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Viertes Kapitel: Urwaldleben
ОглавлениеEtwa einen Tagesmarsch von den Höhlen der Alalis entfernt kauerte Esteban Miranda im Dunkel eines anderen Waldes, hielt krampfhaft das Handgelenk der kleinen Uhha fest und zitterte jedes Mal, wenn das donnernde Brüllen eines Löwen durch die Dschungel scholl. Das Mädchen spürte, wie der Körper des großen Mannes neben ihr zitterte und fuhr voll Verachtung auf ihn los:
»Du bist gar nicht der Flussteufel«, rief sie. »Du hast ja Angst. Du bist nicht einmal Tarzan, denn mein Vater Khamis sagt, dass Tarzan sich vor nichts fürchte. Lass mich los, dann kann ich wenigstens auf einen Baum klettern. Nur ein Feigling oder ein Narr steht hier vor Todesangst wie gelähmt und wartet, bis ein Löwe kommt und ihn frisst. Lass mich gehen, sag' ich!«
Damit versuchte sie ihm ihr Handgelenk zu entwinden. »Halte den Mund!«, zischte er. »Willst du, dass ein Löw auf uns aufmerksam wird?«
Doch ihre Worte und ihr Zerren hatten ihn wenigstens aus seiner Erstarrung gerissen. Er bückte sich, nahm sie auf und hob sie hoch, bis sie die unteren Zweige eines Baumes erfassen konnte. Als sie dann in sichere Höhe hinaufgeklettert war, schwang er sich ihr nach.
Bald fand er auch in etwas größerer Höhe einen sicheren und bequemeren Platz, auf dem sie beide den Morgen erwarteten, während sich drunten Numa, der Löwe, eine Weile hustend und keuchend herumtrieb und dann und wann mit tiefem Brüllen die Dschungel erzittern machte.
Bei Tagesanbruch kletterten die beiden endlich, ganz erschöpft von der schlaflosen Nacht, auf den Boden hinab. Das Mädchen hätte sich gern noch länger aufgehalten in der Hoffnung, Odebes Krieger würden sie einholen. Aber was sie hoffte, das fürchtete ihr Entführer, der darum eine möglichst große Entfernung zwischen sich und den schwarzen Kannibalen-Häuptling zu bringen suchte.
Miranda ging völlig in der Irre. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wo er einen halbwegs brauchbaren Pfad zur Küste finden sollte, aber das kümmerte ihn im Augenblick weniger. Ihm lag nur daran, nicht wieder Odebe in die Hand zu fallen, darum wählte er die Richtung nach Norden, suchte aber stets nach den Anzeichen eines nach Westen führenden Pfades. Irgendwo hoffte er wohl auch auf ein Dorf mit freundlich gesinnten Eingeborenen zu stoßen, die ihm helfen würden, nach der Küste zu gelangen. So wanderten denn die beiden, so rasch es ging, nach Norden, wobei sie ihr Weg gerade am Ostrand des großen Dornwaldes vorbeiführte.
Die aufs Gehöft der toten Wara niederbrennende Sonne fand es alles Lebens bar. Nur der eine Knabe lag dort noch ebenso hingestreckt, wie er am Abend zuvor gefallen war. Da erschien ein schwarzer Fleck hoch oben am blauen Himmel. Er kam tiefer, wuchs und nahm die Form eines auf unbeweglichen Fittichen herabschwebenden Vogels an. Näher und näher kam er, große Kreise ziehend, bis er endlich über dem Hof schwebte. Noch einen Kreis zog er, dann stieß er im Hof auf den Boden: Ska, der Geier, war da. Keine Stunde dauerte es, da war die Leiche des Knaben von schwarzen Vögeln völlig bedeckt. Zwei Tage blieben sie, aber als sie verschwanden, lagen nur noch die sauber abgenagten Gebeine da. Doch um den Hals eines Vogels hatte sich eine goldene Kette gewickelt, von der eine diamantgeschmückte Kapsel herabhing. Ska suchte sich das Schmuckstück abzureißen, das beim Fliegen so lästig unter ihm hin und her schwang, und auch beim Laufen auf der Erde im Wege war. Aber die Kette hatte sich zweimal um seinen Hals geschlungen und ließ sich nicht losmachen; da musste er sie eben umbehalten und flog über den großen Dornwald davon, während die klaren Steine in der Sonne glänzten und funkelten.
Als Affen-Tarzan die Verfolgung der Weiber abgeschüttelt hatte, hielt er auf dem Baum an, an dem der vom Schrecken gepackte Sohn Waras lehnte. Ganz dicht über ihm befand er sich; als Numa hinzusprang, packte er den Knaben einfach beim Haar und zog ihn unbeschädigt hinauf, während die reißenden Tatzen des Löwen in die leere Luft griffen.
