Читать книгу Das gesunde Herz - Dr. med. Joel K. Kahn - Страница 6
ОглавлениеKAPITEL 1
Imres Geschichte
von Felicia Molnar
Viele der nicht auf dem Gebiet der Medizin tätigen Menschen haben vorgefasste Meinungen darüber, welcher Personenkreis am ehesten einen Herzinfarkt erleidet. Zumeist denken sie, nur Leute, die sich von Pommes frites ernähren und Unmengen Bier trinken, seien dieser Gefahr ausgesetzt. Mein Mann sagte voller Zuversicht: »Das passiert mir nicht!« Und er ergriff eine Reihe von Maßnahmen, um es zu verhindern. Imre ernährte sich vegetarisch, ging regelmäßig zum Schwimmen und fuhr mit dem Rad. Als er Ende dreißig war, hörte er von heute auf morgen auf, Alkohol zu trinken. Ich gehe davon aus, dass er in seiner Jugend gelegentlich einen Joint und hin und wieder eine Zigarette geraucht hat – schließlich war er ein Kind der Sechzigerjahre. Aber als ich ihn kennenlernte, war er vierzig Jahre alt und topfit. Regelmäßig fuhren wir in Kalifornien und in der Schweiz mit unseren Rädern die Berge hinauf, tauchten im Roten Meer und in seiner Heimat Australien, und jeder von uns belegte unweit unseres Zuhauses in Michigan Yogakurse.
Imre war sehr athletisch und für alle, die ihn kannten, der Inbegriff von Gesundheit, Stärke, Jugendlichkeit und Vitalität. Er war in leitender Führungsposition an einer international anerkannten Ausbildungsstätte für Kunst und Design angestellt, von der er ein großzügiges Gehalt und eine gute Gesundheitsversorgung erhielt. Er reiste um die Welt und war der Vater zweier relativ kleiner Kinder – für sein Alter jedenfalls.
Wann immer Imre frei hatte, egal an welchem Wochentag, trieb er stets irgendeine Art von Sport. Am Morgen des 28. Dezember 2012, als wir anderen noch immer verschlafen waren und uns von den Weihnachtsfeierlichkeiten erholten, verkündete Imre seinen Plan, zusammen mit meiner Cousine Jocelyn eine Radtour unternehmen zu wollen. Er versprach unserem damals elf Jahre alten Sohn, dass sie in ein paar Stunden zurück sein würden und wir im Anschluss mit der ganzen Familie eine Wanderung den Arroyo Trail hinauf machen würden, um uns die Bergschafe anzusehen. Es war ein herrlicher Tag – sonnig und 23 Grad warm. Ich erinnere mich an Imres federnden Gang, als er sein geliebtes Titanfahrrad die Kieseinfahrt unseres Ferienhauses hinunterschob. Das war das letzte Mal, dass ich ihn lebend gesehen habe.
Etwa fünfzig Minuten später erhielt ich über Imres Handy einen Anruf von Jocelyn, die mich panisch aufforderte, mit dem Auto zu kommen und sie abzuholen. Imre fühle sich nicht gut. Im Tonfall ihrer Stimme war etwas, was ungewöhnlich klang, doch als ich mit unserem Mietauto die Straße entlangraste, war ich zuversichtlich, dass er sich lediglich die Darmgrippe eingefangen hatte, die den Kindern und mir unmittelbar nach Weihnachten zugesetzt hatte.
