Читать книгу Tarzan – Band 3 – Tarzans Tiere - Edgar Rice Burroughs - Страница 10

Mugambi, der Häuptling der Wagambi

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So oft Tar­zan bis­her das gan­ze Küs­ten­ge­biet der In­sel durch­streift hat­te und dann an ei­ni­gen Stel­len auch ins In­ne­re ein­ge­drun­gen war, wur­de es ihm im­mer wie­der zur Ge­wiss­heit, dass hier kein mensch­li­ches We­sen wohn­te.

Ein Irr­tum schi­en ihm aus­ge­schlos­sen, denn nie konn­te er auch nur die ge­rings­te Spur ent­de­cken, die we­nigs­tens auf einen vor­über­ge­hen­den Auf­ent­halt von Men­schen an die­sen Ge­sta­den hät­te schlie­ßen las­sen. Er wuss­te al­ler­dings auch, dass die üp­pi­ge Tro­penve­ge­ta­ti­on all­zu rasch al­les und je­des un­ter sich be­gräbt, was nicht als fest­ge­grün­de­tes und hoch­ra­gen­des Wahr­zei­chen schaf­fen­der Men­schen­hand län­ge­re Le­bens­dau­er ver­spricht.

Am Tage nach Nu­mas Tod stie­ßen Tar­zan und Shee­ta auf Akut und des­sen Stamm. Als die­se den Leo­par­den er­blick­ten, nah­men sie Reiß­aus, doch ka­men sie nach ei­ni­ger Zeit auf Tar­zans Zu­re­den zu­rück.

Es war ihm ein­ge­fal­len, dass er schließ­lich den Ver­such ma­chen kön­ne, die al­ten Erb­fein­de mit­ein­an­der zu ver­söh­nen. Er be­grüß­te über­haupt jede Ablen­kung von sei­nen oft trü­ben Ge­dan­ken, die ihm be­son­ders in Stun­den der Un­tä­tig­keit zu schaf­fen mach­ten.

Die Mit­tei­lung sei­nes Pla­nes an die Af­fen schi­en ihm kei­nes­wegs be­son­ders schwie­rig, wenn ihr gan­zer Sprach­schatz auch nur mit dem Al­ler­nö­tigs­ten und Ein­fachs­ten rech­ne­te. An­ders stand es da mit dem klei­nen und auf heim­tücki­sche Über­fäl­le ein­ge­stell­ten Hirn Shee­tas! Ihm be­greif­lich zu ma­chen, dass er von jetzt an statt Jä­ger Jagd­ge­nos­se sei­ner na­tür­li­chen Erb­fein­de sein soll­te, das schi­en selbst über die Kraft des Af­fen­menschen zu ge­hen.

Tar­zan hat­te un­ter sei­nen be­kann­ten Waf­fen einen hand­fes­ten Knüt­tel; den nahm er jetzt und be­ar­bei­te­te mit ihm das knur­ren­de Kat­zen­tier, nach­dem er ihm zur Si­che­rung sei­ne Sch­lin­ge um den Hals ge­wor­fen hat­te. Er woll­te so dem Tie­re gleich­sam ein­häm­mern, dass es die großen zot­ti­gen, men­schen­ähn­li­chen Ge­schöp­fe auf kei­nen Fall an­grei­fen dür­fe. Die­se rück­ten noch nä­her her­an, als sie die Be­deu­tung der Sch­lin­ge um Shee­tas Na­cken er­fasst hat­ten.

Es war wie ein Wun­der, dass die Kat­ze sich nicht mit ra­scher Wen­dung auf Tar­zan stürz­te und ihn zer­riss; doch lag das wohl dar­an, dass der Af­fen­mensch zwei­mal ihr dro­hen­des Ge­knurr mit ei­nem mäch­ti­gen Schlag auf ihre emp­find­li­che Nase be­ant­wor­tet hat­te. Er rech­ne­te da­mit, ihr so am bes­ten nach­hal­ti­gen Re­spekt vor dem Knüt­tel und den Af­fen­tie­ren, die hin­ter ihm stan­den, ein­zu­flö­ßen.

