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Kapitel 2 Wachsendes Vertrauen

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Der Herr zieht die Menschen, die ihn ernst nehmen, ins Vertrauen.

Psalm 25,14

DER WEG, der immer noch entlang des frühlingshaft angeschwollenen Baches verlief, weitete sich unerwartet vor ihnen. Die drei Wanderer erreichten eine Wiese, auf der Hochlandgräser und Wildblumen sich miteinander vermischten. Ihre Ausläufer erstreckten sich nach Norden und Osten; die ebene Mitte begrenzte ein rechteckiger Zaun. Der Bach durchkreuzte mit gleichmäßigem Rauschen die große Fläche, bevor er tosend steil abwärts stürzte. Kiefern und Tannen säumten die Ufer wie Wachposten des Waldes, in Reih und Glied angetreten, um zu sehen, was Gott in dieser lichterfüllten Weite tun konnte. Und Peter wusste: Gott würde sie nicht enttäuschen.

Christopher und Susan betraten die Wiese mit langsamen, bedächtigen Schritten – wie Untergebene vor dem Thron eines Herrschers. „Das ist …“, versuchte Christopher zu erklären, was er empfand. „Das ist … ich meine … Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

Susan griff nach der Kamera in ihrer Tasche. „Stop, Christopher. Warte. Ich muss das aufnehmen. Es ist einfach … großartig. Wahnsinn.“

Peter überholte sie und wies nach links. „Dort im Westen gibt es ein paar mächtige Gipfel, weit außen hinter der letzten Höhenkette. Sehen Sie? Die Sonne scheint, und alles glitzert und funkelt. Er prahlt ein wenig.“

Christopher kniff die Augen zusammen. „Wer prahlt?“

„Gott.“ Peter zog seine Karte aus der Tasche und faltete sie zu einem Quadrat mit Casa Vieja im Zentrum. „Sehen Sie, wir stehen hier, da wo diese rote Linie unserer Route auf diesen weißen Fleck trifft. Das ist es: Casa Vieja. Die Bergwachtstation liegt etwas oberhalb, am anderen Ende der Wiese. Wir werden unser Lager ein wenig östlich davon aufschlagen, etwas weiter oben, wo es wieder Waldbestand gibt. Da ist auch eine Quelle, und wir sind ganz für uns. Die Stelle ist nicht eingezeichnet, aber sie eignet sich ausgezeichnet als Lagerplatz.“

Susan lächelte Christopher an, der zustimmend nickte. Peter reichte Susan die Karte. „Von jetzt an sind Sie unsere Kartenleserin. Heute haben wir nichts mehr zu tun, außer unser Nachtlager aufzubauen und zu entscheiden, ob wir morgen früh von der Wiese aus nach rechts oder nach links weitergehen.“

Sie liefen ostwärts am Weidezaun entlang. Susan strich die Knicke in der Karte glatt und drehte sie, sodass die Zaunpfosten links von ihr waren. „Dort müsste Norden sein“, sagte sie und wies auf ein altes Blockhaus am anderen Ende der großen Freifläche.

„Sie sind ein Naturtalent, junge Dame. Sie haben gerade die Karte eingenordet. Heute Abend zeige ich Ihnen, wie man dabei wirklich vorgeht. Nur dass wir dann kein Blockhaus als Anhaltspunkt nehmen, sondern Gottes ureigenes Himmelszelt.“

„Warum liegt der Drahtzaun am Boden?“, fragte Christopher.

„Die Cowboys haben die Herden noch nicht hochgetrieben. Diese Zäune sollen verhindern, dass die Rinder die Wiese zu stark abweiden. Wenn man die Weiden gut bewirtschaftet – und das tun die Cowboys –, werden sie Futter liefern bis zum Jüngsten Tag. Aber im Winter wird der Stacheldraht abgenommen. Wenn er an den Pfosten bleibt, reißt er, weil es hier so kalt wird … Wenn die Rinder einen Teil der Wiese abgeweidet haben, zäunen die Cowboys diesen Teil mit Draht ein und treiben die Rinder höher in die Ausläufer der Wiese da oben.“

Er wies über die ebene Mitte der Wiese hinaus auf die etwas höher gelegenen Ausläufer. „Sehen Sie, dort, wo die Wiese wieder in Wald übergeht.“ Er ließ die Hand sinken. „Dort müssen wir jetzt auch hin. Unser Lagerplatz liegt an einem alten Pfad oberhalb dieses Ausläufers. Finden Sie den Platz auf der Karte, Susan?“

„Ja. Sieht so aus, als gäbe es da eine Brücke über den Bach, wenn wir diesen Weg nehmen.“

„Gut, Mädchen“, rief Peter so laut, dass das Echo über die Wiese hallte.