Am nächsten Tage befasste sich der Affenmensch ernstlich mit der Suche nach Verpflegung, Bewaffnung und Ausrüstung. Nackt und waffenlos, wie er war, wäre es ihm übel ergangen, wäre er nicht Affen-Tarzan gewesen. Auch der Alali wäre ohne den Affenmenschen schlimm dran gewesen. Früchte und Nüsse fand Tarzan, auch wohl einige Vogeleier. Aber er suchte Fleisch, darum jagte er eifrig nach Wild, nicht allein der Nahrung wegen, mehr noch, weil er die Haut, die Därme und Sehnen brauchte, um sich daraus die Gegenstände zu fertigen, die er für sein Dasein nötig hatte.
Auf der Suche nach geeigneter Beute spähte er auch nach Holz, das zu Speer, Pfeil und Bogen taugte. Das war denn auch bald genug entdeckt, aber der Tag ging fast zur Neige, bis endlich ein sanftes Lüftchen, gegen das Tarzan schritt, ihm die Witterung von Bara, dem Hirsch, zutrug.
Tarzan schwang sich auf einen Baum und bedeutete dem Alali, zu folgen, aber dieser war so täppisch und ungeschickt, dass er ihm zu einem Sitze auf den Zweigen verhelfen musste. Dort machte er ihm durch Zeichen verständlich, zu bleiben und die Sachen zu bewachen, die der Affenmensch bereits für Anfertigung von Waffen gesammelt hatte. Dann setzte Tarzan das Anpirschen allein fort.
Ob der Knabe die Anweisung verstanden hatte, war keineswegs klar, aber er folgte nicht nach, als sich Tarzan flink und geräuschlos durch die Zweige über der flüchtigen Spur des Wiederkäuers dahinschwang. Um nahe genug für Speer und Pfeil an Bara heranzukommen, muss man ein besserer Jäger mit mehr Weidmannskunst sein als der zivilisierte Mensch mit seinen verringerten natürlichen Anlagen. Selbst der Wilde verliert meist bei diesem Spiele mit Klugheit und Scharfsinn. Aber Tarzan musste ihnen beiden und der Antilope noch dazu in der Schärfe der Sinne und im Gebrauch von Verstand und Muskeln über sein, wollte er Bara allein mit den Waffen zur Strecke bringen, die ihm die Natur verliehen hatte.
Während Tarzan, nur vom Geruch geleitet, leise durch die Dschungel schlich, zeigte ihm die stärker werdende Witterung an, dass Bara in nicht zu großer Entfernung in einem Rudel versammelt sein musste. Dem grimmen Affenmenschen lief das Wasser im Munde zusammen im Vorgeschmack des Festmahls, das nur auf sein Kommen wartete. Je stärker die Witterung wurde, desto vorsichtiger wurde er; lautlos schlich er wie ein Schatten im Schatten des Waldes entlang, bis er am Rande einer Lichtung ankam und die Antilopen vor sich grasen sah.
Der Affenmensch hockte sich regungslos auf einen tief herabhängenden Zweig und wartete, bis die Bewegungen des Rudels eines der Tiere seinem Standort auf dem Baum nahe genug brachten, um wenigstens einige Aussicht auf Erfolg beim Ansprung zu haben. Das geduldige, oft viele Stunden dauernde Warten, bis sich die Beute umso sicherer endlich selbst dem Tode ausliefert, ist ein Teil des großen Spiels, das der Jäger auf Hochwild verstehen muss. Eine einzige unzeitige oder unüberlegte Bewegung jagt die scheue Beute mit wilden Sprüngen in die weite Ferne, aus der sie sich vielleicht tagelang nicht wieder zurückwagt.
Um einen solchen Zwischenfall zu vermeiden, wartete Tarzan unbeweglich wie eine Bildsäule, bis der Zufall eine der Antilopen in greifbare Nähe brachte. Da traf beim Warten die Witterung Numas, des Löwen, seine Nase. Tarzan runzelte die Stirne. Die Antilopen standen gegen den Wind, also musste, da der Löwe doch nicht zwischen ihm und den Antilopen war, der Wind der Herde die Witterung ebenso zutragen wie ihm. Gleichwohl schienen die empfindlichen Geruchsorgane der Grasfresser die Witterung ihres Erzfeindes nicht zu merken. Das sah man an ihrer friedlichen Ruhe beim Grasen, wie sie mit den Schwänzen wedelten und dann und wann mit erhobenem Kopf und gespitzten Ohren einen Blick um sich warfen, der noch nichts mit dem Schrecken zu tun hatte, den die Entdeckung von Numas Nähe augenblicklich erregen würde.
