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Frau Bretzelmoser und ihre Bücher

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Sie marschierten zur Gartentür hinaus und klingelten beim Nachbarhaus. Zuerst blieb alles still, dann hörte man eine Tür zuschlagen und schon stand Frau Bretzelmoser vor ihnen. Sie war etwas erhitzt, was man an ihren geröteten Wangen sah, ein paar Haarsträhnen hatten sich aus ihrer Hochfrisur gelöst und ihre blauen Augen blitzten freundlich.

„Hallo“, meinte sie, „ hereinspaziert. Charlotte, das sind sicher deine Freunde. Ich bin gerade beim Büchereinräumen, deshalb hat es etwas gedauert.“ „ Guten Tag Frau Bretzelmoser“, begrüßte Charlotte die neue Nachbarin, „darf ich vorstellen? Das hier ist mein Bruder Walther, genannt Teddy, und das sind unsere Freunde Maja und Matthias Eich, genannt Biene und Wuschel, und das hier ist Walthers Hund Lisa. Sie ist mehr Mensch als Hund von ihrem Verhalten her.“

Lisa setzte sich vor Frau Bretzelmoser hin und reichte ihr die Pfote. Diese ergriff und schüttelte sie. Alle mussten lachen. Charlotte fuhr fort: „Ich habe ihnen von ihren Büchern erzählt und jetzt sind sie furchtbar neugierig.“

„ Na dann kommt mal herein, wir können ja eine Tasse Schokolade zusammen trinken und dann könnt ihr meine Bücher begutachten“, schlug Frau Bretzelmoser vor. Das ließen sich die vier nicht zweimal sagen und auch Lisa sauste sofort hinterher. Hinter der Haustür sahen die Kinder einen langen Flur, an dessen Ende eine Treppe rechts zu erkennen war, die ins Obergeschoss führte. Von diesem Flur führten vier Türen in verschiedene Räume. Durch die der Haustür gegenüberliegende fünfte Tür kam man direkt auf die Terrasse.

„ So hereinspaziert“, forderte Frau Bretzelmoser sie auf und öffnete die erste Tür auf der linken Seite. Neugierig traten sie ein und sahen sich um. Außer dem großen Esstisch und den sechs Stühlen, die Charlotte und Walther schon auf dem Gehweg gesehen hatten, standen ein Eckschrank, eine Glasvitrine mit wunderschönem Geschirr, eine Standuhr und ein rundes, kleines Tischchen mit drei Stühlen in dem Zimmer. Eine weitere Tür führte in einen anderen Raum, vermutlich die Küche. Duftige Tüllvorhänge und hellgelbe Übergardinen ließen das Zimmer freundlich und gemütlich aussehen.

„ Das ist aber schön geworden“, meinte Charlotte, „ diese zartgelbe Tapete passt gut zu den braunen Möbeln.“ Die anderen nickten zustimmend.

„ Leider habe ich noch nicht alles ausgeräumt, aber die Tassen und Teller stehen schon im Schrank“, sagte Frau Bretzelmoser. Sie öffnete ihn und nahm fünf Tassen und fünf Teller heraus, stellte alles auf den Tisch und verschwand durch die Tür in die Küche.

„ Setzt euch schon einmal, gleich ist alles fertig“, rief sie.

„ Komm Walther, wir decken schnell den Tisch“, forderte Charlotte ihren Bruder auf. Lisa hatte sich schon unter dem Tisch breit gemacht. „ Hey Lisa, geh von meinen Füßen, du bist ganz schön schwer“, brummte Matthias, der sich inzwischen hingesetzt hatte.

„Wo sind denn die vielen Bücher?“ Suchend sah sich Walther um. „ Ich sehe nur Geschirr.“

„ Du Witzbold, wir sind ja auch im Esszimmer, falls du das noch nicht geschnallt hast Bruderherz.“ Charlotte stellte die letzte Tasse zurecht und setzte sich hin. Schon kam Frau Bretzelmoser mit einem großen Teller mit leckerem Marmorkuchen und einer dampfenden Kanne heißer Schokolade aus der Küche. „ So, ich habe noch Löffel und Kuchengabeln mitgebracht, lasst es euch schmecken“, sagte sie lächelnd. Jeder nahm sich ein Stück Kuchen und schenkte sich Schokolade ein.

