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VIERTES KAPITEL: DAS OPFER DES KÖNIGS

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I.

Zum zweiten Mal war Erntezeit auf dem Gebirge. Auch Saul war mit seinen Knechten hinausgezogen, dorthin, wo auf den Terrassen am Hang oberhalb von Gibea seine Äcker lagen, das Erbteil seiner Familie seit undenklichen Zeiten. Doch während er die Halme ergriff, zu einem Büschel zusammenraffte und mit gewohntem Schwung die Sichel ansetzte, waren seine Gedanken nicht bei der Sache. Er mußte an Abner denken. Der hatte seine Aufgabe als Heerbannführer mit großem Ernst übernommen, die Männer aus den Dörfern zusammengeholt und den Kampf geübt. Er hatte eiserne Speerspitzen anfertigen lassen, damit die Männer sie selbst an Stangen befestigen konnten. Immer wieder hatte er sie danach zurückgeschickt in ihre Städte und Dörfer und an ihre Arbeit, sie ermahnt, auch dort miteinander den Gebrauch der Waffen zu üben. Und jedes Mal, wenn sie wieder vor Abner erschienen, konnte er Fortschritte wahrnehmen.

Bald würde der König ein Heer aufbieten können. Doch noch zögerte er. Nein, er wollte den Frieden nicht brechen. Es wäre besser, die Philister würden als erste zu den Waffen greifen, das würde den Mut und den Zorn seiner Männer befördern, und beides brauchte Saul, um seine Leute in den Kampf zu führen. Wenn es galt, Weib und Kind, Hof und Acker und letztlich die eigene Freiheit zu verteidigen, würden sie sich auch entschlossen dem Feind entgegenstellen. Es gab Gerüchte, daß in Gath und Ekron die Kämpfer ebenfalls probten, doch sie waren Berufskrieger, der König mußte sie beschäftigen. Und jeder Sommer, der verging, würde Abner zugutekommen.

Auch Jonathan, der Sohn, hatte eine Schar junger Männer gesammelt. Auf einem nahegelegenen Acker Sauls hatten sie sich Lehmhütten errichtet, ein hoher Zaum umgab den ganzen Platz, damit keiner der Philister sehen konnte, wie sie Tag für Tag den Waffengang übten. Noch konnte der König ihnen keinen Sold zahlen, die Ältesten zögerten, in ihren Stämmen Abgaben zu erheben. Brot und Gemüse, Wein und Bier erhielten sie aus den Vorräten Sauls. Manchmal wünschte sich der König, er hätte gleiche Macht wie die Stadtfürsten dort unten in der Ebene, doch dann schalt er sich selbst: Allein Jahwe hatte das königliche Recht zu fordern. Freiwillig mußten die Gaben der Sippen sein, so wie sie die Opfer stellten für die Altäre Jahwes.

Die Sonne hatte ihre Höhe erreicht, es war heiß auf dem steinigen Ackerboden. Saul winkte seinen Knechten, daß sie zusammenkommen sollten, um im Schatten einiger Sträucher zu rasten und den Wasserschlauch kreisen zu lassen. Plötzlich rief einer der Knechte laut und wies den Hang hinunter. Saul folgte mit dem Blick. Dort stieg eine Rauchsäule empor, zu stark, um von einem Herd zu kommen. Auch die Äcker wurden noch nicht niedergebrannt, überall waren die Nachbarn bei der Ernte. Keiner hätte gewagt, ein Feuer zu entzünden, solange noch Weizen irgendwo auf dem Halm stand. Der König beschattete die Augen, um besser sehen zu können, und dann erkannte er: Der Rauch kam nicht aus Gibea, sondern wirbelte aus der Niederlassung der Philister auf. Sollte eine der Unterkünfte in Brand geraten sein? Mußte man den Fremden helfen, die doch stets Abstand hielten zu den Bewohnern Gibeas?