Ich entdeckte sie beim Meilenstein 16, und als ich anhielt, war bereits ein Verkehrspolizist vor Ort. Jocelyn war dabei, Herzdruckmassage durchzuführen, und der Polizist holte gerade einen Defibrillator aus seinem Streifenwagen. Bald kam ein Krankenwagen von der Feuerwehr in Borrego Springs an, und die vier Sanitäter bemühten sich zwei Stunden lang, meinen geliebten Ehemann, mit dem ich seit zwanzig Jahren verheiratet war, ins Leben zurückzuholen. Sie rissen sein Fahrradtrikot auf und zogen ihm die Schuhe aus. Ärzte sprachen über Funk mit den Sanitätern, die bei Imre tatsächlich ein paar Augenblicke lang einen Herzschlag vernommen hatten und deshalb überlegten, einen Hubschrauber anzufordern. Ich hielt mich etwas abseits, ging zwischen den Kakteen auf und ab und sagte mir immer wieder mein Yoga-Mantra vor: Om Namah Shivaya. Es war das einzige Gebet, das ich kannte. Doch am Ende stellten die Sanitäter die Arbeit ein, und Imre wurde von einem Arzt, der ihn nie zuvor gesehen hatte, für tot erklärt.
Aus einem Impuls heraus legte ich mich neben ihn an den Straßenrand, blieb dort mehr als eine Stunde liegen und fröstelte, als die Sonne unterging und ich mich mit der schrecklichen Vorstellung befasste, ihn gehen lassen zu müssen. Unter dem Schock schossen mir Gedanken durch den Kopf. Ich überlegte, was vor mir lag, und der finsterste Gedanke von allen galt unseren Kindern – vaterlos und ungetröstet. Während ich seinen leblosen Körper festhielt, schützten mich die Sanitäter und Ersthelfer vor dem auf dem Highway vorbeirauschenden Verkehr. Schließlich überredete mich ein netter Feuerwehrmann, nach Hause zu fahren, wo unsere beiden Kinder, unsere achtzehn Jahre alte japanische Austauschschülerin, meine Mutter und unsere Freunde die schockierende Nachricht bereits erhalten hatten.
Einen Monat später wurde in dem College, in dessen Vorstand Imre saß, eine Gedenkfeier abgehalten, und mehr als tausend Menschen erschienen, um seine Arbeit und sein Leben zu würdigen. Was die Finanzen anbelangte, hatte ich mit Rechtsanwälten und Anlageberatern zu tun, die mich unter ihre Fittiche nahmen, um die Zukunft zu regeln – für mich eine erschreckende Angelegenheit. Zum Glück waren (und sind) wir dank der finanziellen Vorkehrungen gut versorgt, die wir ergriffen hatten – einschließlich der Testamente, der abgeschlossenen Lebensversicherungen, der Sozialversicherungen für die Kinder und einiger engelsgleicher Menschen, die mir Arbeitsstellen anboten, damit ich unser Schiff über Wasser halten konnte. Ich bin überaus dankbar – den Menschen, die sich meldeten, um zu helfen, und der Tatsache, dass unsere finanzielle Absicherung gut war. Diese vorausschauende Planung hat es mir und den Kindern ermöglicht, unsere emotionale Heilung ohne den Stress angehen zu können, der damit verbunden gewesen wäre, nicht zu wissen, wie wir die nächste Mahlzeit oder unsere Rechnungen bezahlen sollten.
Die überraschende Diagnose
Nach Imres Tod wurde ich darüber informiert, dass der Leichnam nicht so schnell zur Bestattung freigegeben würde, denn es musste vom Gerichtsmediziner in San Diego eine Autopsie vorgenommen werden, weil Imre außerhalb eines Krankenhauses gestorben war. Ich hatte keine Ahnung, was ihn das Leben gekostet hatte, und obwohl mich der Gedanke schmerzte, dass alles in der Schwebe war und er allein ausgerechnet im Bezirksleichenschauhaus lag, brauchte ich dringend eine Erklärung, die seinem unfassbaren Tod irgendeinen Sinn verlieh. An Silvester rief mich der Rechtsmediziner endlich an und nannte mir die Ergebnisse und die Todesursache. Er informierte mich unmissverständlich, dass Imre an einer fortgeschrittenen Herzerkrankung gelitten hatte und an einer massiven Ablagerung in der linken absteigenden Koronararterie, der sogenannten »Witwenmacherin«, gestorben war. Ich stand völlig unter Schock.