Die Dreiergruppe überquerte die ausgedehnte Bergwiese und hielt am Fuß des Ausläufers am anderen Ende. Peter atmete heftig, band sich das Tuch vom Hals und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Bevor wir in die bewaldete Region aufsteigen“, keuchte er, „sollte ich Ihnen erklären, welche Möglichkeiten wir haben. Morgen früh bauen wir das Lager ab, laufen dann zum Westrand der Wiese in Richtung jener Gipfel dort, und dann müssen Sie entscheiden, wie es weitergeht.“

Susan und Christopher spähten suchend nach Westen.

„Der Weg gabelt sich dort. Wenn wir nach links gehen, sind wir auf dem Weg nach Kern Flat, einer Hochebene – großartige Gegend, wenn man Regenbogenforellen fangen will. Wenn wir uns rechts halten, geraten wir weiter ins Innere der Wildnis Richtung Tunnel Meadows. Im Bach entlang des Weges gibt es jede Menge Goldforellen.“

Die Anspannung kehrte auf Susans Gesicht zurück. Und Peter konnte sehen, dass Christopher bereits darüber nachdachte, welche Variante die bessere war.

„Also, wir kennen uns hier ja überhaupt nicht aus“, sagte Susan und warf einen Blick auf die Karte. „Am besten entscheiden Sie. Wir verlassen uns ganz auf Ihr Urteil. Christopher würde gern ein wenig angeln. Und mir ist jeder Weg recht, solange ich hin und wieder einen schönen Ausblick in meinem Zeichenblock festhalten darf. Rechts oder links – klingt beides aufregend für mich. Und was meinst du, Christopher?“, fragte die junge Frau und verlagerte ihr Gewicht auf den rechten Fuß. Nicht zum ersten Mal, wie Peter bemerkte. „Ich glaube, ich habe mir eine Blase gelaufen.“

„Es geht hier darum“, sagte der Alte mit fester Stimme, „dass Sie beide lernen, den Willen Gottes zu erkennen. Wenn ich sage, dass Sie entscheiden, meine ich, dass Sie entscheiden, welchen Weg Gott für Sie vorgesehen hat. Entweder will er, dass Sie nach rechts und ins Hochland gehen, oder er will, dass Sie nach links gehen, weiter ins Tal – aber keinesfalls will er beides. Und wenn Ihnen jemand sagt, wo es weitergeht, dann wird das Gott sein, nicht ein alter Mann wie ich.“

„Wollen Sie mir sagen, dass wir nach dem Willen Gottes fragen sollen, wenn es darum geht, welche Richtung wir auf einer Bergwanderung einschlagen?“, erkundigte sich Christopher voller Skepsis.

Peter zog sich seine Kappe tiefer in die Stirn. „Genau das will ich sagen.“

„Sie meinen, wenn Sie jetzt allein unterwegs wären, würden Sie bis zu diesem Punkt auf der Karte gehen – zeig mir noch mal, wo das ist, Susan … Sie würden am Morgen aufstehen und nach rechts oder links weiterziehen und glauben, Sie hätten jetzt den Weg gewählt, der Gottes Willen für Sie entspricht?“, hakte Christopher nach.

„Ganz genau. Ich würde nach rechts oder nach links gehen im unerschütterlichen Vertrauen, dass Gott mich so führt, dass sich sein guter, vollkommener Wille für mich erfüllt. Zum Besten, was er für mich im Blick hat.“

Susan sah Peter nervös an. Sie wandte sich zu Christopher um und wies mit dem Zeigefinger auf die Karte. „Hier. Das ist die Gabelung.“

Peters Herz fing Signale auf, die seine Ohren nicht vernehmen konnten. Deutlich hatte er Christophers Widerstand gespürt, als er gesagt hatte, dass die beiden sich für eine Richtung entscheiden mussten. Susan dagegen schien bereit zu sein, einen Versuch zu wagen. Peter wollte sie gern unterstützen und Christopher bitten, dem ganzen Unternehmen eine Chance zu geben. Aber jahrelange Erfahrung sagte ihm, dass er warten musste, bis Gott selbst eingriff, um die beiden aus ihrer Anspannung zu erlösen. Trotzdem machte er sich Sorgen um Susan – und um Christopher ebenfalls.

