Читать книгу Tarzan – Band 3 – Tarzans Tiere - Edgar Rice Burroughs - Страница 8

Wilde Tiere in der Bucht

Оглавление

Lang­sam ent­fal­te­te Tar­zan den Zet­tel, den ihm der Ma­tro­se noch in die Hand ge­drückt hat­te. Er las, fast ohne dass sich die dunklen Schat­ten, die der Schmerz der letz­ten Stun­de über ihn ge­wor­fen, son­der­lich ver­stärk­ten. Dann aber kam ihm der nie­der­träch­ti­ge Ra­che­plan in sei­nem gan­zen Um­fan­ge zu Be­wusst­sein. Der Wort­laut des Schrift­stückes war fol­gen­der:

Die­se Zei­len sol­len Ih­nen Klar­heit über al­les ge­ben, was ich mit Ihrem Kin­de und mit Ih­nen vor­ha­be. Sie sind als Affe ge­bo­ren, Sie leb­ten nackt im Dschun­gel. Also, jetzt sind Sie wie­der dort, wo Sie hin­ge­hö­ren, in Ih­rer Hei­mat. Ihr Kind aber soll schon eine Stu­fe hö­her kom­men als sein Va­ter. Das ist un­ab­än­der­li­ches Na­tur­ge­setz.

Der Va­ter ein wil­des Tier, der Sohn schon ein mensch­li­ches We­sen, al­ler­dings auf der nächs­ten Spros­se der Ent­wick­lungs­lei­ter. Kein nack­tes Dschun­gel­tier, nein, er soll Len­den­schurz und kup­fer­ne Fuß­span­gen ha­ben, viel­leicht auch einen Ring durch die Nase. Wir wol­len ihn ei­nem wil­den Kan­ni­ba­len­stamm zur Er­zie­hung ge­ben.

Ich hät­te Sie ja tö­ten kön­nen, doch da­mit wür­de ich doch nur das Maß der Ih­nen zu­ge­dach­ten und wohl­ver­dien­ten Stra­fe vor­zei­tig her­ab­ge­setzt ha­ben. Ein­mal tot, könn­ten Sie sich lei­der nicht mehr quä­len­den Ge­dan­ken über die Lage Ihres Kin­des hin­ge­ben. So aber wer­den Sie hier in Ohn­macht da­hin­le­ben; nie wer­den Sie von hier ent­rin­nen, nie wer­den Sie nach Ihrem Kin­de su­chen oder ihm hel­fen kön­nen. Är­ge­res als den Tod wer­den Sie in all den Jah­ren Ihres Le­bens er­lei­den, so oft Sie sich des schre­cken­vol­len Da­seins Ihres Kin­des er­in­nern.

Dies soll ein Teil Ih­rer Stra­fe sein, weil Sie es wag­ten, sich mir in den Weg zu stel­len.

N. N.

Nach­schrift: Was an Ih­rer Be­stra­fung noch fehlt, wird Ihre Frau auf sich neh­men müs­sen, und zwar ab heu­te. Ich über­las­se es Ih­nen, sich das aus­zu­ma­len.

Kaum hat­te Tar­zan dies ge­le­sen, als ihn ein schwa­ches Geräusch hin­ter sei­nem Rücken ruck­ar­tig in die raue Wirk­lich­keit zu­rück­ver­setz­te. Fast im Au­gen­blick schie­nen sei­ne Sin­ne wie­der­er­wacht zu sein. Er war wie­der der Af­fen-Tar­zan.

Eine Wen­dung, und vor ihm stand ein un­ge­heu­rer Affe, halb zit­ternd aus ei­nem ge­wis­sen In­stinkt her­aus, sich vor dem Un­be­kann­ten zu si­chern, halb be­reit, je­den Au­gen­blick über ihn her­zu­fal­len.

Zwei Jah­re war es her, seit Tar­zan mit der ge­ret­te­ten Gat­tin Ur­wald und Wild­nis ver­las­sen. Ein we­nig wohl moch­te von sei­ner furcht­ba­ren Kraft in­zwi­schen ge­schwun­den sein, die ihn einst zum un­be­sieg­ten Herr­scher des Dschun­gels ge­macht hat­te. Viel Zeit und Mü­hen hat­te er sei­nen Län­de­rei­en in Uzi­ri wid­men müs­sen, reich, ja über­reich war das Ar­beits­feld ge­we­sen, das sich dort sei­ner bei­na­he über­mensch­li­chen Kraft er­öff­net hat­te. Aber nackt und waf­fen­los kämp­fen sol­len mit solch ei­nem strup­pi­gen, stier­nacki­gen Un­ge­heu­er, wie es jetzt vor ihm stand: Nein, nicht ein­mal in den Jah­ren, da er nur die Wild­nis ge­kannt, wür­de er über einen der­ar­ti­gen Geg­ner ent­zückt ge­we­sen sein.

