Читать книгу TARZANS RÜCKKEHR - Edgar Rice Burroughs - Страница 10
Viertes Kapitel
ОглавлениеAm nächsten Morgen berichtete Tarzan seinem Freund, was sich zugetragen hatte. Bei der Schilderung des Kampfes lachte d'Arnot, aber dann schüttelte er bedenklich den Kopf.
»Mein lieber Freund«, sagte er, »Sie werden sich daran gewöhnen müssen, dass wir in der zivilisierten Welt anderen Gesetzen als denen des Dschungels unterworfen sind.«
»Im Dschungel werden die Gesetze von der Natur geschaffen«, erwiderte Tarzan heftig. »Im Dschungel tötet man, um zu leben. Ihre zivilisierten Menschen sind grausamer als die Bestien des Dschungels. Eine Frau, die ich nie gesehen habe, lockt mich in ihr Zimmer, um mich dort töten zu lassen. Etwas anderes kann es nicht gewesen sein; die Anwesenheit Rokoffs und ihre spätere Aussage gegenüber der Polizei sprechen dafür. Rokoff muss gewusst haben, dass ich oft die Rue Maule passiere, das Ganze geschah nach einem genau festgelegten Plan.«
»Eh bien, ich hoffe, Sie haben daraus gelernt«, sagte d'Arnot. »Unter anderem, dass es ratsam ist, die übel beleumdete Rue Maule nach Einbruch der Dunkelheit zu meiden.«
»Ganz im Gegenteil«, lächelte Tarzan. »Sie scheint mir die einzig interessante Straße von Paris. Ich werde nicht versäumen, sie so oft wie möglich aufzusuchen, denn sie hat mir das erste richtige Abenteuer beschert, seit ich Afrika verließ.«
»Sie sind noch nicht fertig mit der Polizei«, warnte d'Arnot. »Ich kenne unsere Pariser Polizisten. Sie vergessen nicht so schnell. Eines Tages wird man Sie fassen, mein lieber Tarzan, und dann wird man Sie hinter eiserne Gitter sperren. Wie würde Ihnen das gefallen?«
»Nie wird es jemandem gelingen, mich hinter eiserne Gitter zu sperren«, sagte Tarzan ruhig.
D'Arnot blickte auf und musterte seinen Freund. Er sah Tarzans energisches Gesicht und wusste, dass etwas geschehen musste, bevor es zu einem erneuten Zusammenstoß zwischen Tarzan und der Polizei kam.
»Sie müssen noch viel lernen, Tarzan«, sagte er ernst. »Die Gesetze müssen respektiert werden, ob sie Ihnen gefallen oder nicht. Wenn Sie sich weiter gegen die Polizei stellen, erwachsen Ihnen und Ihren Freunden nur Unannehmlichkeiten. Einmal werde ich der Polizei eine zufriedenstellende Erklärung abgeben können, und das wird noch heute geschehen, aber danach müssen Sie sich dem Gesetz fügen. Kommen Sie, wir werden meinen Freund in der Präfektur besuchen und ihm erklären, was in der Rue Maule geschah.«
Eine halbe Stunde später betraten sie das Büro des hohen Polizeibeamten, der sie herzlich empfing. Er erinnerte sich an den Besuch, den Tarzan ihm Monate zuvor in der Sache der Fingerabdrücke abgestattet hatte.
Als d'Arnot seinen Bericht beendet hatte, umspielte ein Lächeln die Lippen des Beamten. Er suchte unter den Papieren auf seinem Schreibtisch, zog ein Blatt heraus und übergab es dem Uniformierten, der auf einen Klingeldruck erschien.
»Hier, Jubon«, sagte er. »Rufen Sie diese Beamten zusammen und sorgen Sie dafür, dass sie sogleich zu mir kommen.«
Dann wandte er sich an Tarzan. »Sie haben sich eines schweren Verstoßes gegen die Gesetze schuldig gemacht, und ich müsste Sie mit aller Härte anfassen«, sagte er nicht unfreundlich. »Stattdessen werde ich etwas tun, was nicht in den Dienstvorschriften steht. Ich habe die Polizisten rufen lassen, die gestern von Ihnen so übel zugerichtet wurden. Sie sollen sich Leutnant d'Arnots Version anhören, und ich werde es ihrer Entscheidung überlassen, ob Strafanzeige gegen Sie erstattet wird oder nicht. Die Beamten, die von Ihnen angegriffen wurden, taten nur ihre Pflicht. Sie setzen jeden Tag ihr Leben ein, um Leben und Besitz anderer zu schützen. Sie würden das Gleiche auch für Sie tun. Sie sind tapfere Männer und fühlen sich besonders beschämt, weil sie einem einzelnen und noch dazu unbewaffneten Mann unterlagen.«
Die weitere Unterhaltung wurde durch den Eintritt der vier Polizisten unterbrochen. Überraschung zeigte sich auf ihren Mienen, als sie Tarzan erkannten.