Im Rückblick gab es ein paar subtile Anzeichen für Imres mögliche Herzerkrankung, wie zum Beispiel, dass seine Atmung durch einen hartnäckigen Husten, der mit den Jahreszeiten kam und ging, beeinträchtigt gewesen war. Sein Internist, ein Freund von uns, hatte Lungenfunktionstests durchgeführt und Imre versichert, dass ein Virus für diesen Husten verantwortlich sei. Der Arzt verschrieb ihm einen Hustensirup, den er am Abend einnehmen sollte, aber ich glaube, dass Imre die Flasche nie angerührt hat. Zwar kann chronischer Husten ein Anzeichen für eine Herzinsuffizienz sein, doch es ist unklar, ob Imres Husten mit seiner stummen Herzerkrankung zusammenhing. Klar ist jedenfalls, dass der Hustensirup seinen Tod nicht verhindert hätte, selbst wenn eine Verbindung bestanden hat. Er fühlte sich einfach nicht wie sonst.
Darüber hinaus hatte Imre einen leicht erhöhten Cholesterinspiegel, doch seine Ärzte sagten ihm, er brauche dagegen keine Medikamente einnehmen oder sonstige Maßnahmen ergreifen. Imre war damit beschäftigt, eine Multimillionen-Dollar-Institution zu leiten, und betrachtete Arzttermine immer als lästig. Er drängte nie darauf, weitere Untersuchungen durchführen zu lassen. Er war sechzig Jahre alt, ein erwachsener Mann, und ganz ehrlich, ich habe ihn nicht geheiratet, um in seinem Leben die Rolle einer nörgelnden Mutterfigur zu übernehmen.
Nehmen Sie eine stumme
Herzerkrankung ernst
Weil Imre es Ihnen nicht mehr sagen kann, bin ich nun hier, um Ihnen mitzuteilen, dass Ihr Geist den gesunden Menschenverstand unterlaufen und Sie irreführen wird, nicht nur hinsichtlich Ihrer eigenen Gesundheit, sondern auch der Gesundheit Ihrer Lieben. Es mag keine Überraschung sein, doch unser egozentrischer Geist sichert nicht notwendigerweise unser Überleben, auch wenn wir ganz selbstsüchtig davon ausgehen, dass er unser wichtigster Beschützer ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass unser Versagen, unseren eigenen Gesundheitszustand tatsächlich zu erkennen, im Mangel an Aufklärung über den stummen und gefährlichen Killer – die Herzerkrankung – begründet ist. Sie halten das Heilmittel in der Hand. Sie sind bereits einen Schritt weiter, wenn Sie dieses Buch lesen.
Ich betrachte es als meine persönliche Mission, für das Ende von Herzerkrankungen zu sorgen. Ich möchte einer der letzten Menschen sein, der sich in einer Situation befindet, in der Sie nie sein wollen: zum Klub der einsamen Witwen und Witwer zu zählen, deren Partner viel zu früh verstorben sind und ihre Lebenspartner und kleinen Kinder zurückließen, die nun allein zurechtkommen müssen. Doch traurigerweise sterben tagtäglich Menschen an einem Herzinfarkt und lassen unter Schock stehende Familien, Halbwaisen, Kollegen und Institutionen zurück, die sich verzweifelt bemühen, ihren Aufgaben nach dem traumatischen, unerwarteten Verlust ihres geliebten Partners, Vaters oder Chefs weiter nachzukommen.
