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Erstes Kapitel: Aufs Meer hinaus

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Diese Geschichte beginnt (wie aus vergilbten Tagebuchblättern und den Akten des Britischen Kolonialamtes hervorgeht) mit dem Auftrag an einen jungen britischen Aristokraten - wir wollen ihn John Clayton, Lord Greystoke nennen - gewissen Gerüchten nachzugehen, die eine britische Kolonie an der westafrikanischen Küste betrafen. Diese Gerüchte besagten, dass ein anderer europäischer Staat Eingeborene rekrutierte, um mit deren Hilfe die wilden Stämme am Kongo und Aruwimi zur Lieferung von Kautschuk und Elfenbein zu zwingen. Die Eingeborenen klagten, dass viele ihrer jungen Männer durch großartige Versprechungen fortgelockt würden, aber nur in den seltensten Fällen zu ihren Familien in den heimatlichen Dörfern zurückkehrten.

Britische Gewährsleute in Afrika gingen noch weiter. Nach ihren Behauptungen wurden die rekrutierten Eingeborenen praktisch in Sklaverei gehalten, denn die weißen Offiziere ließen die Schwarzen in Unkenntnis über das Erlöschen ihrer Verpflichtungen und erweckten so in ihnen den Glauben, sie hätten noch mehrere Jahre Dienst zu leisten.

Aus diesem Grund wurde John Clayton vom Kolonialamt offiziell auf einen Posten in Britisch-Westafrika berufen; sein eigentlicher Auftrag bestand jedoch darin, eine sorgfältige Untersuchung dahingehend durchzuführen, ob tatsächlich schwarze britische Untertanen in die Dienste eines befreundeten europäischen Staates gepresst würden.

John Clayton sollte es nie gelingen, diese Untersuchung durchzuführen – er erreichte nicht einmal seinen Bestimmungsort. Clayton war durch und durch ein typischer Brite von durchschnittlicher Größe, hatte graue Augen und ein energisches, wohlgeschnittenes Gesicht. Er erfreute sich einer ausgezeichneten Gesundheit, wozu jahrelanger Dienst in der Armee, der er vor dem Obertritt ins Kolonialamt angehörte, beigetragen hatte.

Die Erteilung eines so wichtigen und delikaten Auftrags schmeichelte ihm und bestürzte ihn zugleich. Sah er sie einerseits als Anerkennung für die bisher geleistete Arbeit und als weiteren Schritt auf der diplomatischen Erfolgsleiter an, so bedrückte ihn andererseits die Tatsache, dass er erst seit drei Monaten mit Alice Rutherford verheiratet war und sich eine Trennung von seiner jungen Frau nicht vorzustellen vermochte. Durfte er sie den Gefahren und der Einsamkeit der afrikanischen Tropen aussetzen? Um ihretwillen erwog er Verzicht, aber sie wollte nichts davon wissen, sondern bestand darauf, dass er den Auftrag annehmen und gemeinsam mit ihr die weite Reise antreten würde.

So gingen an einem sonnigen Maimorgen des Jahres 1888 Lord Greystoke und Lady Alice in Dover an Bord des Schiffes, das sie nach Afrika bringen sollte. Vier Wochen später kamen sie in Freetown an. Dort charterten sie den kleinen Segler Fuwalda, um zu ihrem endgültigen Bestimmungsort zu gelangen. Von dem Augenblick an, als die Fuwalda in Freetown Anker lichtete, blieb sie, samt allen Menschen an Bord, für die Nachwelt verschwunden. Ein halbes Dutzend britischer Kriegsschiffe durchforschte den Südatlantik, doch als an der Küste von St. Helena Trümmer der Fuwalda entdeckt wurden, brach die Admiralität die Suche in der Überzeugung ab, dass das Schiff mit Mann und Maus untergegangen sei.

Die Fuwalda, eine Bark von etwa hundert Tonnen, war ein Schiff jenes Typs, den man im Küstendienst des Südatlantiks oft findet - ein halber Totenkahn mit einer Besatzung, die aus dem Abschaum aller Rassen und Nationen bestand. Ihre Offiziere waren dunkelhäutige Tyrannen, die mit Verachtung auf die Mannschaft herabsahen und von dieser mit teuflischem Hass verfolgt wurden. An der Tüchtigkeit des Kapitäns als Seemann bestand kein Zweifel, aber im Umgang mit der Besatzung kannte er nur zwei Argumente: den Revolver und eine schwere Vorsteckpinne. Es war also kein Wunder, dass John Clayton und seine junge Frau schon am zweiten Tag Zeugen von Szenen wurden, die sie nie für möglich gehalten hätten.