Der Affenmensch schloss daraus, dass einer jener eigenartigen Luftwirbel, die so oft ein völlig unbewegtes Luftloch mitten in ihrem Wege stehen lassen, die Antilopen umgab und sie sozusagen gegen ihre nächste Umgebung isolierte. Während er noch darüber nachdachte und Numa zum Henker wünschte, hörte er plötzlich das Unterholz am anderen Rande der Lichtung krachen und im Nu waren die Antilopen auf dem Sprunge. Gleichzeitig brach ein junger Löwe heraus, der mit einem wilden Brüllen zum Sprunge ansetzte. Tarzan hätte sich vor Ärger und Enttäuschung am liebsten alle Haare ausgerauft. Die tollpatschige Torheit des jungen Löwen beraubte ihn seines Mahles - die Wiederkäuer stoben nach allen Richtungen auseinander. Der Löwe hatte durch seinen ungeschickten Ansprung sich selbst und Tarzan dazu ums Mahl gebracht. Doch halt, was kam da? Ein in Entsetzen gejagter Bock, der blindlings davonstürmte, um den Krallen des gefürchteten Raubtiers zu entgehen, schoss bolzengerade auf Tarzans Baum zu. Da tauchte ein schlanker, hellbrauner Körper mit dem Kopf voran nach unten aus den Zweigen, stahlharte Finger packten den Hals des Wildes und feste Zähne griffen in sein Genick. Das Gewicht des wilden Jägersmannes warf die Beute auf die Knie, und ehe sie sich wieder erheben konnte, hatte ihr ein kurzer Ruck der mächtigen Hände das Genick gebrochen.
Ohne einen weiteren Blick warf sich Tarzan die Beute auf die Schulter und sprang am nächsten Baum auf. Er hatte keine Zeit mit Schauen zu verlieren, denn er wusste, was Numa tun würde, nun er ihm Bara vor der Nase weggeholt hatte. Er war denn auch kaum in Sicherheit, da fuhr die Riesenkatze bereits krachend auf den Fleck nieder, wo er eben noch gestanden hatte.
Numa war verdutzt, brüllte grauenhaft und stierte den oben auf einem Zweige sitzenden Affenmenschen an. Tarzan lächelte spöttisch. »Du Sohn von Dango, der Hyäne, bleibe hungrig, bis du erst etwas vom Jagen verstehst.« Er warf dem Löwen verächtlich einen abgebrochenen Zweig ins Gesicht und machte sich ohne Mühe mit der Beute auf der Schulter durch die dichtbelaubten Äste davon.
Es war noch heller Tag, als Tarzan zu dem wartenden Alali zurückkehrte. Der Junge besaß ein kleines Steinmesser, mit dem der Affenmensch ein paar große Stücke für den Sprössling Waras und für sich selbst von der Antilope heruntertrennte. Die starken weißen Zähne des vornehmen weißen Mannes senkten sich alsbald hungrig in das rohe Fleisch, während ihn der Alali-Knabe erst überrascht anstarrte und dann Holz suchte, um ein Feuer anzuzünden. Tarzan sah erheitert zu, wie jener sich ein Stück auf eine für ihn schickliche Weise zubereitete, außen zu Kohle verbrannt, innen noch roh. Aber es war immerhin gebraten, und gab seinem Besitzer ein Gefühl bedeutender Überlegenheit über die niederen Tiere, die ihr Mahl roh verzehrten.
Tarzan lächelte bei dem Gedanken, wie unbestimmt die Linie ist, die den zivilisierten Menschen vom Wilden trennt, wenn es sich um Instinkt und Appetit handelt. Einige seiner französischen Freunde, mit denen er bei einer gewissen Gelegenheit zusammen speiste, waren entsetzt, als er ihnen erzählte, dass er ebenso gut wie viele afrikanische Volksstämme und wie die Affenvölker Raupen aß, und sie gaben ihrem Abscheu lauten Ausdruck, während sie zwischendurch mit sichtlichem Genuss Schnecken verzehrten. Der Durchschnittsmensch verspottet den Franzosen, weil er Froschschenkel isst, kaut aber selbst mit vollen Backen an einem Spanferkelbein. Der Eskimo vertilgt rohen Walfischspeck, und am Amazonas essen die Leute (Weiße so gut wie Farbige) den Mageninhalt von Papageien und Affen und betrachten das als Feinschmeckerei. Der chinesische Kuli fragt nicht, ob das Fleisch, das er isst, ordnungsgemäß geschlachtet ist und wie lange es her ist, und in New York lebt ein Mann, sonst ein ganz ruhiger und stiller Mitbürger, der isst Limburger Käse mit Birnen.
