Читать книгу Mein Lieber Sohn und Kamerad - Eberhard Schiel - Страница 4
Einleitung
ОглавлениеDie Stadt Stralsund war um die Jahrhundertwende keineswegs mehr jenes "muffige Nest", als das sie noch im Jahre 1850 von eine der ersten deutschen Ärztinnen Franziska Tiburtius bezeichnet wurde. Inzwischen sorgte die Inbetriebnahme des Wasserwerkes Lüssow (1894) für eine wesentliche Verbesserung der Trinkwasser-Versorgung. Und nach der Entfestigung (1873) entstanden schöne Villenviertel, kleine Landhäuschen und blühende Parkanlagen. Unsere alte Hansestadt, jahrhundertelang mit dickem Mauerwerk eingepfercht, das sie wie ein Panzer umklammerte, konnte befreit aufatmen. Hinzu kam das persönliche Engagement des Stadtbaumeisters Ernst von Haselberg. Er griff den Gedanken des traditionellen Baustils wieder auf, benutzte den Backstein, ein Material der Gotik, der lange Zeit für das typische Bild einer Seestadt im Norden Deutschlands sorgte. Neue öffentliche Gebäude fügten sich auf Grund dieser verbesserten Baugesinung harmonisch in das einst vielbewunderte Panorama Stralsunds ein. Auch vom Gesetz her waren die Möglichkeiten zum Schutz des baulichen Gesamtensembles erweitert worden. Eine Kommission zur Erhaltung der Baudenkmale setzte 170 Gebäude auf die Liste der besonders zu pflegenden Objekte. Durch entsprechende Ortssatzungen konnten schon im Ansatz Gefahren bei der Gestaltung oder Verunstaltung von neuen Gebäuden wirksam verhindert werden.
Mit seinen engen, anheimelnden Gassen, den steil aufragenden Pfarrkirchen, dem gotischen Rathaus, der spezifischen Anordnung der Straßen auf einer Insel, welche nur durch Deiche mit dem Festland verbunden war, und seiner herrlichen Lage zwischen der Insel Rügen und dem Strelasund, bot Stralsund seinen Einwohnern in der Tat eine Heimstatt von außergewöhnlicher Qualität. Das wußten die Sundischen zu schätzen. Sie waren stolz auf ihre Stadt und auf ihre Geschichte. Fast jedes Kind kannte damals die großen Männer der Stralsunder Chronik: Karsten Sarnow und Bertram Wulflam, Lambert Steinwich und Peter Blome, Wallenstein, die Schwedenkönige Gustav II. Adolf und Karl XII, den Großen Kurfürsten von Brandenburg und Ferdinand von Schill. Sie alle hatten ihre Handschrift am Sund hinterlassen, der eine als Verteidiger, der andere als Angreifer. Zweimal hatten die Stralsunder sogar die Möglichkeit freie Reichsstadt zu werden, 1634 durch Wallenstein, und etwa vierzig Jahre später durch eben jenem Großen Kurfürsten. Der Hochehrwürdige Rat lehnte beide Male ein solches Angebot dankend ab, weil mit der großzügigen Offerte die Aufgabe der schwedischen Festung verbunden werden sollte. Man blieb lieber eine unbedeutende Provinzstadt. Soweit ging der Stolz der sundischen Ratsherren, welcher ihnen auch bis heute nicht abhanden gekommen ist.
