Читать книгу Privatdetektive ermitteln leise: 3 Top Krimis - Earl Warren - Страница 13
7
ОглавлениеBrian Marchwell wurde kurz nach 10.00 Uhr von einem Teamkollegen gefunden, nachdem er sich auf mehrere Anrufe nicht gemeldet hatte. Ein Hotelangestellter von der Rezeption hatte dem Rennfahrer den Zweitschlüssel fürs Zimmer gegeben.
Der Rennfahrer erlitt einen Schock, als er den Toten mit dem Eispickel in der Brust sah. Brian Marchwell lag in einer Lache geronnenen Blutes.
Völlig aufgelöst eilte sein Teamkollege zu Francis Micholson und teilte ihm stotternd und stammelnd die entsetzliche Neuigkeit mit. Er hatte die Tür offen gelassen. Die Schreie zweier Zimmermädchen, die ins offene Hotelzimmer blickten, hallten durch die Gänge.
Nun war der Teufel los. Ans Training und den üblichen Rennbetrieb war an diesem Vormittag nicht mehr zu denken. Micholson alarmierte die Sicherheitsleute von Ford, General Motors und Buick sowie das FBI. Das Hotelzimmer wurde von ein paar Sicherheitsagenten abgeriegelt.
Niemand durfte es betreten.
Bald darauf trafen die G-Men unter Horace Bond und der Erkennungsdienst sowie der FBI-Arzt ein. Das FBI hatte den Fall gleich übernommen, da die Tat auf das Konto der Grand-Prix-Gang gebucht wurde.
Reporter überschwemmten das Hotel, als sie die Neuigkeit hörten. Butch konnte einen flüchtigen Blick in das Mordzimmer werfen, als der FBI-Fotograf gerade die Leiche fotografierte. Der blonde Hüne war grimmiger Laune.
Seine Prognose hatte sich ärger bestätigt, als ihm lieb war. Die Gangster machten ganze Arbeit. Butch traf im Flur auf Wendy Morocco, die zwischen anderen Zuschauern eingekeilt stand. Sie folgte ihm ins nächste obere Stockwerk, wo nicht so ein Gedränge herrschte.
„Das ist furchtbar“, sagte sie. „Der arme Brian! Er war ein richtiger Sonnyboy, er sprühte vor Leben. Und jetzt ist er tot und ausgelöscht, seine hoffnungsvolle Karriere beendet.“
„Ja“, sagte Butch düster. „Aber die Halunken, die das auf dem Gewissen haben, kriege ich, das schwöre ich dir.“
Er hatte lediglich am Vortag eine Weile mit Brian Marchwell gesprochen, aber ihn sehr sympathisch gefunden. Dem jungen Rennfahrer haftete nichts Prahlerisches und Überhebliches an. Butch wechselte noch ein paar Worte mit Wendy Morocco.
An Liebesabenteuer war im Moment nicht zu denken. Sie würden sich später wieder treffen oder Verbindung aufnehmen. Der blonde Hüne eilte auf sein Zimmer und wollte Chicago anrufen. Aber im Hotel wurde so viel telefoniert, dass die Leitung überlastet war.
Butch hörte das Besetztzeichen tuten. Er versuchte es wieder und wieder, konnte aber erst nach einer halben Stunde durchdringen. Er rief im Cantrell-Bungalow in Chicago, Stadtteil Western Springs, an.
Tony Cantrell meldete sich.
Seine ersten Worte waren: „Bei euch in Kansas City ist wohl der Teufel los. Es hat ein Großfeuer gegeben, und jetzt ist auch noch Brian Marchwell ermordet worden, wie ich gerade von General Motors hörte. Konntest du das nicht verhindern, Butch?“
„Wie denn? Ich bin doch kein Hellseher. Es waren alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Der Killer ist ein Insider, einer von den Rennteams oder sonst jemand vom Fach, darauf wette ich meinen Kopf. Aber wie den heimtückischen Kerl entlarven, der sicher Komplizen hat und die ganze Zeit den Biedermann spielt, bis er bei seinen Taten die Maske fallenlässt?“
„Irgendwo muss es da eine schwache Stelle geben, Butch. Wir müssen den Killer fassen. Aber vor dem Wochenende kann ich nicht nach Kansas City kommen, und Silk ist noch nicht aus dem Hospital entlassen.“
„Ich komme schon zurecht bis dahin, Chef. Wir bleiben in ständiger Verbindung. Wollen sehen, wie sich die Sache weiter entwickelt.“
Butch beendete das Gespräch. Weder er noch Cantrell waren Freunde davon, unnötige Worte zu verlieren. Butch hatte den Hörer kaum aufgelegt, als Chester Artur ins Zimmer stürmte, grimmig und in Rage gebracht.
