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DRITTES KAPITEL: DIE PLÄNE DES KÖNIGS

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Botschaft Gath-Baals, Leiter des Handelspostens in Gibea

An Isch-Achon, den Fürsten und König von Ekron. Mögen die Götter dir ihre Gunst bewahren und deinen Arm immerdar stärken in all deinen Unternehmungen! Dies berichtet dir dein Diener, dem du die Verantwortung übertragen hast für dein festes Haus in Gibea, der Stadt der Benjaminiter. Du hast, Herr, sicherlich Nachricht erhalten von dem Kampf zwischen den Stämmen Benjamin und Ephraim und dem König von Ammon um die Stadt Jabesch. Es war ein Mann hier aus Gibea, der die Männer der Stämme gegen die Ammoniter in den Kampf führte und vor Jabesch einen Sieg erringen konnte. Nach dem Brauch dieser Stämme wird für seinen solchen Krieg jeweils ein Anführer neu ernannt, der nach Meinung dieser Leute hier im Bergland ein Liebling ihrer Götter sein muß und von ihrem Kriegsgott Jahwe durch besondere Zeichen bestimmt wird. Es handelte sich dabei um einen gewissen Saul aus der Sippe des Abiel, einen Bauern, der bisher keine Rolle in dem Stamm Benjamin oder auch nur im Ort Gibea gespielt hat.

Nun ist aber folgendes geschehen: Nach Beendigung des Kriegszuges haben sich die Vertreter der genannten Stämme in Mizpa versammelt, und dort wurde dieser Saul zu einer Art König gewählt und durch ihren Oberpriester, den sie hier den Seher nennen und der großes Ansehen auch in politischen Dingen genießt, als Fürst über die Gesamtheit der Stämme mit allerlei religiösen Zeremonien eingesetzt.

Du magst, Herr, selbst entscheiden, wie wir uns diesem Mann gegenüber verhalten sollen. Noch haben wir nichts in Erfahrung bringen können, was auf die Errichtung einer neuen und besonderen Herrschaft hier im Bergland schließen läßt. Saul lebt weiterhin auf seinem Anwesen und bestellt seine Felder, sicherlich kein besonderes Zeichen für ein Königtum, das dir und den anderen Städten in Philistäa gefährlich werden könnte. Dennoch hat sich damit eine neue Situation ergeben, die unsere bisherige Stellung als Schutzmacht im Bergland berührt. Darum erbitte ich deine Anweisungen für unser weiteres Vorgehen, vor allem mit Blick auf die Sicherung unserer Handelswege und unseres Eisenmonopols. Es grüßen dich alle meine Männer, deine Knechte, hier in deinem Haus in Gibea.


I

Barhäuptig und durch einen gefütterten Lederwams nur dürftig geschützt, war Saul in den Kampf gegen die Ammoniter gezogen. Es war Jahwes Krieg , war heiliger Krieg, warum sollte er eine Rüstung tragen? Der Mann aus Gibea besaß nichts dergleichen, und das Angebot seines Vetters Abner, ihm einen Bronzehelm und auch einen Kettenpanzer aus Bronzeschnüren zu beschaffen, lehnte er ab. Sein Schutz war Jahwe, Herr der Heerscharen. Nun aber war eine andere Zeit angebrochen. Er war Fürst in Israel, Herrscher auf Dauer, und auch wenn er sein Amt durch ein Zeichen seines Gottes erhalten hatte - daran glaubte er fest, wußte er doch nichts von Samuels geheimen Anweisungen an den Orakelpriester - er war nicht mehr der vom Geist Jahwes Getriebene.

Abner ebenso wie die Ältesten von Benjamin drängten ihn, nun auch ein zu Stahl geschmiedetes Schwert, einen geschmückten Bronzepanzer und einen Bronzehelm mit einem Goldreif zu tragen als Zeichen seiner Königsmacht. Und ein langes Gewand wie die Fürsten der Philisterstädte, wenn er Besucher empfing. Und neben der heiligen Lanze eben auch einen breiten Goldreif über seinem krausen Haar. Das alles war ihm lästig, aber Saul mußte einsehen, daß dieses ungewollte Amt manchmal solche Zeichen brauchte.

