnualReports/AR2016/English/AR2016_E_ebook.pdf
5
https://www.drugabuse.gov/publications/research-reports/relationship-between-prescription-drug-heroin-abuse/prescription-opioid-use- risk-factor-heroin-use Eine kurze geschichtliche Darstellung der Entwicklung:
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Kapitel 3 Mineralien, die heimlichen Helden Das Wissen um unsere Physiologie hat sich in den letzten Jahrzehnten um ein Vielfaches vermehrt. Die Grundlagen wurden vor allem im 19. Jahrhundert gesetzt, als die technologischen Fortschritte auch die Medizinwelt veränderten. Chemie, Biochemie und Physiologie wurden zunehmend wissenschaftlich methodisch untersucht und erforscht. Die Idee wurde geboren, dass einige Erkrankungen vielleicht nur einen Mangel an irgendeinem vitalen Nährstoff darstellten und der Ersatz des richtigen Elements wieder zur Gesundheit führen würde. Das ist ein gänzlich anderer Ansatz als die Theorie, dass Erkrankungen durch ein „Zuviel“ an äußeren Einflüssen entstehen, beispielsweise Bakterien oder Gifte. 1755 wurde ein Bericht von Gaspar Casal publiziert, der einen Fall von „Pellagra“ beschrieb, damals eine nicht bekannte Erkrankung in Spanien, die durch Hautveränderungen, Durchfall und eine dementielle Entwicklung charakterisiert war, und sich interessanterweise im Frühling deutlich häufte. Die Opfer waren meist arm und ernährten sich von Maismehl/Maisgries ohne Zugang zu Milch oder Fleisch. In Italien wurden ähnliche Berichte öffentlich gemacht, auch hier waren vor allem die Armen betroffen. Zunächst wurde zu viel Mais als Ursache vermutet, da Mais in Europa erst durch die Spanier importiert wurde, nachdem sie Süd- und Mittelamerika kolonialisiert hatten. In diesen Ländern führte der Mais jedoch nicht zu den gleichen Symptomen, obwohl die Landbevölkerung ebenfalls wenig Zugang zu Milch und Fleisch hatte. Der Unterschied wurde in der Verarbeitung des Mais gefunden. Die Mexikaner tränkten den Mais in einer Holzaschenmischung, während die Europäer den Mais zu Polenta verarbeiteten, was zu einer Kontaminierung mit Pilzen oder Toxinen führen konnte. Weitere Theorien kursierten, bis ein Joseph Goldberger in den USA den erkrankten Menschen Milch und Eier verabreichte und damit die Symptome zum Verschwinden brachte9. Dies konnte in verschiedenen Ländern in Europa und in den USA reproduziert und verifiziert werden, sodass klar wurde, dass Pellagra einen Mangel an einem vitalen Nährstoff (Nikotinsäure – Niacin – „Vitamin B3“) darstellte.
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Joseph Goldberger and Pellagra, M. G. Schultz, The American Society of Tropical Medicine and Hygiene, Volume 26, Issue 5, Part 2, 1 Sep 1977 1849 berichtete Thomas Addison von einer Blutarmut, die „perniziöse Anämie“ genannt wurde und fatal enden konnte. Die roten Blutkörperchen waren reduziert, aber vergrößert. Später wurde Vitamin B12 als das fehlende Element identifiziert, jedoch ist die Aufnahme im Darm nur durch einen im Magen vorkommenden „Intrinsic Factor“ sowie intakte Magensäure möglich, beides Produkte von intaktem Magenzellstoffwechsel. Beriberi war eine nicht selten auftretende Erkrankung in den reishaltigen asiatischen Kulturen im 19. Jahrhundert, die sich durch Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Zittern, Bauchschmerzen, Brennen an den Füßen bis hin zu Lähmungen und Herzinsuffizienz auszeichnen kann. Auf längeren Seereisen erkrankten bis zu 60 % der Crew und 25 % starben. Sowohl Todesfälle als auch das Auftreten der Erkrankung konnten durch das Einführen von Gerste, Milch, Rindfleisch und Tofu gänzlich verhindert werden. Erst wurde gemutmaßt, die Erhöhung der Proteinzufuhr habe den Unterschied ausgemacht. In weiteren Untersuchungen wurde der Zusammenhang zwischen weißem und braunem Reis hergestellt. 70 % von Gefängnisinsassen erkrankten mit weißem Reis als Hauptnahrungsquelle, während nur 3 % der Insassen mit braunem Reis in der Ernährung erkrankten. 1906 fand der norwegische Bakteriologe Axel Holst heraus, dass die Symptome in Hamstern allein durch Füttern von Kohl und Zitronensaft verschwanden. Im gleichen Jahr führte Frederick Gowland Hopkins ein Experiment an Ratten durch mit 2 Gruppen, die verschieden ernährt wurden. Die eine Gruppe erhielt Casein, Fett, Stärke, Zucker und Salz (bis dahin bekannte essenzielle Nährstoffe), die andere Gruppe wurde zusätzlich mit Milch gefüttert. Nur die Gruppe mit Milch Supplementierung gedieh. Daraufhin wurde auch für diese Erkrankung ein fehlender Stoff angenommen. 