„Es wird Zeit, dass ihr euch etwas einfallen lasst, ihr Meisterdetektive vom Cantrell-Team!“, rief er. „John Curtis, der Teamleiter von Buick, hat gerade einen Brief der Erpresser bekommen, ordnungsgemäß mit der Post zugestellt, gestern in Kansas City aufgegeben. Buick soll eine Million Dollar zahlen, sonst passiert etwas, was die Vorgänge bei dem Ford Team noch in den Schatten stellt. In dem Brief stand von dem Großbrand und der Ermordung eines Rennfahrers der Spitzenklasse. Offenbar waren sich die Gangster gestern noch nicht schlüssig, wen sie nehmen sollten.“
Butch sagte nichts. Er merkte, dass Chester Artur noch nicht fertig war.
„Noch etwas“, fuhr der Teamleiter fort. „Die Presse hat Rundschreiben bekommen. Maschinengeschriebener Brief, fotokopiert. In dem Brief stand genau, wie Jim Stone umgekommen ist. Durch ein Explosivgeschoss, das seinen rechten Vorderreifen zerfetzte. Jetzt ist natürlich der Teufel los.“
Das konnte Butch sich denken.
Der Tag verlief hektisch. Butch sprach mit G-Men und Sicherheitsleuten, mit Hotelpersonal und überhaupt mit jedem, von dem er sich einen Hinweis erhoffte. Reporter bestürmten ihn. Er redete mit Leuten von den Rennteams und mit anderen Personen vom Fach. Es gab keinerlei Hinweis auf Brian Marchwells Mörder. Er hatte keine Spuren hinterlassen.
Der Fall war wie ein großes Puzzle, dessen Teile nicht zusammenpassen wollten. Für 17.00 Uhr am Nachmittag war im Motodrom Hotel eine Konferenz der maßgeblichen Leute einberufen, die in den Fall verwickelt waren, direkt oder indirekt.
Per Telefon-Reihenschaltung sollten Tony Cantrell sowie die Geschäftsleitungen von General Motors, Buick und Ford daran teilnehmen. Bei der Konferenz sollte festgestellt werden, was in Zukunft zu geschehen hatte.
Die Rennleitung des Kansas-City-Rennens, der AMC-Rennverband als der größte und ein paar andere Organisationen hatten Vertreter geschickt. Kurz vor 16.00 Uhr erhielt Butch im Motodrom Hotel einen Telefonanruf.
Morgan Franchette wollte ihn sprechen. Butch nahm das Gespräch in einer der Telefonzellen im Foyer entgegen.
„Ich dachte, wir wollten heute unser Duell an der Todeswand austragen, O’Reilly“, sagte Franchette. „Oder haben Sie es mit der Angst zu tun bekommen?“
Butch hatte die Verabredung mit Morgan Franchette glatt vergessen.
„Haben Sie nichts anderes im Kopf als diese Dummheiten?“ rief er in den Hörer. „Ich bin mit einem Fall von Kapitalverbrechen beschäftigt, Mann. Da habe ich keine Zeit, an der Todeswand spazieren zu fahren.“
„Sie kneifen also, O’Reilly?“
„Wir werden diese alberne Fahrt schon noch machen“, sagte Butch angewidert, denn vor einem Schnösel wie Morgan Franchette wollte er nicht zurückschrecken. Es lag in seinem Naturell, es so einem Kerl zu zeigen, wie immer es sein sollte. „So bald ich die Zeit finde.“
„Ich warte, O’Reilly, hoffentlich nicht bis zum nächsten Winter. Oder habt ihr Privatdetektive alle nur große Schnauzen und kneift, wenn es darauf ankommt?“
Butch antwortete mit einem Zitat, dem ein deutscher Ritter mit einer eisernen Hand zu unsterblicher Berühmtheit verholfen hatte. Er hängte wütend den Hörer ein. Dann verließ er die Telefonzelle und machte sich wieder an seine Ermittlungsarbeit.
Im Hotel ging es zu wie in einem Tollhaus. Die Presse sowie die Leute von Rundfunk und Fernsehen standen kopf. Ständig war der eine Vorwurf zu hören: Warum ist die Presse nicht informiert worden? Warum hat man das vor der Öffentlichkeit geheimgehalten?
Die Reporter stellten sich an, als sei der Watergate Skandal noch übertroffen worden. Butch hatte nie viel von dem Faible seiner Landsleute gehalten, Informationen grundsätzlich in alle Welt hinauszuposaunen. Ob es sich nun um die Bettgeheimnisse verstorbener US-Präsidenten oder um Raumfahrtprojekte von Cape Kennedy handelte.
Aber dieser amerikanische Charakterzug war wohl nicht abzuschaffen.
Nach der Rundschreibensendung an die Redaktionen hatten General Motors und das FBI die Ermordung Jim Stones zugeben müssen.
Butch konnte sich nicht in der Hotelhalle zeigen, ohne dass mindestens ein halbes Dutzend neugieriger Reporter buchstäblich wie Kletten an ihm hingen.
Butch zeigte das dicke Fell und die stoische Ruhe eines Elefanten. Er gab grundsätzlich keine Kommentare.
Um 17.00 Uhr betrat er dann den großen Konferenzsaal im hinteren Teil des Hotelerdgeschosses. Wenn nicht gerade das große Rennen war, fanden im Motodrom Hotel fast jedes Wochenende geschäftliche Tagungen und Veranstaltungen statt.
