Читать книгу Unbeugsam – ein außergewöhnliches Leben zwischen Ost und West - Dr. Werner Resch - Страница 7

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3. Kapitel

Italia

Ich war in meinem Leben immer ein großer Fan von Italien.

Rom und Mailand sind außer Kiew für mich sie besten Städte überhaupt.

Die Mailänder Scala, das Festival in Verano, Meer und Alpen. In italienischen Filmen Gina Lollobrigida und Sophia Loren, Mailänder Mode, Gucci und Prada, die Technik von Ferrari, Waffen von Berretta, Uhren von Bulgari, alles überwältigend, beeindruckend und schön.

Ich speise in Düsseldorf nur in italienischen Restaurants, ich liebe Espresso und Cappuccino.

Und jetzt auf dem Weg für 3 Jahre nach Italien, um jetzt auch noch die Gefängnisse kennenzulernen.

Die italienische Stahlindustrie hatte ich in den 80er-Jahren intensiv kennenlernen können, mit großen Beratungsaufträgen für meine Firma Stahl Consulting. Für das größte Hüttenwerk in Italien in Taranto und für das große Elektro-Stahlwerk in Aosta.

Wir haben sehr gute Arbeit geleistet mit deutscher Technik und haben sehr gut verdient.

Jetzt wartete ich im Büro von Interpol Italia, im Flughafen von Rom, darauf, wie es weitergehen wird in diesem wunderbaren Land.

Die Beamten alle in Zivil, locker, freundlich, sympathisch, ich war nach Rumänien in einer anderen Welt – vorläufig.

Aufnahme-Formalitäten, mit Fingerabdrücken aller Finger, rechts und links, Bilder von allen Seiten, Größe und Gewicht, ich war somit bekannt wie jeder Gangster in meinem Italy. Auf meine Fragen, wie es nun weitergeht, die Antwort, etwas warten, Sie werden abgeholt.

Bis dahin bekam ich einen Kaffee und Mineralwasser.

Dann kam eine echte „Zirkustruppe“, fünf Mann in Uniform der Gefängnispolizei, bewaffnet mit übergroßen alten Beretta-Pistolen.

Der Chef ein auffallend kleiner älterer Mann, von etwa 60 Jahren, mehr zum Lachen, die anderen vier very special. Der Chef der Truppe kommandierte „go“, und klopfte auf seine Pistole und rief laut auf Englisch: „Ich schieße sofort.“

Das alles im überfüllten Flughafen von Rom.

Auf dem Weg zum Transporter, interessanterweise auf dem normalen Parkplatz für Fahrzeuge, vor der Eingangshalle. Interessant, ich ging ohne Handschellen, gefesselt wurde ich erst in dem gepanzerten Transportfahrzeug. Ich war der einzige Fahrgast in einer kleinen Zelle innerhalb des Fahrzeugs.

Zwei Polizisten vorn, drei waren hinten, an der Tür zu meiner kleinen Zelle. Interessant für mich, an der Wand am Einstieg in das Fahrzeug hing eine Maschinenpistole. Auf meine Frage: „Wohin geht es?“, keine Antwort. Der Flug mit Allitalia und Aufnahme durch Interpol waren vorbei. Das neue Leben hatte begonnen.

Bereits an dieser Stelle sei gesagt, wegen des Justizsystems in Italien und der Gesetze gegen die Mafia läuft alles grundsätzlich geheim.

Besonders Transporte von Gefangenen werden gesichert, aus der Erfahrung von Überfällen, die vor 30 Jahren vorgekommen sind, zur Befreiung von verurteilten Mafiosi. Erfahrungen aus vielen Jahren im Anti-Mafia-Kampf, unter vielen Regierungen in Italien, prägen das Gefängnis-System. Nach etwa 45 Minuten war das Ziel, das große Zentralgefängnis von Rom, erreicht.

In diesem Gefängnis sind 2000 Gefangene, Organisation, Verpflegung und Bewachung von diesem Objekt sind eine große Herausforderung.

Das Gebäude hat 3 Etagen, die Flure laufen sternförmig auf einen zentralen Punkt.

Die Kontrolle des Transportes ging durch 3 Positionen, an der zweiten Position wurden alle Waffen, auch die Maschinenpistole, abgegeben und protokollarisch erfasst.

Zum Empfang eine Bürokratie von 10 Protokollen, bestätigt mit meiner Unterschrift. Fingerabdrücke, Fotos von allen Seiten, auch von hinten. Zum zweiten Mal bin ich in Italien fest verankert.

Dann vollständig die Kleidung ablegen, nackt Kniebeugen zur Kontrolle „von geheimen Öffnungen“.

Eine sogenannte Ärztin, ich glaube nicht, dass diese Frau Ärztin war, etwa 65 Jahre alt, circa 1,50 groß, schrie mich an „Alkohol? Drogen?“ Nimmt meinen Arm und rammt die Spritze rein, zur Blutabnahme. Dann Abmarsch Zelle 6/12. Fünf Mann liegen herum, ich bin die sechste Person. Drei Doppelbetten, ich liege unten.

2 x 4 m freier Raum, Fernsehen die ganze Nacht, 24 Stunden, fünf Leute rauchen, etwa 120 Zigaretten am Tag.

Dazu meine fürchterlichen Schmerzen aus Rumänien. Ich bin in meinem Italien – siehe mein Schwärmen vorher – angekommen.

Hier muss ich raus!

Die Leute, nicht etwa Italiener, alle Balkan, Rumänen, Serben, Kosovo Albaner, in der Landessprache herumschreiend. Der Deutsche hielt die Schnauze, nur nicht anecken.

Ein 20-jähriger Zigeuner, angeblich in Düsseldorf verhaftet, lebte mit seiner Mutter als Kind sieben Jahre in Köln.

Der Typ dreht besonders gegen Deutschland auf.

Ich sagte ihm auf Deutsch, macht er mir gegenüber handgreifliche Fehler, breche ich ihm die Knochen.

Nach 6 Tagen plötzlich ein Wunder, ich kam in eine andere Abteilung, Umzug in die dritte Etage Zelle 12, drei rumänische Zigeuner, die Jungs waren o. k.

Ein Mann war der Boss, er hatte die Sache in der Zelle 12 im Griff.

In der Nachbarzelle waren vier Albaner, einer sprach recht gut Deutsch, er war in Berlin 4 Jahre im Knast.

Die Albaner überreichten mir, am nächsten Tag, 3 T-Shirts und Unterhosen. Unglaubliche Solidarität. Ich hatte ja nichts an Kleidung, nur, was ich bei der Verhaftung in Rumänien am Körper hatte. Für mich das Wichtigste, ich bekam einen leeren Block für meine Notizen.

In Rumänien konnte ich nur mit kleiner Schrift, auf den Rückseiten von Drucksachen schreiben, die man mir freundlicherweise überlassen hatte.

Eine derartige freundschaftliche Solidarität unter Gefangenen ist großartig.

Mario hatte wegen Drogen aus Pakistan und angeblichem Terrorismus, gesteuert aus Pakistan, acht Jahre bekommen. Zwei Jahre hatte er noch abzusitzen. Ich bekam auch einen Briefumschlag und Briefmarken, für den ersten Brief aus der Gefangenschaft an meine Frau. Die Albaner nennen sich untereinander nur Brüder.

Am 8.07. ruft 22 Uhr abends ein Beamter in die Zelle: „Resch, morgen früh, 7 Uhr, fertig zur Verlegung!“

Ich dachte mit Vorfreude, Verlegung nach Torino, das zuständige Gericht und dann nach Hause, nach Deutschland. Gesagt wird wie immer nichts, warum du wohin kommst, keine Information.

Pünktlich am 9.07 startet der Transport.

Wie immer 5 Mann von der Gefängnis-Polizei, Polizia Penitenziaria.

Bewaffnet im großen gepanzerten Transporter, das für mich allein, der Aufwand ist extrem, für einen einzelnen deutschen Mafiosi.

Wir fahren etwa 3 Stunden, Uhr habe ich nicht, alles weggenommen.

Dann ein großes Gefängnis, für 600 bis 700 Leute, am Rande einer kleinen Stadt, die Berge sind zu sehen.

Viterbo, mein Aufenthalt für ein Jahr.

Viterbo liegt 70 km nördlich von Rom. Wer hat entschieden, dass ich ausgerechnet hier gelandet bin? Das werde ich niemals erfahren.

Während der Fahrt war ich mit einer Kette an der Handfessel an der Wand angeschlossen. Bei meinen Schmerzen in Bereich Schulter grenzt das an Folter.

Gefesselt, Pistolen und Maschinenpistolen, mit 5 Polizisten in einem Panzerauto, das ist bereits wahnsinnig.

Im Gefängnis Viterbo, zum dritten Mal in Italien, die Aufnahme mit Fotografieren, Fingerabdrücke, Messen, diesmal ohne Kniebeugen, nackt!

Ich komme in die oberste Etage, in eine Zwei-Mann-Zelle. Der neue Partner ist Zigeuner aus dem Kosovo.

Die Familie lebt in Deutschland, im Sauerland als Migranten. Ivo spricht recht gut Deutsch.

Sehr wichtig für das tägliche Leben im Gefängnis ist das Territorium für die Freistunde.