„Ja, das stimmt. Und es ist Ihre Entscheidung, aber Gottes Wahl.“ Peter nickte Susan kurz zu, dann sah er Christopher unverwandt an. „Also, wir krabbeln jetzt diese Anhöhe hinauf, damit ich den Rucksack von meinen Schultern kriege und unser Nachtlager aufschlagen kann. Und Sie“, sagte er an Susan gerichtet, „sollten schnellstmöglich Ihre Schuhe von den Füßen bekommen, bevor Sie sich die Blase aufscheuern.“

Damit wandte sich der Alte in Richtung Waldrand und begann den Aufstieg. „Gottes Wahl, Kinder. Aber ihr müsst entscheiden.“ Dann murmelte er noch etwas und warf einen Blick zurück. „Und zwar bis morgen früh.“

***

Susan sah Peter nach.

„Was war das denn?“, fragte Christopher ungläubig. „Hat er uns wirklich geduzt und ‚Kinder‘ genannt?“

Susan kam in den Sinn, dass Victoria diese väterliche Anrede erwähnt hatte. Sie verstand jetzt auch, warum ihre Freundin bei der Erinnerung daran gelächelt hatte. Peter meinte es nicht abschätzig, es war einfach seine Art. Sie sah den Hang hinauf, um sicherzugehen, dass der alte Bergführer sie nicht hören konnte. „Wir haben Peter gebeten, uns in unserer Frage weiterzuhelfen“, sagte sie ruhig. „Er hat ein langes Leben hinter sich. Er hat es mit Gott gelebt, und er weiß, was er tut.“

Christophers Lippen bebten. „Hör zu, Susan“, sagte er heiser. „Ich habe nicht gesagt, dass er kein frommer Mann ist oder nicht weiß, was er tut, okay? Aber ich weiß einfach nicht, was er von mir will.“ Er seufzte. „Das Ganze ist einfach total frustrierend.“

Susan zögerte. „Chris, ich liebe dich, das weißt du. Aber Peter hat schon recht: Du musst immer alles im Griff haben. Er dagegen weiß, dass es im Leben um mehr geht, als genügend Informationen zu sammeln. Er lebt in der Zuversicht, dass Gott ihm sagen wird, was er tun soll. Wahrscheinlich ist er es längst leid, mit Christen wie dir zu diskutieren. Du hast Angst davor, dass Gott dir tatsächlich sagen könnte, welche Richtung du einschlagen sollst. Ganz tief im Herzen redest du dir ein, dass du dich auf seinem Weg befindest. Aber du willst seine Antwort gar nicht abwarten. Stimmt’s?“

„Vielleicht …“, gab Christopher zurück. „Aber jetzt bin ich doch hier, oder? Wahrscheinlich bin ich mit Peter einfach nicht auf einer Wellenlänge.“

Auch ohne die Hilfe des Bergführers war es nicht schwer, den Lagerplatz zu finden. Christopher und Susan mussten einfach nur dem Lärm folgen, den der alte Mann in den schweigenden Wäldern verursachte. „Warum um Himmels willen macht er bloß so einen Krach?“

In der Nähe einer Feuerstelle aus großen Steinen entdeckten sie Peters Rucksack, der an einem Baumstamm lehnte. Susan vermutete, dass die Steine bewusst so angeordnet worden waren – von einsamen Trappern, frierenden Jägern oder müden Cowboys. Daneben lag ein beeindruckender Stapel Feuerholz. Wie hatte ein Mann in Peters Alter in so kurzer Zeit so viel Holz klein machen können – und das ohne Axt? In diesem Moment tauchte Peter mit einem abgestorbenen Ast in den Händen auf. Er schlug ihn gegen eine Fichte, sodass der Ast in kleine Einzelteile zerbarst.

„Setz deinen Rucksack dort neben meinem ab, Christopher. Dann hilf mir bitte, genug Holz zu sammeln, dass es für heute Abend und für morgen zum Frühstück reicht. Susan, zieh deine Schuhe aus und halte die Füße ein wenig in die Quelle dort. Du kannst sie schon hören, gleich da hinten, hinter der kleinen Zeder.“ Jetzt kam er heran. „Der Legende nach hat ein Trapper diesen Lagerplatz angelegt, ein gewisser Honus Jonus. Ich habe dafür aber noch nie Beweise gefunden, obwohl ich ein bisschen nachgeforscht habe. Jedenfalls ist es ein außergewöhnlicher Name. Honus Jonus. Und ein beeindruckendes Plätzchen, nicht wahr?“