1912 erforschte Casimir Funk die Stoffe, die für die verschiedenen Erkrankungen als ursächlich in Frage kam, und nannte sie „vitale Amine“. Das Wort Vitamin entstand 1920, als bekannt wurde, dass nicht alle Vitamine Amine enthalten10. Funk konnte die einzelnen Vitamine den verschiedenen Erkrankungen zuordnen, sodass nun die wissenschaftliche Erklärung für die Entstehung von Erkrankungen durch fehlende Nährstoffe gegeben war. Weitere Erkrankungen wie Skorbut (Vitamin C Mangel) und Rachitis (Vitamin D Mangel) konnten nun erklärt werden. Vitamin D Mangel herrschte gerade in den Städten während der Industrialisierung, als Menschen, insbesondere die Armen und Kinder, in Kohlekraftwerken und unter der Erde arbeiten mussten. Vitamin A wurde zunächst als Faktor identifiziert, der die Erkrankung auslöste, jedoch wurde 1922 entdeckt, dass das ursprünglich als Vitamin A bezeichnete Molekül aus einem zweiten Co-Faktor besteht: Vitamin D.
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Movers and Shakers: A Chronology of Words that shaped Our Age, John Ayfo, p. 54 1922 identifizierten 2 Wissenschaftler von der University of California Vitamin E als Fertilitätsfaktor bei Ratten und benutzten grünes Gemüse und Weizenkeime als Quelle (Evans et al., 1922). Skorbut war eine Epidemie bei den Matrosen, die monatelang ohne frisches Obst oder Gemüse auf hoher See waren. 1919 wurde allgemein akzeptiert, dass ein isolierter Faktor aus Zitrusfrüchten Skorbut heilen konnte. 1932 wurde dieser Faktor als Vitamin C hergestellt und 1933 zu Ascorbinsäure („Anti-Skorbut-Säure“) umbenannt. 1971 empfahl Linus Pauling (doppelter Nobelpreisträger) die Supplementierung von Vitamin C in hohen Dosen, sowohl um Erkältungen als auch Krebs- und Herzerkrankungen vorzubeugen und zu behandeln. Viele Vorteile von Vitamin C wurden seiner Rolle als Cofaktor in der Herstellung von Bindegewebe (Kollagen) zugeschrieben, welches in Knochen-, Haut- und Gefäßstoffwechsel vorkommt. Die Dosis wurde auf 10–12 Gramm pro Tag festgelegt. Um Arteriosklerose (Arterienverkalkung) rückgängig zu machen, empfahl er 3–5 Gramm Vitamin C pro Tag und 2 Gramm L-Lysin pro Tag. Aber er ging noch weiter und empfahl Vitamin C auch zur Krebstherapie. Pauling hielt die für Erwachsene als ausreichend angesehene Dosierung von 50 bis 100 Milligramm pro Tag für zu gering, um eine optimale Wirkung zu entfalten. Seine Ansichten und seine Vitamin C-Studien wurden allerdings von der Wissenschaft nicht ernst genommen, da die von ihm vermuteten Wirkungen in mehreren klinischen Studien nicht nachgewiesen werden konnten. Eine 2015 in der Zeitschrift „Science“ publizierte Untersuchung ließ aber auf Grund neuer molekular-biologischer Befunde vermuten, dass Vitamin C tatsächlich eine anti-tumoröse Wirkung aufweist (1–5). Vor einigen Jahren konnte an der John Hopkins Universität gezeigt werden, dass das Wachstum von Dickdarm Krebszellen (und auch andere Arten) durch Mutationen in zwei Genen getrieben wird, was die Bildung von ungewöhnlich vielen Membrantransportproteinen für Glucose, also Zucker, förderte. Glucose und Glutamin sind die hauptsächlichen Nährstoffe für Krebszellen, daher werden in ihnen auch mehr Transportproteine genau dafür gebraucht. Vitamin C führt in den Zellen zu einer Hemmung des Glucosestoffwechsels, die Krebszellen erleiden sozusagen Hunger, da ihnen die Energiequelle versagt bleibt. Die Gabe von Vitamin C zur Tumortherapie hat eine kontroverse Geschichte. Während in einigen klinischen Studien ein Nutzen nachgewiesen werden konnte, konnte dieser in anderen Studien nicht bestätigt werden11. Diese Diskrepanz kann zumindest teilweise auf die Art der Vitamin C-Zuführung zurückgeführt werden. Bei der oralen Vitamin C-Therapie können im Gegensatz zur parenteralen (in die Venen oder Muskeln gespritzt) Therapie keine für die Krebszellen tödlichen Konzentrationen erreicht werden. Die intravenöse Therapie kann mit Dosierungen von 7,5–45 Gramm pro Infusionen eine deutlich höhere Konzentration im Blut erreichen.