Doch was blieb ihm jetzt an­de­res, als dem ra­sen­den Tie­re mit den Waf­fen zu be­geg­nen, die die Na­tur ihm ver­lie­hen!

Über des Un­ge­tüms Schul­ter hin­weg ge­wahr­te Tar­zan Köp­fe und Schul­tern von zwölf oder noch mehr die­ser furcht­ba­ren Vet­tern ur­mensch­li­cher We­sen.

Doch wuss­te er we­nigs­tens, dass die gan­ze Schar kaum ge­schlos­sen zum An­griff über­ge­hen wür­de. Noch reich­te ja der Ver­stand der Men­schen­af­fen nicht so weit, um den Wert des »Alle ge­gen einen« über­haupt zu er­fas­sen. An­de­rer­seits war er sich dar­über im Kla­ren, dass sie lan­ge ge­nug die Ge­bie­ter je­ner Land­stri­che sein moch­ten, denn schre­cken­ge­wal­tig schie­nen ihm ihre dro­hen­den Fäus­te und wild­flet­schen­den Fang­zäh­ne.

Mit tie­fem Ge­knurr stürz­te jetzt das Un­ge­tüm auf Tar­zan los, doch der Af­fen­mensch hat­te ge­lernt! Nicht bloß, was all­ge­mein im Rei­che der Zi­vi­li­sa­ti­on auf den Neu­ling ab­färbt. Auch Kampf­me­tho­den wa­ren ihm ver­traut ge­wor­den, die das Dschun­gel­tier nicht kann­te. Noch vor we­ni­gen Jah­ren wür­de er ro­her Ge­walt mit ro­her Ge­walt be­geg­net sein. Jetzt wich er rasch dem an­stür­men­den Fein­de aus. Ein Schritt seit­wärts, das ra­sen­de Un­tier stürz­te ihm nach, aber schon saß ihm ein Schlag der ge­wal­ti­gen Rech­ten in der Ma­gen­gru­be. Ein Wut­ge­heul war die Ant­wort, und vor Schmerz ge­krümmt sank der Men­schen­af­fe zu Bo­den. Ver­ge­bens sein fast au­gen­blick­li­ches Be­mü­hen, wie­der auf die Bei­ne zu kom­men …

Sein wei­ßer Geg­ner war mit ei­ner ra­schen Wen­dung auch schon zur Stel­le; wie ein Ha­bicht stieß er auf ihn nie­der, und die letz­ten Spu­ren ober­fläch­li­cher Zi­vi­li­sa­ti­on wa­ren in je­nem Au­gen­bli­cke wie ein Man­tel von des eng­li­schen Lords Schul­tern her­ab­ge­glit­ten.

Mit ei­nem Male war in ihm wie­der das Dschun­gel­tier gleich­sam neu er­wacht im Rin­gen mit ei­nem von sei­nes­glei­chen. Mit ei­nem Male war er wie­der Tar­zan, Sohn Kalas, der Men­schenäf­fin. Und sei­ne schar­fen, wei­ßen Zäh­ne gru­ben sich tief in des Fein­des zot­ti­gen Hals. Die Schlag­ader! Kraft ball­te sich in sei­nen Fin­gern, die mäch­ti­gen Nä­gel von sei­nem Kör­per ab­zu­weh­ren, und dann saus­ten sie wie ein Dampf­ham­mer auf sei­nen wut­schnau­ben­den Feind her­nie­der.

Rings­um stan­den die üb­ri­gen sei­nes Stam­mes, voll Er­war­tung und nicht ohne eine ge­wis­se Be­lus­ti­gung. Sie knurr­ten Bei­fall, so oft die Fet­zen flo­gen, aber still wur­den sie vor Ent­rüs­tung und Span­nung, als der ge­wal­ti­ge wei­ße Affe auf den Rücken ih­res Kö­nigs loss­prang, mit straff­ge­spann­ten Mus­keln ihn un­ter den Ach­seln pack­te und auf sei­nen feis­ten Rücken nie­der­riss. Da lag der Af­fen­kö­nig im dich­ten Dschun­gel­gra­se, hilf­los, so sehr er sich auch un­ter wil­dem Ge­brüll zu Wehr set­zen moch­te.

