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Viertes Kapitel

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Als de Vac sein Schwert aus Lady Mauds Herz zog, schauderte ihn, denn so gnadenlos er auch war, war er doch vor dieser grausamen Tat zurückgeschreckt. Doch er war zu weit gegangen, um jetzt einen Rückzieher zu machen, und hätte er Lady Maud am Leben gelassen, dann wären ihm in zehn Minuten die gesamte Palastwache und die ganze Stadt London auf den Fersen gewesen; es hätte kein Entkommen gegeben.

Der kleine Prinz war nun so verängstigt, dass er nur noch zittern und wimmern konnte. Der schreckliche de Vac machte ihm so große Angst, dass eine Drohung mit dem Tod seine Zunge mühelos zum Schweigen brachte, und so führte ihn der grimmige alte Mann zu dem Boot, das tief in den dichten Büschen versteckt war.

De Vac wagte es nicht, bis zum Einbruch der Dunkelheit in diesem Versteck zu bleiben, wie er es zuerst beabsichtigt hatte. Stattdessen zog er ein schmutziges, zerlumptes Kleid aus dem Bündel unter der Ruderbank und verkleidete sich damit als alte Frau und zog ein leinenes Tuch tief über Kopf und Stirn, um seine kurzen Haare zu verstecken. Er verbarg das Kind unter den anderen Kleidungsstücken, stieß vom Ufer ab und ruderte, wobei er sich immer nahe am Ufer hielt, die Themse hinunter zu dem alten Dock, wo er in der vergangenen Nacht sein Boot versteckt hatte. Er erreichte sein Ziel unbemerkt und trieb das Boot unter den Steg und weit in die dunkle Tiefe des höhlenartigen Unterschlupfs hinein.

Hier beschloss er, sich zu verstecken, bis es dunkel wurde; denn er wusste, dass die Suche nach dem verschwundenen kleinen Prinzen jeden Moment beginnen würde und dass niemand die Straßen Londons betreten konnte, ohne sich einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.

De Vac nutzte die erzwungene Wartezeit, um den Prinzen auszuziehen und ihn in andere Kleidungsstücke zu stecken, die in das Bündel unter der Ruderbank eingewickelt gewesen waren, einen kleinen roten Wollkittel mit passender Hose, ein schwarzes Diplett und ein winziges Lederwams und eine Lederkappe.

Die weggeworfene Kleidung des Prinzen wickelte er um einen großen Stein, den er aus dem zerfallenden Mauerwerk der Flussmauer brach, und versenkte das Bündel im schweigenden Fluss.

Der Prinz hatte inzwischen wieder etwas von seiner früheren Selbstsicherheit zurückgewonnen, und als er feststellte, dass de Vac nicht vorhatte, ihm zu schaden, begann der kleine Kerl, als sein kindliches Staunen über dieses seltsame Abenteuer die Oberhand über seine frühere Besorgnis gewann, seinen grimmigen Gefährten zu befragen.

»Was machen wir hier, Sir Jules?«, fragte er. »Bringt mich zurück zum König, dem Palast meines Vaters! Ich mag weder dieses dunkle Loch noch die seltsamen Kleider, die du mir angezogen hast.«

»Sei still, Junge!«, befahl der alte Mann. »Sir Jules ist tot, und du bist nicht mehr der Sohn eines Königs. Merke dir das gut, und sprich mich nie wieder mit Sir Jules an und nenn dich nie wieder einen Prinzen.«

Der Junge schwieg, wieder eingeschüchtert durch den heftigen Ton seines Entführers. Alsdann begann er zu wimmern, denn er war müde und hungrig und verängstigt – nur ein armes kleines Kind, hilflos und hoffnungslos in den Händen dieses grausamen Feindes. All seine edle Herkunft war zusammenmit der Pracht seiner fürstlichen Kleider im dicken Schlamm auf dem Grund der Themse versunken. Und so fiel er bald auf dem Boden des Bootes in einen unruhigen Schlaf.

Als die Dunkelheit hereingebrochen war, schob de Vac das Boot nach außen an die Seite des Docks und nahm das schlafende Kind auf die Arme. Einen Moment blieb er lauschend stehen, um sich auf den Weg durch die Gasse vorzubereiten, die zu Tils Behausung führte.