Dennoch zögerte er, sich damit öffentlich zu zeigen, aus ganz anderen Gründen. Denn er wußte wohl, was die Könige von Ekron und Gath darin sehen könnten. Zwar gab es zur Zeit keine Kriegshandlungen zwischen den Städten der Ebene und den Stämmen des Berglandes, aber noch immer war ungeklärt, ob die Dörfer und Städte Benjamins und Ephraims der Herrschaft der Philister unterworfen waren oder ihnen in freier Entscheidung Wegerechte eingeräumt hatten ins Jordantal hinab und weiter auf die östliche Hochebene. Saul hatte das täglich in seiner Heimatstadt vor Augen: Da lag, jenseits des Stadttores an der alten Handelsstraße, eine Niederlassung der Philister. Einerseits war es nur eine Karawanenstation, als Absteige für die Kaufleute aus den Städten und vor allem für die Eisentransporte vom Ostjordanland in die Werkstätten der Ebene. Aber zugleich war es eine von festen Mauern umgebene Wachstation, belegt mit einer Schar Bewaffneter des Königs von Ekron.


II.

Saul hatte einige Männer aus einem Nachbardorf empfangen, um deren Streit zu schlichten. Eigentlich hätten das die Dorfältesten selbst erledigen sollen, wie es seit langem guter Brauch war. Aber einer der Streithähne wollte unbedingt, daß der neue König die Entscheidung trifft. Zögernd nur hatte Saul sie angehört, hatte sich in diesem unbequemen langen Gewand auf einen Stuhl unter der Terebinthe am Brunnen gesetzt und sich das Anliegen vortragen lassen. Es schmerzte ihn, wenn gestandene Männer seines Stammes um ein paar Steine, die vom Feld des einen auf den Acker des anderen gelangt waren, derart lange und hartnäckig ihre Argumente vortrugen. Und zum ersten Mal wurde ihm bewußt, was dieses Königtum mit sich bringt: Fortan würde Woche für Woche ganz Israel die vererbten Streitigkeiten der Sippen nun ihm vorlegen - ihm, der doch nur ein Bauer war wie sie, der zwar nach den althergebrachten Bräuchen gelebt hatte, aber doch keinen Zugang hatte zu den Weisungen Jahwes, auf die der Seher sich stets berief, wenn die alten Überlieferungen keine klare Antwort wußten. Samuel konnte dann opfern und am Opferfleisch, an Feuer und Rauch den Willen Gottes ablesen, er konnte den Orakelpriester mit dem Wurf der Losstäbe beauftragen, deren Lage aber meist erst durch den Seher zu deuten waren. Samuel verwaltete den Segen Jahwes und auch den Fluch, seine Worte waren Gesetz.

Saul stützte den Kopf in die Hand, während die Männer immer noch lautstark stritten. Wenn es nun die Aufgabe des Königs war, solche Entscheidungen zu treffen - wonach sollte er sie ausrichten? Er konnte das Orakel befragen, und er würde es auch tun bei den großen Dingen, die das Schicksal der Stämme betrafen. Aber hatte er nun Zugang zu den geheimen Einflüsterungen der Gottheit? Ja, einmal war es geschehen, an jenem Tag, als er vom Schicksal der Stadt Jabesch erfuhr. Aber seitdem war jene Stimme verstummt. Was also wollte Jahwe von ihm, dem erwählten König, der doch nichts war als ein Mann aus dem Volk, ein freier Bauer, Glied einer Sippe, eines Stammes?

Der König seufzte, und die Männer hielten inne. Hatten sie den Fürsten beleidigt mit ihrem Gezänk? Fragend blickten sie Saul an. Und dieser Blick half dem König: Ich muß mit Nüchternheit entscheiden, muß meinen Verstand befragen, muß die Sache sehen, statt über alte Bräuche nachzugrübeln. Ist es das, was Jahwe von mir fordert? Und plötzlich war er seines Urteils sicher. Er hob die Hand, ließ die Streitenden vor sich treten und schweigend seinem Spruch lauschen. Und dann sprach er, ruhig und klar, entschied einen nichtigen Streit, ohne Tadel, ohne Lob. Entschied nach dem, was Vernunft ihm eingab, ohne Opferschau und Orakel, aber im Namen Jahwes, des Gerechten und zugleich Friedliebenden. Und die Männer beugten sich dem Spruch des Königs, denn es war für sie Spruch Jahwes.