Susan und Christopher sahen sich auf dem Lagerplatz um. In der Tat war er überraschend gut ausgestattet. „Ja, sieht so aus“, sagte Christopher und wechselte nun auch zum Du. „Wenn es dir recht ist, Peter, packen wir da oben aus, wo der Boden eben ist, im Schatten des Baumes dort. Scheint mir ein guter Platz zu sein, um das Zelt aufzubauen.“

„Nein, nicht dort“, grummelte Peter. „Nicht unter dieser Kiefer. Sie hat oben im Wipfel zu viel totes Holz, das ist gefährlich. Ladet eure Sachen einfach da neben dem Baumstamm ab. Und dann hilf mir beim Holzsammeln, Christopher.“

Die Spannung zwischen den beiden Männern war Susan unangenehm. Nervös trat sie von einem Fuß auf den anderen, die Augen auf Peters wettergegerbtes Gesicht und seine zusammengekniffenen Augen geheftet.

„Warum muss er selbst bei so einer Kleinigkeit seinen Kopf durchsetzen, Susan?“, zischte Christopher mit angehaltenem Atem. „Ich sehe wirklich keinen Unterschied zwischen diesem Baum und den Tausend anderen, an denen wir heute vorbeigelaufen sind.“ Susan sah ihn flehend an, sodass Christopher verstummte. Fast entschuldigend wandte er sich wieder an Peter. „Ich möchte nicht wegen einer solchen Kleinigkeit mit dir streiten, Peter … Susan, wir laden unsere Sachen für’s Erste da oben ab.“ Mit diesen Worten drehte Christopher sich um und marschierte bergan.

Susan wartete, bis ihr Mann ein gutes Stück weit entfernt war. Dann sagte sie besänftigend zu Peter: „Christopher kann ziemlich stur sein. Er hat in seinem Job eine Menge Verantwortung, weißt du? Er ist intelligent, und er hat Selbstvertrauen.“

„Schön und gut, soll er intelligent sein und voller Selbstvertrauen“, erwiderte der Alte. „Ein guter Zuhörer ist er jedenfalls nicht. Aber das wusstest du ja sicher schon.“ Er wandte sich der Feuerstelle zu und rieb sich die rechte Schulter. „Geh schon, Mädchen. Tu, was er sagt. Ihr beiden müsst euch noch darüber einig werden, wie es morgen weitergehen soll. Ich warte hier unten auf euch.“

Peter sah der jungen Frau noch einmal in die Augen. Sein Blick schien sorgenvoll. „Susan, ich kann das nicht für dich übernehmen. Es liegt an dir und an Christopher zu entscheiden, ob ihr nach rechts oder nach links geht.“ Dann wurde er ernst. „Eines musst du wissen: Ich mag Christopher wirklich. Er hat Mumm in den Knochen. Und ihm ist die Bibel wichtig. Das gefällt mir. Aber gerade jetzt wird unsere Unternehmung ein wenig unschön werden, und das tut mir leid.“

Susan lächelte und war selbst überrascht, als sie die Hand ausstreckte und Peter sanft die Schulter drückte. „Danke, Peter. Mehr kann ich nicht verlangen.“

Von oben erklang jetzt Christophers Stimme. „Susan, komm, bring deinen Rucksack her. Ich glaube, der Platz wird dir gefallen. Ganz eben und mit einer fantastischen Aussicht.“

Nach kurzem Zögern begann Susan, den Hang emporzusteigen.

***

Peter versuchte das Gespräch seiner beiden Begleiter zu ignorieren, das von ihrem Lagerplatz gedämpft zu ihm herüberdrang, indem er seine Gedanken mit schönen Erinnerungen an diesen Ort beschäftigte. Während er die Steine um die Feuerstelle neu arrangierte, pfiff er „I Saw Her Standing There“ von den Beatles. Dabei hörte er das junge Paar leise lachen.

Schließlich kamen die beiden herunter, und Christopher setzte sich auf den Baumstamm neben der Feuerstelle. Er griff sich einen Stock und stocherte damit in den Tannennadeln auf dem staubigen Boden. Susan hockte sich neben ihn.

Peter bückte sich, stellte seinen Campingkocher neben dem Baumstamm auf, und nahm dann auf einem großen Stein daneben Platz. „Und? Habt ihr entschieden, auf welchen Weg Gott euch führt? Nach Kern Flat oder Tunnel Meadows?“

In diesem Moment hielt der Berg den Atem an, und der Wind legte sich. Etwas weiter oben keckerten einige Streifenhörnchen, die miteinander Fangen spielten.