Da Tarzan für die nächsten Tage genügend mit Fleisch versorgt war, machte er sich an die Anfertigung von Waffen und einem Lendentuch. Er zeigte dem Alali, wie er mit seinem Steinmesser die Fleischteile von der Antilopenhaut schaben konnte und machte sich dann selbst daran, mit nur ein paar aus einem Bach gesammelten Kieseln Waffen zu fertigen, die ihn instandsetzen sollten, es erfolgreich mit den Alali-Weibern, den großen Raubtieren und etwaigen anderen Feinden aufzunehmen.
Während der Arbeit sah er ab und zu auf den Alali-Knaben und fragte sich zweifelnd, ob ihm dieses Häufchen Elend beim Versuch, den Weg durch den Dornwald zu finden, nützen werde. Dass das arme Geschöpf furchtsam war, zeigte sich an der Art, in der es vor den Alali-Weibern floh und durch die Angst, in die es bei Numas Anblick geriet. Seine Stummheit machte den Knaben als Gefährten wertlos und der gänzliche Mangel anderer als der allerrohesten Weidmannskunst, die schon der Instinkt verleiht, ließ ihn für Tarzan völlig nutzlos erscheinen. Aber der Junge hatte sich nun einmal im Augenblick der Gefahr in jenem Hof auf seine Seite geschlagen, und wenn er ihm auch damals keine Hilfe hatte sein können, so hatte er sich doch das Recht auf Rücksicht verdient. Nebenbei zeigte sich aber ganz deutlich, dass das Geschöpf für Tarzan eine gewisse Zuneigung empfand und ihn gar nicht verlassen wollte. In Erinnerung an einen alten Gespielen und Kampfgenossen seiner Kindheit gab ihm sein Beschützer den Namen eines Riesenaffen aus Kerschaks Horde, Taugh.
Derweil Tarzan an seinen Waffen arbeitete und über den Alali nachdachte, kam ihm ein Gedanke - er wollte dem Knaben ähnliche Waffen fertigen und sehen, ob er ihn in deren Gebrauch unterrichten konnte. Die plumpen Waffen der Alali konnten gegen Pfeil und Bogen nicht aufkommen, sie waren nicht einmal einem guten Speer gewachsen. Selbst ihre Wurfsteine trafen nicht so weit wie ein treffsicherer Bogenschütze schießen konnte, und mit ihren Keulen waren sie einem gewandten Speerwerfer gegenüber hilflos.
Eine gute Idee! Er würde Taugh Waffen fertigen, ihn in deren Gebrauch unterrichten und versuchen, an ihm einen Beistand auf der Jagd oder im Kampfe zu gewinnen. Gerade als Affen-Tarzan diesen Entschluss fasste, hielt der Alali in seiner Arbeit inne und legte ein Ohr an den Boden. Er erhob den Kopf wieder, deutete auf Tarzan, dann auf dessen Ohr und auf den Boden. Tarzan verstand, was der andere wollte und lauschte; da hörte er deutlich Fußtritte auf dem ausgetretenen Pfade herankommen.
Alsbald nahm Tarzan seine Geräte, brachte sie zusammen mit dem noch übrigen Wildbret in ein Baumversteck in Sicherheit und holte dann den Knaben zu sich in sichere Höhe hinauf. Der Alali begann bereits, sich etwas gewandter in den Zweigen zu benehmen und konnte schon ein wenig allein klettern, aber in Tarzans Augen war er noch recht hilflos.
Die beiden Lauscher brauchten nicht lange zu warten; bald kam eines der greulichen Weiber aus dem Amphitheater in Sicht und dahinter mit einigem Abstande ein zweites und ein drittes. Nur selten zogen die Alali-Weiber so daher, denn da ihnen der Herdentrieb völlig fehlte, gingen sie nur gelegentlich in Gesellschaft auf die Jagd, wenn sie ein gefährliches Raubtier erlegen wollten, das in ihr Gebiet eingedrungen war, oder wenn sie die Männer aus einem benachbarten Gemeinwesen rauben wollten, falls ihre eigene Jagd auf die herumschweifenden Männer nicht erfolgreich genug gewesen war.
