Читать книгу Tales of Beatnik Glory, Band II, (Deutsche Edition) - Ed Sanders - Страница 8
D IE NUMMER IM VAN
ОглавлениеEnid Baumbach war verabredet, um Talbot dem Großen drüben in seiner Wohnung einen zu blasen. Nur das, nichts weiter. Es war ihre Idee, sie hatte es arrangiert, und jetzt war sie unterwegs.
Enid war eine unermüdliche Kämpferin für soziale Gerechtigkeit. Sie arbeitete für SANE und den Kongress für rassische Gleichstellung und beteiligte sich an den Aktionen zur Wählerregistrierung. Sie war perfekt, wenn es um die Fülle von Kleinigkeiten ging, die anfallen — alle auf einmal — und sofort auf die Reihe gebracht werden wollen, wenn man wirksame Demonstrationen organisiert. Ihre Spezialität war es, Reporter von der New York Times dazu zu bringen, auf Demos zu gehen. Ein Talent, das an ein Wunder grenzte. Enid hätte einen Typen von der Times um Mitternacht in einen leeren Tunnel gekriegt! Später dann druckte sie erstklassige Einberufungsbescheide für die Vietnam Railroad.
In ihrer Freizeit war ihr nichts lieber als ein deftiger Fick. Dafür lebte sie. Und sie wollte es stundenlang, das heißt, sie vermied wenn möglich neurasthenische, passive Beatniks, Jünglinge mit unsichtbaren Spiegeln vor dem Gesicht. Sie war Anfang zwanzig und knochendürr. Sie war aus Arkansas und behauptete, halb Cherokee, halb ungarische Jüdin zu sein. In ihrem nöligen Dialekt klangen die Ozark Mountains an, mit anderen Worten: Sie zerdehnte aufreizend ihre Vokale, wenn sie einem Typen sagte, sie wolle ihn unbedingt ficken — jetzt auf der Stelle und gleich. Sie hatte lange Finger wie aus einem ägyptischen Gemälde, die unglaublich beruhigend auf die Seele wirkten, so geschickt, wie sie sie über die Haut gleiten ließ.
Sie war extrem gepflegt. Sie war so sauber, dass man ihren Bauch als Operationstisch hätte nehmen können — eine weite, flache Ebene, die das ganze Jahr über gebräunt war, nur an der Gürtellinie hatte sie einen kaum merklichen Wulst. Sie trug afrikanische Ketten und Accessoires, die den Schimmer ihrer langen, rabenschwarzen Haare betonten, die ihr in langen Strähnen auf die Schultern fielen. Wann immer es sich einrichten ließ, waren ihre Liebhaber zwei schwarze Bürgerrechtsaktivisten und am liebsten waren ihr zwei pro Nacht — ohne dass der eine vom anderen erfuhr.
Für einige war sie unergründlich. Es war nicht einfach zu sagen, wie intelligent sie war, da sie eine derartige Einzelgängerin war. Sie war keine Frau von vielen Worten, konnte sich aber stundenlang über ihre Ansichten zu weiß Gott welchen Themen auslassen. Sie kochte — für sich allein — die aufwendigsten Mahlzeiten mit Kerzen, Kristall und Servietten unter dem Silberbesteck, die sie dann in kleinen Bissen kaute, stundenlang und mit etepetete Manieren, bis ihr erster Liebhaber kam.
Was ihren Unterhalt anbelangte, so wusste niemand, wovon sie lebte, und keiner machte sich die Mühe, es herauszufinden. Manchmal arbeitete sie für Werbeagenturen. Sie tippte flink und war gut am Telefon. Später dann schmuggelte sie auch schon mal Koks. Manchmal jobbte sie in afrikanischen Boutiquen. Oder sie verschwand für einige Monate, und wenn sie dann an die Lower East Side zurückkam, prahlte sie damit, in einer Hütte an der Westküste Mexikos gehaust zu haben — mit einem jungen Kerl aus dem nächsten Dorf, der es ihr die ganze Nacht lang besorgen konnte.
Sie half Schriftstellern. Sie hatte eben Talbots Gedichtband abgetippt, den er im vorigen Frühjahr während des Kampfs um die Integration Birminghams geschrieben hatte. Sie half Sam Thomas mit den Matrizen für Dope, Fucking and Social Change: A Journal of the New America. Hin und wieder hatte sie was mit einem der Dichter, die im Peace Eye Bookstore herumhingen, aber eher zögernd, und die Barden staunten, wenn sie ihre Erfahrungen austauschten, dass sie heulte, wenn man sie zu ficken begann.
Enid trug die merkwürdigsten Sonnenbrillen. Die coolsten Sonnenbrillen, die in der Beatnik-Hippie-Ära zu sehen waren. Sie waren ihr Markenzeichen. Das eine Glas war, sagen wir mal, herzförmig, und das andere hatte die Form eines Kleeblatts; oder sie hatten beide die Form von Atompilzen. Es war ein Spätsommertag, und Enid trug ihre verrückteste Brille. Sie ging den Broadway hinauf nach Norden und wollte eben am St. Mark’s Place rechts abbiegen, um hinüber zu Talbots Bude zu gehen. Sie trug eine Art hautenge Radlerhose mit Tigerstreifen und Trägerhemd. Es war so ziemlich der letzte Tag der Saison, an dem man so etwas tragen konnte.
Der Servicevan einer Elektrofirma fuhr vorbei und einer der Typen beugte sich aus dem Fenster und pfiff ihr zu; dann schlug er mit der flachen Hand gegen die Tür. An einer Ampel blieb der Van stehen. Desgleichen Enid, die sich ihnen zuwandte, das eine Glas ihrer Brille ein Kleeblatt, das andere ein Herz. Sie stemmte die Hände auf den tiefen Bund ihrer Tigerhose und sagte: »Also, dann los.«
Es war eine Kapriole, die sie sich gelegentlich gönnte, aus reiner Lust. Sie nannte so was eine Van-Nummer. Ein Typ sah den anderen an, zuckte die Achseln und öffnete die Tür. Enid stieg auf und ein. Es war ein Van ohne Fenster; sodass es hinten dunkel war. Sie spürte mehrere dicke Rollen elektrischen Draht, die aufeinander geworfen waren.
»Gleich hier«, sagte sie. Sie ließ die Sonnenbrille auf, band sich die Radlerhose um die Schultern und schälte sich mit einer gekonnten Bewegung aus ihrem Slip, der in das Etui ihrer Sonnenbrille kam.
Einer der Typen fuhr, während Enid den anderen durchzog, dann war der Zweite an der Reihe. In zwanzig Minuten war sie wieder aus dem Van. Sie bat, in der Nähe von Talbot abgesetzt zu werden.
Wo sie gerade zur rechten Zeit ankam. Sie entschuldigte sich, um sich im Bad zu waschen, und ging dann in Talbots Schlafzimmer, sank auf die Knie, zog den Reißverschluss seiner Hose auf und machte ihren Frieden mit ihm.