„Sie meinen, ob Susan entschieden hat“, gab Christopher zurück. Er klang resigniert und erregt zugleich. „Ich verstehe einfach nicht, was Gott damit zu tun hat, welche Richtung wir uns aussuchen.“

Peter überhörte seinen Tonfall. „Zum jetzigen Zeitpunkt hängt noch sehr wenig davon ab, was unser endgültiges Ziel sein wird. Gott weiß zwar schon, wohin er euch führt. Aber seine Hand wirkt weniger in der Entscheidung, ob wir rechts oder links gehen. Sie greift vielmehr tief in euer Herz hinein. Wie ist es darum bestellt? Hier kommt jetzt Peters erste Glaubensregel ins Spiel: Gott weiß genau, wer seine Führung erkennt: Menschen, denen Jesus über alles geht, hingebungsvolle, selbstlose Jünger.“

Christopher blickte von den Tannennadeln hoch. „So wie damals, als Gott den Israeliten den Sieg über die Philister schenken wollte und der Hirtenjunge David der Einzige war, der das sehen konnte? David hatte Gott vertraut, wenn er gegen wilde Tiere kämpfte, Löwen und Bären. Er war bereit, Gottes Führung zu erkennen, weil sein Herz vor Gott aufrichtig war.“

„Das perfekte biblische Beispiel für das, wovon ich rede, Christopher.“ Peter lehnte sich vor und lächelte. Christophers Nacken entspannte sich ein wenig. Ein gutes Zeichen, dass die Verbissenheit des jungen Mannes zum großen Teil aus einer guten Quelle stammte – aus seinem Vertrauen in die Wahrheit der Heiligen Schrift.

„Gott ist es egal, ob wir links oder rechts gehen?“, mischte sich Susan jetzt ein. „Du hast gesagt, Gott würde uns schon zeigen, in welche Richtung wir gehen sollen. Und darüber haben wir da oben diskutiert. Von einer Glaubensregel hast du nichts gesagt.“

„Geheimnis Nummer zwei von acht Geheimnissen über den Willen Gottes“, antwortete Peter.

„Sind das dieselben Geheimnisse, die du auch Mark und Victoria verraten hast?“, fragte Christopher und klang plötzlich interessiert.

„Genau“, erwiderte Peter. „Über das erste haben wir bereits gesprochen: Gott braucht deine Fähigkeiten nicht, um dich zu führen. Aber du musst seiner Macht vertrauen, um seine Führung zu erkennen. Das ist die grundlegende Wahrheit, wenn man Gottes Willen erkennen will. Die meisten Menschen glauben nun, dass der nächste Schritt der ist, herauszufinden, zu welchem Ziel Gott sie führt. Allzu oft suchen Menschen außerhalb statt in sich selbst, um den Weg zu finden, auf den Gott sie führen will. Aber wenn wir die Bibel lesen, lernen wir, dass wir vor allem fragen müssen, was Gott in uns sieht. Erst dann können wir anfangen, danach zu fragen, wohin er uns wohl führt. Wenn Gott seinen Willen einem Menschen mitteilt, dessen Herz ihm nicht zugewandt ist, dann wird dieses Herz die Botschaft missverstehen, weil es nicht nach Wahrheit sucht. Ein solcher Mensch wird einfach nur seinen eigenen Willen durchsetzen wollen.“

Susan lehnte sich vor und hob ratlos die Hände. „Aber Peter! Du hast doch gesagt, dass Gott ganz genau will, dass wir morgen früh entweder nach rechts oder nach links gehen. Und das ist doch etwas, das nicht in uns, sondern außerhalb von uns liegt. Dann werden wir also wieder nicht wissen, welche Richtung wir einschlagen sollen.“

„Nein!“ Peter schüttelte den Kopf. „So läuft das nicht. Gott macht es ganz klar, was in unserer Verantwortung liegt und wonach wir in unserem Inneren Ausschau halten sollten, damit wir seine Führung erkennen.“

„Schön. Und wie genau macht er das?“ Susan klang, als fühle sie sich verraten.