Und wie Tar­zan da­mals vor Jah­ren, als er sich auf die Su­che nach Ge­schöp­fen sei­ner Art und Fär­bung ge­macht hat­te, je­nen Ter­kop klein krieg­te, so ging er jetzt mit dem­sel­ben Griff, den ihm ein Zu­fall in je­nem Kamp­fe of­fen­bar­te, auf dies neue ge­wal­ti­ge Un­ge­heu­er los.

Schon moch­te die klei­ne Schar wü­ten­der Men­schen­af­fen das lei­se Knacken ver­neh­men, das sich un­heim­lich in ih­res Kö­nigs schreck­li­ches Jam­mer­ge­brüll misch­te.

Und dann gab es plötz­lich einen Krach, als wür­de ein Baum, eben noch fest und trot­zig in der Erde ver­wur­zelt, vom ra­sen­den Or­kan ge­knickt wie ein Streich­holz. Nach vorn sank das rie­si­ge Haupt, nie­der auf die be­haar­te Brust. Schlaff die Hals­mus­keln, zu Ende das Krei­schen und Ge­brüll …

Die klei­nen »Schwein­sau­gen« der Zuschau­er wan­der­ten un­schlüs­sig von ih­res Füh­rers re­gungs­lo­sem Kör­per zu dem wei­ßen Af­fen. Der er­hob sich und trat zur Sei­te. Und dann bohr­ten sich ihre Bli­cke wie­der in die Ge­stalt ih­res Kö­nigs, gleich als wun­der­ten sie sich, warum er nicht auf­sprän­ge und die­sen ver­mes­se­nen Fremd­ling nie­der­schlü­ge.

Sie sa­hen, wie der Neu­ling sei­nen Fuß in den Na­cken sei­nes Geg­ners setz­te, – und der zuck­te sich nicht! Tar­zan warf mit ei­nem Ruck sein Haupt zu­rück, und un­sag­bar wild ent­quoll sei­ner Keh­le der ge­wal­ti­ge Af­fen-Ruf. Da wuss­ten sie: der Kö­nig war tot.

Und weit­hin trug der Dschun­gel je­nen schreck­li­chen Sie­ger­ruf. Das Schnat­tern der klei­nen Af­fen in den Baum­kro­nen ver­stumm­te, es schwie­gen die Stim­men der bunt­ge­fie­der­ten Vo­gel­welt, und von fern her kam ei­nes Leo­par­den kla­gen­de Ant­wort und das tie­fe Brül­len ei­nes Lö­wen.

Der alte Tar­zan war’s, der sei­ne Au­gen jetzt fra­gend auf die­sen klei­nen Af­fen­trupp vor sich rich­te­te. Der alte Tar­zan, wie er jetzt sein Haupt schüt­tel­te, als hät­te er die Fül­le sei­nes Haa­res aus dem Ge­sich­te zu­rück­zu­wer­fen: Eine alte Ge­wohn­heit aus den Ta­gen, da ihm das Haar in dich­ten schwar­zen Sträh­nen bis auf die Schul­tern her­ab­hing und ihm gar oft den frei­en Blick zu neh­men droh­te, wenn es auf Le­ben und Tod ging.

Tar­zan wuss­te, dass er mit so­for­ti­gem An­griff von ei­nem der Über­le­ben­den – es schi­en ihm, als sei die­ser ganz be­son­ders gut ge­baut, ja als hiel­te er sich al­lein zum Kamp­fe um die Kö­nigs­wür­de sei­nes Stam­mes be­ru­fen – zu rech­nen hat­te. Es war ihm aber auch von frü­her her in der Erin­ne­rung, dass man einen völ­lig Frem­den bis­wei­len in die Stam­mes­ge­mein­schaft auf­nahm, ja dass die­ser sich nach Er­le­di­gung des Kö­nigs so­gar zum Stam­mes­ge­bie­ter und Ober­haupt der al­ten kö­nig­li­chen Fa­mi­lie auf­schwin­gen konn­te.

