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Wie und warum

Kein Meister ist je vom Himmel gefallen, und so finde ich es tröstlich in Segeln über sieben Meere von Eric Hiscock zu lesen: »Dass ich mein Boot an einem Mittwoch gekauft habe, an einem Donnerstag losgesegelt bin und am Freitag Schiffbruch erlitten habe, ist traurig, aber leider wahr.« Selbst Joshua Slocum schrammte an einen anderen, als er seine SPRAY aus dem Hafen steuerte, um zu einer dreijährigen Weltumsegelung aufzubrechen. Auch unsere Helden mussten aus Fehlern lernen, genau wie wir.

Ich habe kein Salzwasser im Blut, ebenso wenig verfüge ich über Unsummen an Geld. Folglich musste ich bei meinen Booten immer Vorsicht walten lassen und das, was ich anschaffte, habe ich versucht pfleglich zu behandeln. Viele Bücher der Blauwassersegler geben wertvolle Tipps, welche Ausrüstung sich bewährt hat, was man benötigt und was nicht. So sind die Bücher von Lin und Larry Pardey von unschätzbarem Wert, genauso wie auch Annie Hills Mit kleinem Geld auf große Fahrt. Ich ziehe oft Eric Hiscocks Segeln in Küstengewässern zurate, doch wer vom großen Ausstieg träumt, sollte unbedingt Bill und Laurel Coopers Sell up and Sail lesen. Besonders gefällt mir, was Lin und Larry Pardey angehenden Blauwasserseglern ans Herz legen: »Go small, go simple, go now.« – »Besser klein, besser einfach, besser nicht lange warten.«

Allerdings sollte man nie von vornherein groß ausposaunen, dass man um die Welt segeln oder auf großen Törn gehen wird, es sei denn, man hat beim OSTAR-Rennen gemeldet oder bei einer entsprechenden Regatta als Crew angeheuert. Wer da draußen plötzlich zur Einsicht gelangt, doch lieber auf festem Boden zu bleiben, steht sonst schnell etwas dämlich da. Auf Anhieb fällt mir ein halbes Dutzend Boote ein, das auf große Fahrt gehen wollten, aber immer noch fest vertäut im Hamble ruht. Weltumsegler und Mittelmeerträumer, die ihren Aufbruch immer weiter in die Zukunft verschieben. Wer also um die Welt möchte, sollte erzählen, bis Lissabon zu segeln und kann dann immer noch entscheiden. Ein einigermaßen entferntes Ziel sollte man angeben, denn wer anderen erzählt, nur eine Runde um die Bojen zu drehen, bekommt schnell die Rettungskräfte hinterhergeschickt, wenn er zum Fünf-Uhr-Tee nicht zurück ist. Doch greifen wir nicht zu weit vor.

Ich weiß, dass ich den erfahrenen Seglern unter Ihnen nichts grundsätzlich Neues präsentieren werde, vielleicht werde ich aber Vergessenes auffrischen und neue Aspekte ins Blickfeld rücken. Dem Neuling hoffe ich wertvolle Tipps an die Hand zu geben, um die Zeit auf dem Wasser noch angenehmer zu gestalten. Ich gehe davon aus, dass wir alle das Segeln an sich beherrschen und konzentriere mich auf die Techniken und Vorrichtungen, die dabei helfen können, Stresssituationen an Bord zu vermeiden. Auf alle Fragen weiß auch ich keine Antwort, und sicher führen immer mehrere Wege zum Ziel. Ich kann nur versichern, dass ich alles hier Gezeigte selbst ausprobiert habe und es sich für mich bewährt hat.

Zu meinen Schülern pflegte ich immer zu sagen, Segeln ist nichts anderes als von einer potenziellen Katastrophe in die nächste zu schlingern. Was wir vermeiden müssen, ist der Stress bei der ganzen Sache. Mittlerweile sage ich, Segeln kann uns vor eine mögliche Katastrophe nach der nächsten stellen, doch je erfahrener wir werden und je seemännischer unsere Herangehensweise wird, umso geringer wird die Wahrscheinlichkeit, dass wirklich etwas passiert. In diesem Sinne wollen wir beginnen.

