Читать книгу Einer von Zweien - E. K. Busch - Страница 3

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Prolog

Unzählige Male hatte ich mich häuten müssen. Es war nicht immer qualvoll und schmerzlich gewesen. Manchmal hatte ich es selbst kaum bemerkt oder das Abstreifen der brüchigen Hülle gar genossen, die da trocken am ganzen Leib gescheuert hatte. Für einen kurzen Moment dann hatte ich jedes Mal in dem Glauben geschwelgt, endlich ein Gesicht zu besitzen. Dann war ich voller Hoffnung gewesen auf ein eigenes Leben, so viel Verwüstung und Schuld ich auch zurückgelassen haben mochte. Fast dreißig Jahre hatte ich dabei mit einer einzigen Maskerade zugebracht und Gott mit meinem inbrünstigen Spiel unterhalten. Doch nun hatte ich es endlich eingesehen. Meine Existenz ein Fehler der Natur. Nichts weiter. Eine Fehlkalkulation.

Als ich oben auf dem Hügel angelangt war, verschnaufte ich einen Moment. Beim Anblick meiner tiefen Spuren im Schnee huschte ein Lächeln über mein Gesicht. Es war auf eine lächerliche Weise beruhigend, solche Spuren zu hinterlassen. Man hatte das Gefühl, von Bedeutung zu sein für die Welt. Dann warf ich das Seil über einen dicken Ast. Die Windungen schmiegten sich einer trägen Schlange gleich an das Holz. Ich brauchte einen Moment, mich hinaufzuziehen, wo mein Bein doch etwas steif war so früh in der morgendlichen Kälte. Die Raben verließen krächzend die Äste und stoben Richtung Wald davon. Schwarze Schwingen, die sich flatternd hoben und senkten. Ich griff das Seil und kletterte weiter hinauf in das kahle Geäst. So hoch ich konnte. Von dort oben hatte man eine gute Sicht auf das verlassene Haus, das einmal meine Heimat hatte werden sollen in einem längst verlorenen Kapitel meines Lebens. Und ließ man den Blick auf das jämmerliche Dorf schweifen, so konnte man mein Elternhaus erahnen. Dieses schiefe und verschneite Dach dort hinten zwischen den anderen schiefen Dächern, die sich entlang der schmalen Straße aufreihten wie spitze Zähne in einem schlechten Gebiss. In diesem Haus hatte mich Mutter zur Welt gebracht. Mich und ihn. Und als ich mir die Schlinge um den Hals legte, dachte ich bei mir, dass der Tod doch lediglich jenen unsäglichen Fehler wettmachen würde, den Gott oder der Zufall da vor fast dreißig Jahren begangen hatte. Denn es hatte zwei gegeben, wo nur einer hätte sein dürfen.

Einer von Zweien

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