Frag­lich scheint es je­doch, ob die ur­sprüng­li­che Ver­an­las­sung der An­häng­lich­keit des Tie­res an Tar­zan auch hier noch dem Leo­par­den deut­lich be­wusst war, wenn auch zwei­fel­los hier­bei un­ter­be­wuss­te Strö­mun­gen – durch das ge­mein­sa­me Le­ben er­hal­ten und ge­för­dert – eine große Rol­le spiel­ten. Denn je­dem an­de­ren wür­de Shee­ta an den Hals ge­sprun­gen sein, wenn er ihm zu­ge­mu­tet hät­te, sich durch Züch­ti­gung mit blo­ßer Hand ein­schüch­tern zu las­sen.

Dann moch­te auch die un­heim­li­che Macht mensch­li­chen Ver­stan­des ihre un­sicht­ba­ren Fes­seln die­ser Krea­tur auf­ge­zwun­gen ha­ben; in ihr lag letz­ten En­des über­haupt der Schlüs­sel zu der ei­gen­ar­ti­gen Über­le­gen­heit Tar­zans über Shee­ta wie über all die an­de­ren wil­den Tie­re des Dschun­gels, die in ihm ih­ren un­über­wind­li­chen Be­herr­scher er­ken­nen muss­ten. – Sei dem wie ihm wol­le: Leo­pard und Groß­af­fen durch­streif­ten ihre Jagd­grün­de Sei­te an Sei­te, grif­fen ge­mein­sam ihre Op­fer und teil­ten sich in die Beu­te.

Und kei­ner von dem gan­zen wil­den Trupp tat schreck­li­cher in al­lem mit, als die­ses glat­thäu­ti­ge, mäch­ti­ge Tier, das noch vor ei­ni­gen Mo­na­ten eine be­kann­te und be­lieb­te Er­schei­nung in der Lon­do­ner Ge­sell­schaft ge­we­sen.

Bis­wei­len trenn­ten sich die Tie­re auch für ein paar Stun­den oder einen Tag, wenn sie ir­gen­det­was Be­son­de­res vor­hat­ten. So war der Af­fen­mensch ein­mal auf hal­ber Höhe der Bäu­me durch den Wald nach dem Stran­de ge­klet­tert und hat­te sich dort in der hei­ßen Mit­tags­son­ne in den Sand ge­streckt.

Zwei schar­fe Au­gen lug­ten von ei­nem nied­ri­gen Hü­gel am Was­ser auf ihn her­ab …

Fürs ers­te füll­ten die­se Au­gen sich mit ei­nem Aus­druck des Er­stau­nens: Was soll­te die­ser stark­kno­chi­ge wei­ße Mensch hier in der glü­hen­den Tro­pen­son­ne? Wa­rum war er nackend und ging wie ein Wil­der da­her? Dann wur­de ein Zei­chen nach rück­wärts ge­macht; so­gleich rich­te­ten sich zwei an­de­re Au­gen hin­un­ter auf den Af­fen­menschen, und im­mer mehr und mehr tauch­ten auf, bis ein gan­zer Trupp bunt auf­ge­putz­ter Krie­ger auf dem Bau­che lie­gend den Kamm des Hü­gels säum­te. Kampf­lüs­tern mach­ten sie sich an den weiß­häu­ti­gen Fremd­ling her­an.