Warum jeder Segler Einhand-Techniken beherrschen sollte

Jedem, der sich ernsthaft dem Segeln verschrieben hat, rate ich Einhand-Praktiken zu üben, denn so sicher, wie das Amen in der Kirche ist, wird man sich eines Tages allein an Bord befinden. Das kann gleich zu Anfang sein, nachdem man die gesamte Familie vergrault hat oder erst später, wenn auch der letzte Angehörige beginnt, Entschuldigungen vorzuschieben. Was hilft uns also, mehr Vertrauen im Umgang mit dem eigenen Boot zu erlangen? Nicht zu vergessen, dass das Gute an mehr Kompetenz und Vertrauen auch ist, dass es die Crew bestärkt und wir sie vielleicht dazu bringen können, länger mit uns zu segeln oder zumindest so lange, bis andere Dinge für sie wichtiger werden. Als Vater von zwei Töchtern kann ich nur sagen, dass der entscheidende Tag derjenige war, an dem ich ein Paar ungewohnt große Turnschuhe vor der Tür entdeckte. Dagegen kann Segeln kaum ankommen. Natürlich war nicht auszuschließen, dass man die ungewohnt großen Turnschuhe eines Tages mit an Bord einladen würde, doch von großem Erfolg war das nie gekrönt. Meine Tochter war ausschließlich damit beschäftigt, ihren Freundinnen zu simsen, wie cool ihr Mr. Turnschuh war. Der sonnte sich unterdessen untätig wie ein Sack Stroh in Bewunderung – als Crew unbrauchbar, alle beide.

Bestes Beispiel


Dieser Mann hat seine Familie eingeladen, ein Wochenende mit ihm auf einem Charterboot zu verbringen. Zuvor hat er einen neun Tage währenden Intensivkurs mit praktischem und theoretischem Teil zum Day Skipper absolviert. Hier steht er also und sagt uns, dass wir ihm unser Leben draußen auf See anvertrauen können.

Dieses Selbstvertrauen rührt von den fünf Tagen praktischer Ausbildung her, an der noch vier weitere einsatzwillige Kandidaten teilnahmen und von einem Ausbilder, der einem stets sagte, was zu tun sei. Daraufhin will der frischgebackene Skipper mit seiner eigenen Dreier-Crew los – seiner Frau und zwei Kindern. Die wissen allesamt überhaupt nicht, wie ihnen geschieht, und jetzt ist kein Ausbilder mehr an seiner Seite.

Das Ergebnis ist eine halb zu Tode erschreckte Crew, die wahrscheinlich das letzte Mal an Bord war. Oft sehe ich Stegnachbarn ganz allein in meinen Heimathafen einlaufen. »Heute ohne Anhang?« frage ich dann. »Ja, weißt du, letztes Mal war’s doch etwas stressig, das kam nicht so gut bei ihr an«, höre ich nur allzu oft.

Ich möchte darauf hinweisen, dass eine ordentliche Segelausbildung von unschätzbarem Wert ist. Jeder sollte so beginnen. Auch ich habe so angefangen, erst den Theoriekurs für den RYA-Day Skipper, dann den praktischen Teil und immer so weiter bis zum Yachtmaster.

Nur wer allein zurechtkommen kann, muss sich nicht sorgen. Einhandsegeln bedeutet autark zu sein, das Boot in jeder Situation zu beherrschen, ohne sich dabei auf die Hilfe anderer verlassen zu müssen. Wie viel leichter und angenehmer wird es dann erst, andere mit einzubeziehen, denn Einhand-Techniken zu beherrschen, bedeutet nicht unbedingt, allein an Bord zu sein. Es erlaubt aber, dass sich der Partner um die Kinder unter Deck kümmern kann, ein Essen zubereiten kann, dass wir allein klarkommen, wenn die Crew seekrank ist oder sich nach großer Anstrengung ausruhen möchte.

Welches Manöver kommt einem als erstes in den Sinn? Richtig, das An- und Ablegen. Hier starten wir mit unseren Einhand-Techniken. Diese Manöver finden natürlich immer unter allgemeiner Beobachtung statt, denn selbst wenn die Marina völlig verwaist erscheint, so muss nur irgendetwas schiefgehen und ringsum tauchen Köpfe aus Niedergängen auf, Fender werden eiligst klargemacht, um das eigene Boot vor der um sich greifenden Gefahr zu bewahren, zu der Sie selbst geworden sind.

Als erstes gilt: Nicht laut werden, niemanden anschreien, nicht unnötig Vollgas oder wie wild Bugstrahlruder geben. Auch »Liebling« mit gereitztem Unterton zu rufen, hilft jetzt nicht mehr. Wer plötzlich Bordwand an Bordwand an seinem Nachbarn liegt, sollte beide Boote mit einer kurzen Leine mittschiffs verbinden, damit der Tidenstrom das eigene Boot nicht weiter abtreiben lässt und so tun, als wäre alles in bester Ordnung und als hätte man absolute Kontrolle.