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Cancer and Vitamin C: a discussion of the nature, causes, prevention, and treatment of cancer with special reference to the value of vitamin C (1979), Cameron, Ewan Pauling, Linus Carl, The National Agricultural Library Es gibt weitere Studien, die nahelegen, dass Vitamin C eine positive Rolle bei Krebserkrankten spielen könnte, bisher wurden die Daten bei Tieren ausgewertet und nicht in die Standards der klinischen Behandlung von Menschen aufgenommen12 13.
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Vitamin C and cancer prevention: the epidemiologic evidence, G. Block, The American Journal of Clinical Nutrition, Volume 53, Issue 1, January 1991, Pages 270S-282S
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Vitamin C selectively kills KRAS and BRAF mutant colorectal cancer cells by targeting GAPSH, J. Yun et al, Science 11 Dec 2015, Vol. 350, Issue 6266, pp. 1391–1396 Pauling selbst soll jahrelang 18 Gramm Vitamin C zu sich genommen haben und wurde 93 Jahre alt, er starb allerdings an Krebs. Die Einsicht, dass ein Mangel an einem bestimmten Nährstoff zu einer Erkrankung führen kann, ist seit nun über 100 Jahren bekannt und akzeptiert. Allerdings bilden die Vitamine nur einen Teil der insgesamt 90 essenziellen Nährstoffe für Menschen, die täglich gebraucht werden:
Die Forschung zu Ernährung hat aber in den letzten Jahrzehnten auch weitere Fortschritte in den Erkenntnissen unseres Stoffwechsels erbracht, die dem Leser hier nicht vorenthalten werden sollen. Wenn ein Mangel an Vitaminen, Aminosäuren oder Fettsäuren eine bestimmte Erkrankung oder einen Symptomkomplex verursachen kann, wie steht es um Mineralien? Dazu einige wichtige Grundlagen: Mineralien finden sich ausschließlich in der Erdkruste. Weder Pflanzen noch Tiere oder Menschen können sie herstellen. Wir sind also als Lebewesen auf dieser Erde darauf angewiesen, dass die Pflanzen Mineralien aus der Erde aufnehmen und uns diese zur Verstoffwechselung zur Verfügung stellen, indem wir sie essen. Das ist der Weg des Lebens und kann nicht geändert werden. Sie können nicht Calcium-Gestein essen und glauben, dass das Ihren Knochen stärkt. Genauso wenig wird anorganisches Eisen Ihren Blutwerten helfen. Dass es Mineralien gibt und sie eine Rolle in unserer Gesundheit spielen, ist ebenfalls seit etwa 100 Jahren bekannt. 1912 beobachtete ein Prof. Wasserman aus Berlin, dass Tumore in Mäusen durch eine Injektion von Selen verschwanden. Da die Tumore in Mäusen und Menschen eine hohe Ähnlichkeit haben, versprach sich Prof. Wasserman einen enormen Nutzen in der Bekämpfung von Krebserkrankungen beim Menschen durch Selen.14 2002/2003 wurde sogar ein Gerichtsprozess gegen die FDA (Federal Drug Administration in den USA) verhandelt, aufgrund der Aussage, dass Selen die Wahrscheinlichkeit der Entstehung einiger Krebsarten reduziert (wurde gewonnen). In der Zeitschrift „The Lancet“ erschien 2000 eine Studie, die die Wichtigkeit von Selen unterstrich. Selen sei von essenzieller Bedeutung für die menschliche Gesundheit (6). Es reduziert antioxidativen Stress, schützt bei HIV-positiven Menschen die Progression zu AIDS, fördert die Mobilität von Spermien und scheint die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt zu vermindern. Ein Mangel wurde mit Stimmungsschwankungen in Zusammenhang gebracht, genau wie mit Herzkreislauferkrankungen.