Der Wind kam ih­nen ent­ge­gen und trug Tar­zan des­halb ih­ren Ge­ruch nicht zu. Er lag halb mit dem Rücken ge­gen sie, merk­te es also nicht, als sie vom Hü­gel her­ab und durch das hoch em­por­ge­wu­cher­te Gras auf sein Strand­la­ger zu schli­chen. Es wa­ren al­les zu­sam­men wil­de, un­ge­schlach­te Bur­schen: Ihr fremd­ar­ti­ger Kopf­putz, die gro­tesk be­mal­ten Ge­sich­ter und das gan­ze Drum und Dran von Me­tall­schmuck und bunt­schil­lern­den Fe­dern ver­stärk­ten die­sen Ein­druck noch. Als sie den Hü­gel hin­ter sich hat­ten, rück­ten sie vor­sich­tig Schritt für Schritt in ge­duck­ter Hal­tung nä­her und nä­her an den wei­ßen Mann her­an, der sich so ah­nungs­los im San­de sonn­te. Dro­hend schwan­gen sie ihre schwe­ren Kampf­keu­len.

Tar­zan litt wie­der ein­mal sehr un­ter sei­ner ihn tief be­drücken­den Schwer­mut, die in den Sor­gen um sein und der Sei­nen Schick­sal ihre Nah­rung fand und sei­ne sonst so schar­fen Sin­ne gleich­sam um­schlei­er­te. Da­her hat­te er es auch gar nicht be­merkt, dass er nicht mehr al­lein am Stran­de war; ja um ein Haar wä­ren die Wil­den un­be­merkt über ihn her­ge­fal­len … Er war je­doch so­fort auf den Bei­nen, als er mit ei­nem Male merk­te, dass ir­gen­det­was hin­ter sei­nem Rücken vor­ging; denn et­was Ver­däch­ti­ges hö­ren und im Bruch­teil ei­ner Se­kun­de mit al­len Fa­sern zum Han­deln be­reit zu sein, das steck­te ihm in Fleisch und Blut. Mit gel­len­dem Ge­schrei und ge­schwun­ge­nen Keu­len stürm­ten die Wil­den her­an, doch gleich den vor­ders­ten er­le­dig­te er mit ei­nem ge­wal­ti­gen Schlag. Schon um­ring­ten sie den hoch­ra­gen­den, seh­ni­gen Geg­ner, doch des­sen wuch­ti­ger Knüt­tel saus­te rechts und links und über­all auf sie nie­der und warf ihre Rei­hen in wil­der Pa­nik zu­rück.

In ei­ni­ger Ent­fer­nung be­rie­ten die Über­le­ben­den, was nun zu tun sei. Der Af­fen­mensch er­war­te­te je­doch ru­hig und mit ver­schränk­ten Ar­men ih­ren neu­en An­griff. Dies­mal rück­ten sie mit ih­ren ver­der­ben­brin­gen­den Spee­ren an, und bald hat­ten sie Tar­zan in ei­nem en­gen Halb­kreis vom Dschun­gel her um­zin­gelt.

Wenn sie ihn jetzt alle auf ein­mal mit ei­nem Ha­gel von Spee­ren über­schüt­tet hät­ten, wäre er kaum le­bend da­von­ge­kom­men. Woll­te er also nicht die Ket­te der Wil­den in ra­sen­dem An­sturm durch­bre­chen, so blieb ihm nur das Meer in sei­nem Rücken als ein­zi­ger Ret­tungs­weg.

Sei­ne Lage war ge­ra­de­zu ver­zwei­felt. Doch plötz­lich ver­zog sich das Lä­cheln, das im­mer noch nicht von sei­nem Ge­sicht ge­wi­chen war, zu ei­nem brei­ten La­chen. Die Schwar­zen hiel­ten sich im­mer noch zu­rück: Mit großem Ge­tö­se und un­ter gel­len­dem Ge­heul spran­gen sie in wil­dem Kriegs­tan­ze auf und nie­der; man hör­te da­zwi­schen deut­lich, wie die nack­ten Füße klat­schend den Bo­den be­rühr­ten. Ein selt­sa­mes Schau­spiel!