Zwei Matrosen schrubbten das Deck der Fuwalda, der Steuermann versah seinen Dienst, und der Kapitän hatte sich zu John Clayton und Lady Alice gesellt, um mit ihnen zu plaudern. Die beiden Matrosen arbeiteten sich rückwärts auf die Gruppe zu, ohne ihrer gewahr zu werden. Sie kamen näher und näher. Einer der beiden langte gerade in dem Augenblick hinter dem Kapitän an, als dieser weggehen wollte. Der Kapitän stolperte über den hinter ihm Kauernden, stürzte und fiel der Länge nach in die schmutzige Brühe des umgekippten Eimers.

Schreckliche Flüche ausstoßend und mit hochrotem Gesicht erhob sich der Kapitän und schmetterte den Matrosen, einen kleinen, älteren Mann, mit einem fürchterlichen Faustschlag zu Boden. Der zweite Matrose indes war weder klein noch alt, sondern ein Bär von einem Mann mit schwarzem Schnurrbart und einem massigen Schädel auf muskulösen Schultern, Als er seinen Kameraden reglos daliegen sah, stieß er einen heiseren Schrei aus und schlug seinerseits den Kapitän mit einem einzigen Hieb nieder,

Der Kapitän verlor nicht das Bewusstsein, aber sein Gesicht wurde kalkweiß. Dies war Meuterei, und damit war er in seiner langen Laufbahn immer fertig geworden. Ohne sich aufzurichten, riss er den Revolver aus der Tasche und feuerte auf den Berg aus Fleisch und Muskeln, der vor ihm aufragte. Aber so schnell er reagierte, John Clayton war noch schneller. Kaum sah er die Waffe in der Hand des Kapitäns blitzen, als er ihm auch schon den Arm niederschlug, so dass die Kugel sich nicht ins Herz des Matrosen, sondern in sein Bein bohrte.

Es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Clayton und dem Kapitän, der sich jedoch bald eines Besseren besann und wortlos davonging. Es schien ihm nicht angebracht, einen britischen Beamten herauszufordern, denn der Arm der Königin reichte weit und niemand legte sich gern mit der gefürchteten britischen Kriegsmarine an.

Der ältere Matrose hatte inzwischen das Bewusstsein wiedererlangt und half seinem verwundeten Kameraden auf die Beine. Der, von der Besatzung Schwarzer Michael genannte Riese machte zwei tastende Schritte, und als er fand, dass das verletzte Bein seinen Körper trug, wandte er sich um und bedankte sich mit ein paar brummigen Worten bei Clayton. Dann humpelte er zum Vorschiff, offensichtlich wollte er es zu keiner Unterhaltung kommen lassen. Am folgenden Tag sahen Clayton und Alice ihn nicht. Auch der Kapitän ging ihnen tunlichst aus dem Weg und sprach nur das Notwendigste mit ihnen. Obwohl sie in der Offiziersmesse aßen, blieben sie meist sich selbst überlassen, denn die anderen Offiziere - raue, ungebildete Burschen - legten keinen Wert darauf, Kontakt zu ihnen zu gewinnen.

Deshalb bemerkten John und Alice nicht, dass die Atmosphäre auf dem kleinen Schiff sich immer mehr verdüsterte und eine Stimmung herrschte, die auf eine Katastrophe hindeutete. Zwei Tage nach der Verwundung des Schwarzen Michaels durch den Kapitän kam Clayton gerade rechtzeitig an Deck, um zu sehen, wie ein bewusstloser Matrose von vier Kameraden davongetragen wurde. Der Steuermann, eine schwere Vorsteckpinne in der Rechten, musterte eine kleine Gruppe mürrischer Matrosen mit funkelnden Augen.

Clayton stellte keine Fragen, das war nicht nötig. Als aber am nächsten Tag die massigen Rümpfe britischer Kriegsschiffe am Horizont auftauchten, erwog er, sich und Alice von ihnen übernehmen zu lassen. Aber dann kam ihm das Lächerliche seines Vorhabens zu Bewusstsein; man würde hinter seinem Rücken lachen, wenn er zurückkehrte, ohne seinen Auftrag ausgeführt zu haben, man würde ihn vielleicht sogar der Feigheit bezichtigen.