„ Richtig gemütlich haben sie es hier“, meinte Maja.

„ Oh, warte nur, bis du das Arbeits- und das Wohnzimmer siehst. Ich bin zwar noch lange nicht fertig, aber wenn alles aufgeräumt ist, wird es ganz nett aussehen“, stellte Frau Bretzelmoser fest. Walther schluckte einen Bissen hinunter und bot ihr an: „ Wir können ihnen ja ein bisschen helfen. Ich liebe es Bücher in den Händen zu halten.

“ Das wäre schön“, erwiderte sie, „ aber greift erst noch einmal richtig zu.“

Das ließen sich die fünf nicht zweimal sagen. Lisa hatte nämlich einen Napf mit Wasser und ein Stück Kuchen bekommen.

Als sie endlich satt waren, räumten sie den Tisch ab und Frau Bretzelmoser führte sie über den Flur in das gegenüberliegende Zimmer. Hauptsächlich standen Bücherregale ringsherum, nur vor dem Fenster sah man einen Computer auf einem Tisch mit einem Drehstuhl davor, daneben in der Ecke einen Kachelofen, einen Schaukelstuhl und eine Lampe. Besonders fiel der riesige Schreibtisch neben dem Seitenfenster auf, vor dem ein bequemer, lederner Stuhl stand. Ein großer, flauschiger Berberteppich bedeckte den Boden. Überall standen geöffnete Kartons herum.

„ So, hier ist nun mein Arbeitszimmer und Arbeit gibt es hier genug, wie ihr seht“, bemerkte Frau Bretzelmoser.

„Nichts wie ran, Wuschel“, forderte Walther seinen Freund auf, „ und du Lisa lässt bitte deine Schnauze von den Büchern.“

„ Wahrscheinlich will sie uns helfen oder ne gute Geschichte lesen,“ kicherte Maja.

„ Sei nicht so albern und fang endlich an“, murmelte Walther.

Er hatte seinen Kopf bereits in einem Karton stecken und sah sich interessiert die Titel an.

„ Du hast genau den richtigen Karton erwischt“, meinte Frau Bretzelmoser, „ das sind alles Bücher, die ich selbst nicht kenne. Ich habe sie erst letzte Woche auf einem Flohmarkt in München gekauft und sie noch nicht angesehen. Sie gehörten einem alten Mann, der mir sagte, sie würden aus dieser Gegend stammen. Er hatte dabei so ein besonderes Lächeln im Gesicht, aber vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet.“

„ Oh, ich denke, hier habe ich ein interessantes Buch gefunden“, rief Walther aufgeregt aus, „ der Titel lautet „ Burgen und ihre Geheimnisse“.“

Alle beugten sich gespannt über den Karton. Das dicke Buch mit dem ledernen Einband fiel allen sofort auf. Frau Bretzelmoser fasste in den Karton und zog das Buch vorsichtig heraus. Der Buchtitel war in das Leder eingestanzt, dazu noch der Autor, ein Graf Waldenau, das Erscheinungsjahr, 1855, und eine Burg.


„ Interessant“, meinte sie, „ ich glaube, dieser Graf Waldenau ist, nachdem er dieses Buch geschrieben hat, auf geheimnisvolle Weise verschwunden. Ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Ein Kunde der Bibliothek, in der ich gearbeitet habe, wollte genau dieses Buch ausleihen. Es war jedoch unauffindbar und blieb bis zu meiner Pensionierung verschwunden. Der Kunde glaubte, der Graf sei verschwunden, weil er die Geheimnisse von einigen Burgen in diesem Buch preisgegeben habe, wie zum Beispiel Geheimgänge, geheime Verliese u.s.w. . Dieses Buch soll das einzige sein, das es noch gibt. Alle anderen seien verbrannt worden. Ich frage mich jetzt wirklich, wie es auf den Flohmarkt gekommen ist?“

Nachdenklich starrte Frau Bretzelmoser auf das Buch. Die vier Kinder hatten aufmerksam zugehört, selbst Lisa war ganz still und versuchte nur an dem Buch zu schnüffeln.