Die Fläche 15 x 40 m, der Boden ist Beton, leider an vielen Stellen zerstört. Laufen am Rand der Fläche herum um die spazierenden Gefangenen ist möglich. Erste gute Bekanntschaft, ein Serbe, groß und durchtrainiert, war in einer Sondereinheit der serbischen Armee zum Schutz des serbischen Präsidenten. Der neue Freund war Sergeant und ist sehr guter Waffenspezialist, kennt Schmeisser Waffen im Detail genau. Ich war erstaunt. Bereits mit dem siebten Lebensjahr begann seine Ausbildung im Kampfsport. Heute bei einer Schlägerei in Rom, ein Toter, verurteilt zu 23 Jahren.

Der Serbe spricht sehr gut Englisch. Für deutsche Sprache, außer Ivo in der Zelle, ein Russe aus Königsberg, hat zwei Leute erschossen, jetzt lebenslänglich.

Mein zweiter serbischer Freund Dean, eigenartigerweise heißt der erste Serbe auch Dean, hatte ein außergewöhnliches militärisches Leben hinter sich gebracht. Der Mann sieht sehr gut aus, 1,93 m groß, und durchtrainiert. Im serbischen Teil von Bosnien geboren und beginnt mit 17 Jahren eine Ausbildung bei der Polizei.

Ohne Vater und Mutter aufgewachsen, nur mit einer Schwester, die heute in Griechenland lebt, bewirbt sich Dean bei einer US-amerikanischen privaten Security-Einheit, die für die US-Armee spezielle Aufgaben erfüllt. Die Männer werden CIA und FBI geprüft und an allen amerikanischen Infanterie-Waffen ausgebildet. Erster Einsatz in Afghanistan, später im Irak.

Interessant für mich, auf Wunsch konnten die Serben bei den Spezial-Aufträgen auch russische Waffen einsetzen.

Mir war bekannt, dass die US-Army aus Kostengründen und aus politischen Überlegungen, die veröffentlichen Zahlen der Soldaten zu beschränken, amerikanische Security-Unternehmen einsetzt. Jedoch von Serben in diesen Einsätzen habe ich nichts gewusst.

Dean ist 38 Jahre alt und lebt mit Frau und Sohn an der bosnisch- serbischen Grenze.

Dean ist sehr gläubig, Christ, aber nicht katholisch, auch nicht orthodox, ich denke, eine Sekte.

Mit 14 Jahren haben sie ihn aufgefangen und großgezogen, bis zum Einsatz, Polizei mit 17 Jahren.

In dieser Sekte ist es verboten, zu trinken, zu rauchen und zu fluchen.

Dean hält sich noch heute an diese Vorschriften.

Fünf Jahre hat er in italienischen Gefängnissen hinter sich gebracht, soll nach Serbien abgeschoben werden, warum das alles, konnte ich nicht erfahren, er hat darüber nicht gesprochen.

Entscheidend wichtig für mich war mein Sportprogramm.

Vier Stunden am Tag sind möglich, auf den Hof zu gehen. Die Zeit ist 9–11 Uhr und 13–15 Uhr. Ich nutzte diese Möglichkeit in der gesamten Zeit in Viterbo total aus.

Im Sommer ständig Temperaturen um 40 Grad, ich habe mich im Laufe der Zeit gut daran gewöhnt.

Ich laufe täglich 30–40 Minuten, manchmal mit Pausen. Mache Gymnastik und Liegestütze, 100–150 in 30er-Abfolgen.

Zur Erholung liege ich wie viele andere einfach in der Sonne und denke an den Strand von Sylt.

Meine Verletzung an der Schulter, die ich aus Rumänien mitgebracht habe, heilt sehr gut mit Voltaren-Tabletten, die ich von einem alten erfahrenen Arzt bekommen habe. Den guten Arzt habe ich danach eigenartigerweise nie mehr gesehen.

Das Sportprogramm war sehr erfolgreich, von Kondition und Kraft, so fit war ich seit langer Zeit nicht mehr. Das Gewicht ging wie in meiner Zeit als Student und sehr erfolgreicher Leichtathlet auf 76 kg zurück. In Rumänien wog ich noch 83 kg. Der Achtzigjährige fühlte sich körperlich in Hochform.

Besonderer Höhepunkt war jede Woche zweimal „Campo“-Sport auf einer, zwar verrotteten Sportanlage, aber es war ein echter Sportplatz. Ich konnte 2 Stunden, wie in einem Stadion, um das Fußballfeld „richtig“ laufen.

Nicht in einem Betonkessel, sondern auf einer Rasenfläche.

Im Gras in der Sonne liegen, nicht auf dem nackten Beton.

In der Ferne sah ich die Berge, der Knast war vergessen.

Nach 6 Wochen schlimmster Erfahrungen war ich in meinem Italien angekommen.

Das einzige Problem war für mich das ständige Rauchen von meinem Zellen-Partner Ivo, etwa 50 Zigaretten am Tag. Dieses Problem musste ich unbedingt lösen, das habe ich dann auch gelöst.

Das Essen spielt verständlicherweise in jedem Gefängnis eine große Rolle. Das Essen in Viterbo war in Ordnung. Morgens Weißbrot, Milch und Tee, mittags Pasta, abends Pasta, ein Jahr immer Pasta.

Verschieden zubereitet, alle italienischen Variationen, aber gut gekocht. Für einen Deutschen, italienische Ristorante, ohne Vino.

Die Faktoren Sport, Ernährung und Wetter waren für mich gut. Kompliziert war der Kontakt nach draußen. Telefongespräche 10 Minuten in der Woche, nur Familie, Anwälte und Botschaft. Jedes Gespräch wurde abgehört und aufgezeichnet. Telefonieren wie in Rumänien war endgültig vorbei. Die wöchentlichen 10-Minuten-Gespräche mussten sehr gut geplant und vorbereitet werden.

Ich vereinbarte mit meiner Frau exakt den Zeitpunkt des Anrufes, manchmal von der zentralen Abhörstelle einfach nicht durchgestellt.

Im normalen Leben unvorstellbar, wie schnell die wertvollen Minuten vorüber sind. Kurze Informationen über die Situation auf beiden Seiten.

Von mir natürlich „Aufträge“ über wichtige geschäftliche Dinge, Kontakt zu meinem deutschen Anwalt.

Zur deutschen Botschaft in Rom hatte meine Frau ebenfalls eine gute Verbindung hergestellt.

Das Bewachungssystem der Gefängnisse in Italien ist sehr speziell.

Das bestehende System wurde in den vielen Jahren im Kampf gegen die italienische Mafia entwickelt.

Die „Polizia Penitenziaria“ ist Teil der Polizei und nicht des Justizsystems wie in Deutschland. Die Anzahl der Polizisten im Gefängnis ist extrem hoch. Ich kenne die Zahl der Beamten, im Verhältnis zu den Gefangenen, nicht. Ich schätze auf zwei bis drei Gefangene kommt ein Polizeibeamter.

Man trifft Beamte, die auf der Etage an einem Tag Dienst haben, so gut wie niemals wieder. Vielleicht nach Monaten wieder auf der gleichen Etage. Eindeutig zur Verhinderung des Aufbaus von persönlichen Kontakten zwischen einzelnen Gefangenen und Beamten. Die Gefahr der Bestechung von außen unter dem allgemeinen Begriff „Mafia“ ist einfach zu groß.

Der diensthabende Beamte auf der Etage sitzt in einer Glaskanzel und regelt alles, besonders die Ausgabe der Post, das ist eine täglich große direkt gefährlich wirkende Zusammenballung von Leuten vor der Kanzel.

In den 4 Stunden der geöffneten Zellen sitzt der Beamte ruhig in dem Hexenkessel der 50 Leute, die auf dem Flur herumlaufen und sich gegenseitig besuchen. In „Sonderaktionen“ werden dann 15 bis 20 Polizisten zusammengezogen, dann ist Alarm. Beispiel: Beleidigung oder Drohung gegenüber den wachhabenden Beamten, 15 Mann stehen vor einer Zelle, ein echtes „Drohpotenzial“, drei Mann gehen in die Zelle und holen den Typen raus, im Kreis der Menge wird dann eine Verwarnung ausgesprochen, offensichtlich wirkt das.

Fälle, dass auch geschlagen wird, habe ich nicht erlebt, soll es aber geben. „Großaktionen“ habe ich in einem Jahr zweimal erlebt.

Die Leute werden einzeln aus der Zelle geholt, gegen die Wand, tatsächlich gestoßen, und durchsucht. Wie im Film, habe ich als deutscher Staatsbürger besonders unangenehm empfunden. Dann in einem großen Raum, etwa eine Stunde warten, bis alle Zellen geleert und durchsucht sind. Die Durchsuchung der Zellen ist auch very special, alles, jedes einzelne Stück, wird aus den Schränken gerissen und auf die Betten und den Boden geworfen, man findet nichts mehr wieder, dauert Stunden, bis alles wieder an Ort und Stelle ist. Wenn so eine Aktion 5 Uhr morgens stattfindet, ist zur Freistunde 9 Uhr wieder Ruhe eingekehrt, alles läuft normal. Gefunden werden Drogen und Messer und Eisenstangen.

Zentrale Leitung, Verwaltung, Besuchsräume für Anwälte, Sozialarbeiter etc. befinden sich im Erdgeschoss. Der Weg geht durch 6 gepanzerte Türen, die sich öffnen, da Beamte das System kontrollieren, oder nach Klingeln. Der Weg zum Ziel geht allein, ohne Begleitung. Anfangs habe ich mich schon mal in die falsche Richtung verlaufen, dann kommt die Routine. Auf diesen Wegen, und vorbei an Posten, trifft man dann Beamte wieder, die man auf der Etage kennengelernt hat. Als einziger Deutscher unter 600–700 Gefangenen werde ich überall höflich, sogar freundlich begrüßt.