Die beiden oben auf dem Baum verhielten sich mäuschenstill, während die drei tierischen Gestalten drunten auf der Fährte entlang schlichen und sich bald an der nächsten Biegung im Dunkel des Waldes verloren. Nach einer kurzen Wartezeit stiegen sie wieder hinab auf den Boden und setzten ihre unterbrochene Tätigkeit fort. Tarzan musste lächeln, als er über den Vorfall der letzten paar Augenblicke nachdachte. Affen-Tarzan, der Herr der Dschungel, versteckt sich vor drei Weibern hoch oben in den Bäumen! Aber diese Weiber waren auch danach. Zwar kannte er bisher wenig von ihren Gebräuchen, aber schon das wenige zeigte ihm zur Genüge, dass sie die furchtbarsten Gegner waren, auf die er je gestoßen war, und dass er ihren riesigen Keulen und flink geschleuderten Wurfgeschossen ohne eigene Waffen nicht gewachsen war.
Der Tag ging zur Neige; der Affenmensch und sein stummer Gefährte vollendeten die Waffen, die ihnen die Beschaffung von Nahrung erleichtern sollten. Der letztere arbeitete dabei rein mechanisch und führte nur erteilte Anweisungen aus, bis nach einiger Zeit Tarzan und der Alali fertig bewaffnet waren und miteinander jagen konnten, und nun unterwies der Affenmensch den Knaben im Gebrauch von Bogen und Speer und im Werfen des langen Grasseils, das von Kindheit an seiner Bewaffnung so eigenartigen Charakter verliehen hatte.
Während der Jagdzeit vollzog sich an dem Alali-Knaben ganz plötzlich eine Veränderung. Bis dahin war es seine Gewohnheit gewesen, verstohlen durch den Wald zu schleichen, häufig stehen zu bleiben und nach wilden Tieren zu spähen, die seinen Weg kreuzen könnten. Dabei hatte er vor den Weibern seines eigenen Stammes die meiste Angst. Aber mit einem Mal änderte sich das. Ganz allmählich erlernte er den Gebrauch von Bogen und Speer. Mit gespannter Aufmerksamkeit und einem Anflug von Scheu und Ehrfurcht sah er, wie Tarzan große und kleine Tiere zur Strecke brachte, und einmal war er Zeuge, wie jener mit einem einzigen Stoße seines großen Speeres die Löwin Sabor niederstreckte, die ihn fern von der Freistatt der Bäume auf einer Lichtung überraschen wollte. Doch eines Tages kam auch für ihn die große Stunde. Er begleitete Tarzan auf der Jagd, als dieser ein Rudel Wildschweine auf stöberte und zwei davon mit Pfeilen zur Strecke brachte. Der Rest stob nach allen Seiten auseinander; nur ein Eber erblickte den Alali und nahm ihn an. Der Knabe dachte schon an Flucht, denn sein seit urdenklichen Zeiten angeborener Instinkt trieb ihn dazu. Die männlichen Alalis flüchteten bei Gefahr stets und waren durch diese Gewohnheit so flink geworden, dass sie kein wirklich gefährlicher Gegner einholen konnte - ein Alali-Mann war nur mit List zu fangen. So hätte auch der Knabe ohne weiteres dem Eber durch Flucht entgehen können, schon setzte er dazu an, da durchzuckte ihn plötzlich ein anderer Gedanke - er riss die Speerhand zurück, wie es ihn Tarzan gelernt hatte, und stieß mit aller Kraft zu. Der Eber griff ihn gerade von vorne an, da traf ihn der Speerspitz an der linken Schulter und drang bis hinein ins Herz. Horta, der Eber, brach auf der Stelle zusammen.
Von diesem Augenblick an trat ein ganz anderer Ausdruck in die Augen und auf das Gesicht des Alalis. Er zeigte nicht mehr das gedrückte Aussehen, schlich nicht länger mit ängstlichen Seitenblicken durch den Wald. Von nun an schritt er aufrecht, mit kühner, furchtloser Miene einher und sehnte eine Begegnung mit einem der Weiber vielleicht eher herbei, als dass er sie fürchtete. Er war gewissermaßen die Verkörperung der rachedurstigen Männlichkeit, die sich für die viele Zeitalter dauernde Misshandlung und Knechtung seitens der Weiber rächen wollte. Zweifellos war ihm eine Empfindung dieser Art ganz fremd, aber Tarzan konnte sich denken, dass das erste Weib, das das Unglück haben sollte, dem Knaben in den Weg zu kommen, die größte Überraschung ihres Lebens erfahren würde.
Während Tarzan mit dem Alali durch das fremdartige Land strich, das der große Dornenwald von allen Seiten einzäunte, und nach einem Wege hinaus suchten, wanderte Esteban Miranda mit der kleinen Uhha, der Tochter des Schamanen, draußen am Rande des Dorngeheges entlang und suchte einen Weg nach der Westküste.