Da sah er, wie jemand den Hang heraufgelaufen kam, und rasch erkannte er die Gestalt: Es war Merab, seine älteste Tochter. Atemlos trat sie auf den Vater zu, brauchte eine Weile, ehe sie wieder sprechen konnte. Und dann hörte Saul die Botschaft, die ihn plötzlich und unerwartet zum Handeln zwingen sollte: "Jonathans Männer haben die Philister überfallen," keuchte Merab. "Sie haben die Häuser in Brand gesteckt." "Und die Philister?" fragte der König. "Man hat sie überrascht, sie sind erschlagen. Alle!" Saul hatte Mühe, seinen Zorn nicht an der Botin auszulassen. Ja, Jonathan hatte schon länger gedrängt, endlich die Philister aus Gibea zu vertreiben. Aber der König hatte abgewinkt. Nun also hatte sein eigener Sohn des Königs Weisung mißachtet, mutwillig den Kampf eröffnet.

Strafwürdig war die Tat, aber das änderte nichts daran, daß der Frieden gebrochen war. Sollte er jetzt seine Leibwache und ihren Anführer zur Rechenschaft ziehen? Jetzt, wo er jeden Kämpfer brauchen würde? Selbst wenn er sie dem König von Ekron ausliefern würde, es würde nichts mehr ändern. Der Sohn des Königs hatte Ekrons Männer getötet, hatte den König und den ganzen Stamm Benjamin stinkend gemacht bei den Philistern. Saul wußte: Nun mußte er handeln, und er mußte rasch handeln, ehe die Städte sich zusammenschlossen gegen Israel.


Kriegstagebuch Sauls, aufgezeichnet von seinem Schreiber Ahasja in Gibea

Im dritten Jahr des Königtums überfiel Prinz Jonathan ohne Befehl des Königs die Garnison der Philister in Gibea und tötete die überraschte Besatzung. Als der König Isch-Achon von Ekron danach ein Heer zusammenstellte, rief Saul kraft seines Amtes die Stämme Benjamin und Ephraim zu den Waffen und versammelte den gesamten Heerbann am Heiligtum von Gilgal, um die vorgeschriebenen Opfer vor dem Kampf vollziehen zu lassen. Während die Männer Israels dort vergeblich auf den Seher Samuel warteten, schlugen die Truppen Isch-Achons ihr Lager nördlich von Michmas auf und verbreiteten durch Überfälle und Plünderungen Angst und Schrecken unter der Bevölkerung. Daraufhin sah sich der König gezwungen, das Opfer selbst zu vollziehen, und führte die Truppen nach Geba, das jenseits es des Wadi Es-Weni Michmas gegenüber liegt.


II.

Das Heer, das König Saul aufgeboten hatte aus allen Stämmen Israels, versammelte sich in Gilgal, der großen Opferstätte, um sich zu heiligen und zu rüsten für den Kampf gegen die Philister. Samuel, der Seher aber hatte sich verborgen aus Angst vor den Feinden. So war niemand da, der das Opfer vollziehen konnte und den Herrn, den Gott Israels, anrufen konnte. Vergebens hatte man nach dem Seher geschickt, und die Zeit verrann.

Da trat Abner, Sauls Vetter und Führer des Heerbanns, in das Zelt des Prinzen Jonathan: "Wir können nicht länger warten. Jede Stunde, die nutzlos verrinnt, kostet uns ein Stück des Sieges."