Drei Beamte grüßen mit erhobenem rechten Arm, dieser faschistische Gruß kam ja ursprünglich von Mussolini zu Hitler nach Deutschland.

Ich grüße lachend zurück und sage immer, ich bin ein Fan von Angela Merkel, übereinstimmender Zuspruch. Das ist ein Phänomen, in Rumänien und Italien alle Beamte, und was besonders interessant ist, die Gefangenen aus aller Welt, mit Respekt für Merkel, große Zustimmung. Wahlergebnis wäre 95 %, das werde ich niemals vergessen. Das ist zwar keine besondere Ehre für die Bundeskanzlerin, wenn die Banditen Europas so deutlich hinter ihr stehen, aber ein wirklich hoch interessantes Phänomen. Eine Erklärung habe ich nicht, vielleicht das Problem Flüchtlinge, vor allem Deutschland ist wirtschaftlich ein Superland.

Ein gutes Verhältnis hatte ich zu dem Chef des Gebäudekomplexes. Der Capo Reparto, ein sportlicher, mitteljunger Offizier, der mir in der Folge auch sehr geholfen hatte. Bei dem Begriff „Capo“ läuft mir immer ein Schauer über den Rücken, so hießen im KZ die Blockältesten, die oft schlimmer als die SS-Wachmannschaften waren. Kam also aus dem italienischen System in die deutschen Konzentrationslager.

Behandlung und Umgang mit mir ist nicht typisch für die Situation im Gefängnis. Ein sehr negatives Beispiel ist der Junge, der jeden Morgen die Milch brachte, nett und sehr höflich. Plötzlich nicht mehr sein lautes „good morning, Sir“. Hatte starke Zahnschmerzen, spricht Beamten an, der sagte nur, morgen. Der Milchjunge droht mit Schneiden in den Arm und Selbstmord, der Beamte sagt: „Mach doch“, und geht. Der Junge nimmt Rasiergerät und schneidet. Wird sofort geholt, ab in den Bunker im Keller. Wir haben ihn nie mehr gesehen.

Die meisten Leute, die bei solchen „Aktionen“ im Keller landen, verschwinden, verlegt auf andere Stationen oder andere Gefängnisse.

Am 30. Juli mein 80. Geburtstag.

Ich bin nie der Typ gewesen, der sich irgendwie feiern lässt, besonders nicht an Geburtstagen. Kein eigener Erfolg, von der Natur gemacht, ergibt sich einfach. Ich erinnerte mich aber. An den 80. Geburtstag meines Schwiegervaters, den wir in einem Restaurant in Cappenberg gefeiert haben, ich habe eine Rede gehalten und besonders die Zeit als Bürgermeister von Höxter und die Gefangenschaft nach dem Krieg bei den Engländern gewürdigt, besonders aber die tapfere Übergabe der Stadt Höxter, unter Lebensgefahr, an die US-Army behandelt.

Meine Familie wollte meinen 80. Geburtstag ebenfalls feiern, jetzt bin ich im Knast in Italien.

Zum Glück hat das Datum keiner irgendwie bemerkt und mir gratuliert, der Tag verging ohne „Aufsehen“.

Ein sehr schöner trauriger Brief von meiner Frau kam später an.

Überhaupt das Thema Briefe im Knast, von Deutschland 6–10 Tage „Kontrolle“, meine Briefe nach Deutschland 2–3 Tage.

Ein wirklich kompliziertes, spezielles Problem in Italien sind Rechtsanwälte, das gilt für Strafrecht und für Zivilrecht.

Rechtsanwälte sind eine gewaltige „Abzockindustrie“.

Ich habe viele Beispiele von Mitgefangenen in Viterbo erlebt und berichtet bekommen. Da ich den Wahrheitsgehalt nicht überprüfen kann, bringe ich keine Beispiele, nur die eigenen Erfahrungen.

Von der deutschen Botschaft in Rom habe ich eine Liste von Rechtsanwälten erhalten, in der genau die Spezialgebiete der Kanzleien aufgeführt sind. Ich nahm telefonisch Kontakte zu zwei Anwälten auf, deutsche Sprache. Im ersten Fall die Antwort, für das erste Gespräch 2000 €. Das erste Einführungsgespräch im zweiten Versuch der Kontaktaufnahme kostet 2.800 €. Ich wollte keine Verteidigung, nur eine schnelle Überführung nach Deutschland.

Wenn ich zugestimmt hätte, wäre die Sache mit den Anwälten blitzschnell weitergegangen auf 10.000 bis 20.000 €.

Das ist Wahnsinn! Schlimme Erfahrungen mit falscher Berufung und Unterschriftsfälschungen hatte ich im Prozess in Torino bereits hinter mir.

Manchmal gibt es außergewöhnliches Glück, ein Gefangener, Autospezialist aus Neapel, der auch in Düsseldorf Autos verkauft hat, berichtete von einem jungen Anwalt aus Viterbo, mit dem er reden könnte. Nach einer Woche hatte ich einen sehr guten englisch sprechenden Rechtsanwalt Cecarelli. Der Anwalt nahm einen fairen Preis, für die gesamte „Operation Deutschland“. Cecarelli hat mich niemals enttäuscht. Eine große Ausnahme in der italienischen „Anwaltsindustrie“. Ich habe noch heute einen engen Kontakt zu Avv. Ceccarelli, wir arbeiten an der Wiederaufnahme des Verfahrens Torino, um nach 10 Jahren zu versuchen, endlich die Wahrheit zu erreichen. Das ist für mich nicht nur juristisch wichtig, es ist eine Sache der Ehre.

Am 26. August hatte ich mit Ceccarelli den Vertrag abgeschlossen, ein Schreiben für die Überführung nach Deutschland ging unmittelbar an das zuständige Ministerium nach Rom.

Nach fünf Monaten, im Januar 2017, hat das Ministerium in Rom meiner Auslieferung zugestimmt.

Dann folgte eine unglaubliche bürokratische Bearbeitung dieses Falles durch die deutsche Justiz. Erst im Juli 2017 bin ich dann in Berlin gelandet und war endlich wieder in der Heimat, natürlich nicht in Freiheit.

Die Monate September und Oktober 2016 zeigten mir sehr deutlich die Strukturen und auch die Gefahren im Gefängnis Viterbo.

Bereits Ende August war mir klar geworden, aus der Zelle 15, mit Ivo, musste ich zur Erhaltung meiner Gesundheit unbedingt raus. Der Rauch von 50 Zigaretten am Tag, bei geschlossenen Fenstern, war einfach nicht mehr auszuhalten. Ich sprach darüber mit Ivo und er sagte mir Unterstützung zu.

Das größte Problem bei einem Wechsel der Zelle war nicht Entscheidung und Anweisung der Beamten, sondern ein Gefangener musste die Zustimmung für die Aufnahme eines neuen Partners geben. Ein unglaubliches System, die Gefangen bestimmen selbst, nicht die Anweisung der Leitung. Ein erster Hinweis auf das „duale Machtsystem“ im Gefängnis. Ich hatte keine Erfahrung, kannte die Leute nicht, ich fand keine Möglichkeit für einen Umzug.

Ivo fand einen Rumänen, der bereit war, mich aufzunehmen, er rauche angeblich nur 8 Zigaretten am Tag. Ich war völlig unkritisch und froh, von Zelle 15 nach Zelle 11 zu kommen. Der eigentliche Umzug war in 10 Minuten erledigt. Bereits der folgende Tag zeigte mir, dass mit dem Mann irgendetwas nicht stimmte. Der Rumäne zeigte mir Hefte, mit der wörtlichen Abschrift der orthodoxen Bibel, in feiner, deutlicher rumänischer Schrift, etwa 4000 Seiten, die Arbeit von 8 Jahren Knast.

Immer wieder eingeschoben Texte aus historischen Werken, um die „Wahrheit“ der Bibel zu ergründen und zu beweisen, einfach irre.

Ich fragte, warum er hier im Gefängnis ist. Wegen Totschlag fünfzehn Jahre, acht Jahre hatte er bereits abgesessen.

Der Typ machte draußen auch jeden Tag Sport, das war positiv.

2 Tage nach dem Umzug passierte es, eine Nacht vom Freitag zum Samstag.

Ohne jeden Anlass, ich hatte tief geschlafen, reißt mich der Rumäne aus dem Bett, schlägt auf mich ein und stößt mich in Richtung Toilette. Ich wusste, jede Schlägerei endet immer, ohne weitere Prüfung der Lage, für beide Seiten im Bunker.

Deshalb von mir keine sofortige Reaktion, ich habe nicht zurückgeschlagen, übrigens, das kann auch tödlich enden, ich habe in der Folge einige Fälle erfahren, wo sofort erstochen oder mit Stangen erschlagen wurde. Ich bin also ohne Gegenwehr sofort in die Toilette gesprungen (Stahltür) und habe mich verbarrikadiert.

