Читать книгу TARZANS RÜCKKEHR - Edgar Rice Burroughs - Страница 7
Erstes Kapitel
Оглавление»Wunderbar!«, seufzte die Gräfin de Coude, und ein tiefer Atemzug hob ihre Brust.
»Wie bitte?«, fragte der Graf und wandte sich seiner jungen Frau zu. »Was ist wunderbar, meine Liebe?« Er sandte seinen Blick in alle Richtungen, um zu erfahren, was ihre Bewunderung erregt habe.
»Oh, nichts Besonderes«, erwiderte die Gräfin verträumt, und ein flüchtiges Rot stieg in ihre Wangen. »Ich erinnerte mich nur gerade an jene hohen Bauten in New York, die sie Wolkenkratzer nennen.«
Sie griff wieder nach dem Magazin, in dem sie geblättert hatte; ihr Gatte vertiefte sich erneut in das Buch, das auf seinem Schoß lag. Frauen, dachte er kopfschüttelnd. New York liegt seit drei Tagen hinter uns, und plötzlich schwärmt sie für eine Stadt, die ihr scheußlich erschien. Er ließ das Buch sinken. »Fahrten auf diesen Ozeandampfern mögen sehr erholsam sein, aber sie bieten wenig Anregung«, stellte er fest. »Ich denke, ich werde mich auf die Suche nach einigen Gleichgesinnten machen. Vielleicht lässt sich ein kleines Kartenspiel arrangieren.«
»Geh nur, mein Lieber«, sagte die Gräfin lächelnd. »Für mich ist Kartenspiel zwar auch eine langweilige Beschäftigung, aber ich kann verstehen, dass du nicht den ganzen Tag untätig an Deck liegen willst.«
Als der Graf gegangen war, wanderte ihr Blick zu der Gestalt eines hochgewachsenen jungen Mannes, der nicht sehr weit entfernt in seinem Deckstuhl lag.
»Magnifique!«, seufzte sie noch einmal vernehmlich.
Die Gräfin Olga de Coude war zwanzig Jahre alt, ihr Mann vierzig. Sie war eine sehr treue und ergebene Gattin, aber da sie bei der Wahl ihres Gatten nicht befragt worden war, kann man annehmen, dass sie keineswegs bis über beide Ohren in den Mann verliebt war, den ihr adliger russischer Vater für sie erwählt hatte.
Ihr Ausruf musste dennoch nicht bedeuten, dass ihre Gedanken verbotene Wege gingen. Es war ihr gegeben, die Schönheit eines Mannes ebenso zu bewundern, wie sie sich an einem rassigen Pferd zu begeistern vermochte.
Als ihr forschender Blick das scharf geschnittene Profil des jungen Mannes streifte, erhob sich dieser und traf Anstalten, das Deck zu verlassen. Die Gräfin winkte einem vorübergehenden Steward.
»Wer ist dieser Gentleman dort?«, fragte sie.
»Dieser Gentleman, Madame, hat als Monsieur Tarzan aus Afrika gebucht«, erwiderte der Steward und entfernte sich mit einer Verbeugung.
Als Tarzan langsam auf den Rauchsalon zu schlenderte, stieß er auf zwei Männer, die flüsternd beieinander standen. Wahrscheinlich hätte er sie nicht beachtet, aber die misstrauisch-verschlagenen Blicke, die ihm der größere der beiden zuwarf, erregten seinen Argwohn. Die beiden erinnerten ihn an jene finsteren Verschwörer-Typen, die ihm in Paris oft auf der Bühne begegnet waren.
Tarzan betrat den Rauchsalon und suchte sich einen Platz abseits von den anderen Passagieren, die sich in dem Raum aufhielten. Er war nicht in der Stimmung zu einer oberflächlichen Unterhaltung, und während er an seinem Absinth nippte, gingen seine Gedanken zu den letzten Wochen seines Lebens zurück. Immer wieder fragte er sich, ob er richtig gehandelt hatte, als er die Rechte, die ihm durch seine Geburt zustanden, einem Mann überließ, dem er nichts schuldete. Es ist wahr, dass Clayton ihm nicht unsympathisch war, aber darauf kam es nicht an. Nicht William Cecil Claytons, Lord Greystokes, wegen hatte er auf seine Rechte verzichtet, sondern der Frau wegen, die beide liebten, die aber ein seltsames Schicksal dem anderen und nicht ihm gegeben hatte. Dass diese Frau ihn liebte, wusste er, aber seine kurze Erfahrung mit der Zivilisation und den Menschen, die in ihr lebten, hatte ihn auch gelehrt, dass den meisten Menschen ein Leben ohne Geld und Ansehen rächt lebenswert erschien.