"Ich weiß, Onkel," antwortete Sauls Sohn. "Ich leide wie du. Schließlich habe ich die Philister provoziert, mit meinen Männern die Besatzung von Gibea überfallen und getötet. Da waren wir im Vorteil, denn es dauert seine Zeit, bis ihre Könige sich einigen und ihre Truppen zusammenziehen. Groß sind die Gegensätze zwischen den Fürsten dort, und noch sehen sich die Städte im Süden und im Norden nicht bedroht. Es war der Plan des Vaters, anzugreifen, ehe die Koalition der Philister steht. Nur so kann uns ein Sieg gelingen: Wir müssen sie einzeln schlagen, müssen sie in die Berge locken, die unseren Männern vertraut sind und die sie hindern, in breiter Schlachtordnung aufzuziehen. Noch stehen die meisten ihrer Kampfwagen weit entfernt am Fuße der Berge. Noch ist die Zahl der Feinde gering, noch kann uns der Sieg gelingen."

"Ich weiß." Abner nickte, dann schlug er wütend mit der Faust gegen sein Kurzschwert, das ihm vom Gürtel hing. "Aber die Zeit spielt gegen uns. Unsere Männer sind schlecht bewaffnet, zu Hause wartet bei den meisten noch die Ernte auf ihre Arbeitskraft. Und die Gerüchte machen die Philister in ihren Augen größer und stärker mit jedem Tag. Angst läuft um im Lager, und stündlich schleichen sich ganze Gruppen davon. Ich kann sie nicht hindern. Frei ist jeder, dem Heerbann zu folgen - frei, solange nicht Jahwe selbst durch Opferschau und Seherspruch zum Kampf ruft. Was uns Kraft schenken soll, was uns ermutigen und begeistern soll, es wendet sich nun gegen uns."

Jonathan trat an die Tür des Zeltes und blickte hinaus. Er sah die Feuer brennen, von den Männern umlagert, hörte das Murmeln und Reden - verhalten klang es, und wie es schien, auch furchtsam und voller Sorgen. "Ich habe mit dem König gesprochen. Ich habe den Vater gewarnt vor den Folgen. Wir müssen handeln, die Männer halten, zusammenschweißen, wir müssen ihnen ihren Glauben zurückgeben an Jahwes Stärke. Aber Saul zögert. Er ist König, nicht Priester, nicht Seher. Es ist nicht sein Amt zu opfern."

"Er ist König." Abner sagte es mit bitterem Nachdruck. "Und es ist Krieg. Wenn die Vertreter des Glaubens nicht handeln, wenn sie sich feige verkriechen, dann sind die Sitten, die alten Ordnungen nichts mehr wert. Dann muß der König handeln, selber Glauben wecken, neue Sitten bestimmen, eine neue Ordnung schaffen. Dann ist der Herrscher gefragt, Verantwortung zu tragen für das Wohl des Volkes - für seine Freiheit, für den Kampfgeist und die Siegesgewißheit der Männer."

"Vater weiß das längst, weiß das alles. Aber er möchte den Konflikt vermeiden mit den starken Kräften des alten, vertrauten, überlieferten Glaubens. Er hat längst die Opfertiere bereitgestellt, den Altar aufgerichtet. Doch noch zögert er vor dem letzten, entscheidenden Schritt. Noch zögert er, den Mann zu verletzen, der ihn zum König gesalbt hat im Namen Jahwes."

"Die Philister aber zögern nicht, und das wird uns zum Verhängnis werden," entgegnete der Heerführer. "Sprich noch einmal mit deinem Vater, Jonathan, dränge ihn. Er muß den Kampf beginnen, ehe die letzten unserer Männer mutlos davongegangen sind. Er muß das Opfer selbst vollziehen, wenn Samuel nicht erscheint. Schließlich hat er den Tag selbst festgelegt, und siebenmal ist die Sonne untergegangen, ohne daß der Seher gekommen ist."

Jonathan reichte dem Älteren die Hand: "Ich gehe zum König. Ich werde es versuchen. Ich weiß, er schätzt den Rat des Sohnes." Und so geschah es. Er trat in das Zelt Sauls, der ruhelos auf und ab schritt. Er grüßte und stand schweigend vor dem Vater, wartete auf dessen Zeichen zu reden, wie es die Sitte gebot.