»Messieurs, hier ist der Gentleman, dem Sie gestern Abend in der Rue Maule begegneten«, sagte der Präfekt. »Er ist freiwillig gekommen, um sich zu stellen. Leutnant d'Arnot wird Ihnen aus seinem Leben erzählen. Ich möchte, dass Sie aufmerksam zuhören. Vielleicht verstehen Sie dann die Haltung, die er Ihnen gegenüber gestern einnahm. Fangen Sie an, Leutnant.«
D'Arnot sprach etwa eine halbe Stunde zu den Polizisten. Er berichtete ihnen von Tarzans wildem Dschungelleben. Er erklärte ihnen, dass sich im Dschungel jedes Tier gegen einen Angriff verteidigt. Er ließ durchblicken, dass Tarzan die Situation nicht begriffen habe, dass purer Selbsterhaltungstrieb und Instinkt ihn zum Handeln veranlasst hatten.
»Ihr Stolz ist verletzt worden«, schloss er. »Ich verstehe Ihre Gefühle. Aber Sie brauchen keine Scham zu empfinden. Sie würden nicht nach einer Entschuldigung suchen, hätte man Sie in jenem Raum mit einem wilden Löwen oder einem mächtigen Gorilla eingesperrt. Es ist keine Schande, der übermenschlichen Stärke eines Tarzans zu unterliegen.«
Die Männer waren beeindruckt, und Tarzan tat das Seine, den letzten Rest von Feindschaft, den sie empfinden mochten, zu beseitigen. Mit ausgestreckter Hand ging er auf die Männer zu.
»Es tut mir leid, dass ich in Unkenntnis falsch handelte«, sagte er schlicht. »Lassen Sie uns von nun an Freunde sein.«
Damit war die Angelegenheit bereinigt, aber sie lieferte noch tagelang Gesprächsstoff auf allen Polizeistationen von Paris. Tarzan aber wusste, dass er vier treue Freunde gewonnen hatte.
Bei der Rückkehr in d'Arnots Wohnung fand der Leutnant einen Brief seines Freundes William Cecil Clayton, Lord Greystoke, vor.
»Sie werden in etwa zwei Monaten in London heiraten«, sagte er, als er die Lektüre beendet hatte. Er nannte keine Namen, aber Tarzan wusste, wer gemeint war. Die Nachricht machte ihn für den Rest des Tages stumm und nachdenklich.
Am Abend besuchten d'Arnot und Tarzan die Oper. In einer andern Loge entdeckte Tarzan Olga de Coude, die ihm lächelnd zunickte. Er eilte in der Pause zu ihr, um sie zu begrüßen.
»Ich habe oft gewünscht, Ihnen wieder zu begegnen«, sagte die Gräfin. »Es bedrückte mich, dass wir Ihnen nach allem, was Sie für uns taten, keine Erklärung geben konnten, die ein Licht auf jene unangenehmen Vorfälle werfen konnte, die Ihnen Gelegenheit gaben, sich für uns einzusetzen.«
»Sie sind mir keine Erklärung schuldig«, erwiderte Tarzan. »Wenn Sie aber meine Neugier stillen wollen - sind Sie weiterhin von den beiden Burschen belästigt worden?«
Die Gräfin nickte, und ein Schatten flog über ihr Gesicht. »Sie werden nie aufhören damit«, sagte sie. »Ich weiß, dass ich mich mit jemandem darüber aussprechen muss, und ich wüsste niemanden, der dies mehr verdiente als Sie, Monsieur. Eine Aussprache wird auch für Sie von Nutzen sein, denn ich kenne Nikolas Rokoff zur Genüge, um zu wissen, dass er Sie nicht vergessen hat. Was ich Ihnen erzählen werde, wird Ihnen neue Waffen im Kampf gegen ihn in die Hand geben. Hier ist nicht der geeignete Ort, es Ihnen zu erzählen, aber ich hoffe, Sie morgen um fünf Uhr als Gast bei mir zu sehen.«
»Die Zeit bis fünf Uhr wird mir wie eine Ewigkeit erscheinen«, sagte Tarzan und zog sich mit einer Verbeugung zurück, als das Klingelzeichen das Ende der Pause verkündete. Weder er noch Olga de Coude ahnten, dass zwei Augenpaare sie beobachtet hatten und dass ihr Gespräch mitgehört worden war.
