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Wenn ein Buch in die richtigen Hände fällt...
ОглавлениеAus allen Ecken und Enden tönt uns das Krisen Geschrei der Kapitalisten und ihrer Politiker in den
Ohren. Die Illusionen Tausender Arbeiter, die glaubten, man müsse sich bloß ruhig verhalten und ja nicht
auffallen am Arbeitsplatz, zerplatzten in den letzten Jahren, mit der Aushändigung der
Entlassungspapiere. Gewiß - Rädelsführer. Blaumacher und Saboteure fliegen eher. Doch ihnen gehört
unsere Sympathie - nicht denen, die mit gekrümmtem Rücken als höchstes Glück auf dieser Erde, den
,,Besitz" eines Arbeitsplatzes wähnen. Dieses Broschürchen hat bloß einen Sinn: Diejenigen zu
informieren, die es noch nicht so genau wissen, wie sie ihre läppischen4 oder 5 Wochen Urlaub strecken
können. Gute Krankteirer bringen es auf 3-4 Monate im Jahr. Das Krankfeiern selbst ändert jedoch nichts
am Fabriksystemmoter der Bürohierarchie. Das geht bloß durch gegenseitiges Vertrauen, gemeinsam
langsamer arbeiten, Sabotage und wilde Streiks.
Kein Vertrauen in die Gewerkschaften zu haben, ist schon vernünftig, weicht jedoch oft dem lapidaren
,,man kann ja eh nichts machen". Genau damit überlebt diese Produktionsweise, die heute schon die
technologischen Möglichkeiten unserer wildesten Zukunfts-Fantasien in sich birgt. Die
Gesetzmäßigkeiten des Kapitals - nicht der Mensch,' sondernder maximale Profit als Mittelpunkt jeder
Entwicklung - da ist die Ursache der Krankheit, der Todesfälle am Arbeitsplatz...
»Arbeit macht frei« stand über dem Eingang der Vernichtungslager der Nazis. Zynischer Höhepunkt einer
deutschen Arbeitsmoral. Der alte Trick, für alles Schlechte auf dieser Welt die richtigen Sündenböcke zu
finden, greift angesichts der sonst stehenden Einfachheit, immer wieder. ,,Die Asylanten müssen Granulat
fegen." Da schlägt das Herz des deutschen Spießers wieder höher. ,,Arbeitslose endlich von der Straße
weg - in den Arbeitsdienst". Alles scheint jetzt schon in Ordnung. Recht so, wer nicht arbeitet, soll auch
nicht essen, wieder sagen, unser Staats-Loyaler, mit dem gesunden Menschenverstand. So gibt es wohl
für jede (Arbeits-) Moral eine ,,Rechtfertigung". Doch wir verweigern uns diesen Diskussionen, heben
nur den Arm und weisen in die Richtung: »Schuttplatz der Geschichte« Hier nehmen wir den Faden
wieder auf. So kann dieses Broschürchen eine subversive Kraft werden, wenn es gemeinsam angewandt
wird. Wenn der dumme Meister einem einschüchtern will, am nächsten Tag hat man eine Erkältung.
Wenn die Zeiten am Band verschärft werden, ja, da muß man doch krank werden, wenn der Bürostreß
zunimmt, Gastritis kriegen...
DIE VERLORENE ZEIT
vor dem tor zur fabrik
hält der arbeiter plötzlich an
das schöne Wetter hat ihn am rock gezupft
und als er sich umwendet
die sonne betrachtet
die rot leuchtet und beendet
lächelt im bleigrauen himmel
zwinkert er ihr vertraulich zu
sag kamerad sonne
meinst du nicht auch
man sollte verdammt bedenken
einen solchen tag
dem chef zu schenken
Jacques Prevert
Zur Sprache!
Unsere Sprache ist, wie die meisten Sprachen, die der Herrschenden.
Wir fänden es gut, eine eigene Sprache mit eigenen Begriffen zu haben, die unserer Utopie näher
kommt. Das gelingt uns aber nur in Ansätzen. Ein besonderer Punkt ist die Unterdrückung der
Frauen in der Sprache. Zumeist wird bei Berufsbezeichnungen nur die männliche Form
angegeben. Es wird davon geredet, daß jemand zum Arzt geht, auch wenn das in Wirklichkeit
eine Ärztin ist. Die Aufzählung von solchen Beispielen ließe sich endlos fortsetzen.
Die andere Form aber, immer die weibliche und männliche Form auszuschreiben, mindert
manchmal die Verständlichkeit, ist aber auf jeden Fall mehr Arbeit.
Eine Lösung bieten hier wohl nur neue Begriffe. Wir haben auch nach neuen Begriffen z.B. für
Arzt/Ärztin gesucht, aber keine befriedigenden gefunden (die Spritze, Weißkittel,
Kontrollärztin).Aber wenn wir dann z.B. Facharzt/Ärztin sagen wollten, wurde es mit den
Begriffen schon schwierig. Eine laue Lösung aus diesem Dilemma ist der Weg, den wir auch in
der Broschüre beschreiben:
Wir reden manchmal von dem Arzt, dem Facharzt, dem Patienten usw., an anderer Stelle von der
Ärztin, der Fachärztin, der Patientin. Das heißt dann nicht, daß damit eine Frau oder ein Mann
gemeint ist. Es steht immer für beide.