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Eine Dreiviertelstunde später legte die JAMAICA BAY an Pier 17 an. Dort warteten bereits weitere Einsatzkräfte der SRD auf ihren Einsatz, darunter auch der Gerichtsmediziner Dr. Brent Claus. Außerdem Spezialisten, deren Aufgabe es war, möglichst schnell zu analysieren, was genau sich in den Giftfässern befand, die die JAMAICA BAY auf kriminelle Weise hatte entsorgen sollen.

Wir gingen an Land.

An Bord des Frachters hatten wir jetzt nichts mehr verloren. Nun schlug die Stunde der Experten und Wissenschaftler. Es musste haarklein rekonstruiert werde, wie Agent Pacey gestorben war.

Von Clive erfuhren wir, dass die ersten Verdächtigen, die an anderen Orten im Zusammenhang mit der JAMAICA BAY zeitgleich festgenommen worden waren, bereits im Field Office angekommen waren. Darunter auch Brian Mondale, der Geschäftsführer einer dubiosen Im- und Exportfirma. Staatsanwalt Jay Kirkland war ebenfalls bereits eingetroffen, um deutlich zu machen, dass derjenige, der sich ohne Verzögerung dazu entschloss, das Schweigen zu brechen, mit Vorteilen rechnen konnte.

Wir wurden zurück zum Field Office in der Federal Plaza 26 beordert.

Als wir dort eintrafen, hatten die Verhöre des Kapitäns und des Steuermanns der JAMAICA BAY bereits begonnen. Der Rest der Besatzung befand sich in Gewahrsam und zum Teil musste erst die jeweilige Identität mühsam festgestellt werden. Manche der Festgenommenen sprachen sehr schlecht Englisch. Es handelte sich um Seeleute, die unter wirklich abenteuerlichen Bedingungen angeheuert worden waren und kaum über die nötigsten Kenntnisse verfügten.

Das Gros schien von den Philippinen und aus Mittelamerika zu stammen, aber die Neigung dieser Männer, mit uns zusammen zu arbeiten, war nicht besonders groß. Erstens begriffen sie offenbar kaum, dass sie sich an einer Straftat beteiligt hatten und zweitens hatten sie nach Ansicht unserer Verhörspezialisten Angst.

„Sie ahnen nicht, dass jemand mutwillig ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt hat“, stellte unser Kollege Dirk Baker fest, der mit einigen von ihnen gesprochen hatte. „Sie wurden hochgiftigen Stoffen ausgesetzt und verfügen über so gut wie überhaupt keine Kenntnisse darüber, wie man damit umgehen müsste oder wie man sich vor den Giften schützten kann.“

„Das ist wohl einer der Gründe dafür, weshalb eine Entsorgung an Bord der JAMAICA BAY sehr viel günstiger ist als dies normalerweise der Fall wäre“, stellte ich fest.

Dirk nickte. Wir beobachteten durch eine Spiegelwand die Verhöre des Kapitäns und des Steuermanns. Der Kapitän hieß Randolph Jordan. Er weigerte sich, irgendwelche Aussagen zu machen. Die JAMAICA BAY gehörte einer Holding, die wiederum mehrheitlich Eigentum einer Briefkastenfirma war, die ihren Stammsitz auf den Cayman Islands hatte.

„Die wahren Besitzer werden wohl nicht so leicht festzustellen sein“, meinte Milo. „Es könnte durchaus sein, dass Captain Jordan darüber gar nichts weiter weiß.“

„Oder wissen will“, setzte ich hinzu.

Milo zuckte mit den Schultern. „Also ein Fall für Nat.“

Unser Kollege Nat Norton war in unserem Field Office der Spezialist für Betriebswirtschaft. Er wusste, wie man Finanzströme verfolgte, was bei Ermittlungen im Bereich der organisierten Kriminalität einen immer wichtiger werdenden Stellenwert bekommen hatte. Oft war es nur auf diese Weise möglich, kriminelle Verflechtungen aufzudecken.

Unser Kollege Agent Ron Dales führte das Verhör durch. Er gehörte zu den jüngeren Innendienstlern in unserem Field Office. Dirk Baker hielt allerdings große Stücke auf ihn. Außer Dales war noch Staatsanwalt Kirkland anwesend, der sich allerdings nicht weiter einmischte.

„Sie wollen uns doch nicht erzählen, dass Sie nicht gewusst haben, dass die JAMAICA BAY zu einem illegalen Giftmüll-Transport benutzt wurde“, sagte Dales. „Zu diesem Zeitpunkt sind Kollegen von uns in Ihrer Wohnung in Newark und stellen dort alles auf den Kopf. Jede Kontobewegung wird von unseren Spezialisten genauestens unter die Lupe genommen und wenn Sie noch irgendeine Chance haben wollen, um mit der Staatsanwaltschaft zu einer Übereinkunft zu kommen, dann sollten Sie jetzt auspacken. Sonst ist es zu spät…“

„Ich verweigere unter Hinweis auf den fünften Zusatz der amerikanischen Verfassung die Aussage“, erklärte Captain Jordan.

„In den Daten, die uns zugänglich sind, wird eine Anklage wegen Versicherungsbetruges vermerkt.“

„Das Verfahren wurde eingestellt.“

„Sie sollen einen Frachter mit dubioser Ladung absichtlich vor der nigerianischen Küste auf Grund gesetzt haben. Man warf Ihnen Versicherungsbetrug vor.“

„Wie gesagt, das Verfahren wurde eingestellt!“

„Eigner des Schiffes war eine Rederei aus Liberia, die einer Holding gehörte, die wiederum hundertprozentige Tochter der International Cargo Holding auf den Cayman Islands war, als deren Geschäftsführer ein gewisser Brian Mondale fungierte!“

„Wenn Sie das sagen!“

„Seltsamerweise ist die JAMAICA BAY Eigentum einer anderen Firma, als deren Geschäftsführer ebenfalls ein gewisser Brian Mondale eingetragen ist, dem außerdem noch eine dubiose Im- und Exportfirma gehört, die hier im Hafen von New York ansässig ist.“

Jordan beugte sich nach vorn. Seine Augen wurden schmal und er sprach beinahe, ohne dass sich seine Lippen überhaupt bewegten. Sie bildeten einen fast geraden Strich, während er zwischen den Zähnen hervorpresste: „Dann befragen Sie doch verdammt noch mal diesen Mister Mondale und nicht mich!“

Jetzt mischte sich Staatsanwalt Jay Kirkland ein.

„Keine Sorge, das geschieht bereits“, versicherte er. „Genau jetzt in diesem Moment in einem unserer anderen Vernehmungszimmer. Und bevor Sie sich von Mister Mondale einen Anwalt bezahlen lassen, sollten Sie darüber nachdenken, dass Ihre Aussage jetzt der Staatsanwaltschaft noch ein deutliches Entgegenkommen wert sein könnte…“

In dem Vorraum, in dem sich Milo und ich befanden, öffnete sich die Tür. Sie flog förmlich zur Seite. Ein kleiner, gedrungen wirkender Mann mit hoher Stirn trat ein. „Roger W. Sundback von Braden,, Sundback & Partners. Ich bin der Anwalt von Captain Jordan. Die Fragestunde ist damit vorbei! Ich will mit meinem Mandanten unter vier Augen reden.“

Sommermordsgrauen: 7 Krimis in einem Band

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