Nach etwa einer Stunde bin ich wieder raus und wollte mit dem Typen reden, er lag im Bett und schlief. Am nächsten Morgen tat er so, als ob nichts gewesen wäre, und sagte nur: „Nicht nervös werden.“

Ich entschied mich für den „vorsichtigen Weg“. Nicht gleich den Beamten melden, auf dem Hof erst einmal mit meinen Freunden reden. Dann setzte eine Kette von unerklärlichen Abläufen ein, für die ich erst einmal keine Erklärung finden konnte.

Die Wirkung des „dualen Systems“. Meine Kumpels holten den Rumänen und fragten ihn, warum er mich nachts schlägt.

Er stritt die Sache ab, für mich war klar, ich muss sehr schnell wieder raus aus der Zelle 11. Der Mann war ein verurteilter Totschläger.

Während der Freistunde wurde ich durch den diensthabenden Beamten plötzlich zum Capo Reparto gerufen, es war Samstag!

Der Capo war erstaunlicherweise im Büro.

Er fragte nur mit Hilfe eines unbekannten Gefangen, als Dolmetscher in englischer Sprache, nach einer Gewalttat.

Ich bestätigte, ein Beamter schrieb ein Protokoll, ich ging wieder auf den Hof. Der Rumäne wurde geholt und dann die Sensation, ich kam zurück in die Zelle, leer, alle Sachen des Rumänen waren weg. Ich habe diesen Typen nie wieder gesehen.

Das Interessante ist, ich habe den Vorfall nie offiziell gemeldet.

Im Rahmen der gegenseitig respektierenden zwei Strukturen wurde der Vorfall gemeldet und die Polizia hat sofort reagiert. Der Mann verschwand, keiner fragte danach. Nach Tagen fragte ich meine serbischen Freunde, die lachten und sagten, hast du noch nicht gehört, der Rumäne liegt im Krankenhaus, der ist scheinbar gefallen, zahlreiche Knochenbrüche, an Armen und Rippen.

Wie gesagt, der Typ tauchte nie mehr auf. Das wirklich Interessante ist, der Fall wurde ohne meine Mitwirkung, von zwei Seiten, der Instanza und den Gefangenen, für mich völlig unsichtbar geregelt.

Wie ich dann mit wachsender Knasterfahrung feststellen konnte, wurden zahlreiche Fälle durch die Gefangenen intern geregelt, mit Sicherung und Deckung durch das System. Beide Seiten halten gegenseitig Grenzen ein und respektieren die Grenzen.

Interessanter Nebeneffekt, Ivo hatte bereits nach meiner schlimmen Nacht gesagt: „Du kannst zurück kommen zu mir, ich werde weniger rauchen und das Fenster in der Nacht öffnen.“ Zwei Tage später sagte mir Ivo, seine Zelle ist belegt, der Sohn eines Freundes seines Vaters ist jetzt bei ihm. Dieses Argument war weit hergeholt. „Der junge Mann hat 25 Jahre wegen Mord, erst 2 Jahre hat er weg, ich muss mich um diesen Menschen kümmern.“ So laufen viele Dinge völlig undurchsichtig.

An einem Sonntag mit wunderbarem Abend war ich nach 4 Monaten zum ersten Mal allein in der Zelle, einfach wunderbar.

Das schöne neue Leben dauerte eine Woche, dann war ein neuer Mann in der Zelle. Ein junger Albaner, 27 Jahre, verurteilt wegen Mord in Palermo. Er sagte mir, beide Seiten haben geschossen, er selbst war auch schwer verletzt, angeblich 5 Einschüsse hat er überlebt.

Am 12. Oktober ein neues Wunder, Capo Reparto holt mich und fragt, ob ich für eine Einzelzelle bereit bin, den Flur zu wechseln, Umzug in 2 c-5. Ich war allein. Wechsel in eine neue Etage heißt, völlig neue Leute, anderer Hof für Freigang, ein neues System.

Für die nächsten neun Monate meine neue und bessere Heimat.

Was allerdings entscheidend wichtiger war, ich habe einen echten Freund gefunden, Senna, ein Serbe.

Senna hat ein Urteil von 20 Jahren, bereits 8 Jahre abgesessen, davon 5 Jahre Einzelhaft in Sizilien.

Die genauen Gründe für das Urteil habe ich nicht erfahren.

Senna sagt, Urteil wegen serbischer Mafia in Italien, besonders Frauenhandel. Für Prostituierte aus Slowenien und Kroatien nach Italien einschleusen, 20 Jahre als Urteil bekommen, ist für mich unvorstellbar. Aber in Italien ist im Justizsystem einfach alles möglich. Vielleicht ist bei dem Geschäft mit Frauen ein Toter auf der Strecke geblieben, aber Senna bestreitet den Handel mit Frauen.

Ein großer Vorteil für mich, Senna spricht perfekt Deutsch mit Berliner Akzent. Er hatte in Berlin Kreuzberg 20 Jahre eine Kneipe. Später noch eine Disko in Tempelhof. Zusätzlich eine Baufirma mit 50 Leuten, die im Auftragsverfahren für die großen deutschen Bauunternehmen arbeiteten. Senna hatte in Berlin eine deutsche Zahnärztin als Frau und einen Sohn. Jetzt geschieden und, wie er sagt, verlobt mit einer Serbin in Serbien.

Jedenfalls war Senna ein großartiger Typ, man konnte sich voll auf ihn verlassen, unter seinen „Schutz“ aufgenommen im Kreis der Serben von Viterbo, war es jetzt absolut sicher für mich.

Interessant in der Rückbetrachtung, dass sowohl in der Abteilung D und jetzt in der neuen Etage meine besten Freunde die Serben waren.

Alle absolute Anhänger von Tito. Übereinstimmung in der Meinung, das war die beste Zeit für Serbien. Ich wusste bisher nicht, welche Wirkung der kommunistische Herrscher Tito hinterlassen hatte.

So etwas habe ich in keinem Land in Osteuropa, Russland und Ukraine finden können.

In zahlreichen Gesprächen mit AVV. Ceccarelli prüften wir die zweite Option, um aus dem Gefängnis Viterbo schnellstmöglich rauszukommen. Die Lösung könnte sein, eine Wohnung in Viterbo oder Rom oder in einer anderen Stadt, um dann Hausarrest mit anfänglich vier Stunden Freigang am Tag zu erhalten, später acht Stunden, übergehend in „kontrollierte Freiheit“. Mein Ziel war natürlich, so schnell wie möglich nach Deutschland. Aber der Plan Wohnung war eine Alternative. Es war Vorschrift, die Wohnung muss von einer anderen Person gemietet werden. Ceccarelli hatte einen Vorschlag in Viterbo.

Nach langer Vorbereitung kam am Samstag, dem 26. November, meine großartige Tochter Pia nach Viterbo. Durch Unterstützung der deutschen Botschaft in Rom konnte Pia die notwendigen Dokumente zusammenbringen. Ein unglaublicher Aufwand für Ausländer, für einen einfachen Besuch im Gefängnis. Die Freude war groß, noch nie hatte ich meine Tochter so lange umarmt wie in der Novembersonne von Viterbo. Vier Stunden zusammen mit meiner Tochter haben mich richtig glücklich gemacht.

Überhaupt ist das Gefühl für die Familie größer als im täglichen Leben und die psychische und materielle Unterstützung wichtiger.

Bei gutem Wetter ist der Besuch durch die Angehörigen außerhalb des Gebäudes in einem kleinen gut gepflegten Garten, mit mehreren Tischen und Stühlen, für mich wurde das in der Erinnerung der „Pia Garten“, den ich jede Woche zweimal sehen konnte, denn der Campo Sportplatz grenzte direkt an den Besuchsgarten.

Am Abend ging Pia mit Ceccarelli in Viterbo essen. Vorher Besichtigung einer Wohnung. Der Mietvertrag, der Pia zur Unterschrift vorgelegt wurde, lief über zwei Jahre. Das war zu viel, sechs Monate wären in Ordnung gewesen, zwei Jahre wollte ich wirklich nicht in Italien bleiben.

Später hatte die sehr gute Frau Rieger, von der deutschen Botschaft in Rom, noch einen Vorschlag, auch dieser Mietvertrag ging über zwei Jahre. Mit Ceccarelli prüften wir noch eine Möglichkeit, eine kirchliche Einrichtung im Umfeld von Rom, dort war jedoch alles ausgebucht. Also im neuen Jahr 2017 alle Energie für die Auslieferung nach Deutschland.

Ceccarelli hatte seinen Job gut gemacht, im Januar hat mich das italienische Justizministerium „freigegeben“ für die Auslieferung an die deutsche Justiz. Dann allerdings begann das Drama in Deutschland.

Ich muss hier unbedingt feststellen, die Unterstützung durch die deutsche Botschaft in Rom war hervorragend. Frau Rieger war für mich telefonisch immer zu erreichen und hat mit meiner Frau ebenfalls einen sehr engen Kontakt aufgebaut.

Am 10. November 2016 hat mich Frau Rieger in Viterbo besucht, ein wundervoller Höhepunkt in meiner Knastzeit. Nach einem sehr angenehmen Gespräch und der Übergabe von vier Büchern von der deutschen Botschaft, noch großen Dank, hatte Frau Rieger noch ein Gespräch mit Avv. Ceccarelli zur Analyse der Situation.

Ich muss hier hervorheben, die deutsche Botschaft in Rom hat alles getan, was in ihrer diplomatischen Möglichkeit zur Verfügung stand. Für die deutschen Botschaften in Bukarest und Rom großes Kompliment und danke an das deutsche Außenministerium.