Wenn er an­der­seits jetzt ih­nen nicht zu fol­gen such­te, wür­den sie sich viel­leicht auch weg­schlei­chen, fort aus sei­nem Be­rei­che, und dann nur un­ter­ein­an­der um die Füh­rer­schaft kämp­fen … Dass er ihr Kö­nig sein kön­ne, wenn er nur woll­te, so viel war ihm klar; nicht aber, ob er auch die man­cher­lei läs­ti­gen Pf­lich­ten, die not­wen­dig mit die­ser Wür­de zu­sam­men­hin­gen, auf sich neh­men woll­te. Denn dar­in lag ja­wohl kein be­son­de­rer Vor­teil.

Der Affe, noch jung, aber mit furcht­ba­ren Mus­keln ge­rüs­tet, rück­te nä­her an ihn her­an. Aus dem weit­ge­öff­ne­ten Mun­de blitz­ten statt­li­che Fang­zäh­ne, und ein tie­fes, un­wil­li­ges Brum­men ließ sich hö­ren.

Wie in Stein ge­mei­ßelt stand Tar­zan da. Kei­ne Re­gung sei­nes Ge­gen­über schi­en ihm zu ent­ge­hen. Ei­nen Schritt zu­rück­wei­chen? Oder sich vor­stür­zen? Bei­des wür­de wohl nur einen un­mit­tel­ba­ren An­griff aus­lö­sen, dach­te er. Oder? Könn­te er nicht auch so den Kampf­lus­ti­gen in die Flucht schla­gen? Nun, das hin­ge eben al­les von des jun­gen Af­fen Mut ab.

Ru­hi­ges Ab­war­ten schi­en ihm also der rech­te Mit­tel­weg zu sein. Brum­mend und zäh­ne­flet­schend wür­de der Affe bis dicht an ihn her­an­kom­men, so fin­gen sie ja ge­wöhn­lich an; er wür­de sich dann ganz vor­sich­tig um ihn her­um­zu­schlei­chen su­chen, im­mer dar­auf aus, sei­ne Schul­ter zu pa­cken. Und so kam es auch.

Soll­te das ein be­son­ders kö­nig­li­cher Trick sein, oder wür­de eine plötz­li­che Re­gung der im­mer un­be­stän­di­gen Af­fen­na­tur plötz­lich und ohne je­den war­nen­den Laut den zot­ti­gen Ko­loß wie einen rei­ßen­den Wolf über sei­nen Geg­ner her­ein­bre­chen las­sen?

Das Un­ge­heu­er kreis­te. Tar­zans Au­gen wi­chen kei­ne Se­kun­de von ihm, denn, so jung es sein moch­te: Es schi­en ihm vollauf eben­bür­tig dem eben ver­en­de­ten Stam­mes­haupt, ihn dünk­te, es wür­de ei­nes Ta­ges oh­ne­hin auch über je­nen her­ge­fal­len sein. Wie wun­der­bar die For­men die­ses Un­tiers, wie es so da­stand und die kur­z­en ge­krümm­ten Bei­ne mit dem wuch­ti­gen Lei­be um mehr als zwei Me­ter über­rag­te! Selbst in die­ser Hal­tung reich­ten sei­ne großen, dicht be­haar­ten Arme bis zur Erde, und wie lang und scharf schie­nen gar die Fang­zäh­ne, als sie jetzt sich dro­hend Tar­zans Ge­sicht zu­wand­ten! Nur we­nig Un­ter­schied glaub­te Tar­zan zwi­schen die­sem Stamm hier und den Af­fen, bei de­nen er sei­ne Ju­gend zu­ge­bracht, zu be­mer­ken.

Zu­erst, als Tar­zan die zot­ti­gen Men­schen­af­fen ge­wahr­te, war es ihm wie ein Hoff­nungs­schim­mer vor­ge­kom­men: Vi­el­leicht hat­te ihn doch die Lau­ne ir­gend­ei­nes un­er­gründ­li­chen Schick­sals nun ge­ra­de zu sei­nem al­ten Stam­me zu­rück­ge­führt? Aber als er jetzt nä­her hin­sah, war er über­zeugt, dass ihm hier doch an­de­re ge­gen­über­stan­den.