Peter wurde klar, dass sie denken musste, er habe sich in dieser Diskussion auf Christophers Seite geschlagen. „Beziehung“, erwiderte er mit einem Lächeln. Dann begann er zu erklären: „Wenn Gott erst einmal mein Herz für sich gewonnen hat, werde ich für seine Führung offen sein, und er weiß, dass ich immer das wählen werde, was er will. Sein Wille für mich hat sich überhaupt nicht verändert. Was sich verändert hat, ist mein Herz. Und erst dadurch werde ich in der Lage sein zu erkennen, ob er mich nach links oder nach rechts schickt.“

Peter nahm die Bibel, die er auf den Boden gelegt hatte, und blätterte durch die zerlesenen Seiten. „Römer 12,1-2 fasst das perfekt zusammen. Nach elf Kapiteln über die Gnade Gottes kommt Paulus endlich zum Punkt.“ Langsam las er vor:

Weil ihr Gottes Barmherzigkeit erfahren habt, fordere ich euch auf, liebe Brüder und Schwestern, mit eurem ganzen Leben für Gott da zu sein. Seid ein lebendiges Opfer, das Gott dargebracht wird und ihm gefällt. Ihm auf diese Weise zu dienen, ist die angemessene Antwort auf seine Liebe. Passt euch nicht dieser Welt an, sondern ändert euch, indem ihr euch von Gott völlig neu ausrichten lasst. Nur dann könnt ihr beurteilen, was Gottes Wille ist, was gut und vollkommen ist und was ihm gefällt.

Peter ließ die Bibel in seinen Schoß sinken. „Die Übersetzungen sind unterschiedlich. Aber im griechischen Text ist ganz klar, dass ein Großteil des Römerbriefs sich damit befasst, wie man den Willen Gottes erkennt. ,Weil‘ ist griechisch dia, glaube ich.“ Peter sah ins Tal hinab, als versuche er, sich an das richtige Wort zu erinnern. „Jedenfalls deutet dieses Wort auf all das zurück, was Paulus vorher entfaltet hat – all die Beweise für Gottes Barmherzigkeit, die wir nicht verdienen. Und dann fährt Paulus fort: ,Ich fordere euch auf, mit eurem ganzen Leben für Gott da zu sein.‘ Das bedeutet, dass er es ist, der unser Leben im Griff hat, Christopher, und dass wir das zulassen. Dann benutzt Paulus ein interessantes Wort: logikän. Es hat eine doppelte Bedeutung und meint sowohl Anbetung, Gottesdienst, als auch vernünftige Entscheidungen. Unser logisch kommt daher … Was Paulus hier also sagt, Kinder, ist Folgendes: Trefft die vernünftige Entscheidung, ihn anzubeten, indem ihr ihm, dem Barmherzigen, euer ganzes Leben gebt. Und schließlich stellt er noch einen Bezug zum Willen Gottes her, indem er sagt: Wenn wir das tun, werden wir den Willen Gottes erkennen, indem wir ihn ,prüfen‘ oder ,erfahren‘. Er redet auch nicht so ganz allgemein vom Willen Gottes, sondern von dem, was ,gut und vollkommen ist und was ihm gefällt‘.“

Während Peters Worten hatte der Wind aufgefrischt und trieb nun kleine Spätnachmittagswolken über den Himmel, die ihre Schatten über den Lagerplatz warfen. Die Baumwipfel sangen harmonisch im Wind, ließen neue Melodien ertönen und summten uralte Lieder.

„Ich mute euch hier eine ganze Menge zu, während ihr auf einem alten Baumstamm mitten in Gottes unglaublich schöner Natur sitzt, nicht wahr?“, bemerkte Peter. „Und es tut mir leid, dass ich so ins Detail gehen muss. Trotzdem: Hier haben wir die wichtigste Stelle im Neuen Testament zu der Frage, wie man den Willen Gottes erkennt. Entscheidend dafür ist unsere Beziehung zu dem großen, wunderbaren Gott. Nur wenn man ihm das ganze Leben hingibt, weil man seiner Barmherzigkeit und Gnade vertraut, kann man seinen guten und vollkommenen Willen erkennen. Und um das tun zu können, muss man in sein eigenes Herz geblickt haben. Nur ihr selbst und Gott wisst, ob ihr seiner Gnade genug vertraut, um ihm euer Herz hinzugeben.“

„Letztes Jahr haben wir in unserem Frauenhauskreis den Römerbrief gelesen“, warf Susan ein. „Aber das, was du jetzt sagst, ist mir völlig entgangen.“

„Ich habe mir schon lange gewünscht, die Bibel in den Originalsprachen lesen zu können“, ergänzte Christopher. „Kennst du noch mehr solcher Stellen?“