Am 30. Oktober 2016 erschütterte ein gewaltiges Erdbeben in der Nacht das Gefängnis von Viterbo, der Knast wackelte.

Die Auswirkungen waren in nicht geringer Entfernung viel schlimmer, erschreckend schlimm, ganze Dörfer waren zerstört.

Auf Initiative einer Gruppe von italienischen Gefangenen wurde auf ein Mittagessen verzichtet, der eingesparte Betrag wurde an die Opfer des Erdbebens überwiesen. Interessante Duplizität der Ereignisse, eine Woche später fand eine Demonstration in Rom statt, organisiert von der Radikalen Partei, für ein Gesetz über Amnestie in den Gefängnissen Italiens. Von der Radikalen Partei hört man wenig in Italien, nur einige Abgeordnete im Parlament, aber die Partei ist führend in allen Fragen der Gefängnisse in Italien.

Der frühere Vorsitzende der Partei, inzwischen gestorben, hatte weltweit Gefängnisse besucht und sich für Gefangene eingesetzt.

Die Demonstration in Rom war nicht sehr stark besucht, nur 2000 bis 3000 Personen, aber große Resonanz im Fernsehen. Psychologisch interessant für mich, die Gefangenen glaubten fest an eine Amnestie.

Nach Tagen wurde schon geredet, wir kommen raus, alle Gefangenen mit einem Urteil von drei Jahren und weniger. Natürlich Unfug, nichts passierte, ich habe niemals daran geglaubt, aber so sind die Knackis, nach jedem Strohhalm wird gegriffen.

Zur Unterstützung der Forderungen der radikalen Partei wurde sogar ein Hungerstreik von zwei Tagen ausgerufen. Am 5. und 6. November streikten die Insassen in allen Gefängnissen Italiens.

Der eingesparte Geldbetrag für das Essen von zwei Tagen wurde den Opfern des Erdbebens zur Verfügung gestellt (hoffentlich). Der Hungerstreik selbst war für uns nicht so krass, wie sich das anhört, ich bekam selbst gekochte wunderbare serbische Bohnensuppe, von den Freunden geliefert. Das war der einzige Hungerstreik, an dem ich in meinem Leben teilgenommen habe.

Eine große Rolle spielt in jedem Gefängnis, neben der Grundversorgung mit Nahrung, die Möglichkeit des privaten Einkaufs von Nahrungsmitteln, von Kuchen bis zu Obst und Gemüse, insbesondere auch Wurst und sogar frisches Fleisch.

Nicht zu vergessen, alle Produkte für die tägliche Hygiene.

In Italien war das System des Einkaufs besonders speziell.

Jede Woche kam eine unendlich lange Liste mit den Produkten und Preisen. Auf einem Bestellzettel wurde dann mit einer Bestellnummer die Bestellung abgegeben. Pünktlich kam einige Tage später der von allen Leuten erwartete Wagen. Die Auslieferung funktionierte optimal, selten, dass irgendein Fehler unterlief. Die Jungs waren routiniert und erfahren. Am gleichen Tag begann dann das große Kochen, das auch am nächsten Tag anhielt.

Ich selbst kochte nicht, ich kann gar nicht kochen, sondern bestellte nur viel Obst, Kuchen, Schokolade und das gute italienische Mineralwasser. Die Lieferung mit perfekten Abläufen erfolgte jeweils für mehrere Gefängnisse durch ein privates Großhandelsunternehmen.

Die Ware kam jede Woche in großen Trucks, über weite Distanzen.

Die Krönung sind die Preise, etwa 30 bis 40 % (und mehr) höher als im normalen Handel in Geschäften und Märkten. Es ist offensichtlich, wer an diesem grandiosen System der Versorgung verdient, auf keinen Fall nur der Großhändler und die Transportunternehmen, das System ist Italia.

Schlimm wird es, wenn eine Störung im System auftaucht. Ich hatte bei einer Bestellung in Unkenntnis, nicht zuerst den Familiennamen geschrieben und dann den Vornamen, sondern zuerst „Werner“.

Keine Auslieferung, damit 10 Tage kein Wasser. Oder der Fall 50 € der Überweisung des Geldes von meiner Familie waren „verschwunden“. Natürlich keine Bestellung möglich, nur durch Hilfe des Capo Reparto wurde das Geld auf einem anderen Konto, einem sogenannten anonymen Konto, gefunden. Ohne den Capo wäre das Geld weg gewesen, nach einer Wartezeit von irgendwelchen Leuten abkassiert. So läuft das Leben!

Sehr speziell ist auch der medizinische Dienst in einem Gefängnis in Viterbo. Anmeldung für einen Besuch beim Arzt gibt es zweimal in der Woche. Ständig neue Ärzte, wie ich später feststellen konnte, aus einem normalen privaten Krankenhaus.

Glücklicherweise hatte ich in dem Jahr in Viterbo nur zweimal ein Problem für die Ärzte. Die rheumatische Zerrung aus Rumänien wurde am Anfang sehr gut mit Voltaren-Tabletten gelöst. Ein sehr komplizierter Fall ergab sich, beginnend im Dezember 2016, an meinen beiden Händen. Entzündung, aufreißende Haut an einem Finger und Vereiterung ging dann über 8 Finger sprunghaft innerhalb von 4 Monaten. Die Ärzte ohne Erklärung einer Diagnose, völlig machtlos. Ohne Therapie, nur ständige Besuche bei Ärzten, heilten die Finger nach vier Monaten „von allein“. Leider habe ich noch heute mit der Durchblutung an beiden Händen Probleme, insbesondere bei niedrigen Temperaturen.

In dem Zusammenhang ein besonders skurriles Erlebnis 2017.

„Resch, Sie werden in ein Krankenhaus außerhalb gefahren zu einem Dermatologen.“ Transport mit vier bewaffneten Polizisten, gefesselt die Hände auf dem Rücken, das ist besonders unbequem wie immer bei solchen Anlässen. Im Krankenhaus, staunende Menschen, ein gefesselter Bandit, unter 4 schwerbewaffneten Polizisten.

Dann die Hände vorn gefesselt. Im dritten Stock des Krankenhauses eine ältere Ärztin, völlig uninteressiert, wie immer kaum englische Sprache. Nimmt meine Hände in die Hand, gibt streng die Anordnung, Fesseln weg, tut sehr gewichtig vor der Polizei, schreibt viel, dann wieder Abmarsch. Von der Dermatologin habe ich nie mehr etwas gehört.

Eine besondere Maßnahme im medizinischen Dienst war die ständige Blutabnahme. Jedes Mal, wenn ich wegen meiner Finger einen Termin hatte, wurde Blutabnahme angeordnet. Wie ich dann erfahren konnte, wurde das Blut in einem privaten Institut, zum Dreifachen des üblichen Preises, analysiert. Ein weiterer Fall von Korruption.

In deutscher Berichterstattung wird so etwas als „Mafia“ abgetan, dahinter steht kein Zwang, keine Erpressung, reine Korruption, an der viele Leute Geld verdienen.

Ich wollte nicht mehr mitspielen. Ich weigerte mich, Blut abnehmen zu lassen, die Schwester sagte: „Das kann nur der Arzt entscheiden.“

Ich sagte: „Holen Sie sofort den Arzt.“ Es war gerade ein Arzt im Nebenraum, wie sich herausstellen sollte, der Chefarzt des privaten Krankenhauses persönlich, dem das Gefängnis angeschlossen war.

Ich fragte: „Sprechen Sie Englisch oder Deutsch?“

Das Letztere rutschte mir nur raus. Der Arzt fragte lachend: „Was wünschen Sie?“ Ich antworte: „Natürlich Deutsch.“ Er sprach perfekt Deutsch. Er war viele Jahre als Chirurg in Siegen im Sauerland. Seine Frau aus Düsseldorf. Er überzeugte mich locker sofort zur Blutabnahme, er komme selbst mit dem Ergebnis, kündigte er an.

Mit dem Ergebnis kam er natürlich nicht, aber wir haben uns noch einmal gesehen, der Chefarzt, ein wirklich netter Typ. Wir verabredeten uns für einen Espresso auf der Königsallee in Düsseldorf. Dabei ist es bisher geblieben.

Meine große Überraschung über das Gesundheitssystem in Viterbo kam erst in Berlin. Ich landete 6 Monate später im Gefängnis-Krankenhaus, Plötzensee.

Ansonsten konnte ich beobachten, wie jeden Monat mindestens ein Toter, im schwarzen Plastiksack, das Gefängnis verlassen hat.

Ein besonderes Kapitel der Hygiene im Gefängnis ist die Möglichkeit, zu duschen, ohne eine Gefahr der Ansteckung von den vielen infizierten und Kranken in so einem großen Gefängnis. In Viterbo war das Duschen auf der Station 2c problematisch. Der Zeitrahmen war gut, jeden Tag von 16 bis 18 Uhr war duschen möglich. Grundsätzlich duschen in Unterhose, nackte Männer waren verboten.

Eine Sondervorschrift war, duschen nur in Schuhen oder Badelatschen, Füße sollten vor Infektionen geschützt werden. Es gab drei Duschplätze, aber nur einen intakten Duschkopf, aus zwei Rohren kam das Wasser direkt geströmt.