Uner­müd­lich kreis­te das Un­ge­tüm wei­ter, hart­nä­ckig blieb es in sei­ner dro­hen­den Hal­tung, und ab und zu schi­en es jetzt zu ei­nem plötz­li­chen Vor­stoß an­zu­set­zen. Als wä­ren sie zwei Hun­de, die ein­an­der zum ers­ten Male in den Weg lie­fen, so kam es ihm vor. Dann fiel ihm mit ei­nem Male ein, dass er doch pro­bie­ren müs­se, ob ei­gent­lich die Spra­che die­ses Af­fen­stam­mes ir­gen­det­was Ge­mein­sa­mes mit der sei­ner al­ten Ge­nos­sen auf­wei­se. Und so wand­te er sich in Ker­schaks wohl­be­kann­ten Lau­ten an sein Ge­gen­über. Wer bist du? frag­te er. Wer wagt sich ge­gen den Af­fen-Tar­zan?

Über­ra­schung flamm­te in des strup­pi­gen Un­ge­heu­ers Au­gen auf.

Akut bin ich, kam die Ant­wort von drü­ben.

Wie Tar­zan ver­mu­te­te: Ganz die glei­chen urein­fa­chen Lau­te, wie die sei­nes al­ten Stam­mes, bei dem er die ers­ten zwan­zig Jah­re sei­nes Le­bens zu­ge­bracht! So we­nig ent­wi­ckelt je­des Wort, dass es gar nicht an­ders sein konn­te.

Akut bin ich, sag­te der Affe. Mo­lak ist tot, jetzt bin ich der Kö­nig. Fort mit dir, oder ich wer­de dich tö­ten.

Du sahst, wie leicht ich Mo­lak tö­te­te, er­wi­der­te Tar­zan. Ver­lang­te ich Kö­nig zu sein, gin­ge es dir eben­so. Aber der Af­fen-Tar­zan will nicht über den Stamm der Akuts herr­schen. Nichts wei­ter will er als fried­lich le­ben in sei­nem Lan­de. Wir wol­len Freun­de sein. Der Af­fen-Tar­zan kann euch hel­fen, ihr könnt dem Af­fen-Tar­zan hel­fen.

Du kannst Akut nicht tö­ten, ent­geg­ne­te der an­de­re. Nie­mand ist so groß wie Akut. Hät­test du Mo­lak nicht ge­tö­tet, wür­de Akut es ge­tan ha­ben, denn Akut war ge­rüs­tet, die Macht an sich zu rei­ßen.

Der Af­fen­mensch ant­wor­te­te hier­auf nur mit ei­nem mäch­ti­gen Sprung nach dem Geg­ner, des­sen Wach­sam­keit wäh­rend die­ses Wort­wech­sels nach­ge­las­sen hat­te.

Im Bruch­teil ei­nes Au­gen­blicks hat­te der Wei­ße den Rie­sen­af­fen am Hand­ge­lenk ge­packt und, ehe der sich ir­gend­wie zur Wehr set­zen konn­te, im Wir­bel her­um­ge­ris­sen. So­gleich auch schwang er sich auf des­sen brei­ten Na­cken und be­gann ihn am Hal­se zu wür­gen.

Und wie er einst Ter­kop sich für Tod oder Le­ben ent­schei­den ließ, so bot Tar­zan jetzt Akut die Wahl zwi­schen Sein oder Nicht­sein; denn er fühl­te, dass je­ner ihm viel­leicht als mäch­ti­ger Ver­bün­de­ter schließ­lich ein­mal nüt­zen kön­ne. Ei­nen an­de­ren Aus­weg gab es nicht: Akut in Freund­schaft mit ihm oder – tot, ge­nau so ins Jen­seits be­för­dert wie er es eben bei sei­nem bis­her un­be­sieg­ten Kö­nig ge­se­hen hat­te.

»Ka-goda?« raun­te Tar­zan dem Af­fen zu.

Die­sel­be Fra­ge hat­te er einst an Ter­kop ge­rich­tet. In der Af­fen­spra­che be­deu­tet das so viel wie: Er­gibst du dich?

Akut däm­mer­te auf, wie er vor­hin Mo­laks Wir­bel kra­chen ge­hört, und ein ei­si­ges Schau­dern über­lief ihn. Er zö­ger­te noch. Soll­te er so auf sein Kö­nigs­recht ver­zich­ten? Doch alle Be­frei­ungs­ver­su­che wa­ren ver­geb­lich. Ein plötz­lich ver­stärk­ter Druck auf sein Ge­nick zwang das »Ka-goda!« von des zu Tode Ge­quäl­ten Lip­pen.