Am nächsten Nachmittag um halb fünf läutete ein bärtiger Mann am Dienereingang des gräflichen Palastes. Der Diener, der die Tür öffnete, hob erstaunt die Brauen, als er den Besucher erkannte. Flüsternd unterhielten sich die beiden Männer, eine größere Banknote wechselte ihren Besitzer. Der Diener zögerte, dann führte er den Bärtigen auf Umwegen in den Salon, in dem die Gräfin ihre Besucher zu empfangen pflegte, wo er ihn hinter dem tiefreichenden Vorhang eines Erkers verbarg.
Eine halbe Stunde später betrat Tarzan den Raum. Lächelnd begrüßte ihn die Gräfin. »Ich freue mich, dass Sie gekommen sind«, sagte sie.
»Nur der Tod hätte mich daran hindern können«, erwiderte Tarzan.
Olga de Coude schenkte Tee ein, und sie sprachen über die Oper und andere gesellschaftliche Ereignisse, bis die Gräfin zum eigentlichen Thema kam.
»Sie werden sich gefragt haben, was Rokoff veranlasst, mich und meinen Mann zu verfolgen«, sagte sie. »Nun, es ist leicht zu erklären. Der Graf hat viele wichtige Unterlagen des Kriegsministeriums in Verwahrung. Oft ist er im Besitz von Dokumenten, für die fremde Mächte ein Vermögen ausgeben würden. Es handelt sich um Staatsgeheimnisse, die einen Agenten nicht vor Mord zurückschrecken lassen würden, wenn er dadurch in ihren Besitz gelangen könnte. Im Augenblick ist es besonders ein Dokument, das für die russische Regierung von größtem Interesse wäre. Rokoff und Paulvitsch sind russische Spione. Sie werden vor nichts zurückschrecken, um das Papier an sich zu bringen. Sie erinnern sich an das abgekartete Spiel im Rauchsalon des Ozeandampfers. Vielleicht ahnen Sie jetzt, was dahinter steckte. Wäre es Ihnen nicht gelungen, meinen Mann von dem auf ihm ruhenden Verdacht zu befreien, so hätte Rokoff ihn erpressen können. Seine Karriere wäre beendet gewesen, er hätte aus dem Kriegsministerium scheiden müssen, wäre gesellschaftlich geächtet gewesen. Sie vereitelten diesen Plan. Dann versuchten sie, meine Ehre statt jene des Grafen anzugreifen. Als Paulvitsch in meine Kabine kam, erklärte er mir, dass sie nur davon Abstand nehmen würden, wenn ich ihnen die Papiere beschaffte, um die es ihnen ging. Zum Glück wusste ich Dinge über Paulvitsch, die ihn an den Galgen bringen würden, wenn die Polizei in St. Petersburg davon erfuhr. Ich sagte es ihm, und er sprang mich an wie ein Wahnsinniger. Er hätte mich getötet, wäre er nicht durch Ihr Eingreifen daran gehindert worden.«
»Diese Teufel!«, sagte Tarzan.
Die Gräfin nickte. »Sie sind schlimmer als Teufel. Darum fürchte ich für Sie. Sie haben sich ihren Hass zugezogen. Seien Sie ständig auf der Hut. Versprechen Sie es mir, denn ich könnte es mir nie vergeben, wenn Ihnen meinetwegen etwas zustieße.«
»Ich fürchte die beiden nicht«, erwiderte Tarzan. »Ich hatte gefährlichere Feinde als Rokoff und Paulvitsch. Erklären Sie mir nur das eine. Warum übergeben Sie die beiden nicht den Behörden?«
»Nikolas ist mein Bruder«, sagte Olga de Coude mit tonloser Stimme. »Wir sind Russen. Nikolas ist schon immer das schwarze Schaf in der Familie gewesen. Er wurde aus der Armee ausgestoßen, in der er den Rang eines Kapitäns bekleidete. Es gab einen Skandal, aber die Sache geriet in Vergessenheit, und mein Vater beschaffte ihm eine Stellung im Geheimdienst. Viele furchtbare Verbrechen wurden ihm zugeschrieben, aber er entging immer der Bestrafung.«
»Einem Menschen wie ihm schulden Sie keine Treue, auch nicht, wenn Sie mit ihm verwandt sind«, sagte Tarzan heftig.