Doch mit ei­nem Male er­hob der Af­fen­mensch sei­ne Stim­me zu ei­nem lan­gan­hal­ten­den un­heim­li­chen Kampf­ruf. Wie vom Schla­ge ge­rührt bra­chen die Schwar­zen ihre Tan­ze­rei ab, und ängst­lich fra­gend such­te ei­ner des an­de­ren Blick. Das war ein Brül­len, wie sie es bis­her noch nie ver­nom­men hat­ten, ein Brül­len, dem selbst ihr wü­ten­des Kampf­ge­heul nicht gleich­kam. Kei­ner Men­schen­keh­le konn­te solch furcht­ba­rer Ruf sich ent­rin­gen, das muss­te ein Raub­tier ge­we­sen sein –, und doch sa­hen sie es mit ei­ge­nen Au­gen, wie der wei­ße Mann im­mer noch aus weit ge­öff­ne­tem Mun­de den schre­cken­ge­bie­ten­den Kampf­ruf über den Dschun­gel jag­te.

Nach ein paar Se­kun­den frei­lich wich die Er­star­rung, und in ge­schlos­se­ner Ket­te tanz­ten sie ih­rem Op­fer im­mer nä­her und nä­her. Ein plötz­li­ches Bre­chen im Dschun­gel­ge­strüpp rück­wärts hemm­te von Neu­em ihre Schrit­te. Was da auf­tauch­te, ließ ih­nen vor Ent­set­zen fast die Au­gen aus ih­ren Höh­len tre­ten, und wohl manch mu­ti­ge­res Herz, als es den Wa­gam­bi in der Brust schlug, wür­de bei die­sem An­blick auch ge­zit­tert ha­ben.

Ein statt­li­cher Leo­pard sprang mit fun­keln­den Au­gen und kampf­wü­ti­gen Pran­ken vom Dschun­gel­ran­de her­ab, und hin­ter ihm pol­ternd eine Hor­de rie­si­ger Men­schen­af­fen, halb­ge­bückt über ih­ren kur­z­en krum­men Bei­nen, mit den lan­gen Ar­men die Erde be­rüh­rend. Schwer las­te­te ihr wuch­ti­ger Ober­kör­per auf dem kan­ti­gen Un­ter­bau, und un­be­hol­fen ka­men sie vom Dschun­gel her­über.

Tar­zans Tie­re wa­ren dem Rufe ih­res mäch­ti­gen Ge­fähr­ten ge­folgt!

Und noch ehe sich die Wa­gam­bi von ih­rer Be­stür­zung er­ho­len konn­ten, war ihr Schick­sal be­sie­gelt: Von bei­den Sei­ten brach das Un­heil über sie her­ein, hier die zäh­ne­flet­schen­den Tie­re und dort der Af­fen-Tar­zan.

Zwar emp­fing die­se ein Ha­gel von Spee­ren und mäch­ti­gen Keu­len, zwar muss­ten auch ei­ni­ge Af­fen ihr Le­ben las­sen, aber – die Krie­ger von Ugam­bi wa­ren nicht mehr.

Nur ein ein­zi­ger Krie­ger war nach je­nem gras­über­wu­cher­ten Hü­gel ent­kom­men …

Die­ser eine war Mu­gam­bi, der Häupt­ling der Wa­gam­bi aus dem Lan­de Ugam­bi. Als er in dem üp­pi­gen Pflan­zen­dickicht ver­schwand, folg­ten ihm nur die schar­fen Au­gen des Af­fen­menschen, der vom Hü­gel­kamm ge­nau die ein­ge­schla­ge­ne Rich­tung er­ken­nen konn­te.

Er nahm un­ver­züg­lich die Ver­fol­gung des ein­zi­gen Über­le­ben­den auf. Kaum war er am jen­sei­ti­gen Ab­hang der Hü­gel­kup­pe, als ihm auch schon die Ge­stalt des Flüch­ten­den wie­der in Sicht kam. Mit ra­schen Sprün­gen such­te je­ner das lan­ge Kanu zu er­rei­chen, das an den Strand ge­zo­gen und so ge­gen die gisch­ten­de Bran­dung ge­si­chert war.