Tar­zan lo­cker­te ein we­nig die ei­ser­ne Klam­mer. Akut, du sollst Kö­nig sein, sag­te er. Sag­te Tar­zan dir nicht, dass ihn nicht nach der Kö­nigs­wür­de ver­langt? So oft nur je­mand dein Recht an­zu­tas­ten sucht: Tar­zan wird dir ein Hel­fer im Strei­te sein.

Der Af­fen­mensch er­hob sich, und Akut kam lang­sam wie­der in die Höhe. Zor­nig schüt­tel­te er sein Haupt und trot­te­te zu sei­nen Stam­mes­ge­nos­sen. Er mus­ter­te einen nach dem an­de­ren, be­son­ders die stär­ke­ren un­ter ih­nen; viel­leicht, dass er auch dort einen Ri­va­len fürch­te­te?

Aber kei­ner rühr­te sich, sie wi­chen ihm förm­lich aus und ver­schwan­den fast au­gen­blick­lich in der Rich­tung, aus der sie ge­kom­men, zu­rück in den Dschun­gel … Und Tar­zan war wie­der al­lein am Stran­de.

Die Wun­den, die Mo­lak ihm ge­schla­gen, schmerz­ten wohl et­was, doch was küm­mer­te ihn das? Ge­las­sen und tap­fer er­trug er es, wie die wil­den Tie­re auch. Die hat­ten ihn ge­lehrt, im Dschun­gel so zu le­ben, wie es alle ta­ten, die dort ihre Hei­mat hat­ten.

Vor al­lem brauch­te er jetzt frei­lich Waf­fen zu An­griff und Ab­wehr; das war ihm klar. Ge­nug­sam war er ge­warnt: Der Zwi­schen­fall mit den Af­fen und das wil­de, wenn auch noch fer­ne Brül­len Nu­mas, des Lö­wen, und Shee­tas, des Leo­par­den! Wohl­be­ha­gen und be­que­me Si­cher­heit wür­de es hier fürs ers­te nicht ge­ben …

Ja, das war ein­fach Rück­kehr zu sei­nem al­ten Le­ben, zu im­mer neu­en Ge­fah­ren, zu Ja­gen und Ge­jagt­wer­den. Furcht­ba­re Tie­re wür­den sich an ihn her­an­schlei­chen, ganz wie da­mals, und nie­mals – nicht bei hel­lich­tem Tage noch in stock­dunklen Näch­ten – wür­de er jene ein­fa­chen Waf­fen bei­sei­te­le­gen kön­nen, die er sich jetzt wie­der mit blo­ßer Hand aus dem, was die Na­tur zu bie­ten hat­te, zu­recht­bas­teln muss­te. Am Stran­de stieß er auf ein halb­ver­wit­ter­tes brü­chi­ges Fels­stück; un­ter un­säg­li­chen Mü­hen und nach vie­len Fehl­schlä­gen ge­lang es ihm, ein schma­les Stück gleich­sam her­ab­zu­split­tern: Etwa fünf­und­zwan­zig Zen­ti­me­ter lang war es und da­bei nur etwa drei­vier­tel Zen­ti­me­ter im Durch­mes­ser. Nach dem einen Ende zu ver­jüng­te es sich fast zu ei­ner rich­ti­gen Spit­ze: kein Zwei­fel, er hat­te ein Ding, das die Diens­te ei­nes Mes­sers ver­se­hen konn­te. Nun ging’s auf die Su­che in den Dschun­gel. Da war ein Hart­holz­baum ir­gend­wo vom Stur­me zu Fall ge­bracht! Ein schma­ler, gut­ge­wach­se­ner Ast wur­de mit der lei­der recht stump­fen Waf­fe ab­ge­sägt. Dann bohr­te er ein en­ges run­des Loch in den Stamm des Waldrie­sen und stopf­te tro­ckene Bor­ken­split­ter hin­ein. Ritt­lings auf dem Stam­me sit­zend, führ­te er nun sei­nen Stab mit der Spit­ze in die Höh­lung und dreh­te ihn in ra­schem Wir­bel zwi­schen den dicht und doch lose an­ge­leg­ten Hand­flä­chen hin und her.