In dieses eben geschilderte Stralsund um die Jahrhundertwende kam mein Vater zur Welt. Seine Eltern stammten aus einfachen Verhältnissen. Der Bürodiener bei der Eisenbahn, Michael Schiel, kam 1866 aus Posen nach Stralsund und heiratete eine Sundische, die Maria, geborene Harder. Aus jener Ehe ging mein Großvater, der spätere Rohrmeister der Städtischen Gas- und Wasserwerke Ernst Schiel hervor. Seine Ehefrau Emma hatte zeitweilig als Dienstmädchen im Kurhaus Altefähr gearbeitet. Nach der Geburt von fünf Kindern kümmerte sie sich nur noch um die Erziehung der Kleinen. Unter diesen sozialen Voraussetzungen, keineswegs typisch für die Beamten-und Garnisonsstadt, fand Ernst Schiel keine Möglichkeit seinen Erstgeborenen auf eine höhere Schule zu schicken. Otto besuchte ab 1904 die achtklassige Knaben-Volksschule. Zur Aufbesserung seines schmalen Taschengeldes verdingte er sich wie einige andere Schüler auch als Laufbursche bei einem Herrn Sandbeck in der Heilgeiststraße. Das Niveau an der Volksschule muß übrigens mehr als mäßig gewesen sein. Aus einigen Notizen im Tagebuch meines Vaters geht hervor, dass die Klasse in der Winterzeit häufig auf dem Eis Schlittschuh lief. Und das keineswegs nur während der Sportstunde. In der Geographie fremder Länder offenbarten die Schüler eklatante Schwächen. Im Mittelpunkt des Lehrstoffes stand eindeutig die Vermittlung monarchistischer Gefühle. Es ist die Zeit der Vaterländischen Vortragsabende, der patriotischen Gesänge, der euphorisch gefeierten Erinnerung an die siegreiche Schlacht bei Sedan und der goldenen Zuversicht auf die deutsche Hochsee-Flotte. Die Kinder strahlen vor Glück, wenn unterm Weihnachtsbaum ein neuer Matrosenanzug liegt. Zwar ist er nicht so elegant wie die Uniform des Kaisers, aber die Sympathie zu Seiner Majestät liebstem Kind kann man schon damit demonstrieren. Dieses Gedankengut von Ehre und Nation, von Treue und Vaterland, wird überall in Deutschland verbreitet, nur in Stralsund vielleicht etwas ausgeprägter. Gibt es doch weit und breit keine Gegenströmung, welche den überschäumenden Patriotismus in ruhigeres Fahrwasser leitet, was angesichts der Bündnispolitik der Nachbarstaaten dringend geraten schien. Jene Kräfte, die es von ihren politischen Zielen her könnten, sind zahlenmäßig zu schwach, zersplittert und zerstritten. Den Sozialdemokraten steht in Stralsund die geballte Macht der Geschäfts-und Gewerbetreibenden, der vielen Angestellten von Behörden, der Rentiers und anderer gehobener Schichten entgegen. Stralsund ist eine Beamtenstadt. Sitz des Verwaltungszentrums eines preußischen Regierungsbezirks gleichen Namens. Stralsund beschäftigt also nicht nur städtische, sondern auch staatliche Beamte. Das Bürgertum und der Adel und nicht das Proletariat, das hier auf Grund fehlender Bodenschätze ohnehin keinen größeren Nährboden findet, bestimmt die soziale Struktur in der ehemaligen Hansestadt, die vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges etwa 36.000 Einwohner zählt. Außerdem sorgt die ständige Präsenz des Militärs für eine gewisse Strangulierung linksgerichteter Aktivitäten. Verschiedene Mitglieder des sozialdemokratischen Wahlvereins klagen über die hohe Fluktuation, über die Angst vor Repressalien, über schwach besuchte Veranstaltungen.Am 4. September 1909 spricht Karl Liebknecht in Stralsund auf einer öffentlichen Veranstaltung über das Thema: "Die augenblickliche politische Situation in Deutschland". Die Nachricht darüber, knapp genug bemessen, musste im konservativen "Stralsunder Tageblatt" erscheinen. Ein eigenes Organ hatten die Sozialdemokraten schon längst nicht mehr. Ihr Blatt "Stralsunder Volksstimme" erschien nur ein Jahr, von 1891 bis 1892. Mein Vater erwähnt Liebknechts Vortrag mit keiner Silbe in seinen Tagebüchern. Dafür notiert er um so häufiger die Erlebnisse und die Arbeit im Evangelischen Männer-und Jünglingsverein. Es ist ja auch die Zeit der vielen, manchmal nicht mehr zu überschauenden, Vereine. Kaum ein Jugendlicher damals, der nicht in irgendeiner Form von der Jugendbewegung erfaßt wurde. Das breite Spektrum fing an bei den fahrenden Gesellen und den Wandervögeln, deren Anhänger mit Bundschuhen, Schillerkragen und Zupfgeigen um das Sonnenwendfeuer tanzten, bis hin zu den Pfadfindern, die sich im Kartenlesen übten und in Zelten übernachteten, und dem Jungdeutschlandbund, deren Mitglieder in einer Art Uniform in militärischen Gliederungen und mit Pfeifen und Trommeln Soldat spielten. In Stralsund gab es immerhin um 1910 insgesamt 170 Vereine. Otto Schiel und seine Freunde gehörten wie bereits erwähnt dem Evangelischen Männer-und Jünglingsverein der Jugendpflege an. Später als in den Nachbarstädten hatte sich dieser Verein am 29. November 1903 etabliert. Er bestand auf seiner ersten Sitzung aus 10 Mitgliedern. 