Saul blickte der kleinen Gruppe nach, die dort schweigend den Hang hinabwandetern. Noch war ihr Zorn nicht erloschen, waren ihre Gegensätze nicht begraben. Aber sie gingen doch miteinander, trugen den Spruch des Königs zurück in ihr Dorf. Und sie werden ihn erfüllen. Zufrieden erhob er sich, und plötzlich überkam ihn wieder der Wunsch, seine Arbeit zu verrichten wie sie. Er streifte das königliche Gewand ab, gab es einem Knecht, der die ganze Zeit in der Nähe gewartet hatte. So stand er da, nur noch mit seinem leinenen Schurz bekleidet, hochgewachsen, von der Sonne gebräunt: der Bauer Saul aus Gibea, Sohn des Kis aus der Sippe Abiëls. Er ging den Hang hinauf, dorthin, wo Weinstöcke auf dem kargen Boden wuchsen.

Es ist Zeit, die Trieb zu stutzen, dachte er. Im Gürtel, der den Schurz hält, steckte wie stets ein kurzes Messer, eine Bronzeklinge mit einem Griff aus dem harten Holz des Olivenbaums. Die meisten Werkzeuge im Dorf sind aus Bronze, und zum Schnitt der Reben, zum Zerlegen einer geschlachteten Ziege, zum Zuschneiden von Leder, selbst zum Schnitzen einer Flöte reicht dieses Metall. Nur wenige Männer in Gibea besaßen Messer mit einer Klinge aus gehärtetem Stahl. Alles, was aus Eisen sein muß, kostete manche Amphore guten Öls, und auch Saul hatte schon mehr als zehn Schläuche seines gekelterten Weins hergeben müssen, um ein kurzes Schwert einzuhandeln von den philistäischen Händlern.

Der König hielt inne. Hatte er nicht viel Überredung gebraucht, um dem Philister überhaupt ein Schwert abzukaufen? Ja, der König von Ekron sah es nicht gerne, wenn seine Händler eiserne Waffen an die Männer hier oben im Bergland verkauften. Sicheln und Messer gegen Wein, Öl oder auch Fleisch einzutauschen, das mochte noch angehen, brachte es doch guten Gewinn für die Städte in der Ebene. Denn dort waren die Schmiede angesehene Männer, hatten große Werkstätten, um das Eisen zu bearbeiten und zu härten, und sie hüteten ihre Geheimnisse vor allen Fremden. König Isch-Achon achtete streng darauf, und er behielt sich auch den Handel mit den Lagerstätten von Erz im Land jenseits des Jordan vor, niemand außer den königlichen Kaufleuten durfte die Barren aus Eisen durch das Gebiet der Stämme transportieren.

Saul sah wieder die Männer vor sich, die er gegen die Ammoniter geführt hatte. Mit Helm, Wams und Schild aus Leder waren sie gekommen, mit Spießen, die meist noch bronzene Spitzen hatten, mit Holzkeulen und Treiberstecken, Äxten und Sicheln, die sie einfach an mitgebrachte Jochstangen gebunden hatten. Ja, es war Jahwes Werk, daß er mit diesen Kämpfern die Ammoniter besiegt hatte. Ohne den kühnen Plan, den Angriff aus dem Hinterhalt hätten sie diesen Feind niemals geschlagen. Aber der König wußte auch: In offener Feldschlacht können die Männer der Stämme keinem der Nachbarvölker standhalten. Ich muß etwas tun, um sie zu rüsten! Und es muß bald geschehen, denn der Frieden an den Grenzen ist überall brüchig. Ich bin ihr König, es ist meine Pflicht. Saul ließ das Messer sinken. Mögen seine Knechte die Rebstöcke beschneiden, er ist zu anderem berufen. Ein letzter Blick, ein wehmütiger Blick auf seinen Weinberg, dann wandte er sich entschlossen ab. Mit festen Schritten ging er zurück in die Stadt zu seinem Hof. Er hatte Jahwes Weisung vernommen.