Nicht lan­ge, da rin­gel­te leich­ter blau­er Rauch aus dem Zun­der her­vor, und einen Au­gen­blick spä­ter schon lo­der­te ein hel­les Flämm­chen. Ein paar Zwei­ge und dür­re Äste nähr­ten das Feu­er, und bald sah Tar­zan, wie es sich in des Bau­mes mor­scher Höh­le im­mer mehr ent­fal­te­te.

In die­sen Flam­men ließ er von sei­ner Mes­ser­klin­ge, die er hin und wie­der be­feuch­te­te, klei­ne Tei­le ab­split­tern.

Auf sol­che Wei­se woll­te er sei­nem all­zu un­fer­ti­gen Jagd­mes­ser eine ei­ni­ger­ma­ßen schar­fe Schnei­de ge­ben. Nicht auf ein­mal wür­de ihm dies Kunst­stück ge­lin­gen, das wuss­te er, und so war er heil­froh, als er end­lich we­nigs­tens eine schar­fe Schnei­de­flä­che von etwa zehn Zen­ti­me­ter Län­ge ge­schaf­fen hat­te. Nun konn­te er das Mes­ser bes­ser brau­chen und schnitt sich da­mit denn auch gleich einen lan­gen elas­ti­schen Bo­gen, einen Mes­ser­griff, einen hand­fes­ten Knüt­tel und vie­le Pfei­le zu­recht.

In den Zwei­gen ei­nes mäch­ti­gen Bau­mes, der in der Nähe ei­nes klei­nen Flus­ses gen Him­mel rag­te, barg er dies al­les und rich­te­te sich dort oben ein von Pal­men­blät­tern über­dach­tes La­ger her.

Schon kro­chen die Schat­ten der Däm­me­rung her­auf. Tar­zan ver­spür­te hef­ti­gen Hun­ger.

Wäh­rend ei­nes kur­z­en Ab­ste­chers über den Fluss ent­deck­te er in ei­ni­ger Ent­fer­nung von sei­nem Bau­me eine Trän­ke, wo sich – nach den Fuß­spu­ren im schlam­mi­gen Bo­den zu ur­tei­len – eine Fül­le der ver­schie­dens­ten Tie­re re­gel­mä­ßig tum­mel­ten. Dor­thin trieb der Hun­ger den Af­fen­menschen.

Er schwang sich leicht und be­hän­de wie ein Äff­chen durch die Baum­kro­nen, und, so schwer auch al­les, was er in den letz­ten Ta­gen und Wo­chen er­lebt, auf sei­nem In­ne­ren las­te­te, er emp­fand es doch als ein Glück, der al­ten Frei­heit sei­ner Ju­gend­jah­re wie­der­ge­ge­ben zu sein. Au­gen­blick­lich ver­fiel er wie­der in die tau­sen­der­lei klei­nen Ge­wohn­hei­ten zu­rück, die wohl in Wirk­lich­keit mehr ein Teil sei­ner selbst wa­ren als jene dün­ne Tün­che, die we­ni­ge Jah­re der Zi­vi­li­sa­ti­on und Ge­mein­schaft mit der wei­ßen Welt über ihn ge­zo­gen hat­ten. Ja, ein dün­ner An­strich war es wohl nur ge­we­sen, der die Ecken und Kan­ten die­ses Tier­menschen, der sich Af­fen-Tar­zan nann­te, über­deckt hat­te.

Mäu­schen­still duck­te er sich jetzt im un­te­ren Ge­äst ei­nes Baum­rie­sen dicht über dem Wild­pfad, sei­ne schar­fen Au­gen bohr­ten sich in das Dickicht, aus dem je­den Au­gen­blick sein Op­fer und da­mit das er­wünsch­te Nachtes­sen her­vor­bre­chen konn­te.

Er brauch­te nicht lan­ge zu war­ten.

Kaum hat­te er es sich auf sei­nem Baum­sitz ein we­nig be­quem ge­macht und die ge­len­ki­gen Bei­ne dicht an den Kör­per her­an­ge­zo­gen, da duck­te sich un­ten auch schon der Löwe zum Sprun­ge, denn Bara, der Hirsch, war zur Trän­ke un­ter­wegs, um end­lich den Durst zu stil­len.

Doch nicht Bara al­lein. An­de­re folg­ten ihm, von de­nen Bara nichts ahn­te.