Tarzans Gedanken wanderten aus der Vergangenheit in die Zukunft. Er versuchte seiner Rückkehr in den Dschungel, in dem er geboren worden war, in dem er seine Jugend verlebt hatte, mit freudiger Erwartung entgegenzusehen. Wer aber von den vielen Dschungelwesen würde ihn willkommen heißen? Kaum einer. Tantor, der Elefant, war der einzige, den er seinen Freund nennen konnte. Die andern würden ihn jagen oder vor ihm fliehen, wie es früher ihre Gewohnheit gewesen war. Nicht einmal die Affen seines eigenen Stammes würden ihm die Freundeshand entgegenstrecken.
Während er sinnend dem Rauch seiner Zigarette nachsah, fiel sein Blick auf einen Spiegel, in dem er einen Tisch sah, an dem vier Männer beim Kartenspiel saßen. Einer von ihnen stand gerade auf, und ein anderer näherte sich, um den frei gewordenen Platz einzunehmen, damit das Spiel fortgehen konnte. Er war der kleinere der beiden Männer, die Tarzan in gedämpfter Unterhaltung auf dem Gang gesehen hatte. Tarzans Interesse war erregt, und er beobachtete weiter. Von den vier Männern am Tisch kannte er nur den Namen des einen - Graf Raoul de Coude, den ein übereifriger Steward ihm als eine der Berühmtheiten an Bord gezeigt hatte.
In diesem Augenblick betrat der zweite der Verschwörer den Raum. Langsam schlenderte er an den Tisch und nahm hinter dem Stuhl des Grafen Aufstellung. Tarzan sah, wie er etwas aus der Tasche zog, konnte aber nicht erkennen, worum es sich handelte. Die Hand des Mannes näherte sich behutsam der Gestalt des Grafen und versenkte schnell und unbemerkt etwas in dessen Rocktasche.
Das Spiel ging für etwa zehn Minuten weiter, und der Graf gewann in dieser Zeit eine beträchtliche Summe von dem Mann, der zuletzt dazugestoßen war. Tarzan sah, wie der Mann hinter dem Stuhl des Grafen nickte. Sogleich sprang sein Gegenüber auf und richtete anklagend einen Finger auf den Grafen.
»Hätte ich gewusst, dass dieser Monsieur ein Falschspieler ist, so hätte ich mich nicht in dieses Spiel ziehen lassen«, sagte er mit scharfer Stimme
Auch der Graf und die beiden andern Spieler sprangen auf. Das Gesicht des Grafen war kalkweiß geworden.
»Was wollen Sie damit sagen, Sir?«, fragte er. »Wissen Sie, mit wem Sie sprechen?«
»Ich weiß, dass ich zum letzten Mal mit jemandem spreche, der beim Kartenspiel betrügt«, erwiderte der andere.
Der Graf beugte sich über den Tisch und schlug seinem Ankläger die Hand ins Gesicht.
»Es muss sich um ein Missverständnis handeln, Sir«, rief einer der andern Spieler. »Dies ist der französische Graf de Coude.«
Der Mann, der den Grafen beschuldigt hatte, lächelte zynisch. »Wenn ich mich geirrt habe, bin ich gern bereit, mich in aller Form zu entschuldigen«, sagte er. »Doch bevor ich das tue, verlange ich eine Erklärung über die Karten, die jener Monsieur eben in seine Tasche schob.«
Der Mann, den Tarzan bei seiner Manipulation beobachtet hatte, wandte sich um und versuchte den Raum zu verlassen. Zu seinem Ärger fand er den Ausgang von einem hochgewachsenen grauäugigen Unbekannten blockiert.
»Pardon«, sagte er und versuchte, sich an Tarzan vorbeizuzwängen.
»Warten Sie«, sagte Tarzan.