„Natürlich“, erwiderte Peter. „Ich habe viel Zeit damit verbracht, die Psalmen zu studieren. Anfangs war ich überrascht, wie oft die Psalmbeter Gott anflehen, ihnen seinen Willen zu offenbaren, oder wie oft sie betonen, dass sie seinen Willen kennen. Am meisten hat mich dabei erstaunt, wie viel Wert diese Psalmen auf die Beziehung legen. Das sind keine Handbücher ,Wie erkenne ich Gottes Willen?‘ oder ,Wie erkenne ich Gott?‘. Die Psalmbeter haben verstanden, dass Gott sich nicht von den drängenden Forderungen seines Volkes manipulieren lässt. Er bietet uns auch keine magischen Formeln, die uns seinen Segen garantieren. Aber sie erkannten: Ihre eigenen Wege waren für sie umso klarer, je mehr ihr Vertrauen zu Gott wuchs.“

Peter blätterte in seiner Bibel zurück, bis er die Psalmen gefunden hatte. „Hier, Psalm 73,28. Da schreibt Asaph, der Vorsänger von König David: ‚Ich aber darf dir immer nahe sein, mein Herr und Gott; das ist mein ganzes Glück!‘ Dieser Asaph war ein echter Pionier, was den Willen Gottes angeht. Lange bevor Paulus überhaupt geboren war, glaubte er an das, was der Apostel in Römer 12 sagt. Er wusste: Zuallererst kommt es darauf an, Gott nah zu sein. Die Bibel sagt also: Eine enge Beziehung ist nötig, wenn man nach Gottes Willen leben will.“

Susan räusperte sich verunsichert. „Irgendwie hört sich das an wie: Vertrau Gott, diene ihm und gib es auf herauszufinden, was er genau für dich will. Wenn es so ist, weiß ich nicht, was wir überhaupt hier machen. Fahren wir doch nach Hause und dienen Gott dort.“

Christopher musste grinsen. „Für mich klingt das ganz plausibel. Unsere Sache ist es, Gott zu vertrauen. Und dann führt er uns durch sein Wort … und durch unseren Verstand“, sagte er, während er das letzte Wort besonders betonte.

Der Wind rauschte jetzt lauter in den Baumkronen und ließ seine Botschaft für alle Kreaturen des Hochlands ertönen und für alle Menschen, die nur zu Besuch hier waren.

„Das ist nicht ganz das, was ich gesagt habe, Christopher.“ Peter schüttelte bedächtig den Kopf. „Römer 12 lädt uns ein zu einer engen Beziehung – einer Beziehung, in der ein Mensch sich ganz auf Gott einlässt, sich Gott ganz überlässt. Das ist der offenbarte Wille Gottes für jeden Christen – sich ganz auf ihn einzulassen. Die Frage ist also nicht: Führt Gott Menschen, die an ihn glauben? Die Frage ist: Bin ich ein solcher Christ, der Gottes Führung erkennen kann?“

Gedankenversunken studierte Peter weiter seine Bibel. „Wenn wir sicher sind, dass die Beschreibung ,sich ganz auf Gott verlassen‘ auf uns zutrifft, dann können wir weitergehen – und zwar im vollen Vertrauen, dass wir in der Lage sind, Gottes Führung zu erkennen. Hier ist mein Lieblingsvers im Blick auf das Geheimnis, wie man den Willen Gottes erkennt: Psalm 25,14. Wie beim Römerbrief, gibt es auch dafür unterschiedliche Übersetzungen. Aber wörtlich heißt es: ,Der Ratschlag des Herrn gehört denen, die ihn fürchten.‘ Ich verstehe ‚Ratschlag‘ hier als anderen Ausdruck für ‚Führung‘. Und das hebräische Verständnis von ‚Gott fürchten‘ ist: ihm genug vertrauen, um zu tun, was er sagt. Ich würde Psalm 25,14 also so übersetzen: ,Wer dem Herrn vertrauensvoll gehorcht, erfährt, dass er ihn führt.‘ Ihr merkt“, ergänzte Peter, „es kommt auf unsere Herzen an und darauf, wie sehr wir Gott lieben und ihm vertrauen.“

In diesem Moment fuhr eine jähe Windbö durch die Baumwipfel. Von weiter oben am Berghang zerbarst Holz mit lautem Krachen, und es gab einen heftigen Aufschlag. Erschrocken fuhren die drei Wanderer herum und starrten auf den mächtigen Ast, der durch den Aufprall in den Waldboden getrieben worden war. Mit aufgerissenen Augen wandte sich Susan zu Christopher um, der wie erstarrt dasaß, den Blick auf den Kiefernast geheftet. Er hatte sich genau an der Stelle in den Boden gebohrt, an der ihr Mann das Zelt hatte aufstellen wollen.