Haken für die Klamotten gab es im Duschraum nicht. Gegenüber den aktiven drei Duschplätzen lagen auf altem Mauerwerk Besenstiele, auf die die Sachen abgelegt werden konnten. Ich ging täglich etwa 17 Uhr zum Duschen, weil zu dieser Zeit die Ausgabe des Abendessens begann und unter der Dusche kein Andrang mit längeren Wartezeiten gegeben war.

Ein weiteres wichtiges Element im Knastleben war der Friseur.

Nach Anmeldung bei dem diensthabenden Beamten musste man auf einer Treppe stehen und 1 bis 2 Stunden nutzlos warten, bis die Tür für die betreffende Person geöffnet wurde und der Weg zum Friseur war frei. Die insgesamt 4 Friseure, die ich in meiner Zeit in Viterbo erlebt habe, waren o. k.

Sogar mein Freund Senna war etwa 4 Monate Friseur, er hatte den Job während seiner Haft in Sizilien gelernt. Nach dieser Zeit als Friseur wurde Senna noch Helfer im medizinischen Dienst und später Hausarbeiter für alle Reparaturen im Gefängnis.

Senna konnte alles.

Die Entlohnung für alle Arbeiten im Gefängnis entsprach der speziellen Situation mit den „Geldströmen“ im Gefängnis.

So bekam eine Friseur 560 € im Monat als Bruttolohn ausgewiesen, ausgezahlt nur 40 €. Wo sind die 520 € geblieben? In der Küche bekamen die Leute 560 € brutto, nur 80 € netto.

Das Gefängnis Viterbo hatte in Italien in der Bevölkerung den interessanten Namen „Malina Gelina“, gelbe Mutter, dieser Knast war wirklich außergewöhnlich.

600 bis 700 Gefangene, Sektionen mit jeweils 50 Gefangenen, in 25 Zellen. Relative Freiheiten, täglich 4 Stunden Hofgang oder Campo, zusätzlich waren von 15 bis 19 Uhr die Zellentüren geöffnet.

Das Problem war das System, die technischen Abläufe und natürlich die Menschen, Gefangene und Polizei.

Bei dem täglich zweimal möglichen Hofgang wird jeweils der Name in einer langen Liste notiert.

Dann kommen Zwischenfälle. Ich nenne den Namen, der Polizist schrie laut „Heil Hitler!“, stand auf mit dem faschistischen gestreckten Arm. Ich murmelte na, na, na und ging schnell weiter. Den Mann hatte ich noch nie gesehen, der wusste aber, Resch ist der einzige Deutsche in dem Knast.

Karfreitag 2017 große Prozession, auf allen Fluren, drei Priester, Ministranten, Kruzifix, Fahnen, Musik und Gesang.

Die Gefangenen eingeschlossen hinter den Gittertüren, die Zellen werden einzeln gesegnet. So etwas habe ich noch nie erlebt, viele Gefangene knieten, andere hingen an den Gitterstäben, ich war nur neugierig. Egal welche Glaubensrichtung, die meisten Gefangenen waren orthodoxen oder muslimischen Glaubens, die katholischen Priester hatten alles im Griff.

Ostern bei wunderbarer Sonne, Campo im Gras gelegen und von meiner Frau und der Heimat geträumt.

Das Leben ging weiter. Die ständigen Kontakte mit meinem Anwalt Ceccarelli waren sehr gut. Der Avv. war 34 Jahre jung und ein Kämpfer. Das italienische Gesetz gibt für jeweils 6 Monate im Gefängnis einen „Rabatt“ (Strafminderung) von 45 Tagen. Ceccarelli organisierte einen Kontakt über Video-Konferenz zu der Richterin Falcone, ein berühmter Name. Staatsanwalt Falcone wurde in Sizilien durch die Mafia ermordet. Wir haben meinen Fall besprochen, ich bekam ohne Probleme am 26. Mai die ersten 45 Tage, und am 12.06. die zweiten 45 Tage, die 90 Tage Rabatt waren endlich ein kleiner Erfolg.

Ceccarelli ermittelte im Gesetz eine weitere interessante Möglichkeit, meine Gefängniszeit schnellstmöglich zu beenden.

Wie in den deutschen Haftanstalten gibt es in Italien auch Sozialarbeiter, in Viterbo für die große Menge der Gefangenen allerdings viel zu wenig. Voranmeldung etwa 8 Wochen Wartezeit.

Ich lernte eine sehr gute junge Sozialarbeiterin kennen mit englischen Sprachkenntnissen, aber sie konnte absolut nichts unternehmen in meinem speziellen Fall, Auslieferung nach Deutschland.

Nach dem italienischen Gesetz ist festgelegt, dass bei Haftstrafen bis zu 3 Jahren der Verurteilte gefragt werden muss, ob er Gefängnis oder Sozialarbeit akzeptieren will. Mich hat keiner gefragt, wie festgestellt, hatte ich keinen eigenen Anwalt im Verfahren in Turino.

Das war natürlich der Ansatz, wegen eines absoluten Verfahrensfehlers sofort entlassen zu werden. Ceccarelli schreibt sofort an das Oberlandesgericht Torino. Nach etwa 6 Wochen kommt eine fadenscheinige Ausrede, die Anwälte wurden informiert, der Angeklagte hat am Verfahren nicht teilgenommen, konnte also nicht gefragt werden.

Ceccarelli legt beim höchsten Gericht in Rom Berufung ein, ebenfalls ausführlich auf fünf Seiten. Entscheidung des Gerichts, Resch war nicht auffindbar, Anwälte wurden benachrichtigt. Absoluter Unfug, mich hätte jeder Polizist in Ratingen, an meiner Wohnadresse, befragen können, Gefängnis oder Sozialarbeit.

Aber ich hatte noch nicht einmal eine Information über das Verfahren in Torino in der ersten Instanz.

Sehr zurückhaltend bemerke ich hier, das alles ist allerdings typisch für die Situation in Italien. Das eigene Schicksal bestätigt nur, was ich über viele Urteile und Schicksale in einem Jahr im Gefängnis in Italien gehört und erfahren habe.

Die schlimmste Situation im Gefängnis war für mich die Operation der Hüfte meiner Frau am 3. Mai 2017, im Krupp-Krankenhaus in Essen. Normalerweise werden Hüft-OPs chirurgisch seriös abgewickelt, das Problem lag in der Herzinsuffizienz und der CoPD-Lunge, an den Problemkrankheiten leidet meine Frau tapfer seit einigen Jahren.

Hier ging es wirklich um das Leben. Wir sind 55 Jahre verheiratet und meine Inne ist eine wunderbare Frau. Vorher Angst und Hoffnung, dann Operation, am Tag der OP 17.00 Uhr Information von meinem Sohn, alles gut verlaufen. In meinem Tagebuch steht, das beste Telefongespräch meines Lebens. Ich dachte immer, wenn Inne sterben sollte, will ich die schönen Hände halten, das Schicksal hatte mich in Italien festgenagelt. Grausam, aber es ging alles gut, noch 4 Wochen Reha, ausgerechnet in einer der Kliniken der Familie von Graf von Oeynhausen in Bad Driburg. Im Gräflichen Parkhotel haben wir über 30 Jahre glückliche Zeiten verbracht. Das machte mich wieder glücklich und sportlich voller Energie.

Es gab einen Rückschlag bei der Rückkehr meiner Frau in Ratingen, unser Sohn Sascha lag mit einer Magendarminfektion im Bett.

Meine Frau steckte sich an, mit dem komplizierten Virus „Rota“ und musste wieder eine Woche nach Düsseldorf in die Augusta-Klinik.

Wieder das schlimme Gefühl, nicht helfen zu können, nicht dabei zu sein in den schwierigen Tagen.

Der einzige Trost, ich wusste, unser Sohn Sascha, schützt und behütet seine Mutter mit vollem Einsatz seiner Kräfte.

Dafür bin ich ihm ewig dankbar.

Für meine Frau folgte ein Jahr mit Gehhilfen, erst zwei Stöcke, dann eine längere Zeit mit einem Stock, ich habe meine Frau nie mit den Gehhilfen gesehen. Die Gehhilfen liegen im Keller.

Dann gab es noch einen „Schlag“. In meinem Beisein, erst zwei Wochen ohne Gehhilfen, ist meine Frau gestürzt, beide Hände gebrochen. Für mich war das der Beginn der großen Hilfe im Haushalt, ich habe viel lernen müssen, Respekt für alle Hausfrauen.

Neben dem Kontakt zur Familie und bei mir persönlich, zur Sicherstellung des sportlichen Trainings ist im Gefängnis zum Überleben ganz wichtig, die richtigen Leute in der Zelle zu haben.

In der Regel ist das nicht steuerbar. Seit meinem „Umzug“ in die Etage 2c hatte ich, durch die Unterstützung des Capo Reparto, ein großes Schild an der Tür: „Non Fumatori“ Nichtraucher.

Als einziger Gefangener im Knast in Viterbo, eine derartige „Sonderbehandlung“ gab es normalerweise nicht. Es kamen und gingen zwei Leute, aber am 4. April kam ein neuer Mann, Rumäne, daraus wurde ein schlimmes Finale meiner Zeit im Gefängnis Viterbo.

Er war der 17. Mann, mit dem ich seit Rumänien im Mai 2016 zusammenleben musste.

Grundsätzlich muss man sich vorstellen, das ist ein Zusammenleben mit den großen und kleinen Verbrechern, die man normalerweise nur aus den Krimiserien oder realen Berichten im Fernsehen kennt.