Tar­zan aber ent­ging von sei­nem er­höh­ten Hin­ter­hal­te aus kei­ne Be­we­gung. Er wuss­te ge­nau, was es mit dem auf sich hat­te, der sich im­mer etwa hun­dert Me­ter hin­ter dem arg­lo­sen Tie­re durch das Dschun­gel­ge­strüpp vor­ar­bei­te­te: Ir­gend­ein Raub­tier war es, das eben­so beu­te­hung­rig wie Tar­zan dem flin­ken Bara nach­stell­te. Aber wer?

Numa viel­leicht? Oder Shee­ta, der Leo­pard?

Es könn­te noch so wer­den, dach­te Tar­zan, dass ihm sei­ne Mahl­zeit ent­schlüpf­te, wenn Bara jetzt nicht et­was schnel­ler zur Trän­ke zog.

Und es kam auch so. Der Hirsch moch­te ir­gend­wie sei­nen Ver­fol­ger ge­wit­tert ha­ben, denn plötz­lich hielt er zit­ternd inne und brach dann in blitz­schnel­ler Wen­dung ge­ra­de auf den Fluss und auf Tar­zan zu durch das Dickicht. Er woll­te durch die seich­te Furt das an­de­re Ufer ge­win­nen; drü­ben wür­de er dann dem Ver­fol­ger ent­schwin­den.

Kaum hun­dert Me­ter war Numa hin­ter ihm.

Tar­zan konn­te den Lö­wen jetzt deut­lich se­hen, Bara jag­te ge­ra­de di­rekt un­ter dem Baum­sitz vor­über.

Soll­te er es wa­gen? Und noch hat­te der hung­ri­ge Tar­zan sich die­se stum­me Fra­ge nicht recht be­ant­wor­tet, da schwang er sich auch schon von sei­nem Sitz her­ab, di­rekt auf den ge­hetz­ten Hirsch. Im nächs­ten Au­gen­blick wür­de Numa sich auf sie bei­de stür­zen, schoss es dem Af­fen­menschen durch den Kopf, und woll­te er heu­te und über­haupt je wie­der et­was zu bei­ßen be­kom­men, so hieß es rasch han­deln.

Kaum hat­te der Hirsch ihn auf sei­nem glat­ten, wei­chen Fell ver­spürt, brach er auch schon auf die Knie nie­der. Tar­zan aber pack­te ihn am Ge­weih und riss ihm mit ei­nem ein­zi­gen blitz­schnel­len Ruck den Kopf her­um, bis das Ge­nick krach­te.

Wü­tend brüll­te der Löwe hin­ter ihm … Den Hirsch ge­packt und dann hin­auf auf den nächs­ten star­ken Ast, das war für Tar­zan das Werk we­ni­ger Au­gen­bli­cke.

Gera­de als Numa im Sprun­ge her­an­schnell­te, konn­te er sich und sei­ne Beu­te aus dem Be­rei­che der furcht­ba­ren Tat­zen ret­ten.

Dumpf dröh­nend fiel das be­tro­ge­ne Kat­zen­tier zu Bo­den. Der Af­fen-Tar­zan aber brach­te sei­nen »Bra­ten« wei­ter nach oben ins Ge­äst. Da war er si­cher. Und dann schau­te er mit spöt­ti­schem Lä­cheln auf das Raub­tier, das mit sei­nen fun­keln­den gel­ben Au­gen von un­ten her­auf­starr­te. Wie ein Jun­ge konn­te er sich nicht ge­nug da­mit tun, die le­cke­re Beu­te sei­nem Geg­ner zu zei­gen. Dann ging er schmun­zelnd an sei­ne Mahl­zeit, wäh­rend der Löwe un­ten knur­rend auf und ab trot­te­te. Es schmeck­te Tar­zan wie­der ein­mal aus­ge­zeich­net.

Ge­sät­tigt ver­wahr­te er die Res­te sei­ner Beu­te auf ei­ner ho­hen Ast­ga­bel sei­nes Bau­mes und eil­te dann, vom ra­che­durs­ti­gen Numa noch lan­ge ver­folgt, durch die Baum­kro­nen zu­rück zu sei­nem Baum­la­ger. Dort schlief er, bis die Son­ne wie­der hoch am Him­mel stand.

Tarzan – Band 3 – Tarzans Tiere

Подняться наверх