Das klappt nicht immer: Spätestens wenn durch das ungewollte Aufbrummen längsseits am Nachbarboot die Drinks vom Tisch kippen, wird es schwierig. Mit kühlem Kopf meistert man haarige Situationen jedoch am ehesten.

Wenn es bei mir mal nicht so klappt, wie es sollte, dann steige ich immer mit einer Leine in der einen und der Kamera in der anderen Hand vom Boot und beginne eifrig Aufnahmen zu machen. Abgesehen davon, dass ich sie vielleicht für einen künftigen Artikel verwenden kann, sieht es dann nämlich so aus, als ob mein Boot in voller Absicht so verquer an meinem Nachbarn festgemacht ist. Ich lasse mir eben nicht gern etwas anmerken. Je professioneller die Kamera aussieht, umso besser – und falls Mitsegler an Bord sind, können sie gleich als Statisten posieren. Dann treidele ich das Boot mit den Festmachern zurück an seinen richtigen Platz. Führen Sie dabei die Leine immer erst unter einer Klampe herum, um richtig dichtholen zu können, wenn Sie etwas Schweres wie ein Boot verholen wollen und es möglichst mühelos aussehen soll.

Von Techniken für kleine Crews oder Einhandsegler zu sprechen, kann etwas verwirrend sein. Einhand bedeutet, dass nur eine Person an Bord ist; bei einer kleinen Crew ist mindestens noch jemand an Bord, der wiederum zwei Hände haben sollte. Ein Paar Hände zusätzlich macht einen gewaltigen Unterschied. Zunächst werde ich reine Einhand-Techniken zeigen. Hat man die gemeistert, sind entsprechende Situationen zu zweit schon wesentlich einfacher, eigentlich sind sie dann nur noch ein Kinderspiel.

Ob allein oder mit kleiner Crew: Wir müssen sorgfältig planen, richtig vorbereitet sein und voraussehen können, was passieren wird. Beim Planen legen wir lediglich fest, was wir machen wollen. Die richtige Vorbereitung ist entscheidend. Bereiten Sie für einen reibungslosen Ablauf alles bis ins kleinste Detail vor. Wenn bei mir etwas nicht klappt, liegt es immer an mangelnder Vorbereitung. Abläufe im Vorhinein erkennen zu können ergibt sich zum einen aus guter Vorbereitung – man hat sich vorbereitet und alles gut durchgedacht –, zum anderen stellt sich diese Fähigkeit mit zunehmender Erfahrung ein.

Die Yachten für die Praxistests

Ich habe einige sehr unterschiedliche Boote für die Tests verwendet und die gezeigten Techniken bei verschiedenstem Wind und Tidenstrom auf allen getestet. Selbst wenn Ihr Boot andere Eigenschaften aufweist und sich die äußeren Bedingungen unterscheiden, glaube ich, dass die Techniken für Sie funktionieren werden. Und sollten sie eins zu eins angewendet nicht gleich perfekt klappen, rate ich dazu, mit kleinen Änderungen zu experimentieren und die Technik noch zu verfeinern. Zumindest hoffe ich, dass genügend Anregungen entstehen.

Als Beispiel für eine moderne Yacht diente uns eine neue Dufour 375 namens LAYLA ANN. Sie hat eine geringe Verdrängung und einen sehr hohen Freibord. Man steigt tief hinunter bis auf den Steg. Zurück an Bord zu kommen, kann bei dieser Höhe bereits schwerfallen – ein Fendertritt wäre hier empfehlenswert. Nach meinen Regeln wird grundsätzlich nicht von Bord gesprungen und bestimmt nicht von LAYLA ANN. Am anderen Ende der Skala haben wir die Techniken auf einigen traditionellen Langkielern getestet.

Diese Yachten kamen zum Einsatz:

• LAYLA ANN, Dufour 375: Kielbombe, Saildrive, Balanceruder, Freibord 120 cm

• DOROTHY LEE, Hallberg Rassy 352: gemäßigter Finnkiel, Wellenanlage, Ruder am Skeg, Freibord 110 cm, hohe Verdrängung

• QUINTESSENCE, Bavaria 42: gemäßigter Flügelkiel, Wellenanlage, Balanceruder, Freibord 120 cm

• CAPRICORN, Beneteau 321: gemäßigter Tiefgang, Finnkiel mit Ballastbombe, Wellenanlage, Balanceruder, Freibord 110 cm

• ELINOR, Contessa 26: Langkiel, Freibord 60 cm

• SOUTHERN CROSS, Rustler 36: Langkiel, Freibord 80 cm


Vier der Testboote: SOUTHERN CROSS, ELINOR, LAYLA ANN, QUINTESSENCE (im Uhrzeigersinn von oben links)

Stressfrei Segeln

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