„Christopher!“, sagte Susan jetzt in die angespannte Stille. „Ich habe wirklich Angst. Hier geht es nicht darum, deinen Willen durchzusetzen. Du wirst ab jetzt auf Peter hören müssen, verstehst du?“ Die junge Frau kämpfte mit den Tränen. „Ich kenne dich. Du wolltest ihm nur beweisen, wie klug du bist und dass du gut allein klarkommst. Das spielt aber hier oben keine Rolle. Peter versucht uns zu helfen. Aber das kann er nur, wenn du aufhörst, deine Machtspielchen zu spielen.“

Christophers Augen verrieten, wie erschrocken er selbst war. „Das wollte ich nicht“, erwiderte er kleinlaut. „Peter, warum hast du mir nicht gesagt, warum wir unser Zelt nicht da oben aufbauen sollten?“

Der Alte stand auf, ging zu Susan und legte ihr den Arm um die bebenden Schultern. „Wir nennen solche Bäume ‚Witwenmacher‘. Die Forstleute warnen die Touristen davor, aber jedes Jahr kommen Menschen um. Sie wollen unbedingt im Schatten eines alten, halb toten Baumes wie dem campen, der da gerade zugeschlagen hat. Sie wollen es einfach besser wissen als die Fachleute. Es ist Zeitverschwendung zu versuchen, solche Wanderer zu schützen. Sie wollen gar nicht zuhören und finden sich zu clever, um kompetente Führung von jemandem anzunehmen.“ Peter überlegte einen Moment. „Und das ist genau das, was ich meine. So jemandem könnte Gott höchstpersönlich mitteilen, dass es unklug ist, unter einem Witwenmacherbaum zu campen – er würde nicht darauf hören. Und dann muss er die Konsequenzen dafür tragen, dass er Gott nicht genug vertraut, um zu tun, was er sagt.“

Christopher starrte immer noch auf den Platz, an dem sie ihre Rucksäcke abgelegt hatten. „Das war knapp. Der Ast hätte uns umbringen können.“ Er kniff die Lippen zusammen. „Du hättest eindringlicher versuchen sollen, mich zu überzeugen, Peter.“ Der Alte trat jetzt direkt vor Christopher und legte ihm beide Hände auf die Schultern.

„Ich hätte damit nur meine Zeit verschwendet“, wiederholte er besänftigend. „Da unten in der Stadt, Christopher, da bist du intelligenter als viele andere. Hier oben dagegen bist du begriffsstutziger als die meisten anderen. Intelligent zu sein, ist nicht dasselbe wie weise zu sein. Ein weiser Mensch ist intelligent genug zuzugeben, wenn er sich geirrt hat. Das Hochland macht Menschen bescheiden, Christopher.“

Peter sah Furcht in den Augen des jungen Mannes und fuhr fort: „Du musst Gott dein Herz schenken, mein Junge. Nicht nur theoretisch. Nicht nur, wenn du gerade Lust darauf hast, Gutes von ihm zu bekommen. Sondern wirklich und immer. Er ist weiser als du, und ihm ist mehr an deinem Herzen gelegen als an deinen Erfolgen.“

Unsicher sah Christopher ihn an.

„Gewöhne dich dran, dir belämmert vorzukommen“, beendete Peter das peinliche Schweigen. „Das bringt diese Gegend so mit sich. Es hat noch niemand den Willen Gottes durch besondere Cleverness erkannt.“ Peter setzte sich wieder.

Immer noch fassungslos fotografierte Susan den Ast, der sich zwischen ihren Rucksäcken in den Boden gebohrt hatte.

„Wir sollten jetzt besser die Zelte aufbauen“, sagte Peter und warf ihr einen Blick zu. „Und währenddessen könnt ihr verdauen, was ich gesagt habe. Die Frage ist nicht: ,Führt Gott Menschen konkret?‘ Ja, das tut er. Die Frage ist: ,Bin ich ein Christ, der Gottes Führung erkennt? Folge ich Jesus von ganzem Herzen?‘“

Peter machte eine kleine Pause. „Das ist Geheimnis Nummer zwei. ,Der Herr zieht die Menschen, die ihn ernst nehmen, ins Vertrauen‘ – Psalm 25,14. Setzt also alles daran, Jesus von ganzem Herzen zu folgen.“

Die Sonne brach durch die Baumkronen und malte ein unscharfes Dreieck über den Steinkreis der Feuerstelle. Ein Windstoß wirbelte die kalte Asche aus längst erloschenen Feuern auf.

Die Feuerprobe

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