Laut­los wie des­sen ei­ge­ner Schat­ten sprang der Af­fen­mensch dem von Ent­set­zen ge­fol­ter­ten Schwar­zen nä­her. Ein neu­er Plan war bei dem An­blick des Boo­tes jäh in ihm auf­ge­schos­sen: Wa­ren die­se Leu­te von ei­ner an­de­ren In­sel oder gar vom Fest­land hier­her ge­kom­men, warum soll­te er da nicht al­les nut­zen, was in ih­ren Kräf­ten stand, mit ih­nen den glei­chen Weg zu­rück ein­zu­schla­gen? Ka­men sie von ei­ner In­sel, so wür­den sie ohne Zwei­fel ab und zu si­cher einen Beu­te­zug nach dem Fest­land un­ter­neh­men. Vi­el­leicht aber hat­ten sie über­haupt fes­ten afri­ka­ni­schen Bo­den un­ter den Fü­ßen.

Eine mäch­ti­ge Hand leg­te sich schwer auf die Schul­ter des flüch­ten­den Mu­gam­bi, noch ehe er ge­wahr wur­de, dass ihn je­mand ver­folg­te. Er wand­te sich um und woll­te sich mit ge­ball­ter Faust zur Wehr set­zen. Doch im Au­gen­blick, in dem er zum Ver­tei­di­gungs­schlag weit aus­hol­te, wur­de er von sei­nem rie­si­gen Ver­fol­ger zu Bo­den ge­wor­fen.

Tar­zan re­de­te ihn in der Spra­che der West­afri­ka­ner an. Wer bist du? frag­te er.

Mu­gam­bi, der Häupt­ling der Wa­gam­bi, er­wi­der­te der Schwar­ze.

Ich will dich am Le­ben las­sen, fuhr Tar­zan fort, wenn du mir hilfst, von die­ser In­sel weg­zu­kom­men. Wie stellt du dich dazu?

Hel­fen will ich schon, ent­geg­ne­te Mu­gam­bi, aber jetzt habt ihr mich um alle mei­ne Krie­ger ge­bracht … Ich weiß nicht ein­mal, ob ich selbst je dies Land ver­las­sen kann. Wer soll denn ru­dern? Und ohne vie­le kräf­ti­ge Ru­de­rer brin­gen wir das Kanu nie­mals über das große Was­ser …

Tar­zan er­hob sich und be­deu­te­te dem Schwar­zen, das glei­che zu tun. Der Schwar­ze war ein wohl­ge­bau­ter statt­li­cher Mann in vol­ler Kraft, äu­ßer­lich so recht das Ge­gen­stück zu der glän­zen­den Er­schei­nung des Wei­ßen vor ihm.

Komm mit, sag­te der Af­fen­mensch. Er schlug die Rich­tung ein, aus der das Knur­ren und Schrei­en zu hö­ren war. Mu­gam­bi fuhr zu­rück …

Sie wer­den uns zer­rei­ßen, sag­te er.

Das den­ke ich nicht, er­wi­der­te Tar­zan. Die Tie­re ge­hö­ren mir …

Noch im­mer zö­ger­te der Schwar­ze in der Vor­stel­lung des Ent­set­zens, das ihn er­war­ten muss­te, wenn er sich in die Reich­wei­te je­ner schreck­li­chen Bes­ti­en be­gä­be. Aber Tar­zan zwang ihn zum Mit­ge­hen, und bald hat­ten sie vom Dschun­gel­saum aus das gan­ze Schau­spiel am Mee­res­s­tran­de vor sich. Erst be­grüß­ten die Tie­re die bei­den mit dro­hen­dem Ge­knurr, doch Tar­zan ging un­er­schro­cken an sie her­an, den zit­tern­den Wa­gam­bihäupt­ling nach sich zer­rend.

