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Kapitel II: Grenzfahrt

Die Vögel

Kein Grün war mehr zu sehen, kein Moos im Reetdach der Fischerkate.

Bis hoch zum Bugspriet war es seit Tagen bedeckt allein von Schwarzem, Raben in Scharen.

Nein, das hatte der alte Seemann in seinem Leben bislang noch nicht erlebt! Es half nicht sein Geschrei gegen soviel besitzergreifendes Ungestüm von gleich auf jetzt.

Er hoffte zuletzt Antworten zu erhalten auf seine bangen Fragen: „Wo kommt ihr her? Wo wollt ihr hin? Wann nur wollt ihr endlich weiterziehen?“

Da sprachen die bedrohlich wirkenden Tiere wie im Chor: „Wir hören Ihre Fragen hinreichend laut! Doch für uns geben sie keinerlei Sinn. Wir stecken nicht in der für weiße Männer üblichen nackt-geilen Zitterhaut … das müssen Sie verstehen. Wir ticken anders als Sie! Denn wir sind schwarz gefiedertes Mohrenvieh …

Wollust

Erträumte sie jegliche Nacht

viel jünger mir Monat und Jahr.

Endlich war sie zwanzig wieder.

Wohl zwanzig Mal verging

ich mich

an ihr voll Lust!

Froh weckt sie mich

meinen Kurzbart

zungenrundend.

Befrag den Traum?

Gar nichts sah ich -

nur heiße Wangen …

Liebeskummer

Wo bleibst du nur, mein Rufen bis zum frühen Morgen?

Nach ihr, nach ihr, nur nach dir!

Kehrt ohne Echo wie ein Wort verstorben

stumm zurück zu mir.

Seit Nächten vertrocknen zwei Rosen

in einer Kammer tränenloser Schmerzen.

Kennst den Ort, musst nicht nach ihm suchen.

Sie duften und sterben allein in meinem Herzen.

Ideenschmiede

Ich habe einen Einfall

zu einem Sonett

und visioniere eine Ballade.

Beides etwa zugleich?

Dieses wie jenes ganz nett

doch schon ein wenig vage?

Und kein Vers gibt dem anderen nach,

tun wichtig sich und einander weh!

Bis ich begreife:

So wird das nichts mit einem neuen Gedicht -

für den Herren!

Eigentlich recht schade. Hier ein Wille zur Enge wie bei Storm,

dort das Weite jedweder Quelle wie bei Fontane.

Finden Sie das denn nicht?

Ahrenshoop im Garten vom Dornenhaus

Ein Boot hat festgemacht

an Land

zwischen Belt und Bodden.

Der Mast mit durch Böen bewegten Rettungswesten

steht fest als blasser toter Steuermann.

Die Ruder sind angelegt an abblätternden Farbresten.

Durch den Boden hindurch

hat Grünzeug sich Bahn gebrochen

Brennnessel dabei –

auch bunte Blumen.

Der olle Kahn hat bessere Tage erblickt,

möchte man behauten,

im Frühtau zu wogenden Wellenbergen

mit gehissten nassen Fahnen.

Aber wer bildetet sich das ein

oder will es wissen?

Dinner for one

Entflammte Tannenbäume

am Strand von Sylt zu Bikebrennen.

Aus zahllosen Kehlen zu lauter lauten Hymnenklängen

und dem Wahlspruch

inselfriesischer Walfangkapitäne:

„Rüm Hart, Klaar Kiming“.

Bald kommt ja der Sommer

mit seinem warmen Schaum auf Badebrandungen.

Die Böller krachen,

bunt erstrahlt das Himmelsblau.

Im Silvestersketch

ein versoffenes „Prost Neujahr!?“

Lebenslänglich

Will verschlingen

Herz vor Hunger

müsst verdursten

ohn‘ heißes Blut.

Aufgespießt lockt

rettender Biss.

Edle Tropfen

rinnen vom Stahl,

sie laden ein

zum letzten Ma(h)l.

Aus tiefem Schlaf

im Heißfieber

schreckt stechend Schmerz

mit aller Wucht

trifft mich hart Hieb.

In Händen haltend

einzig Gesicht -

gebrochen Blick.

In eisige Gruft

nimm hinab mit

verdammt Eifersucht,

die Leidenschaft:

mit Eifer sucht,

was Leiden schafft.