1912 waren es dann schon 60 Mitglieder. Im Haus Fährstraße 11, das zu Weihnachten 1910 als "Stiftung Evangelisches Gemeindehaus der Jugendpflege" erworben wurde, fanden regelmäßig patriotische Vorträge, gesellige Abende, Bibelstunden, Kränzchen mit den Eltern, Musikveranstaltungen, Lesenachmittage und Theaterproben statt. Im Lesesaal, der zeitweilig als Herberge diente, konnte man aus 400 Büchern auswählen. Ab November 1911 übernahm der aus Halle gekommene Redakteur Kurt Diete das Amt des Jugendpflegers. Dem hochgebildeten Mann mit dem aufgezwirbelten Kaiser-Wilhelm-Bart müssen die Jugendlichen ebenso vertraut haben wie Seiner Majestät selbst. In fast allen Briefen ist von Kurt Diete die Rede. Der Jugendpfleger hält noch Kontakt zu seinen Gottesdienern, da diese bereits durch Schlamm und Dreck dem Feind entgegen ziehen. Ihm glaubten sie offenbar mehr als Karl Liebknecht, dessen Name nur ein einziges Mal in den Briefen, und komischerweise von der Großmutter, Erwähnung findet. Der neue Geistliche besitzt tatsächlich die Fähigkeit, die ihm anvertrauten Schäflein mit seiner Begeisterung für das kaiserliche Deutschland anzustecken. Sie spielen gemeinsam Theater, heroische Stücke natürlich. Sie wandern durch die reizvolle Landschaft der näheren Umgebung und singen die alten schönen Volkslieder. Dabei träumen sie von der kommenden goldenen Zeit, in der die edelsten Züge der Menschen den Sieg über alles Böse und Schlechte dieser Welt davontragen würde. Man glaubt an eine Welt, wo es nur noch liebe Brüdern und Schwestern gäbe. Geschlossen wollten sie sich als die nach einem Roman von Rudolf Herzog benannten "Burgkinder" in einer Burg über einem See den Traum von der kleinen romantischen Welt erfüllen. Dabei merken sie in ihrer schwärmerischen Unschuld gar nicht, wie unter den Klängen ihrer Klampfe über Europa ein Gewitter aufzieht, das irgendwann all ihre Illusionen, ihre edlen Gefühle für Ehre, Volk und Vaterland zum Einsturz bringen sollte.
In der Stralsunder Bogenlampenfabrik, wo Otto eine Lehre zum Mechaniker aufnimmt, wird darüber nicht diskutiert, im Elternhaus auch nicht, und im Verein schon gar nicht. Aber in Stralsund bietet man der heranwachsenden Jugend genügend Abwechslung an, um sie von den ernsten Themen abzulenken. Da wird im Juni das Kornblumenfest gefeiert. Anschließend lockt der Johannismarkt. Die großen Volksfeste wie das berühmte Vogelschießen im Hainholz, und das Wallensteinfest im Juli, sind weitere Vergnügungen, die man als Jugendlicher nicht verpassen möchte. Und wenn Zirkus Blumenfeld einmal im Jahr sein 4000 Mann-Zelt am Sund aufschlägt, sind die Karten oft restlos ausverkauft. Außerdem hat in der alten Hansestadt die Wiege der preußischen Marine gestanden. Man pflegt und hegt die Tradition. Häufig liegen Torpedo-Schiffe oder Kreuzer und Schnellboote im Hafen. Ein imposanter Anblick für die Jugendlichen. So wachsen sie heran, die jungen Leute vom Sund, begleitet von den Klängen der Regimentskapelle, die jeden Sonntagmittag auf dem Alten Markt flotte Marschmusik ertönen läßt, und den maritimen Ereignissen, den Flottenbesuchen der "Blauen Jungs". Einmal wollte sogar der Kaiser höchstpersönlich der Stralsunder Jugend einen Besuch abstatten. Mitglieder des Jungdeutschlandbundes hatten schon auf dem Hauptbahnhof Stellung bezogen. Die Hurras lagen ihnen bereits auf den Lippen. Doch wer nicht kam, war der Kaiser. "Welche Enttäuschung", schrieb mein Vater in sein Tagebuch, " es sind nur zwei Kammerdiener mit einem Hündchen aus dem Zug gestiegen, welche verkündeten, Seine Majestät würde gerade Morgentoilette halten."