Schreiben des Königs von Ekron an den Stadtkönig von Gath:

Ich grüße meinen königlichen Bruder! Mögen Baal und Dagon ihre schützende Hand über ihre Stadt Gath halten und ihrem Fürsten Mut und Weisheit verleihen. Es mag mancherlei Streit geben zwischen deinen Leuten und meinen, aber die Städte der Ebene sind dennoch fest verbunden durch unverbrüchliche Verträge, und unsere Götter haben sie bestätigt und unter ihren Schutz genommen. Darum möchte ich dir, mein Bruder, mitteilen, was ich von meinen Leuten in Gibea im Bergland des Stammes Benjamin gehört habe. Es hat sich ein Mann namens Saul dort zum Fürsten erhoben, und wie es den Anschein hat, nicht nur über Benjamin, sondern auch über Ephraim und Manasse. Noch ist nicht bekannt, welche Macht ihm übertragen ist und welche Absichten er verfolgt, doch gilt es wachsam zu sein. So, wie ich dir, mein königlicher Bruder, diese Mitteilung sende, hoffe ich auch, von dir zu hören, wenn dir wichtige Neuigkeiten von den israelitischen Stämmen zu Ohren kommen.


III.

Noch fiel der Spätregen aufs Land, aber der Weizen würde bald reif sein zur Ernte. Noch war es Zeit, die einflußreichsten Männern aus den umliegenden Stämmen zusammenzurufen, um mit ihnen zu beraten. Neben den Ältesten aus Benjamin, seinen nächsten Nachbarn, waren es Vertreter der Stämme Ephraim und Manasse, auf die der König zählen konnte. Zwar war Saul vor den Augen aller Stämme zum König gesalbt worden, aber er wußte nur zu gut, wie gering der Zusammenhalt all jener war, die doch gemeinsam Jahwe verehrten. Stets waren es nur benachbarte Stämme gewesen, die einander beigestanden hatten, wenn Feinde ins Land einfielen. So waren ja auch beim Kampf um Jabesch nur die Männer aus Ephraim und Manasse seinem Ruf gefolgt, dazu noch jene Benjaminiter, die rings um Gibea siedelten.

Saul hatte Abner und seinen Ältesten, Jonathan, die beiden Mitstreiter von Jabesch, um eine Unterredung gebeten. Auch wenn beide ja in der Nähe lebten, zu seiner Sippe zählten und ein Treffen nichts Außergewöhnliches war für die Nachbarn in Gibea, zog der König es doch vor, die drei angesichts vieler neugieriger Blicke nicht in sein Haus zu laden. Schließlich hatten auch die Philister in der Handelsniederlassung vor Gibeas Toren ihre Augen überall in der Stadt. Ein kleiner Eichenhain, der an seinen Weinberg grenzte, schien ihm ein günstiger Ort zu sein. Er spendete nicht nur Schatten, sondern verbarg auch die Männer. Saul hatte seinen Knecht mit frischgebackenen Brotfladen und einem Schlauch mit verdünntem Wein vorausgeschickt, er selbst trug wie stets nur den kurzen Rock des Bauern und eine Ledertasche am Riemen, in dem drei lederne Becher verwahrt waren, als er ihm mit Abstand folgte.

Abner, der Vetter, wartete schon. Er hatte sich unter einen knorrigen Baum gesetzt, den Rücken an den Stamm gelehnt und die Beine lang ausgestreckt. Als Saul nahte, blickte er auf: "Muß ich mich jetzt erheben und gar das Knie beugen, um den König zu grüßen?" fragte er, blieb aber ruhig sitzen. Saul lächelte und ließ sich neben ihm nieder. "Sind wir nicht blutsverwandt, Vetter?" "Und immer noch freie Bauern auf eigener Scholle, von Jahwe einst zugeteilt," ergänzte Abner. "Aber ich achte dich schon als den Mann, der unser Anführer sein soll in schwierigen Zeiten," fügte er rasch hinzu, denn er wollte das Gespräch nicht mit solchen Dingen belasten.