"Ich weiß, Jonathan, ich weiß, was du sagen willst." Der König unterbrach seine rastlose Wanderung zwischen den Wänden des Zeltes. "Und du hast recht." Er legte dem Sohn die Hand auf die Schulter und blickte ihn an. "Ich will das Alte nicht stürzen, und ich wollte Samuel nicht verletzen. Du kennst ihn, seinen Stolz, seine Empfindlichkeit. Und du kennst auch seine Argumente. Es ist nicht gut, in solcher Stunde der Gefahr Zwietracht zu säen im eigenen Volk. Ich wollte das Neue, das kommen muß, das unausweichlich die Stämme Israels verändern wird - ihren viel zu losen Zusammenhalt, ihre Abhängigkeit von den oft wirren Sprüchen der Priester, die unveränderbare Starrheit des Glaubens - ich wollte das alles ohne Hast, ohne Streit zustande bringen. Warum sonst hat Jahwe zugestimmt, daß Israel sich einen König wählt, wenn dieser König nicht handeln darf nach den Gesetzen der Logik?"

"Und warum handelst du dann nicht, Vater?" Jonathan sagte es leise, um Saul nicht zu verletzen, aber der König hörte den Vorwurf in seiner Stimme und nickte. "Nicht immer ist es weise, übereilt zu handeln," antwortete er zögernd. Dann aber brach es aus ihm heraus: "Du kennst den Seher nicht. Ich ahne, nein, ich weiß, warum er zögert, hier zu erscheinen. Es ist nicht Furcht vor den Philistern, die ihm in den Weg treten könnten. Es ist die Angst um sein Amt, das ihn so lange Jahre zum Führer Israels bestimmt hat. Ich habe in sein Gesicht gesehen, als er den Ritus der Salbung vollzog - er tat es voller Widerwillen, ja voller Haß. Er rief den Segen und den Geist Jahwes auf mich herab, aber er betete um etwas anderes. Er wünscht sich nichts sehnlicher, als daß ich versage, um selbst die Macht zurückzunehmen. Darum zögere ich. Wenn ich das Opfer selbst vollziehe, dann wird er die Kräfte des Alten sammeln. Dann steht König gegen Seher. Weißt du, wie dann die Stämme sich entscheiden, wem sie folgen? Und", die Stimme des Königs wurde heiser, "weiß ich selbst denn genau, ob nicht doch Jahwes Urteil aus seinem Munde spricht? Es ist so schwer, Sohn, gegen alles zu handeln, was unser Volk jahrhundertelang für wahr hielt: Die Weisungen der Priester, die Sprüche der Seher, die von der Zeit geheiligten Ordnungen Israels. Wer bin ich, daß ich das Neue bringen soll? Da ist keine innere Stimme in mir, kein Raunen Jahwes, da ist auch jener Geist nicht mehr verfügbar, der mich zum Kampf um Jabesch zwang. Da ist nur mein Denken, meine nüchterne Einsicht."

"Und da ist dein Königtum, Vater! Deine Salbung. Ist das nicht auch Jahwes Ruf, Jahwes Weisung, Jahwes Gebot, als König zu handeln?" Saul schwieg, schwieg lange. Dann seufzte er auf und legte beide Arme um den Hals des Sohnes. "Ich muß es wagen, nicht um des Königtums, um des Volkes willen. Möge Jahwe uns gnädig sein." Und Saul ging hinaus, versammelte die Männer am Altar Jahwes, vollzog das Opfer und stärkte die Männer mit der Kraft Jahwes.