»Aber warum, Monsieur? Bitte, lassen Sie mich vorbei.«
»Warten Sie«, wiederholte Tarzan. »Mir scheint, es hat hier einen kleinen Zwischenfall gegeben, zu dessen Aufklärung Sie zweifellos beitragen können.«
Der Mann schien die Geduld zu verlieren. Er stieß eine leise Verwünschung aus und versuchte Tarzan beiseite zu schieben. Lächelnd packte Tarzan ihn beim Kragen, wirbelte ihn herum und zwang den Widerstrebenden, an den Spieltisch zurückzukehren. Auf diese Weise machte Nikolas Rokoff zum ersten Mal Bekanntschaft mit den Muskeln des Mannes, der über Numa, den Löwen, und Terkoz, den großen Affenbullen, Sieger geblieben war.
Der Mann, der de Coude beschuldigt hatte, und die beiden anderen Spieler sahen den Grafen erwartungsvoll an. Andere Passagiere waren durch die streitenden Stimmen angezogen worden und harrten der Entwicklung der Dinge.
»Dieser Bursche ist verrückt«, sagte der Graf. »Gentlemen, ich verlange, dass Sie mich einer Leibesvisitation unterziehen.«
»Die Beschuldigung ist lächerlich«, sagte einer der beiden Spieler.
»Sie brauchen nur die Hand in die Tasche des Grafen zu schieben, um festzustellen, dass ich ihn zu Recht beschuldige«, beharrte der Ankläger. Als niemand Anstalten traf, seiner Aufforderung zu folgen, näherte er sich selbst dem Grafen.
De Coude hob die Hand. »Nicht Sie, Monsieur«, sagte er kühl. »Ich dulde nur, dass ein Gentleman mich durchsucht.«
»Es ist nicht nötig, den Grafen zu durchsuchen. Die Karten befinden sich in seiner Tasche. Ich sah selbst, wie sie ihm zugesteckt wurden.«
Alle Köpfe fuhren herum und wandten sich Tarzan zu, der seinen ungeduldigen Gefangenen immer noch am Kragen gepackt hielt.
»Das ist eine Verschwörung«, rief der Graf ungehalten. »Es gibt keine Karten in meiner Tasche.« Er schob die Hand in die Tasche. Stumm sah ihm die kleine Gruppe zu. Keinem entging das Erbleichen des Grafen, als er langsam die Hand zurückzog, in der sich drei Spielkarten befanden. Entsetzt starrte er sie an, langsam wich die Blässe seines Gesichts einer dunklen Röte.
»Es handelt sich um eine Verschwörung, Monsieur.« Wieder sprach Tarzan. »Gentlemen, der Graf wusste nicht, dass sich diese Karten in seiner Tasche befanden. Sie wurden ihm ohne sein Wissen zugesteckt, als er beim Spiel saß. Ich saß dort drüben am Tisch und beobachtete alles im Spiegel. Dieser Mann hier, den ich eben am Verlassen des Raumes hinderte, hat dem Grafen die Karten in die Tasche geschoben.«
De Coudes Blick wanderte von Tarzan zu dem Mann, den er gepackt hielt.
»Mon dieu, Nikolas«, rief er. »Sie!« Dann wandte er sich seinem Ankläger zu und musterte ihn durchdringend. »Und Sie, Monsieur, erkannte ich nicht, weil Sie Ihren Bart nicht mehr tragen. Sie sehen völlig verändert aus, Paulvitsch. Nun ist alles klar, Gentlemen.«
»Was soll mit ihnen geschehen, Monsieur?«, fragte Tarzan. »Soll ich sie dem Kapitän übergeben?«
»Nein, mein Freund«, sagte der Graf schnell. »Bitte nehmen Sie davon Abstand. Es handelt sich um eine persönliche Angelegenheit. Es genügt mir, dass ich von dem Verdacht gereinigt bin. Je weniger wir mit solchen Lumpen zu tun haben, umso besser für uns alle. Wie kann ich Ihnen für das, was Sie für mich getan haben, danken, Monsieur? Erlauben Sie mir, Ihnen meine Karte zu überreichen. Sollten Sie je meiner Dienste bedürfen, so stehe ich zu Ihrer Verfügung.«
Tarzan hatte Rokoff freigelassen, und dieser beeilte sich, mit Paulvitsch den Rauchsalon zu verlassen. An der Tür wandte sich Rokoff noch einmal um und sagte zu Tarzan: »Monsieur, Sie werden bedauern, sich in die Angelegenheiten anderer gemischt zu haben.«
Tarzan lächelte, verbeugte sich vor dem Graf und gab ihm seine eigene Karte, die den Namen M. Jean C. Tarzan trug.