Saul legte ihm die Hand auf die Schulter. "Ja, man hat mir dieses Amt übertragen, obwohl ich es nicht gewollt habe. Doch Jahwe hat entschieden, und nun bin ich in der Pflicht. Aber ich kann sie nicht erfüllen ohne die Hilfe und den Rat wohlmeinender Männer." Abner sah dem Vetter in die Augen: "Du denkst an die Schmährufe, mit denen dich einige aus den Südstämmen begleitet haben, als du Mizpa verließt? Deine Mitkämpfer von Jabesch hätten sie beinahe gesteinigt, wenn du sie nicht gehindert hättest." "Es geschah um der Würde des Heiligtums willen, Abner. Aber man soll sie nicht schelten, wenn sie offen ihre Meinung sagen. Es liegt an mir, sie zu überzeugen. Es können nur meine Taten sein, mein Einsatz für die Stämme. Und dafür brauche ich Jahwes Hilfe - und auch deine."

Er schwieg und wandte sich Jonathan zu, der soeben in den Schatten der Eichen getreten war. "Schalom, Vater" grüßte der junge Mann, "Friede auch dir, Abner!" Die beiden erwiderten den Gruß, und Jonathan fragte ein wenig vorwurfsvoll: "Müssen wir uns hier im Verborgenen treffen, nur aus Angst vor den Philistern dort unten?" "Nicht aus Angst, Sohn, wohl aber aus Vorsicht," erwiderte Saul ruhig. "Sie müssen nicht alles erfahren, was in Israel geschieht." Jonathan nickte: "Da stimme ich dir zu, Vater. Und sie haben auch nichts zu suchen in Israel, nicht wahr?"

Abner schmunzelte: "Es ist das Vorrecht der Jugend, schnell zu urteilen und schnell zu handeln. Doch manchmal ist es auch gut, bedächtig vorzugehen. Und ich denke, eben deshalb hat dein Vater uns hierhergebeten." Jonathan hatte sich neben die beiden gesetzt. Er schwieg und blickte sie nur erwartungsvoll an. Saul hatte sich wohl überlegt, was er nun vorbringen wollte, Langsam, fast zögerlich begann er:

"Das Volk und unser Gott hat mich zum König gemacht über Israel, auch wenn Jahwe König bleibt für sein erwähltes Volk. Nicht zum Herrschen hat er mich berufen, sondern um dieses Volk zu schützen vor allen Feinden. Dazu aber bedarf es waffenfähiger Männer, und es bedarf der Waffen, die sie führen können. Ihr habt beide gesehen beim Kampf um Jabesch, wie es um diese Waffen steht in Israel. Allein die Überraschung, der Hinterhalt, hat uns den Sieg gebracht. Doch das kann nicht die Lösung sein, wenn wir von Neuem angegriffen werden."

"Ich denke, Ammon wird vorerst wenig Lust auf einen neuen Angriff haben, zu stark waren seine Verluste," wandte Abner ein. "Nicht die Ammoniter, die Philister sind die eigentlichen Feinde," rief Jonathan. "Nicht wahr, Vater, ihren Angriff fürchtest du?"

Saul nickte: "Ja, mein Sohn, so ist es. Wenigstens langfristig werden wir gegen die Städte in der Ebene in den Krieg ziehen müssen. Noch haben sie zwar ihre Wachposten im Land wie hier bei uns, aber wir leben in Frieden. Sie mögen uns für einen Teil ihres Machtbereichs halten, aber sie verlangen keinen Tribut, keine Abgaben, als wären wir besiegt und unterworfen. Doch das wird nicht so bleiben. Die Städte wachsen, sie brauchen Getreide und Öl, die Dörfer an der Grenze zu ihren Gebieten sind längst zinspflichtig, müssen ihre Produkte auf die Märkte von Gath und Ekron bringen. Und bald werden sie auf das Bergland übergreifen, nach und nach und ohne große Kriege zu führen, werden sie die Stämme unterwerfen. Und am Ende wird Baal unser Gott sein und nicht mehr Jahwe."