Es handelt sich um eine Krankheit, die, wie Dr. Kahn und ich glauben, vermeidbar ist. Ich wage sogar zu behaupten, dass sie ausgerottet werden kann. Aber Sie müssen sich zunächst informieren, Ihrer Intuition folgen und den Mut aufbringen, Ihre Ärzte mit proaktiven Fragen herauszufordern, die zu weiteren Nachforschungen führen werden. Die alte Weisheit »Niemand wird dich retten, wenn nicht du selbst« hat hier nach wie vor Gültigkeit. Sie wissen über Ihre Gesundheit und die Leistungsfähigkeit Ihres Körpers mit Sicherheit besser Bescheid als jeder andere. Sie wissen es am besten, wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihre Aktivität eingeschränkt ist. Machen Sie für eine sinkende Leistungsfähigkeit nicht einfach das Alter verantwortlich. Haken Sie nach. Wenn ein Husten länger anhält, als eine normale Erkältung in der Regel dauert, sollten Sie misstrauisch werden. Wenn Sie von Ihrem Fahrrad steigen und beginnen, kurzatmig zu werden, seien Sie auf der Hut – selbst wenn Sie täglich drei Mahlzeiten mit grünem Gemüse essen und nie auch nur eine einzige Zigarette rauchen. Ihre Vitalität verändert sich mit dem Alter, aber hartnäckiger Husten, Kurzatmigkeit, eine Falte im Ohrläppchen, Verdauungsprobleme und andere offensichtlichere Anzeichen, wie zum Beispiel Bluthochdruck und ein erhöhter Cholesterinspiegel, verlangen, dass Sie ihnen Aufmerksamkeit schenken und der Ursache auf den Grund gehen. Die Herzerkrankung möchte, dass Sie die Anzeichen übersehen – sie will gewinnen –, aber Sie können sie überlisten.
Heute, Jahre nach dem Tod meines Mannes, plagen mich noch immer eine Menge »Was-wäre-wenn«-Fragen. Ich hadere ständig damit, dass ich in Sachen Gesundheit meines Seelenverwandten nichts unternommen habe. Meine Untätigkeit war in jedem Fall unbeabsichtigt und nicht vorsätzlich. Ich wollte immer nur sein Bestes, auch wenn er das Bett kein einziges Mal gemacht hat und die Toilettenbrille meistens hochgeklappt ließ. Es ist unmöglich, die Tragödie ungeschehen zu machen; jetzt ist es einfach zu spät.
Im Nachhinein bin ich mir all der Anzeichen bewusst, die ich damals aus Unkenntnis übersehen habe. Ich denke, ich habe der Menschheit gegenüber die Verantwortung, den Versuch zu unternehmen, die Leute aufzuklären, damit sie nicht die gleichen Fehler begehen wie ich. Es ist meine persönliche Aufgabe, das Leid nach Möglichkeit zu verhindern, mit dem meine Kinder und ich tagtäglich konfrontiert sind. Ich bin dabei, mir selbst zu verzeihen und mir einzugestehen, dass die wichtigste Lektion darin besteht, dass ich meiner Intuition hätte folgen und meinen sich sträubenden Mann zu einem Spezialisten hätte zerren müssen, nachdem sein Internist ihm mehr als zweimal mitgeteilt hatte, seine Lungen seien in Ordnung und es sei wahrscheinlich nur ein lästiges Virus, das für sein Belastungsasthma verantwortlich sei. Ich kann es mir nicht leisten, mich noch länger dafür zu geißeln, aber der Heilungsprozess geht mit einem Versprechen zu handeln einher: zusammen mit Dr. Kahn an meiner Mission zu arbeiten, Herzerkrankungen ein Ende zu machen. Bitte schließen Sie sich uns an!
Erste Schritte
Entwickeln Sie Verständnis für den Schmerz über den Verlust, den Imres Familie und Tausende anderer Familien erleben, und zögern Sie nicht länger. Vereinbaren Sie noch heute einen Termin für eine umfassende und gründliche Herzuntersuchung, und informieren Sie auch Ihre Kollegen und Familienangehörigen.
Sich daran zu erinnern, dass man sterben wird, ist die beste mir bekannte Methode, die Falle zu umgehen zu denken, man habe etwas zu verlieren.
Steve Jobs, Gründer von Apple, Inc.