Wie er die Af­fen mit Shee­ta ver­söhnt hat­te, so soll­ten sie auch Mu­gam­bi in ihre Rei­hen auf­neh­men. Er brach­te ih­nen das viel leich­ter bei. Nur Shee­ta schi­en ab­so­lut nicht be­grei­fen zu kön­nen, dass man ihn her­bei­ge­ru­fen hat­te, um Mu­gam­bis Krie­ger zu zer­flei­schen, und dass es jetzt nicht er­laubt sein soll­te, mit Mu­gam­bi auf glei­che Wei­se kur­z­en Pro­zess zu ma­chen. Er war je­doch ge­ra­de satt und be­gnüg­te sich da­mit, den vor Ent­set­zen an die Stel­le ge­bann­ten Wil­den zu um­krei­sen. Sein tie­fes, dro­hen­des Ge­knurr und die fun­keln­den, fast ent­täusch­ten Au­gen, die kaum einen Mo­ment von dem Schwar­zen ablie­ßen, sag­ten aber ge­nug.

Als Mu­gam­bi dann sah, wie der Rie­sen­mensch mit blo­ßer Hand dem wü­ten­den und un­barm­her­zigs­ten Dschun­gel­tier einen Schlag ver­setz­te, tra­ten ihm sei­ne Au­gen förm­lich aus den Höh­len, und das Miss­trau­en, das er bis­her die­sem star­ken wei­ßen Man­ne im Stil­len ent­ge­gen­ge­bracht hat­te, wan­del­te sich in fast gött­li­che Ver­eh­rung.

Die Dres­sur Shee­tas mach­te so gute Fort­schrit­te, dass Mu­gam­bi ihm bald nicht mehr zu den Ge­schöp­fen zu ge­hö­ren schi­en, die ihm zur Be­frie­di­gung sei­nes Hun­gers be­stimmt wa­ren. Auch der Schwar­ze fühl­te sich jetzt in sei­ner Ge­sell­schaft ein we­nig si­che­rer.

Dass Mu­gam­bi frei­lich in die­ser neu­en Um­ge­bung sich be­son­ders wohl ge­fühlt hät­te, da­von konn­te nicht die Rede sein. So oft nur das eine oder an­de­re von die­sen wil­den Tie­ren An­stal­ten mach­te, ihn et­was nä­her zu be­trach­ten, ließ er sei­ne Au­gen angst­er­füllt in der Run­de her­um­wan­dern, so­dass man fast im­mer nur das Wei­ße in ih­nen sah.

Und je­des Mal, wenn Tar­zan mit Mu­gam­bi, Shee­ta und Akut ei­nem Hir­sche auf­lau­er­ten und die vier sich ge­mein­sam auf den Wink des Af­fen­menschen über das zu Tode ge­hetz­te Wild her­mach­ten, mein­te der Schwar­ze wie­der, das arme Op­fer sei nur vor lau­ter Schreck tot zu­sam­men­ge­bro­chen, noch ehe eine der großen Bes­ti­en zu­ge­packt hat­te.

Mu­gam­bi rös­te­te sich das Beu­te­fleisch un­ter of­fe­nem Feu­er, wäh­rend Tar­zan, Shee­ta und Akut mit ih­rem schar­fen Ge­biss über die ro­hen Stücke her­fie­len und sich ge­hö­rig an­knurr­ten, wenn ei­ner den An­teil des an­de­ren zu schmä­lern such­te.

Es darf nach al­le­dem auch nicht Wun­der neh­men, dass in dem gan­zen Ver­hal­ten des wei­ßen Man­nes weit mehr Ge­mein­sa­mes mit den Raub­tier­na­tu­ren als mit dem wil­den schwar­zen Krie­ger zu­ta­ge trat. Wir alle zu­sam­men ste­hen ja un­ter der Macht der Ge­wohn­heit: und wür­de der schein­ba­re Zwang, der uns zu im­mer ver­än­der­ten Bah­nen und For­men treibt, ein­mal nicht mehr in uns woh­nen, so wür­den wir na­tur­not­wen­dig und leicht in Sit­ten und Ge­bräu­che zu­rück­fal­len, die frü­he­res Her­kom­men und frü­he­re lan­ge Ge­wohn­heit uns gleich­sam wie einen un­tilg­ba­ren Stem­pel auf­ge­drückt ha­ben.