Und dann ist eines Tages Krieg. Nach der "Daily Telegraph-Affäre", und der Marokko-Krise, den Spannungen im Elsaß und den permanenten Unruhen auf dem Balkan empfinden die deutschen Jugendlichen, und nicht nur sie, die Kriegserklärung des Kaisers wie eine Erlösung. Das Gewitter sollte sich endlich entladen, damit man nach einigen Monaten des Kampfes wieder frische Luft atmen könnte. Als die ersten Augusttage des Jahres 1914 das Leben von Millionen Menschen schlagartig verändern, sehen die Zeitzeugen überall die gleichen Bilder, ob auf dem Petersburger Newski-Prospekt, oder dem Lomdoner Trafalgar Square, ob Unter den Linden in Berlin oder auf dem Pariser Place de Concorde: Überall jubelnde Menschen, flotte Militärkapellen, milchbärtige Jünglinge mit Blumen am Gewehr, und vielleicht ab und zu im Hintergrund eine weinende Mutter, die niemand bemerkt oder nicht sehen will. Die ganze Welt ist aus den Angeln gehoben worden. Es scheint, als ginge es zu einer Herrenpartie, und nicht in ein furchtbar sinnloses Gemetzel. Manche, die dabei gewesen sind, haben sich in späteren Jahren der Besinnung kopfschüttelnd gefragt, wie das möglich war. Sie fanden darauf keine befriedigende Antwort. Eine Hypnose oder Hystherie oder einfach ein Blackout des Geistes? Die Frage wird sicher jetzt wieder anlässlich der Erinnerung an den Beginn des Ersten Weltkrieges vor hundert Jahren von den Historikern erörtert werden. Ob sie dafür eine Erklärung finden, ist unwahrscheinlich. Aber kommen wir zurück auf die Ereignisse in Stralsund. Die Ironie des Schicksals hat es hier gewollt, dass ausgerechnet jener Mann, der bei Bekanntgabe der Mobilmachung an der Spitze der jubelnden Menge marschierte, und an verschiedenen Plätzen feurige Reden auf das kaiserliche Waffenglück hielt, wenige Wochen danach auf der Kanzel der Nikolai-Kirche in Tränen ausbrach. Superintendent Hornburg hatte die Nachricht erhalten, sein Sohn Georg wäre bei Longwy auf dem Feld der Ehre gefallen.Indes fiebert Otto Schiel unruhig seinem Einsatz an der Front entgegen. Scham überzieht sein Gewissen, denn zwei seiner Freunde sind schon als Freiwillige ins Feld gezogen. Und er? Er sitzt bei Muttern am Tisch, hockt noch zu Hause, während die Kameraden tollste Abenteuer erleben. So denkt dieser junge Mann, der später mein Vater werden sollte. Aber noch ist er zu jung für das Schlamassel. Darum will er wenigstens Samariterdienste für die Kriegshelden leisten. Er nimmt Kontakt zu seinem Onkel in Eckardtsheim auf, schreibt, er möchte in die Fußtapfen seiner Verwandtschaft treten, da die Geschwister seines Vaters alle in christlich-seelsorgerischen Einrichtungen tätig wären. Der eine Onkel arbeitete lange Jahre als Erzieher im Stralsunder Waisenhaus, ein anderer ist Hausvater der Neinstedter Anstalt. An ihn wendet sich Otto in seinem Kummer, wird nicht erhört, und nimmt schließlich in Stralsund an einem Sanitäts-Lehrgang teil, um bald schon bei der Bahnhofswache die ersten Verwundeten aus dem Kriege zu versorgen. Er sieht den ersten Transport von Gefangenen, verwundete Franzosen, deren Uniformen eher dem Fundus eines Theaters als der Kleiderkammer des Militärs entnommen zu sein scheinen. Sie tragen rote Hosen, rote Mützen und blaue Jacken. - Dann die ersten Hiobsbotschaften. Eine amtliche Verlustliste ist veröffentlicht worden. Sie besteht aus seitenlangen Todesanzeigen. Auffällig viele Freiwllige sind darunter, in der Regel Gymnasiasten, die außer ihrem Enthusiasmus wenig in den Krieg einzubringen hatten. Sie starben bei Langemarck oder Noyon oder im Osten.