Das ist eine grundsätzlich komplizierte Situation. Verschärft wird die Lage, da es sich für mich nur um Ausländer handelte, die weder Deutsch noch Englisch sprechen konnten, manche der Typen etwas Russisch.

Mein neuer Rumäne war 38 Jahre alt, von einem kleinen Dorf in der Walachei, vier Jahre Schule, ein sehr komplizierter Fall.

Aufgegriffen betrunken unter einer Brücke in Rom, durch die Carabinieri. Im Schnellverfahren zu einem Jahr verurteilt, dann zusätzlich 2,5 Jahre. Was wirklich vorlag, weiß ich nicht, vielleicht Diebstahl. Vielleicht im Rahmen des Systems organisierter Abschiebungen nach Rumänien, egal wie die Gründe waren, der 17. Mann war bei mir und ein großes Problem begann.

Der Typ hatte kein Geld, somit war das Wichtigste, von mir Mineralwasser, aus den gekauften Vorräten.

Ansonsten Wasser aus der Leitung fast täglich, wo das Wasser für Stunden abgestellt wurde.

Wie er mir erzählte, hatte er in der italienischen Landwirtschaft einen Vertrag für 4 € in der Stunde, ausgezahlt 2 €.

In Italien sind diese undenkbar niedrigen Löhne vorstellbar.

Eigentlich wollte der Rumäne seine Mutter unterstützen, aber er landete im Suff unter der Brücke. Das Problem begann mit dem Fernsehen in der Nacht. Ich wollte schlafen, der Typ unbegrenzt nächtelang fernsehen. Wir trafen eine Absprache, 22 Uhr ist das Ende, der Rumäne hielt sich natürlich nicht daran, jede Nacht Schreierei auf der Toilette: „Alle Deutschen erschießen, Carabinieri erschießen!“ Und das setzte sich am Tag auf dem Hof fort, lautes Schreien: „Gebt mir Dynamit und Kalaschnikows, alle Carabinieri, alle Deutschen erschießen!“

Besonders unangenehm im täglichen Umgang, der Rumäne hatte am ganzen Körper Geschwüre, er kratzte sich ständig, leckte dann seine Finger ab, besonders auch beim Essen. Ich konnte am Tisch nicht mehr zusammen mit dem Typen essen, also immer später, dass Essen wurde kalt, egal.

Ich sprach mit den Sanitätern, Nr. 17 wurde einem Arzt vorgeführt, bekam 2 Tabletten, sollte jeden Tag eine weitere Tablette bekommen.

Er nahm die ersten 2 Tabletten ein und fragte mich, warum sind die Geschwüre jetzt nicht weg. Ein reiner Psychopath war in meiner Zelle gelandet. Draußen lachten die Leute über die Schreierei nach einer Kalaschnikow, ich musste handeln. Meine Freunde Senna und andere Serben verwarnten den Typen. Das Wort Verwarnung ist im italienischen Gefängnis mit der Drohung zusammenschlagen verbunden.

Im Mai verschwand die Nummer 17 kurzzeitig in eine andere Zelle, bei einem Rumänen, er kam leider wieder zurück und schwor bei seinem orthodoxen Glauben, vernünftig zu sein. Er lag 3 Wochen nur noch im Bett, am Tag nur TV, 14 bis 16 Stunden, nachts war Schluss.

Als dann im Juni die Schreierei nachts wieder begann, kamen Albaner aus der Nachbarzelle, mit denen ich immer ein gutes Verhältnis hatte, zeigten dem Rumänen am nächsten Tag den zufälligen Transport im schwarzen Sack, machten der Nr. 17 klar, dass er so enden könnte. Das hatte der Rumäne endlich begriffen. Bis zu meinem Abgang im Juli nach Deutschland lief die Sache jetzt normal.

Draußen auf dem Hof lernte ich natürlich auch andere Rumänen kennen. Ein interessanter Typ, mit einer guten militärischen höheren Ausbildung im heutigen Rumänien.

In der Nähe von Bukarest hat er vier Jahre die Militärschule besucht, mit Abschluss Abitur und Dienstgrad Sergeant.

Vormittag normale Schule, 6 Stunden, aber jeden Nachmittag militärische Ausbildung. Schießen mit Kalaschnikow, Pistole „Karpat“ (rumänische Pistole), ständig Übungen im Gelände. In Rumänien gibt es drei derartige Militärschulen, Heer, Luftwaffe und Marine. Gewaltige Bewerbungen von mehreren Tausend je Schule, genommen werden jedes Jahr nur 150 Schüler.

Die meisten Absolventen bleiben beim Militär und werden Offiziere. Der Mann ist mit Familie nach Deutschland gegangen. BASF in Ludwigshafen. Nach ruhigen Jahren in Deutschland in Rom verhaftet, Grund ist mir nicht bekannt.

Juni und Juli 2017 war in Italien eine gewaltige Hitzewelle, ständig über 40 °C.

Im TV wurde gemeldet, in Ferrara 49 °C. In unserem Hof, von Gebäuden eingeschlossen, waren ständig 40–45 °C im Schatten. Trotz der großen ungewohnten Hitze lief ich jeden Tag meine Runden, mindestens 30 Minuten, und machte im Schatten Liegestütze in 30er-Serien. Der Betonboden im Hof war bereits stark beschädigt, die Zementschicht aufgerissen, Kieselsteine ragten heraus. Die Aufmerksamkeit lag beim Laufen, anderen Typen, die ihre Runden gehen.

Diese Leute nicht anzustoßen, und die Aufmerksamkeit galt nicht den Bodenverhältnissen. Normalerweise ging das alles gut, am 19. Mai bin ich an einem herausragenden Stein hängen geblieben und schwer gestürzt. Beide Kniescheiben und Ellbogen aufgeschlagen, das Blut lief an mir herunter.

Für mich war wichtig, nur cool bleiben und schnell zum Sanitäter, um Infektionen zu vermeiden. Auf dem Hof sind die Türen abgeschlossen und hinter den Türen hält sich keine Wache auf. Mein Freund Arthur, ein Albaner und sehr guter Läufer, der beste Mann im Laufen in Viterbo, nahm die Sache sofort in die Hand.

Er schlug und trat gegen die Tür und machte einen richtigen Aufruhr.

Die Tür ging auf und ich wurde in den Sanitätsbereich gebracht. Wie häufig hatte ich Glück, zwei gute Schwestern machten ihren Job ausgezeichnet, sodass außer großen Narben, die geblieben sind, alles ohne weitere Probleme ablief.

Aber erst einmal hatte ich zwei Wochen Verbände an Knien und Armen. Ich lief trotzdem langsam jeden Tag weiter.

Neben Senna und Arthur (beide 41 Jahre) hatte ich in Viterbo einen dritten Freund, Askanio, 25 Jahre jung. Im Januar hatte ich durch einen Zufall Askanio kennengelernt, er spricht gut Deutsch.

Dann kam die Überraschung, er lebte 6 Monate in Schöningen, einem Dorf bei Wolfenbüttel, wo ich in den Siebzigerjahren neun Jahre gelebt habe. In Schönigen hatte ich meine Reitpferde und ich war in dieser Zeit Direktor im Hüttenwerk Salzgitter.

Askanio hatte eine Freundin, Julia, eine Russin im gleichen Alter, sie war auch mit ihm in Schöningen.

Askanio und Julia lebten dann in Italien zusammen, es gab eine Trennung, Julia ging nach Deutschland und Askanio in den Knast.

Wie das so ist, in der Abgeschiedenheit des Gefängnisses brach die große Liebe bei Askanio durch. Julia war cooler, sie prüfte die Lage.

In vielen Gesprächen hat mich Askanio dann gebeten, die „Liebesbriefe“ an Julia zu formulieren. Ich wurde der Mann im Hintergrund. Schrieb romantische Liebesbriefe und die E-Mails und Briefe von Askanio gingen in italienischer und deutscher Sprache raus. Die Aktion zeigte Wirkung. Ich erlebte noch im Juli, dass Julia schrieb: „Ich komme, aber ich bringe einen Priester mit, wir heiraten.“

Eine süße Story, so etwas könnte ich im normalen Leben niemals machen, so etwas geht nur im Knast. Heute sind beide zusammen und leben in Italien direkt am Meer.

Bei unserem nachmittäglichen Espresso, in der Zelle von Senna, tauchte plötzlich ein junger Mann auf, groß, gepflegt, völlig in Weiß gekleidet. Hose weiß mit exakter Bügelfalte, weißes Hemd, offen.

Er stellte sich als Zigeuner aus Rom vor, aus der wichtigsten italienischen Zigeunerfamilie. Ich fragte nach der Familie des vor zwei Jahren verstorbenen „Chefs der Familie“: Im TV hatte ich in Deutschland die spektakuläre Beerdigung gesehen, ein nicht genehmigter Helicopter hatte den Kranz abgeworfen. Skandal in Rom. Der Tote war der Onkel von dem Mann in Weiß.

Er bekam einen Espresso und freute sich, dass er mich hier kennengelernt hat, alles auf vornehmer und zivilisierter Basis.

Am nächsten Tag auf dem Hof traf ich den Zigeunerbaron, wieder in Weiß, ich grüßte im Laufen bei einer Runde, er fing an zu schreien: „Du deutscher Verbrecher, bist von der SS und hast vor 30 Jahren in Rom Zigeuner erschossen!“ Abgesehen davon, dass der Typ nicht rechnen konnte, in den Achtzigerjahren hat die SS in Rom nicht geschossen und ich war schon altersbedingt niemals in der SS.