Mu­gam­bi hat­te von Kind auf kein Stück­chen ro­hes Fleisch über die Zäh­ne ge­bracht, wäh­rend Tar­zan jede ir­gend­wie zu­be­rei­te­te Nah­rung bis fast zum Ein­tritt ins Man­nes­al­ter nicht an­ge­rührt hat­te. Erst in den letz­ten Jah­ren hat­te er ge­koch­tes oder ge­bra­te­nes Fleisch zu sich neh­men müs­sen. Jetzt aber hat­te ihn nicht al­lein die Ge­wohn­heit sei­ner frü­he­ren Le­bens­zeit zum Ge­nuss ro­hen Flei­sches ge­trie­ben, nein, eine rich­ti­ge hei­ße Gier da­nach war über ihn ge­kom­men. Fleisch, ir­gend­wie zu­be­rei­tet, war für ihn so viel wie ver­dor­be­nes Fleisch, nicht zu ver­glei­chen mit der war­men, saf­ti­gen Fül­le, die ihm aus dem Flei­sche ei­ner eben er­leg­ten Beu­te ent­ge­gen­dampf­te.

Dass ihm ro­hes Fleisch schmeck­te, das er noch vor Wo­chen ein­fach ver­scharrt hät­te, und dass er so­gar klei­ne Na­ge­tie­re und Kerb­tie­re mit Be­ha­gen ver­zehr­te, ist ge­wiss für uns, die wir im­mer als »zi­vi­li­sier­te Men­schen« ge­lebt ha­ben, so et­was wie eine Re­vo­lu­ti­on des Ge­schmackes. Hät­ten wir aber als Kin­der ge­lernt, der­lei zu es­sen und es über­all in un­se­rer Um­ge­bung nicht an­ders ge­se­hen, so wür­de die­se Kost uns zum min­des­ten nicht schlech­ter be­kom­men sein als vie­le un­se­rer feins­ten Lecker­bis­sen, über die ein Wil­der in Afri­ka die Nase rümpft.

Un­weit vom Ru­dolf-See lebt z. B. ein Stamm, der im Ge­gen­satz zu sei­ner nächs­ten Nach­bar­schaft Ham­mel-und Rind­fleisch gar nicht an­rührt. Und nicht weit von dort er­götzt sich wie­der ein an­de­rer Stamm be­son­ders gern an Esel­fleisch; man stellt mit die­sem sonst all­ge­mein dort ver­ach­te­ten Brau­che ge­ra­de­zu die An­schau­un­gen al­ler an­de­ren auf den Kopf. Wer möch­te also nun be­haup­ten, dass Schne­cken, Frosch­schen­kel oder rohe Aus­tern we­ni­ger ekel­er­re­gend sind als Kerb­tie­re, oder dass der Ap­pe­tit auf rohe Aus­tern et­was Nor­ma­les, der Ge­nuss ei­ner sau­be­ren blut­war­men Hirsch­keu­le et­was Un­ge­heu­er­li­ches sei?