In Stralsund geht das Leben wie gewohnt weiter. Die Front liegt ja auch anderswo, fernab der Heimat, in Frankreich und Belgien, in Galizien und Kurland. Dort wird gekämpft, doch die Daheimgebliebenen sollen nicht die Hände in den Schoß legen. Oma Schiel erfährt aus der Zeitung, dass es auch am Sund eine Front gibt, die Heimatfront. Eine entsprechende Bekanntgabe erfolgt vom II. Armeekorps. Weil der Kaiser die ihm laut Verfassung zustehende Rolle des Obersten Kriegsherrn nicht wahrnimmt, geht die Kommandogewalt nach Maßgabe eines preußischen Gesetzes aus dem Jahre 1851 (Ausnahmegesetz) an die etwa 60 Kommandierenden Generäle in den einzelnen Bereichen der Armeekorps über. Stralsunds Kaiser ist fortan der Kommandierende General des II. Armeekorps Stettin, Generalmajor der Kavallerie von Vietinghoff. Ihm hat auch Oma Schiel zu gehorchen. Das Deutsche Kaiserreich ist zur mittelalterlichen Kleinstaaterei zurückgekehrt. Die vielen Verordnungen, Verfügungen und Bekanntmachungen nehmen kein Ende. Die Stralsunder Zeitungen füllen damit ganze Seiten aus. Als die Versorgungslage immer schlechter wird, eine Hungersnot droht, schickt man Schüler in den Wald, um Brombeeren zu pflücken. Man sammelt Blätter für den Tee und für Rauchwaren, macht Jagd auf Krähen. Die Deutschen sind wieder zu Jägern und Sammlern geworden Indes zieht Jugendpfleger Kurt Diete die Fäden zu seinen Vereins-Mitgliedern an der Front, schickt den im Feld stehenen Jünglingen die neuen Adressen der Kameraden zu, sendet ihnen sogenannte Scharbriefe, lädt sie beim Heimaturlaub zu sich nach Hause ein. Unermüdlich sorgt er für vielerlei Ablenkung, damit keine düsteren Gedanken aufkommen, obwohl die fatale Wirkung des Krieges nicht mehr zu übersehen ist. Die Reihen im Verein lichten sich. Mit dem verbliebenen Rest marschiert Kurt Diete weiterhin durch die Heimat, spielt nun mit den Mädchen vom Jungmädchenbund Theater, organisiert Kränzchen für die Eltern, aber die rechte Stimmung will nicht mehr Einkehr halten in den Herzen der Mädels. Selbst der Kaisergeburtstag, ein sonst so fröhlich begangener Wallensteintag, das beliebte Schützenfest und der bunte Johannismarkt ändern an dieser melancholischen Stimmung wenig. Die Jugend muß zu viel Leid ertragen.
So gehen die besten Jahre dahin. Der Krieg wird zum Alltag, bis endlich der lang ersehnte Tag des Friedens naht. Wir sehen die Mitglieder der Familie Schiel wieder glücklich vereint. Und der Jünglingsverein? Zum Weihnachtsfest 1914, so hatte es ihnen ihr Kaiser feierlich versprochen, sollten sie alle wieder daheim sein. Aus Monaten wurden Jahre, vier Jahre, in denen romantisch verklärte Jünglinge zu ernsten Männern wurden, denen die Erinnerung an den furchtbaren Krieg zu einer bleibenden Last geworden war.