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Aug-dings Reality

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Ich rannte, so schnell mich meine kleinen Geisterbeine trugen, aus dem Bad. Als ich durch die Küche sauste, warnte ich meine Eltern schreiend. „MONSTER! MONSTER IM BADEZIMMER! GEHT NICHT REIN!“

Meine Mom kümmerte sich weiter um ihr Lunchpaket und mein Dad aß immer noch sein gefrierfachkaltes Müsli, als würde kein RIESIGES BLAUES MONSTER IN IHRER BADEWANNE SITZEN!

Wenn ich nicht bald ein wenig frische Luft bekam, würde ich bewusstlos umkippen. Ich rannte zur Eingangstür, drehte den Knauf, nur passierte natürlich nichts, weil ich ihn mit meiner unsichtbaren Geisterhand zu bewegen versuchte. Ich atmete tief ein, senkte eine Schulter und drückte sie gegen die Tür. Zuerst spürte ich einen Widerstand und dann – Plopp! – stolperte ich durch feste Eiche.

Draußen sah es wie in einer Szene aus Die Monster AG aus. Eine Herde von riesigen lilafarbenen Ninja-Turtle-ähnlichen Dingern schlenderte an meinem Haus vorbei. In unserem Vorgarten steckte ein flauschiger Vogel mit gepunktetem Schnabel kreischend den Kopf aus dem Baum. Ich blickte nach unten und entdeckte eine fußballgroße Fellkugel, die meine Schnürsenkel untersuchte. Als ich den Fuß bewegte, stolperte sie bei ihrem Fluchtversuch über sich selbst.

Meine Atmung wurde schneller. Das ging gar nicht. DAS GING GAR NICHT!

„Pst.“

Ich sah mich um. Dieses „Pst“ hörte sich definitiv mehr wie ein Mensch als wie ein Monster an.

„Pst“, flüsterte die Stimme noch einmal. „Jacob. Büsche.“

Ich wandte mich dem Gestrüpp neben der Veranda zu und bemerkte, dass ein Handy auf mich gerichtet war. Mit zusammengekniffenen Augen senkte ich den Kopf. Ein Mann versteckte sich darin. Ich kickte das Fellknäuel weg, das wieder ausreichend Mut gefasst hatte, um sich mit meinen Schnürsenkeln anzulegen, und näherte mich dem Busch.

Dabei fielen mir verwuschelte Haare auf. „Mr Gregory?“

Mr Gregory war der Vater von Charlie Gregory, einem Jungen aus meiner Klasse, und arbeitete für Bionosoft, das Gaming-Unternehmen, das Full Blast entwickelt hat. Er hatte mir und Eric versprochen, bei der Suche nach Mark zu helfen, und war dann vor zwei Wochen verschwunden. Jetzt kauerte er in der Azalee, was ihm einen Mordsärger mit meiner Mom einbringen würde, wenn sie ihn dabei erwischte.


„Hi“, flüsterte er, während er weiterhin das Handy auf mich gerichtet hielt. „Ist mit dir alles in Ordnung?“

„Ich bin unsichtbar“, zischte ich. „Von daher: Nein, mit mir ist nicht alles in Ordnung!“

„Du musst nicht flüstern“, erwiderte er. „Niemand kann dich hören.“

„Ach nee!“ Ich trat die Fellkugel ein weiteres Mal weg. „Moment mal, Sie können mich aber hören, oder?“

„Diese Dinger haben sehr scharfe Zähne und eine Menge wütender Freunde“, sagte Mr Gregory. „Wenn ich du wäre, würde ich es nicht ärgern.“

Ich hörte auf, es zu treten.