Die Gräfin senkte den Kopf. »Er hat mich in der Hand«, sagte sie mit kaum vernehmbarer Stimme. »Er weiß Dinge über mich, die mein Mann nicht erfahren darf. Ich wurde in einem Kloster erzogen. Dort begegnete ich einem Mann. Ich wusste noch nicht, was Liebe ist. Er überredete mich, mit ihm zu fliehen. Wir wollten heiraten. Wir waren nur drei Stunden zusammen, auf Bahnhöfen, im Zuge. Dann wurde er durch zwei Offiziere verhaftet. Es stellte sich heraus, dass er ein Deserteur war und ein internationaler Schwindler obendrein. Es konnte verhindert werden, dass die Sache an die Öffentlichkeit kam. Aber Nikolas traf diesen Mann später und erfuhr alles. Nun droht er mir damit, dass er meinen Mann unterrichten wird, wenn ich nicht tue, was er verlangt.«
Tarzan lachte. »Sie sind immer noch ein kleines Mädchen. Erzählen Sie noch heute Abend Ihrem Mann die ganze Geschichte. Ich bin sicher, dass er darüber ebenso lachen wird wie ich und die entsprechenden Schritte gegen Ihren Bruder unternimmt.«
Die Gräfin schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht den Mut«, sagte sie. »Ich habe gelernt, die Männer zu fürchten. Erst meinen Vater, dann Nikolas, dann die Pater im Kloster. Fast alle meine Freundinnen fürchten sich vor ihren Männern - warum sollte ich eine Ausnahme machen?«
Tarzan begriff nicht. »Ich verstehe nicht, wie eine zivilisierte Frau sich vor den Männern fürchten kann. Sind sie nicht die Wesen, die geschaffen sind, um sie zu beschützen? Ich würde den Gedanken hassen, dass eine Frau sich vor mir fürchtet.«
»Ich glaube nicht, dass eine Frau sich vor Ihnen fürchten könnte, mein Freund«, sagte Olga de Coude. »Ich kenne Sie erst seit kurzer Zeit, aber Sie sind der einzige Mann, vor dem ich keine Angst empfinde, obwohl Sie sehr stark sind. Ich muss immer wieder daran denken, mit welcher Leichtigkeit Sie mit Nikolas und Paulvitsch in meiner Kabine fertig wurden. Es war großartig.«
Kurze Zeit später verließ Tarzan das Haus. Als die Gräfin in den Raum zurückkehrte, sah sie sich ihrem Bruder gegenüber. Sie wich zurück und fragte: »Seit wann bist du hier?«
Rokoff lächelte zynisch. »Ich war bereits hier, als du deinen Liebhaber empfingst.«
Sie sah ihn in flammender Empörung an. »Wie kannst du so etwas sagen!«
»Meine liebe Olga, wenn er nicht dein Liebhaber ist, so bin ich bereit, mich zu entschuldigen. Aber es ist nicht seine Schuld. Ich habe euch beobachtet. Es hätte nur eines Wortes von dir bedurft, und er hätte dich in die Arme genommen. Er ist ein Narr, der es nicht versteht, im Gesicht einer Frau zu lesen.«
»Schweig!«, herrschte die Gräfin ihn an. »Du weißt, dass ich Raoul eine treue Frau bin. Morgen wirst du nicht mehr wagen, mich zu bedrohen, denn ich werde ihm heute Abend alles erzählen. Er wird mich verstehen, und dann Gnade dir Gott, Nikolas!«
»Du wirst ihm nichts erzählen«, sagte Rokoff. »Einer deiner Diener steht auf meiner Seite. Er ist bereit, jeden Eid für mich zu schwören. Du wirst dich von dem Verdacht, deinen Mann zu betrügen, nicht befreien können.«
Vor dieser Drohung schrak die Gräfin zurück. Sie erzählte ihrem Mann nichts und lebte fortan in ständiger Furcht.