Bericht Netanjahus

Dies geschah an jenem Tage, als König Saul zum ersten Mal die ewigen Gesetze Jahwes, unseres wahren Königs, brach und sich und das Volk in Schuld stürzte, die niemand sühnen kann:

Die Philister waren heraufgezogen aus dem Land an der Küste, Israel zu schlagen und ihm das Joch aufzulegen. Aber der Herr der Heerscharen würde streiten für sein Volk. So hatte Samuel gesprochen, und so war Ruhe geboten und Mut geweckt und Sieg verheißen. Jahwes Krieg wird sein, nicht von Menschenhand entschieden, nicht von Menschenverstand bewirkt. Jahwe wird sich erheben mit starkem Arm und den Feind vernichten. Er allein wird das Zeichen geben zum Kampf. Er wird das Opfer annehmen, das ihm zuvor zu bringen ist nach heiliger Sitte. Stillesein und warten - so lautet das Gebot.

Doch Saul, der König, wartete nicht. Er wartete nicht auf den Seher, den Propheten des Ewigen, der allein das Opfer zu vollziehen berufen war. Er sah die feindlichen Truppen sich sammeln, und seine menschliche Klugheit riet ihm zu raschem Angriff.

Er sah allein, was vor Augen war, was sein Verstand erkannte, was List ihm gebot - und dieses Gebot war stärker als jenes andere, göttliche. So mißachtete er die geheiligte uralte Sitte und entweihte den Heiligen Krieg, zu dem er doch selbst einst das Volk gerufen hatte. Er mißbrauchte sein Amt als Gesalbter, der doch nur Diener des Höchsten war. Und er verachtete damit den Höchsten selbst, den Herrn aller Heere, im Himmel und auf der Erde. Er griff in die Speichen des Weltrades mit frevelnder Hand. Und er vollzog das Opfer, das Samuel zustand. So begann er den Kampf, den er nun führen mußte, ohne die Hilfe Jahwes.


Schreiben des Joas aus Manasse an seinen Vertrauten unter den Ältesten von Manasse

Friede sei mit dir, auch wenn hier zum Krieg gerüstet wird. Ich will dir aus Gilgal berichten, ehe andere es tun und, wie ich fürchten muß, dir ein falsches Zeugnis geben von dem Geschehen der letzten Tage. Es war verabredet, daß der Seher spätestens nach sieben Tagen nach Gilgal kommen werde, um Jahwe zu opfern und die Kämpfer zu segnen für den Krieg im Namen Jahwes. Er kam jedoch erst Tage danach, als der König endlich das nötige Ritual selbst vollzogen hatte und das Heer bereits im Aufbruch war. Allerdings waren es nur noch sechshundert Männer, der Rest hatte das Lager wieder verlassen. Für die einen war die noch nicht eingebrachte Ernte ein Grund, andere sorgten sich um ihre Familien, die in den bedrohten Dörfern lebten. Weil Samuel nicht rechtzeitig erschien, drohte der Heerbann sich vollends aufzulösen. Mag sein, daß sein Alter den Greis hinderte, zügig zu wandern. Mag auch sein, daß er fürchtete, den herumstreifenden Feinden in die Hände zu fallen. Aber ich kann nicht ausschließen, daß er sich absichtlich verspätete - sei es, um Sauls Gehorsam zu prüfen, sei es vielleicht sogar in der Hoffnung, daß der ungeliebte König dann gegen die geheiligten Ordnungen verstoßen würde.

Du weißt es selbst, lieber Freund, daß der Alte längst bereut, Saul zum Fürsten über Israel gesalbt zu haben, und es geht das Gerücht, er versammle heimlich jene Älteste um sich, die starrköpfig auf Einhaltung aller Traditionen pochen. Einen großen Teil der Priesterschaft hat er sowieso auf seiner Seite, die um ihre Privilegien fürchten, obwohl Saul regelmäßig opfern läßt und die Orakel befragt.

Glücklicherweise waren die meisten Männer bereits auf dem Weg nach Geba, als der Seher gemeldet wurde. Und glücklicherweise war der König dem Seher ehrerbietig entgegengegangen, so daß das Gespräch der beiden außerhalb des Lagers stattfand. Es waren nur die loyalen Ältesten, die ihn dabei begleiteten, und wir alle waren erschrocken über die Verwünschungen, die Samuel dem König entgegenschleuderte. Mag er lange Jahre die Weisungen Jahwes verkündet haben, diese Worte waren nichts anderes als verletzte Eitelkeit eines Mannes, der seinen Einfluß schwinden sieht, ja, ich wage zu sagen: als menschliche Bosheit.

