Читать книгу Das verlorene Kind - E. G. Seidel - Страница 5
Einleitung
ОглавлениеDie Existenz meines Buches liegt einem Traum zugrunde, ohne den ich niemals auf den Gedanken gekommen wäre, jemals ein Buch zu schreiben. Seitdem sich mein Leben veränderte, seitdem längst vergessene Probleme und Depressionen erneut ihren Anfang fanden, traten sehr seltsame und intensive Träume auf, die mir etwas sagen wollen. Denn in der Abwärtsspirale, der Hoffnungslosigkeit und den Depressionen, in denen ich mich befand, stand ich kurz davor, eine Dummheit zu begehen. Die Geschichte dieses Buches beginnt mit einemTraum, der mir in der schwersten zeit meines Lebens, in meiner größten Verzweiflung erschien, um diese Dummheit zu verhindern.
Mein Traum vom 3.4.2011:
Ich gehe durch einen langen Flur mit sehr vielen Türen an den Wänden, auf der Suche nach dem Ausgang. Ich öffne eine Tür, gehe hindurch und gelange wieder in einen Gang mit weiteren Türen. Darauf öffne ich eine weitere Tür und gelange immer wieder in weitere Gänge mit Hunderten von Türen. Man könnte sagen, ich irre hier etwas planlos umher, denn ich weiß nicht, welche Tür ich als Nächstes öffnen soll. Auf einem der Flure begegnet mir ein anderer Mann. Ich erkenne auf die Schnelle nicht richtig, wer es ist, aber ich scheine ihn zu kennen. Ich gewinne den Eindruck, dass er ebenfalls den Ausgang sucht. Er geht jedoch andere Wege als ich und ist wenig später durch eine der Türen verschwunden. Ist das ein Wettstreit? Die Suche nach dem Ausgang? Ich bin mir nicht sicher. Ich fühle mich herausgefordert, zuerst den Ausgang zu finden. Nach einiger Zeit des planlosen Suchens erreiche ich ihn. Besser gesagt, ich öffne eine Tür, die endlich mal in einem Zimmer mündet. Dieser Raum erweckt den Eindruck eines Wartezimmers. Auf der anderen Seite des Raumes befindet sich eine weitere Tür, über der ein Leuchtschild mit der Aufschrift "Ausgang" hängt. Daneben steht ein unbesetzter Stuhl. An der gegenüberliegenden Wand beziehungsweise hinter der Tür, die ich gerade geöffnet hatte, sitzt auf einem zweiten Stuhl ein alter Mann mit grauem Bart. Den konnte ich aber erst sehen, nachdem ich den Raum betreten hatte. Mir schießt sofort der Gedanke in den Kopf, dass der leere Stuhl für mich am Ausgang steht. Ich folge diesem Gedanken und setze mich. Niemand sagt etwas ... Nach einer kleinen Weile fragt mich der alte Mann, welches Buch ich ihm empfehlen könne. Darauf empfehle ich ihm das Buch "Das verlorene Kind“ zu lesen, das sei ein gutes Buch. In dem Moment wird mir sofort klar, dass ich dieses Buch bereits verfasst hatte und es deshalb empfehle. Ende des Traums!
Woher stammt dieser Traum? Wer ist der alte Mann mit dem grauen Bart? Woher stammen die Informationen aus diesem Traum? Die Gänge und Türen im Traum verdeutlichen meinen Lebensweg und die Irrwege, die „Mann“ im Leben geht. Meine Suche nach dem Ausgang, nach dem Sinn des Lebens, nach dem Ausweg aus meiner komplexen Lebenssituation. Das Wartezimmer deutet auf mein „Abwarten“ hin, bis ich den „Ausgang“ betreten darf, bis das Buch letztendlich geschrieben ist. Bisher hatte ich noch nie einen Gedanken daran verschwendet, jemals ein „Buch“ zu schreiben. Dann kann der Traum eigentlich nicht durch mein Unterbewusstsein verursacht worden sein. Es sei denn, es hat eigene Vorstellungen und Ideen, weil es mehr Wissen, mehr Erfahrung, mehr Eindrücke und mehr Kenntnisse über die Geschehnisse besitzt, als man selbst bewusst wahrnimmt. Das könnte eine glaubhafte Erklärung sein. Mein Gefühl sagt mir jedoch, das es eine Intervention von außen war, um mir in der schwersten zeit meines Lebens beizustehen, um eine Dummheit zu verhindern! Dabei finde ich gerade die Art und Weise interessant, wie der alte Mann mir vermittelte, ein Buch zu schreiben. Statt mich zu fragen, welches Buch ich ihm empfehlen kann, hätte er mir auch direkt und unverblümt mitteilen können, dass ich es schreiben soll. Aber er zog es vor, die Situation so zu gestalten, dass ich das Buch empfehle und suggeriert bekomme, dass es bereits geschrieben ist.
Seitdem ich in diesem Buch von meinen Erlebnissen, meinem Leben erzählt habe, kommt mir vieles unwirklich vor. Warum bürdete Gott mir dieses Schicksal mit meiner Homosexualität auf? War meine Kindheit nicht schon schwer genug? Warum ließ er zu, dass ich seit über 30 Jahren Tag ein Tag aus gegen meine Neigung ankämpfen musste, das ich niemals frei sein, nicht einfach nur leben konnte? Warum musste ich mir aufgrund der Bibelverbote jegliche Liebe, Lust und Leidenschaft versagen? Warum hat er mich nicht aus meinem Gefängnis befreit? Warum musste ich jedes Mal, wenn ich in einen Mann verliebt war, durch die Hölle gehen? Warum schenkte er mir nicht das Glück, wonach sich alles in mir sehnte? Warum darf man nicht einfach nur leben, einfach nur frei sein? Oder hatte ich Vorstellungen, die nicht erfüllbar waren? Warum bin ich in meinem Leben immer auf Menschen getroffen, die meine Schuldgefühle verstärkten? Warum ist mehrfach genau das Gegenteil von dem passiert, was mich vorwärtsgebracht, mir geholfen hätte? Warum hat Gott letztendlich, nachdem ich mich selbst aus meinem Gefängnis befreite, dieses unsägliche Leid bei meiner Frau durch mein Outing zugelassen? Warum erkannte ich dabei meine eigenen Fehler, meine Lügen erst so spät? Nie stellte ich mir das Leben und die Liebe so schwer und kompliziert vor. Nie hätte ich gedacht, wie Männer, wie die schwule Welt wirklich ist. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, selber jemals so sehr verletzt zu werden. Gibt es diesen Gott überhaupt? Meine Träume und vor allem Ereignisse, die nach Fertigstellung meines Buches folgten, geben mir Hoffnung und Gewissheit. Denn noch viel schwerwiegender als der Tod des Körpers ist der Tod der Hoffnung, der Tod der Träume.
Wenn wir versuchen ehrenhaft zu leben, wenn wir moralisch gut handeln, wenn es uns gelingt "Richtig" und "Falsch" zu erkennen und letztendlich auch "Richtig" zu wählen, wird am Ende alles gut werden! (E.G.Seidel)