"Und was plant mein König dagegen zu tun?" Es sollte spöttisch klingen, aber Abner hoffte im Grunde auf einen Plan, der sich verwirklichen ließ. "Es sind vielerlei Dinge, die getan werden müssen," antwortete Saul ruhig. "Zunächst müssen wir die Stämme fester zusammenführen. Es reicht nicht, wenn der Seher sie hier und da zu einem gemeinsamen Opferfest lädt, wir müssen die Ältesten einbinden, die Vertreter der Stämme zu regelmäßigen Beratungen bitten. Und ich sage bewußt 'Beratungen', denn kein königlicher Befehl wird sie zum Handeln zwingen können, sondern nur gemeinsame Beschlüsse. Dann muß der Heerbann erneuert werden. Ein König braucht Krieger. Ich kann mich nicht darauf verlassen, daß die Männer ihre Felder und Weinberge verlassen, nur weil irgendwo die Trompete zur Schlacht ruft. Und das, Vetter Abner, möchte ich dir übertragen."

"Und dann erscheinen sie mit Dreschflegeln und Winzermessern zum Kampf!" Noch konnte Abner seinen Spott nicht zügeln. Doch Saul nickte ihm zu: "Ja, so ist es - heute. Aber eben das muß sich ändern. Wir brauchen Waffen, die diesen Namen verdienen. Wir brauchen Männer, die sie herstellen können, damit wir unabhängig werden von den Schmiedewerkstätten der Philister." "Und deshalb brauchen wir die Erzlieferungen von jenseits des Jordans, statt sie den Händlern von Ekron zu überlassen," rief Jonathan dazwischen. Der König sah seinem Sohn scharf in die Augen: "Ja, Sohn, wir brauchen das Erz. Aber wir müssen uns hüten, den Philistern einen Grund für einen Krieg zu geben, solange wir nicht selbst gerüstet sind. Das wird unsere schwierigste Aufgabe sein. Und eben deshalb ist es nötig, sich mit den Ältesten der Stämme zu beraten."

"Wir haben die Ammoniter vor Jabesch überrascht und so in die Flucht geschlagen," sagte Jonathan. "Warum tun wir nicht ein Gleiches mit den Philistern? Solange Ekron allein die Straße hinüber ins Jordantal bewacht, können wir seine Wachposten vertreiben. Es kann lange dauern, bis alle fünf Städte sich auf eine Antwort einigen. Darin liegt doch unsere Chance!" Abner legte Sauls Sohn die Hand auf den Arm: "Eine Chance ist noch kein Erfolg, lieber Jonathan. Dein Vater hat recht: Wir sollten den Frieden nützen, statt ihn vorschnell zu brechen."

Der junge Mann blickte auf den Boden. Man sah, daß er nicht überzeugt war. Doch Saul hatte einen anderen Plan, um die Kräfte seines Sohnes zu binden: "Abners Aufgabe, den Heerbann neu zu ordnen, wird Zeit in Anspruch nehmen. Aber der König braucht eine kleine, schlagkräftige Truppe für den Notfall, für irgendwelche Grenzkonflikte. Sagen wir - eine Leibwache. Das wird bei den Königen in der Ebene noch keinen Argwohn wecken, haben sie doch alle solche Männer in ihrer Nähe. Und es wird deine Aufgabe sein, Sohn, sie zu suchen und auszubilden. Es gibt genügend Söhne in den Dörfern ringsum, die keine Erben sind, sondern nur Knechte ihres ältesten Bruders. Sie werden deinem Ruf folgen."

Saul erhob sich. "Ich hoffe, ihr werdet meinem Wunsch folgen. Ich vertraue auf euch." Und er streckte den beiden seine Hände entgegen. Und sie ergriffen sie. Die Pläne des Königs gewannen Gestalt. "Jahwe wird mit uns sein!" Saul sprach es leise und feierlich. Und er wußte, das ist die Wahrheit. Er wußte es genau.



Der dunkle König

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