Was auch immer in den Dörfern und Städten Manasses berichtet wird, ich bitte dich, unseren König gegen alle Verleumdungen in Schutz zu nehmen. Wir beide wissen, daß allein ein Mann wie Saul die Stämme einen kann und ihre Freiheit verteidigen. Jahwe sei mit dir und unserem Stamm Manasse!


Aufzeichnung Nethanjahus

Dies sind die Worte Samuels, des Propheten Jahwes, im geheimen Kreis gesprochen zu den Priestern und Vertrauten, den Wächtern des Alten, des Hergebrachten und Ewiggültigen, gewissenhaft aufgezeichnet von Nethanjahu, Sohn des Ahia, des Sohnes Etnis:

Wir haben Saul das Königtum verliehen - verleihen müssen nach dem Wunsch der Stämme, obwohl Jahwe allein König ist über Israel. Wir haben ihn gesalbt und gekrönt, weil er Zeichen der Erwählung aufwies, als er vom Geist ergriffen zum Heiligen Krieg gegen die Ammoniter aufrief, um Jabesch zu befreien. Das war mir Beweis und Auftrag. Aber ich verhehle nicht: Gerne habe ich nicht vollzogen, was damals nötig war - ihm das heilige Öl aufs Haupt zu gießen, denn eine neue Macht war nun neben die unsrige getreten. Nicht Heerführer wurde er ja, erwählt auf Zeit und begrenzt im Auftrag, wie es Herkommen war in Israel seit uralten Zeiten, sondern König und Herrscher. Ein Fürst, wie andere Völker, wie ungläubige Nationen ihn kannten, sollte nun Gottes Volk regieren - und nicht der ewige, allgewaltige Herrscher, den allein wir vertreten, die Priester, die Seher, die Eingeweihten.

Ich habe es befürchtet, was nun geschieht: Daß einer unsere Macht in Frage stellt, unsere Pläne durchkreuzt, unseren Weisungen mißtraut, die wir dem Volk auferlegen im Namen Jahwes. Aber unser ist die Macht, unser allein! So wie kein anderer Gott ist neben dem Herrn, dem Herrscher des Himmels, so sollte kein anderer Mittler sein zwischen Himmel und Erde, zwischen Jahwe und seinem erwählten Volk, als wir. Das ist unser Auftrag, und ich gestehe, das ist auch unser Stolz.

Solange der König sich beugt und gehorcht, wenn wir Jahwes Weisungen verkünden, solange mag er regieren im Land, mag er schlichten im Streit um Äcker und Vieh. Aber er hat sich unterzogen, selber Weisung zu geben. Er hat sich angemaßt, Gebote zu hinterfragen, die ewig sind, Entscheidungen zu treffen allein aus seiner begrenzten Klugheit heraus - Entscheidungen, die nur uns vorbehalten sind mit der Weisheit derer, die die göttlichen Weisungen kennen und auslegen können für das Volk, das nicht versteht und begreift.

Dies gilt es zu hindern: Daß Menschenwitz allein befindet, was Recht ist und Sitte, daß Klugheit entscheidet, wo allein Gehorsam und Glaube gefordert ist. Ja, dieser König ist abgefallen vom Herrn, denn er mißachtete unseren Auftrag. Möge er stürzen, wir werden einen anderen finden, wenn die Zeit es gebietet. Fluch ihm, der nicht durch uns sich mit Gott beraten will, sondern eigene Wege erfindet. Dunkelheit möge ihn decken, und Gott wird ihm fern sein, weil wir es sagen.




Der dunkle König

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