„ Das werden wir vielleicht noch herausfinden. Aber, bitte Frau Bretzelmoser, öffnen sie doch das Buch, sonst platze ich noch vor Neugier“, bat Matthias. Burgen hatten ihn und die anderen schon immer begeistert. Vorsichtig schlug sie das Buch, das sie zuvor auf den Schreibtisch gelegt hatte, auf. Eine wunderschöne Zeichnung von einer Burg kam zum Vorschein.

„Wow, sieht die toll aus“, bewunderte Maja das Bild. Auch Matthias war überwältigt. „Wo liegt diese Burg oder eventuell die Ruine?“ fragte Walther gespannt. „Ich glaube, diese Burg gibt es noch, sie liegt im Allgäu bei Füssen, Hohenschwangau, wenn ich mich nicht täusche. Und auch diese hier ist sehr bekannt, Neuschwanstein von Ludwig II erbaut. Sieht aus wie ein Märchenschloss.“ Frau Bretzelmoser deutete auf die zweite Seite des Buches.

„ Oh, fantastisch“,rief Charlotte,“ davon habe ich schon eine Fotografie gesehen.“ Nun schien Matthias fast ein wenig enttäuscht zu sein: „Ich dachte eigentlich dass es sich um geheimnisvolle Burgen handelt.“ Frau Bretzelmoser lächelte und meinte: „ Ich denke, die kommen noch. Vielleicht sind diese zwei Burgen eine Art Tarnung, dass, wenn jemand das Buch öffnet, er glaubt, es handle sich um ein ganz normales Buch über Burgen. Denn, wenn ihr den Einband betrachtet, der ist schon sehr eigenartig.“

„ Stimmt“, erwiderte Matthias, „ dieses dicke Leder mit diesem Muster sieht wie eine Geheimschrift aus.“

„ Bitte blättern sie weiter“, bettelte Maja, „ ich bin so sehr gespannt, was wir noch alles darin finden.“ „ Das verstehe ich sehr gut“,stimmte Frau Bretzelmoser zu, „ ich bin auch ziemlich neugierig auf dieses Buch, aber ich wäre euch dankbar, wenn wir erst alles einräumen würden. Dann können wir anschließend in aller Ruhe und mit viel Platz dieses Buch genau anschauen.“

Die Kinder waren zwar etwas enttäuscht, aber sie verstanden Frau Bretzelmoser sehr gut. In diesem Durcheinander ließ es sich nicht gut arbeiten. Also packten sie Kartons aus und räumten die Bücher in die Regale. Sie waren so beschäftigt, dass sie gar nicht merkten, wie die Zeit verging.

Erst als Lisa zur Tür ging und brummte, erschrak Charlotte, als sie durchs Fenster sah und feststellte, dass es bereits dämmerte. Bis jetzt hatte das keiner bemerkt, da schon eine Weile das Licht brannte, um die Bücher besser sehen zu können.

„ Hey, wir müssen dringend nach Hause und ihr auch. Sonst bekommen wir Ärger mit unserer Regierung (so nannten sie ihre Eltern zum Spaß)“, rief Charlotte, „ und Lisa muss mal dringend gewisse Geschäfte erledigen. Wir waren heute Mittag gar nicht mit ihr spazieren.“ Auch die anderen waren erstaunt, wie schnell die Zeit vergangen war.

„ Schade, dass ich euch jetzt nicht mehr das Buch zeigen kann, aber morgen ist ja auch noch Zeit“, bedauerte Frau Bretzelmoser. „Ihr wart sehr fleißig, vielen Dank, hier habt ihr noch etwas Süßes.“ Sie überreichte jedem eine kleine Tafel Schokolade. Die Kinder bedankten sich und verabredeten sich mit Frau Bretzelmoser auf Dienstagnachmittag um 16.30 Uhr, weil sie noch ihre Hausaufgaben machen mussten.

Charlotte und Walther verabschiedeten sich rasch von ihren Freunden: „ Tschüss, bis morgen und träumt etwas Schönes von dem geheimnisvollen Buch!“

„Klar, macht's gut“, erwiderten Maja und Matthias und machten sich auf den Heimweg. Die Eltern würden über ihr spätes Heimkommen nicht erfreut sein, und Hausaufgaben hatten sie auch noch nicht gemacht.

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