Grenzfahrt

In einem Sommer tropisch-polar irgendwo zwischen Deutschland und der Schweiz, Rhein und Bodensee, zwischen Hermann Hesse und heute, kommen von der Höhe wir ins Tal zu einem Kirchlein dicht am Ufer von Bodman.

Je zwei Arme und Beine taten uns weh, doch vom offenen Fenster duftet herein ein buntes tröstendes Blumenmeer. Von einem Augenblick zum anderen verwandelt es sich in einen hohlen Kopf und einen zweiten … wie, als wären sie tot oben bei Golgatha auf der halben Insel Höri.

Komm, lieber Freund Hein, nimm die letzte Fähre – oder stören wir dich allzu sehre?

Vor lauter Erschrecken hatten wir nichts verstanden, rein gar nichts, und flüchteten uns von Hades Ufern in die vertrockneten hohen Berge.

Fahrende Gesellen

Auf einer Marmorbank unter einer schattigen Pinie vor den Resten des Appollo-Tempels weit über dem Meer vor Rhodos saß ich, ein Lied zu schreiben, die heiligen Ruinen zu preisen.

Eine muntere Kinderschar kam hochgelaufen – um zu grüßen etwa mich? Nein, mit gemeinsamer Kraft rüttelten und schüttelten sie die uralten Granatapfelbäume, um letzte reife Früchte zu ergattern.

Wie aber sollte ich denn dichten bei diesem Geschnatter? Kaum waren die süßen Bälger abgezogen mit ihrer Nachspeise, als eine laut blökende abgemagerte Schafherde sich auf die Obstreste der Mädchen und Jungen stürzte.

Das war‘s dann wohl rund um mein griechisch anmutendes Gedicht mit dem geplanten Titel: „In der Ruhe wohnt die Kraft!“

Wird alles gut? I

Fleißig ist sie.

Was sie auch tut,

es reicht nicht zum Überleben.

Wird alles gut? II

Vor der Glotze packt ihn kalte Wut:

jede Fratze in der daily soap

lacht über sein Gemüt,

statt ihm Suppe zu geben.

Wird alles gut? III

Den letzten Mut von wegen,

den soll ihr niemand nehmen.

Reif fühlt sie sich gar zu wandern

mit dem Quartett hinauf nach Bremen

im Duaduadett.

Wird alles gut? IV

Hinein muss er - nicht auf alten Wegen,

nicht auf sehr unbequemen

vielmehr auf denen im second life.

Fragen eines lesenden Soldaten

Ist es eine Mission?

Verteidigung des Vaterlandes?

Ist es eine Aggression?

Belagerung des Wüstensandes?

Geschichtsstunde

Frage eines Endnoten vergebenden Paukers an den auf der Kippe stehenden Schüler Hanno Buddenbrook:

Pauker: „In welcher Schlacht fiel Kaiser Napoleon?“

Schüler: „Mit Gewissheit in seiner letzten!“

Pauker: „Mit durchaus gutem Gewissen werde ich dafür Sorge tragen, dass Sie diesen Angriffskrieg gegen mich keinesfalls gewinnen werden, Sie unverschämter Lümmel! Sie werden Ihr Waterloo erleben!!“

Schüler: Oh, dann bin ich doch froh, dass Sie schon in einer früheren Völkerschlacht dahingemetzelt wurden, sehr verehrter Her Dr. Rath!“

Der zahme Zahn eines Löwen?

Du streichelst sanft die letzten Samenträger einer Pusteblume -

wie den samtenen Pelz eines Kätzchens.

Schnurren sie, oder wollen sie endlich fliegen?

Ein Hauch aus gespitztem Mund.

Ein nackter Stängel.

Alles für die Katz!

Die Anschaffung

Ein duftender Traum

vom eigenen Gemäuer mit Garten

darin ein einsamer Baum

mit Zweigen, die Äpfel tragen

lachend wie in Kindertagen.

Ihn allein erwarb ich mir,

einzig teuer bezahlt vom langen Leben.

Den zu leisten mir, ich kann irgendwann?

Wohl kaum!

Eiliges Senryū

Steil den Berg hinauf

von der Hölle himmelhoch …

was für eine Fahrt!

Sehr japanisch

Blätter aller Art -

bis zum Vielzack vom Ahorn.

Das Haiku liebt sie.

Reisen der Sehnenden

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