„Aber ja“, fuhr er fort. „Natürlich kann ich dich hören. Jeder, der das Game spielt, kann dich hören.“

„Welches Game?“

Mr Gregory sah mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle. „Go Wild.“

„Okaaaay.“

Er sah mich weiter komisch an. „Du hast doch gewusst, dass du in Go Wild bist, oder? Ich dachte, der General hätte dir alles erklärt.“

„Ich habe nicht die geringste Ahnung, was Go Wild überhaupt ist.“

„Meinst du das ernst?“

„Ich spiele keine Games.“

„Na ja, die meisten Leute, die Spaß an Go Wild haben, spielen normalerweise keine Games. Zur Zielgruppe gehören …“

„Sagen Sie mir doch einfach, was es ist.“

„Oh, ja, na gut, es ist Augmented Reality“, erklärte er, als wäre „Aug-dings Reality“ etwas, das Leute ständig sagten.

„Hören Sie mal“, gab ich zurück. „Es fällt mir gerade sehr schwer zu verstehen, warum ich ein Geist in einer Welt voller Monster bin. Es wäre also echt hilfreich, wenn Sie mir die ganze Sache auf eine Weise erklären könnten, die ein Sechstklässler, für den diese ganze Geistergeschichte noch recht neu ist, kapieren kann.“

„Erst einmal bist du kein Geist, weil du nicht tot bist“, erwiderte Mr Gregory.

„Na, da bin ich aber froh.“

„Du bist bloß in einem Spiel. Das hier ist wie Pokémon Go. Kennst du Pokémon Go?“

„Ich habe davon gehört.“

„Es ist ein Game, das in der Wirklichkeit stattfindet. Nur kann man es nicht sehen, wenn man die Welt nicht durch ein Handy betrachtet. Schau, hier.“

Ich beugte mich vor und blickte auf das Handy, das auf die Rosensträucher meines Nachbarn gerichtet war. Auf dem Bildschirm konnte ich die Büsche sehen, als wäre die Kamera-App des Handys geöffnet.

„Ich weiß nicht so recht, was ich da eigentlich betrachte“, sagte ich.

Er tippte das Telefon ein paarmal an, bis eine große Zeichentrickbirne auf dem Bildschirm erschien. Dann schnippte er die Frucht mit dem Finger in Richtung der Büsche. Ich blickte gerade rechtzeitig auf, um sie durch die Luft fliegen und in der Wirklichkeit direkt neben dem Busch landen zu sehen.

„Boah, wie haben Sie das gemacht?!“

„Die Birne ist Teil des Games. Sie ist nicht real. Sie ist für alle unsichtbar, außer wenn man sie durch ein Handy betrachtet.“

„Oder wenn man sich im Game befindet“, fügte ich hinzu.

„Genau.“

In dem Moment tauchte eine dünne Schlange mit einem Riesenkopf und albernen Augen aus dem Rosenbusch auf. Sie untersuchte die Birne.

Ich sprang zurück. „Boah!“

„Auch sie ist für alle unsichtbar, die sie nicht als Teil des Games auf ihrem Handy betrachten“, erklärte Mr Gregory. „Schau dir das an.“

Er tippte und wischte ein paarmal über den Bildschirm. Plötzlich sprang ein langhalsiger violetter Gecko aus seinem Handy. In Sekundenschnelle wuchs sein Hals so RICHTIG giraffenmäßig auf die halbe Höhe meines Hauses an. Die Eidechse blickte der Schlange in die Augen und wurde wütend.

„Geh lieber einen Schritt zurück“, riet mir Mr Gregory.

Ich ging fünf Schritte zurück.

Der Gecko kreischte. Die Schlange fauchte. Die Sonne verdunkelte sich und auf einmal war wie aus dem Nichts dramatische Kampfmusik zu hören. Die Augen der Schlange glühten rot auf. Nach drei Sekunden, in denen sie immer stärker leuchteten, schossen zwei Feuerbälle aus ihren Augen in Richtung des Geckos. Als sie mitten in der Luft hingen, veränderte der Gecko seine Farbe. Sein jetzt roter Körper absorbierte beide Schüsse und wuchs zu seiner doppelten Größe an. Dann packte er die Schlange am Schwanz, warf sie sich in den Mund und schluckte sie in einem Stück herunter. Daraufhin verschwand er wieder in Mr Gregorys Handy, die Lichter gingen an und die Musik verstummte.