Meine Freunde sicherten mich vor dem tobenden Zigeuner und sorgten am nächsten Tag für die Verlegung. Den Typ habe ich nicht mehr gesehen.

Am 10. Juli erlebte ich noch eine große Revolte im Knast, wie man so etwas nur aus Filmen kennt. Für mich das einzige derartige Erlebnis in der Realität. Abends war der Strom weg, normalerweise kein Problem, nach einer Stunde wurde es dann zu einem Problem. Für alle Leute kein Fernsehen. Zuerst Schreie und Treten und Schlagen gegen die Türen.

Dann flogen Sachen aus den Gitter-Fenstern, Stühle wurden zerschlagen, aus Tischen und Betten entstanden „Rammen“, die unter Schreien gegen die Gittertüren eingesetzt wurden. Der Knast tobte.

Die Beamten verschwanden von den Kontrollpositionen und verschlossen sämtliche Türen im Gefängnis automatisch.

Die Menge tobte noch etwa 45 Minuten, dann gab es wieder Licht, im wahrsten Sinne des Wortes.

In dem Jahr Gefängnis in Italien waren für mich neben dem wöchentlichen Telefongespräch mit meiner Frau das Eintreffen des „großen Briefes“ mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und dem „Spiegel“, von meiner Tochter Ina aus München, die absoluten Höhepunkte. Zweimal im Monat bekam ich diese wunderbare Sendung. Der Beamte schrie meinen Namen auf dem Flur, hörte ich natürlich nicht, Leute holten mich, mit der Information „Post“.

Ich schritt jedes Mal langsam und feierlich zur Ausgabe, der Brief wird geöffnet und kontrolliert, oft studierten die Beamten, was die Zeitungen in Deutschland kosten, dann Übergabe und stolzer Abgang.

Seit ich im August 1961 aus der DDR in den Westen kam, abonnierte ich „FAZ“ und „Spiegel“. Ich war wie „besessen“ von meiner täglichen Information in meinem Leben in Deutschland. Nach meinen langen Dienstreisen las ich nächtelang in Aufarbeitung die Presse. In Kiew und Moskau kannte ich die Stellen, wo ich, zum dreifachen Preis, FAZ und Spiegel selbst kaufen konnte. Diese Informationen bestimmten mein ganzes Leben. In Italien erstmalig ohne jede Information.

Im italienischen TV wenige Informationen und dann natürlich in italienischer Sprache. Für mich war dieser Mangel an Informationen das Schlimmste im Gefängnis. Für das großartige Pressegeschenk bin ich Tochter Ina sehr dankbar.

Der für mich wichtigste Schritt in dem Drama war die Auslieferung nach Deutschland, um in Deutschland Recht und Freiheit zu bekommen. Die zeitlichen Abläufe und die nervliche Belastung durch die juristischen Abläufe zwischen Italien und Deutschland sind für einen normalen deutschen Staatsbürger, der dieses Drama nicht erleben musste, unvorstellbar.

Im Januar 2017 stimmte die italienische Justizministerin meiner Auslieferung nach Deutschland zu. Im März wurde die Staatsanwaltschaft Düsseldorf informiert. Mit Datum 12.4.2017 bekam ich vom Landgericht Düsseldorf eine erstaunliche, aber gute Nachricht, dass Rechtsanwältin Sabrina Buelli, Köln, als Beistand bestellt wurde, weil Zweifel bestehen, ob der Verurteilte seine Rechte selbst hinreichend wahrnehmen kann. Erstaunlich, weil ich Rechtsanwalt Heinz Gerlinger, Dortmund, als meinen Anwalt benannt hatte. Aber sehr gut, wenn das Landgericht eine neue Anwältin beruft, dann gibt es Kontakte und Verbindungen zum Gericht, das kann meine Auslieferung endlich in Bewegung bringen.

Ich habe sofort Frau Buelli geschrieben und eine Antwort bekommen, dass die Sache in Düsseldorf angelaufen ist.

Mit Datum 30. Mai bekam ich die Kopie eines Schreibens der Staatsanwaltschaft Düsseldorf an das Justizministerium in Rom, dass am 5. Mai das Landgericht Düsseldorf erklärt hat, dass das Urteil des Appellationsgerichtes Torino für vollstreckbar erklärt wird.

Zu vollstrecken ist eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren, anerkannt wird der in Italien vollstreckte Teil der Sanktionen.

Was dann folgte, war ein Schock, die deutsche Übersetzung des Urteils von Torino, diese zusammengelogenen Abläufe der Übernahme der kleinen Firma Gessarolli, hatte ich bisher noch niemals gesehen.

Meine Gedanken waren, nur raus aus Italien, völlig egal, welche juristischen Abläufe erforderlich werden, nur nach Deutschland.

Ich hatte jetzt drei Rechtsanwälte, in Viterbo, in Dortmund und in Köln. Man könnte annehmen, diese ausgewählte erfahrene Truppe von Anwälten holt mich hier schnell raus, wo die rechtlichen Abläufe doch geklärt waren. Das ging leider an der Realität der Justiz in zwei Ländern vorbei. Es dauerte jetzt fast zwei Monate, um den Einsatz von Interpol und einen Flug von Rom nach Berlin sicherzustellen.

Zwei Monate mit ständigem Warten auf eine Information ist in dieser Zeit das Schlimmste, man erfährt nichts. Auch der ständige Kontakt zu den drei Anwälten bewegte nichts, ein schlimmes System.

Auch eine Frage an die Gefängnisleitung ruft nur ein Lächeln hervor.

Antwort: „Sie werden erfahren, wann der Flug nach Deutschland stattfinden wird.“

Dann an einem Samstag, 22. Juli, wurde ich in das Zentralbüro „Matricola“ bestellt, ein mir bekannter netter Beamter hat mich vor die Tür gebeten und mir mitgeteilt, am 25.07 geht der Flug nach Berlin.

Ich war so erfreut, emotional, so hochgedreht, dass ich den Beamten umarmte, das ist nun wirklich außergewöhnlich.

Der Polizei-Beamte lachte und sagte, es ist das erste Mal in seinem Berufsleben, dass ihn ein Gefangener umarmt.

Das gab neue Energie, die verbleibenden 2 Tage, mit gesteigertem Training. Ich lief am Montag zum Abschied vom Campo Runde um Runde mit hohem Tempo, als ginge es um einen großen Wettkampf.

Dann am Montag 17 Uhr, meine Sachen im Magazin abgeben, die neue Tasche von Rechtsanwalt Ceccarelli wird für den Transport gepackt. Ich bin sehr dankbar für diese Tasche, denn ich hatte buchstäblich nichts, meine Reisetasche war in der Ukraine, ich hätte einen blauen Plastiksack nehmen müssen.

Am Abend Abschied von meinen Freunden, Senna, Arthur, Askanio.

Es war doch erstaunlich, wie stark man in einem Knast unter den harten Bedingungen zusammenwachsen kann. Wir wollten uns draußen wiedersehen.

Zu meiner großen Überraschung verabschiedeten sich etwa 20 Gefangene persönlich bei mir, viele küssten mich, wie das in vielen Ländern Osteuropas üblich ist. Ich hätte niemals erwartet, wie „populär“ ich in dem Jahr geworden bin.

Eine enge Verbindung hatte ich nur zu meinen drei Freunden, sonst war ich völlig normal, höflich und respektvoll. Viele Leute bewunderten meine sportliche Energie und Ausdauer im Alter.

Überraschend auch, wie mich die Araber, Tunesier, Marokkaner, Algerier verabschiedet haben.

Zu diesen Leuten, zum Teil als Terroristen verurteilt, hatte ich interessanterweise immer ein gutes, respektvolles Verhältnis.

Ganz sicher waren darunter auch echte Terroristen, das kann man den Gesichtern nicht ansehen.

25. Juli 8 Uhr morgens beginnt der Transport. Übernahme der Tasche und meiner persönlichen Akten im Magazin. Wieder vier Mann mit den alten Beretta-Pistolen und ich in Handschellen in den Transporter.

Kurze Zwischenstation auf dem Weg nach Rom, in einem Gefängnis wurde ein Marokkaner „abgegeben“.

Anschließend holten sich die Polizisten in einem Dorf jeder eine Pizza. Das Warten in dem Transporter, gefesselt, ist schlimm, ich wollte zum Flughafen Rom.

Dann am Flughafen Übergabe an Interpol. Wieder die angenehme lockere Atmosphäre, Fesseln sofort weg, Kaffee angeboten, in einer Ecke völlig unbeachtet warten. Dann kamen die beiden italienischen Interpol-Beamten, auch wieder wie auf dem Weg von Bukarest nach Rom, ausgesprochen nette Typen, mit sehr gutem Englisch. Der gleiche Ablauf, bevor die Passagiere in die Maschine kommen, letzte Reihe links am Fenster dann ein Platz frei, ein Beamter, der zweite Beamte neben dem Gang auf der anderen Seite. Wieder elegante Stewardessen in den Farben der Alitalia, Kostüme und rote Handschuhe.

Start, es konnte nichts mehr passieren auf dem Weg nach Deutschland. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so sehr auf die Heimat gefreut.

Unbeugsam – ein außergewöhnliches Leben zwischen Ost und West

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