Als er so dastand, drang das leise Geräusch einer klirrenden Rüstung an seine gespitzten Ohren; immer lauter wurde es, bis es keinen Zweifel mehr daran gab, dass sich eine Gruppe von Männern näherte.

De Vac nahm seinen Platz im Boot wieder ein und zog es wieder unter das Dock. Kaum hatte er dies getan, trat eine Rotte von gepanzerten Rittern und bewaffneten Männern waffenklirrend auf den Brettern über ihm aus der Öffnung der dunklen Gasse. Hier hielten sie zur Beratung inne, und der Zuhörer unten konnten deutlich jedes Wort ihres Gesprächs hören.

»De Montfort«, sagte einer, »was haltet Ihr davon? Kann es sein, dass die Königin recht hat und Richard tot in diesen schwarzen Fluten liegt?«

»Nein, de Clare«, antwortete eine tiefe Stimme, die de Vac als die des Grafen von Leicester erkannte. »Die Hand, die den Prinzen unter den Augen von Lady Maud oder ihrem Gefährten aus den Gärten seines Vaters entführen konnte, was offensichtlich der Fall gewesen sein muss, hätte ihn leichter und sicherer im Garten ermorden können, wenn dies das Ziel dieses seltsamen Anschlags gewesen wäre. Ich denke, Mylord, dass wir bald von einem verwegenen Kerl hören werden, der Lösegeld für den kleinen Prinzen fordert. Gott gebe, dass dies der Fall ist, denn von all den bezaubernden und kleinen Burschen, die ich je gesehen habe, war der kleine Richard der Liebenswerteste. Ich wünsche mir, den üblen Feind in die Finger zu bekommen, der diese schreckliche Tat begangen hat.«

Unter den Brettern, nicht vier Fuß von Leicester entfernt, lag das Objekt seiner Suche. Die klirrende Rüstung, die schweren gespornten Füße und die Stimmen über ihm hatten den kleinen Prinzen geweckt und er setzte sich mit einem erschrockenen Schrei aufrecht. Sofort presste de Vac seine eiserne Hand auf den kleinen Mund, aber nicht bevor ein einziger schwacher Klagelaut das Ohr der Männer darüber erreicht hatte.

»Hört! Was war das, Mylord?«, rief einer der bewaffneten Männer.

In angespannter Stille lauschten sie auf eine Wiederholung des Lauts, und dann schrie de Montfort: »Wer, zum Teufel, ist da unten? Wer versteckt sich da unter dem Steg? Antwortet, im Namen des Königs!«

Richard erkannte die Stimme seines Lieblingsonkels und kämpfte darum, sich zu befreien, aber de Vacs brutaler Griff erstickte die schwachen Bemühungen des Kindes, und alles blieb ruhig wie ein Grab, während die Männer oben warteten und lauschten.

»Dockratten«, sagte de Clare, und dann, als ob der Teufel sie zum Schutz seiner Anbefohlenen anleiten würde, huschten zwei riesige Ratten zwischen den losen Brettern nach oben und liefen quietschend die dunkle Gasse hinauf.

»Ihr habt recht«, sagte de Montfort, »aber wenn ich die beiden schmutzigen Biester nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, hätte ich schwören können, dass es das schwache Klagen eines Kindes war. Kommt, lasst uns zur nächsten abscheulichen Gasse gehen. Wir haben hier keinen Erfolg gehabt, obwohl diese alte Hexe, die sich Til nannte, allzu begierig schien, mit uns über die künftigen Informationen zu verhandeln, die sie uns hoffte geben zu können.«

Als sie weitergingen, wurden ihre Stimmen in den Ohren der Zuhörer unter dem Dock schwächer und verloren sich bald in der Ferne.

»Das war knapp«, dachte de Vac, als er das Kind wieder aufnahm und auf den Steg hinaufkletterte. Ohne weitere Störung erreichte er bald die Tür zu Tils Haus und schlich sich mit dem Schlüssel lautlos zu dem geheimen Söller, den er von der elenden Vettel gemietet hatte.

Es gab keine Treppe vom Obergeschoss zum Dachboden darüber; der Aufstieg erfolgte über eine Holzleiter, die de Vac hinter sich hochzog. Dann schloss und sicherte er die Öffnung, durch die er mit seiner Last geklettert war, durch eine schwere Falltür mit dicken Brettern.