In den nächs­ten Ta­gen web­te sich Tar­zan aus al­ler­lei Pflan­zen­fa­sern des Wal­des ein Se­gel für das Boot, denn er hat­te we­nig Hoff­nung, den Af­fen das Ru­dern bei­zu­brin­gen. Zwar war es ihm ge­lun­gen, ei­ni­ge we­nigs­tens zum Be­stei­gen des Boo­tes zu be­we­gen und dann mit Mu­gam­bi in der durch Rif­fe und Klip­pen fast ab­ge­schlos­se­nen und ru­hi­gen Bucht ein paar klei­ne Pro­be­fahr­ten zu ver­an­stal­ten. Als sie dann ihm und Mu­gam­bi die Ru­der­be­we­gun­gen mit den Ar­men nach­mach­ten, gab er ih­nen die Ru­der in die Hand. Doch schei­ter­te al­les an der man­geln­den Aus­dau­er der Neu­lin­ge, man hät­te es schon auf eine wo­chen­lan­ge Ge­dulds­pro­be an­kom­men las­sen müs­sen, um sie mit dem neu­en Gerät ver­traut zu ma­chen. Und da­bei war es noch frag­lich, ob sie dann im Ernst­fal­le über­haupt mit­ge­macht und auf die Dau­er durch­ge­hal­ten hät­ten. Nur Akut bil­de­te eine rühm­li­che Aus­nah­me. Sei­ne In­tel­li­genz ent­pupp­te sich auch hier als der sei­ner Stam­mes­ge­nos­sen völ­lig über­le­gen, ja er leg­te von An­fang an ein ver­blüf­fen­des In­ter­es­se für die­sen neu­en »Sport« an den Tag. Er schi­en den Sinn des Gan­zen so­gleich zu er­fas­sen, und als Tar­zan dies merk­te, scheu­te er die Mühe nicht, ihn über den vor­teil­haf­tes­ten Ge­brauch der Ru­der auf­zu­klä­ren, wie­wohl in der so un­ent­wi­ckel­ten Men­schen­af­fen­spra­che die pas­sen­den Wor­te schlecht zu fin­den wa­ren.

Von Mu­gam­bi er­fuhr Tar­zan, dass das Fest­land gar nicht weit von die­ser In­sel ent­fernt sei. Die Wa­gam­bi-Krie­ger wa­ren durch Sturm vom Land her und in­fol­ge ho­hen See­gangs ab­ge­trie­ben wor­den. Sie wa­ren die gan­ze Nacht ge­ru­dert, in der Mei­nung, das Boot hal­te den Kurs auf ihr Hei­mat­ge­sta­de. Mit Freu­den­ge­schrei hat­ten sie dann bei Son­nen­auf­gang das Land be­grüßt, in dem sie ihr Ziel, das Fest­land, ver­mu­te­ten. Erst all­mäh­lich sei ih­nen klar ge­wor­den, dass sie auf eine In­sel ver­schla­gen wor­den sei­en. Sie hat­ten aber noch nicht den Mut ge­habt, sich aber­mals dem wil­den Mee­re an­zu­ver­trau­en.

Dem Se­gel trau­te der Wa­gam­bihäupt­ling gar nicht recht, denn er hat­te noch nie et­was Der­ar­ti­ges ge­se­hen. Sein Land lag der Be­schrei­bung nach ziem­lich weit ober­halb der Mün­dung des brei­ten Ugam­bi-Stro­mes, auf des­sen Flu­ten er sich als ers­ter sei­nes Vol­kes bis zum Mee­re vor­ge­wagt hat­te.

Tar­zan war gleich­wohl fest über­zeugt, mit gu­ter West­bri­se auch in dem klei­nen Boot das Fest­land zu er­rei­chen. Schließ­lich schi­en es ihm bes­ser, un­ter­wegs zu­grun­de­zu­ge­hen als ewig auf die­ser In­sel blei­ben zu müs­sen. Hier konn­te man mit der Lan­dung ei­nes Schif­fes über­haupt nicht rech­nen, denn si­cher war die In­sel nicht ein­mal auf ir­gend­ei­ner Kar­te ein­ge­zeich­net. Bei dem ers­ten güns­ti­gen Wind mach­te er das Kanu flott. Noch nie­mals aber war ein Boot mit solch ei­gen­ar­ti­gen und schre­cken­ge­bie­ten­den In­sas­sen un­ter Se­gel ge­gan­gen: Der wil­de »Ka­pi­tän« nahm Mu­gam­bi, Akut, Shee­ta, den Leo­par­den, und ein Dut­zend rie­si­ger Af­fen­män­ner vom Stam­me Akuts mit sich!

Tarzan – Band 3 – Tarzans Tiere

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