Mr Gregory wandte sich zu mir. „Das darf dir nicht passieren.“

„DAS FÄNDE ICH GANZ TOLL, WENN MIR DAS NICHT PASSIEREN WÜRDE!“, kreischte ich.

„Also, da du es offenbar noch nie gespielt hast, das Ziel des Spiels ist es“, Mr Gregory musterte mich skeptisch, „Wild-Wesen einzufangen. Dazu musst du Wild-Wesen, die dir in der Wildnis über den Weg laufen, gegen Wild-Wesen, die du bereits in der Wildnis gefangen hast, kämpfen lassen.“

„Sie haben innerhalb von zwei Sekunden fünfmal ‚wild‘ gesagt.“

„Und als ich diese Leguanobra in der Wildnis entdeckt habe …“

„Sechsmal. Und ich habe auch keinen Schimmer, was das ist.“

„… Als ich diese Schlange entdeckt habe, konnte ich sie mit meinem Handy einfangen, indem eins meiner eigenen Wild-Wesen – äh, Monster – sie besiegte. Ich habe einen Salamanatter – das geckoartige Ding – ausgewählt, weil die sich gegen Schlangen gut schlagen. Hätte die Schlange meinen Gecko besiegt, wäre er für vierundzwanzig Stunden ausgefallen. Aber da mein Gecko die Schlange geschlagen hat, kann ich sie behalten und sie bei Kämpfen einsetzen.“

„Und da ich in dem Game bin …“

„Jeder mit einem Handy kann gegen dich kämpfen und dich für immer in seinem Handy gefangen halten.“

„Na ja, es wäre mir ganz recht, wenn das nicht passieren würde.“

„Genau, deshalb musst du Leuten aus dem Weg gehen, die das Spiel spielen.“

„Woran erkenne ich, ob jemand das Spiel spielt?“

„Na ja, daran, dass jemand durch die Gegend läuft und dabei auf sein Telefon starrt.“

Ich sah ihn mit verengten Augen an. „Na, das trifft auf alle zu.“

„Hör mal, ich weiß, das ist nicht gerade toll, aber da, wo wir hingehen, müssten wir den meisten Leuten aus dem Weg gehen können.“

„Und wo ist das?“

Mr Gregory lächelte und beugte sich vor. „Na, dort, wo Mark ist, natürlich, um ihn zu retten.“

Bei der ganzen Aufregung darüber, dass ich zu einem Geist geworden war, hatte ich Mark völlig vergessen. „Oh, das ist klasse! Aber wie? Steckt er nicht in einem anderen Spiel fest?“

„Ich erkläre dir noch alles“, erwiderte Mr Gregory. „Als Erstes müssen wir aber deinen Eltern Bescheid sagen, dass es dir gut geht.“

„Oh ja, das ist eine gute Idee. Möchten Sie an die Tür klopfen und es ihnen mitteilen? Sie sind beide in der Küche.“

„Glaubst du, sie wären erleichtert, wenn ein fremder Mann an ihre Tür klopft und ihnen mitteilt, dass mit ihrem vermissten Sohn alles in Ordnung ist und er in einem Spiel feststeckt?“

„Oh, wahrscheinlich nicht. Verstecken Sie sich deshalb in den Büschen?“

„Zum Teil, ja. Eric spielt Go Wild, oder?“

„Bestimmt.“

„Geh auf die andere Straßenseite, gib dich ihm zu erkennen, wenn er das Spiel checkt, und bitte ihn, deine Eltern anzurufen. In zehn Minuten treffen wir uns wieder hier.“

„Alles klar.“

„Und, Jacob?“

„Ja?“

„Bitte sorg dafür, dass dich sonst niemand sieht.“


Gefangen im Game - Angriff der Unsichtbaren

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