Der Konferenzsaal war modern eingerichtet. Es gab zwei Tischmikrofone auf jedem Platz sowie Kopfhörer, die mit einer Simultan Sprechanlage gekoppelt waren. So konnten ausländische Konferenzteilnehmer von einem Dolmetscher gleich übersetzt werden.
Dolmetscher waren an diesem Tag nicht nötig. Aber an die Simultananlage waren die Telefonverbindungen mit Chicago, Detroit und andere Städte angehängt worden. So konnten die Telefonteilnehmer der Konferenz alles mithören und sich auch zu Wort melden.
Dieses Verfahren wurde in der letzten Zeit öfter praktiziert, denn weite Reisen zu einer Konferenz bedeuteten nicht nur Kosten, sondern auch Zeitaufwand.
Waddell Coft, der eigens an diesem Tag angereiste Second Manager oder Vizepräsident der Firma Ford, wurde zum Chairman bestimmt, zum Konferenzleiter. Er legte zuerst kurz die Fakten dar, den derzeitigen Stand der Dinge.
Von der Konferenz waren Pressevertreter und Reporter ausgeschlossen. Der Chairman des Rennkomitees der Motodrom-Rennbahn von Kansas City sprach dann. Darauf kamen der Polizeichef von Kansas City an die Reihe, Francis Micholson und Chester Artur für die Rennteams und schließlich ein Spitzenfunktionär des amerikanischen Automobilclubs.
Im ersten Teil der Konferenz galt es zu klären, ob das Rennen stattfinden oder abgesetzt werden sollte. Viele Leute, die sich ganz gern reden hörten, nutzten die Gelegenheit, um zu Wort zu kommen. Die Tendenz war einheitlich: Das Rennen sollte stattfinden.
Nachdem dieser Teil nach zwei Stunden abgeschlossen war, ging es zum nächsten. Wie sollte man sich verhalten, um weitere Anschläge zu verhindern und diese Gangster zu entlarven?
Hier waren die Meinungen geteilt. Der Chef des FBI Kansas City sprach. Auch Tony Cantrell kam zu Wort. Was er am Telefon in Chicago sagte, wurde über Lautsprecher in den Saal übertragen.
Cantrells Ansicht rief eine hitzige Diskussion hervor. Cantrell war der Meinung, die Firma Buick solle die geforderte Million zahlen. Viele der im Konferenzsaal Anwesenden protestierten heftig dagegen. Zu ihrer Verwunderung gab die Geschäftsleitung von Buick aber umgehend ihr Einverständnis zu Cantrells Vorschlag bekannt.
Auch die Geschäftsleitungen der anderen Automobilfirmen waren dafür, die Million zu zahlen. Ein Fond sollte gegründet werden, um sich an der Zahlung der Firma Buick zu beteiligen und eventuelle weitere Forderungen der Erpresser zu befriedigen.
Der Funktionär des AMC wetterte gegen den moralischen Verfall, gegen die Kriminalität, der ein solches Vorgehen Tür und Tor öffnete. Er meinte, dann sei jeder sportliche Ethos dahin und man könne sich gleich mit der Mafia liieren.
Das FBI zeigte sich überraschend zahm und wollte sich in die internen Angelegenheiten der Automobilfirmen nicht einmischen. Butch wusste, weshalb Cantrell bei Buick, General Motors und Ford sofort auf Entgegenkommen stieß.
Der clevere Chef des Cantrell-Teams hatte sich bereits mit der Geschäftsleitung der betreffenden Automobilfirmen in Verbindung gesetzt. Natürlich wollte er die Verbrecher nicht mit Geld abfinden. sondern nur ködern. Der schwächste Punkt bei einer Erpressung war die Lösegeldübernahme, das wusste jeder, der eine Ahnung von Kriminalistik hatte.
Bei der Übernahme der Million wollte man die Grand-Prix-Gangster schnappen. Das und nichts anderes hatten die Automobilfirmen akzeptiert. Cantrell wollte das bei der Konferenz nicht offen ausposaunen. Er hatte die undankbare Aufgabe übernommen, den Vorschlag aufzuwerfen.
Wenn alles klappte, würde er gefeiert werden. Wenn nicht, musste die Hauptkritik das Cantrell-Team treffen.
Die Geschäftsleitung von Buick gab über die Konferenzschaltung ein Statement des Firmenpräsidenten bekannt. Buick wollte zahlen. Wie im Brief der Erpresser gefordert, sollte am Schwarzen Brett des Hotels eine Notiz erscheinen. Mit dem kurzen Text: „Engagement geklärt“ und unterzeichnet von dem Rennteamleiter von Buick.
Die Konferenz endete erst nach 22.00 Uhr. Wie immer bei Konferenzen, wollte jeder seinen Standpunkt darlegen und seine Politik vertreten. An der Entscheidung der großen Drei - Buick, Ford und General Motors - war aber nichts zu rütteln.
Butch war heilfroh, als das ganze Gerede vorüber war. Er wusste, jetzt hatte er eine Frist bis zur Übergabe des Erpressergeldes. Vorher würde kein Anschlag mehr stattfinden.