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Dr. Sigmund Fränkel: Die Arzneimittel-Synthese, Auf Grundlage der Beziehungen zwischen chemischem Aufbau und Wirkung; Für Ärzte, Chemiker und Pharmazeuten, Springer Verlag 2013 Grundsätzlich sind Mineralien notwendig und dienen unter anderem als Cofaktoren für die ca. 10.000 Enzyme im menschlichen Körper, die biochemische Reaktionen katalysieren, für Gewebestabilität, physiologische Prozesse wie Muskelkontraktion und vieles mehr. Die eigentliche Frage ist, ob wir die nötigen Nährstoffe mit der Ernährung aufnehmen oder nicht. Auch hierzu findet man widersprüchliche Aussagen. 1992 fand der sogenannte „Earth Summit“ der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro statt. Es wurde festgehalten, dass die Böden der USA und Kanada im Zeitraum von 1936 bis 1992 etwa 85 % ihres Mineraliengehalts verloren hatten, Asien und Südamerika etwa 76 %, Afrika 74 %, Europa 72 % und Australien 55 %. Im März 2006 wurde von der UN anerkannt, dass der multiple Nährstoffmangel an Häufigkeit zunimmt. Die Übergewichtigen seien laut der damaligen Untergeneralsekretärin der UN (Catherine Bertini) genauso schlecht mit Nährstoffen ausgestattet wie die Hungernden. Es kommt nicht auf die Menge an, sondern auf die Qualität. Dieses Ergebnis spiegelte sich auch in der Nährstoffmenge in verschiedenen Gemüse- und Obstarten wider. Zwischen 1963 und 2000 zeigte grünes Blattgemüse einen Verlust von 62 % an Vitamin C,
41 % Verlust von Vitamin A und 29 % Verlust im Calciumgehalt, 52 % Verlust von Kalium und 84 % Verlust von Magnesium. Blumenkohl hatte ca. die Hälfte des Vitamin C-, Thiamin- und Riboflavingehalts eingebüßt, und in kommerzieller Ananas fand man kaum noch Calcium. Der Grund für die Verluste ist, dass Pflanzen Mineralien aus dem Boden saugen, deswegen sind sie auch als Nahrung für Menschen und Tiere geeignet. Die Mineralien sollten im Boden aber auch wieder ersetzt werden. Dieser Sachverhalt wurde in verschiedenen Kulturen jahrtausendelang berücksichtigt. Holzasche beispielsweise wurde auf die Felder oder in den Garten geworfen. Holzasche ist nichts anderes als die Mineralien, die beim Verbrennen vom Holz übrigbleiben. Die langlebigen Kulturen dieser Welt haben diesen Brauch nie verloren. Zudem binden Pestizide und Herbizide Mineralien und lassen sie im menschlichen Körper nicht für Stoffwechselaktivität frei. Die Bakterien in den Böden, welche die Mineralienaufnahme der Pflanzen fördern, werden durch die chemischen Bindungen direkt geschädigt. Mittlerweile werden Pestizide in Muttermilch, Urin, Fäkalien und verschiedenen Geweben gefunden. Ein weiteres Problem stellt das Mikroplastik dar, das mittlerweile sogar im Trinkwasser und auch im Urin von Kindern und Jugendlichen gefunden wird. Pestizide und Herbizide akkumulieren in den Geweben (v. a. Fett) und können nur schwer entgiftet werden. Die Erosion des Oberbodens, der die eigentlichen Mineralien enthält, passiert durch Wind und Wetter, aber auch durch übermäßige Nutzung von Weideflächen, immer größer werdende Ernten und Überholzung. Der Verlust organischen Materials resultiert in einem Verlust von Stickstoff, Mineralien und seltenen Erden, sodass die Erde weniger Flüssigkeit halten kann und das Wachstum von Pflanzen behindert wird. Natürlich gibt es, wie bei allen Themen, auch Studien, die das Gegenteil zeigen. Sie berichten, dass die Böden keinen Mineralienverlust erleiden und dass in einigen Nationen sogar ein Überschuss bestehe. Supplementierung sei unnötig und teilweise schädlich. Auch hier ist es wichtig, sich zu informieren, unabhängige Studien zu lesen, die frei verfügbar im Internet zu finden sind. Die Zusammenhänge zu verstehen hilft ungemein, sich ein Bild zu machen, welches einen Sinn ergibt. Die Mineralien, die bisher im menschlichen Gewebe gefunden wurden und für die Stoffwechselfunktionen identifiziert werden konnten, sind:
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