»Ich fürchte, Monsieur Tarzan«, sagte der Graf, »dass Sie bedauern werden, meine Freundschaft gewonnen zu haben. Ich kann Ihnen versichern, dass Sie sich soeben die Feindschaft zweier der größten Lumpen Europas zugezogen zu haben. Gehen Sie ihnen aus dem Wege, Monsieur, soweit es sich ermöglichen lässt.«
»Ich habe gefährlichere Feinde gehabt, lieber Graf«, erwiderte Tarzan lächelnd, »und ich lebe trotzdem noch. Diese beiden werden keine Gelegenheit finden, mir etwas anzutun.«
»Ich hoffe es, Monsieur«, sagte de Coude. »Seien Sie trotzdem auf der Hut. Sie haben sich zumindest einen Feind gemacht, der nicht vergisst. Nikolas Rokoff ist ein Teufel in Menschengestalt.«
Als Tarzan an diesem Abend seine Kabine betrat, fand er einen Zettel am Boden, der offensichtlich unter der Tür durchgeschoben worden war. Er entfaltete ihn und las:
Monsieur Tarzan!
Zweifellos sind Sie sich über das Ausmaß Ihrer Beleidigung nicht klar gewesen. Ich bin bereit anzunehmen, dass Sie impulsiv handelten und nicht die Absicht hatten, einen Unbekannten zu kränken. Darum bin ich gewillt, Ihre Entschuldigung und die Versicherung, dass Sie sich nicht mehr in Angelegenheiten, die Sie nichts angehen, mischen, anzunehmen und den Fall als erledigt zu betrachten.
Andernfalls - aber ich bin sicher, dass Sie klug genug sein werden, meinen Rat zu befolgen.
Hochachtungsvoll
Nikolas Rokoff
Tarzan lächelte einen Augenblick grimmig, dann wandte er seine Gedanken anderen Dingen zu und ging zu Bett.
In einer nicht weit entfernten Kabine unterhielt sich die Gräfin de Coude mit ihrem Mann.
»Warum bist du so ernst, Raoul?«, fragte sie. »Du bist schon den ganzen Abend verstimmt gewesen. Worüber machst du dir Sorgen?«
»Olga, Nikolas ist an Bord. Wusstest du es?«
»Nikolas!«, rief sie aus. »Aber das ist unmöglich, Raoul. Es kann nicht sein. Die deutschen Behörden haben ihn verhaftet.«
»Das glaubte ich auch, bis ich ihn sah - ihn und seinen Kumpan Paulvitsch. Olga, ich dulde nicht länger, dass er dich verfolgt. Früher oder später werde ich ihn den Behörden übergeben. Ich habe nicht übel Lust, dem Kapitän alles zu erklären, bevor wir am Ziel sind. An Bord eines französischen Ozeandampfers dürfte es ein Leichtes sein, ihm endgültig das Handwerk zu legen.«
»Nein, Raoul, nein«, rief sie und sank vor ihm auf die Knie. »Tue es nicht, Raoul. Erinnere dich an das, was du mir versprochen hast. Sag, dass du es nicht tun wirst. Versprich mir, ihm nicht einmal zu drohen, Raoul!«
Der Graf blieb lange stumm. Dann sagte er: »Also gut, Olga. Ich verspreche es dir, obwohl ich dich nicht verstehe. Er hat keinen Anspruch mehr auf deinen Schutz. Er bedroht dein Leben und unser beider Ehre. Ich hoffe, du wirst es nie bereuen, dich schützend vor ihn gestellt zu haben.«
»Ich stelle mich nicht schützend vor ihn«, unterbrach sie ihn heftig. »Wahrscheinlich hasse ich ihn nicht weniger als du, aber - Blut ist dicker als Wasser.«
»Er hat versucht, mir die Ehre zu nehmen«, sagte der Graf und berichtete, was sich im Rauchsalon abgespielt hatte. »Wäre dieser Fremde nicht aufgetaucht, so wäre es um mich geschehen gewesen, denn was hätte mein Wort gegen die Karten in meiner Tasche genützt. Monsieur Tarzan war tatsächlich der rettende Engel, Olga.«
»Monsieur Tarzan?«, wiederholte die Gräfin überrascht.
»Ja. Kennst du ihn?«
Sie nickte. »Einer der Stewards machte mich auf ihn aufmerksam.«
»Ich wusste nicht, dass er eine Berühmtheit ist«, sagte der Graf, und Olga de Coude beeilte sich, das Thema zu wechseln.