Der Raum, den sie nun betraten, erstreckte sich über den gesamten östlichen Teil des Gebäudes und hatte Fenster auf drei Seiten. Diese waren mit Brettern vernagelt. Die Wohnung wurde von einem kleinen Kohlebecken erleuchtet, das an einem Sparren in der Mitte des Raumes hing. Die Wände waren unverputzt und die Sparren lagen frei; das Ganze hatte ein eher stallartiges, unwirtliches Aussehen.

In einer Ecke befand sich ein riesiges Bett und im anderen Teil des Zimmers ein kleineres Kinderbett. Ein Schrank, ein Tisch und zwei Bänke vervollständigten die Einrichtung. Diese Artikel hatte de Vac selbst gekauft und herbeigeschafft, für die Zeit, die er mit seinem kleinen Gefangenen hier zu verbringen gedachte.

Auf dem Tisch standen ein Laib Schwarzbrot, ein Steinguttopf mit Honig, ein Milchkrug und zwei Trinkbecher. Diesen widmete de Vac sofort seine Aufmerksamkeit und befahl dem Kind, sich davon zu nehmen, was es wolle.

Der Hunger überwand die Ängste des kleinen Prinzen, und er machte sich über die seltsame, biedere Kost her, deren Einfachheit durch das grobe Geschirr und die raue Umgebung noch verstärkt wurde, die so anders waren als die königliche Pracht des Palastes.

Während das Kind aß, eilte de Vac auf der Suche nach Til, der er nun gründlich misstraute, in das untere Stockwerk des Gebäudes. Die Worte de Montforts, die er am Steg mitgehört hatte, hatten ihn überzeugt, dass es hier ein weiteres Hindernis für die Erfüllung seiner Rache gab, das ebenso wie Lady Maud beseitigt werden musste. Aber in diesem Fall sprachen weder Jugend noch Schönheit zugunsten des Opfers oder vermochten das Herz des grimmigen Henkers zur Reue zu bewegen.

Als er die alte Vettel fand, war sie bereits angekleidet, um auf die Straße zu gehen; tatsächlich fing er sie an der Tür des Gebäudes ab. Da er noch mit dem Umhang und dem Kopftuch einer alten Frau angetan war, erkannte Til ihn zunächst nicht, und als er sie ansprach, brach sie in ein nervöses, gackerndes Lachen aus, als habe er sie bei einer fragwürdigen Tat ertappt, was der Aufmerksamkeit des wütenden Fechtmeisters nicht entging.

»Wohin des Wegs, Alte?«, fragte er.

»Zu Maggie Tunk am Ende der Gasse, am Fluss, Mylord«, antwortete sie, mit mehr Respekt, als sie ihm üblicherweise entgegengebracht hatte.

»Dann werde ich dich ein Stück begleiten, und vielleicht kannst du mir bei einigen Sachen helfen, die noch in dem Boot liegen, das ich dort festgemacht habe.«

Und so gingen die beiden gemeinsam durch die dunkle Gasse bis zum Ende des klapprigen, verfallenen Stegs; die Frau dachte an die große Belohnung, die der König ihr für die Nachricht, die allein sie ihm überbringen konnte, geben würde; der Mann tastete unter seinem Mantel nach dem Griff eines langen Dolchs, der dort verborgen war.

Als sie das Flussufer erreichten, trat de Vac von hinten an seine Begleiterin heran, seine Rechte zog den scharfen Dolch aus der Scheide, und als die Frau auf dem Dock anhielt, stieß er ihr die Klinge knapp unter ihrem linken Schulterblatt lautlos ins Herz, während zugleich seine linke Hand hochfuhr und ihre Kehle in einem stählernen Griff packte.

Es gab kein Geräusch, kaum einen Kampf der sich krampfhaft versteifenden alten Muskeln, und dann, mit einem Stoß von de Vac, stürzte der Körper nach vorne in die Themse, wo ein dumpfes Aufklatschen das Ende der letzten Hoffnung bezeichnete, dass Prinz Richard aus den Klauen seines Nemesis gerettet werden könnte.

DER RITTER VON TORN

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