Es war früher Nachmittag, als Clayton und Alice an der Reling standen und den verschwindenden Schlachtschiffen nachblickten. Der alte Matrose, der vom Kapitän zusammengeschlagen worden war, putzte die Messingbeschläge und kam ihnen langsam näher. Als er neben Clayton angelangt war, sagte er leise, ohne den Kopf zu wenden: »Der Teufel wird diesen Kahn holen, Sir! Denken Sie an meine Worte.«

»Was meinen Sie damit, guter Mann?«, fragte Clayton.

»Das fragen Sie noch? Haben Sie nicht gesehen, was hier an Bord vorgeht? Dass der Käpt'n und seine Genossen uns wie Tiere prügeln? Gestern zwei Matrosen zu halben Krüppeln geschlagen und heute schon drei. Der Schwarze Michael ist wieder auf den Beinen, und er ist nicht der Mann, sich das länger anzusehen. Denken Sie an meine Worte, Sir.«

»Wollen Sie damit sagen, dass die Besatzung Meuterei plant?«

»Meuterei!«, wiederholte der Alte verächtlich. »Mord, Sir, Mord! Denken Sie an meine Worte.«

»Wann?«, fragte Clayton.

»Es wird kommen, Sir, es wird kommen, aber ich sage nicht, wann. Hab' überhaupt schon verdammt zu viel gesagt, aber Sie waren anständig neulich, und es ist nicht mehr als recht, dass ich Sie warne. Schweigen Sie darüber, und wenn Sie es knallen hören, gehen Sie unter Deck, damit Sie nicht eine Pille zwischen die Rippen bekommen. Das ist alles, Sir, und denken Sie an meine Worte.«

Der Alte beugte sich tiefer über die Messingbeschläge und entfernte sich von Clayton und Alice.

»Verteufelt angenehme Aussichten«, brummte Clayton.

»Du musst sofort den Kapitän warnen, John«, sagte Alice. »Dann lässt sich vielleicht noch vermeiden, dass es zum Schlimmsten kommt.«

»Wahrscheinlich sollte ich es tun, aber aus eigennützigen Motiven möchte ich darauf verzichten«, meinte Clayton nachdenklich.

»Wegen meines Eingreifens neulich werden sie uns wahrscheinlich verschonen. Finden sie aber heraus, dass ich sie verraten habe, dürfen wir keine Gnade erwarten, Alice.«

»Wenn du es nicht tust, wirst du zum Mitverschwörer«, warnte Alice.

»Du verstehst mich nicht, meine Liebe«, erwiderte Clayton. »Mein Verhalten wird nur durch den Gedanken an dich bestimmt. Der Kapitän ist selbst schuld an der Lage der Dinge. Soll er doch die Suppe auslöffeln, die er sich eingebrockt hat.«

Sie schüttelte den Kopf. »Pflicht bleibt Pflicht«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich wäre einem britischen Lord eine schlechte Frau, wenn ich zuließe, dass er seine Pflicht versäumt, um mir Gefahren zu ersparen.«

Clayton legte den Arm um die Schultern seiner jungen Frau. »Gut, Alice, ich beuge mich deinem Wunsch. Vielleicht sehe ich die Dinge auch zu schwarz, vielleicht wollte der alte Matrose nur seinem Herzen Luft machen. Dort ist übrigens der Kapitän, sicher geht er in seine Kabine. Bringen wir die Sache also hinter uns.«

Sekunden später klopfte er an die Tür der Kapitänskajüte.

»Herein!«, rief eine grollende Stimme.

Clayton trat ein und schloss die Tür.

»Nun?«, fragte der Kapitän unwirsch, als er Clayton erkannte.

»Ich bin gekommen, um Ihnen von einer Unterredung zu berichten, deren Zeuge ich zufällig wurde«, sagte Clayton. »Mag sein, dass nichts daran ist, aber man spricht unter der Besatzung von Meuterei und Mordplänen.«

»Das ist eine Lüge!«, schrie der Kapitän wütend. »Und wenn Sie wieder einmal versuchen, sich in die Disziplin dieses Schiffes zu mischen, so haben Sie die Folgen zu tragen. Es kümmert mich nicht, ob Sie ein britischer Lord sind oder nicht. Kapitän dieses Schiffes bin ich, und ich verlange, dass Sie aufhören, Ihre Nase in meine Angelegenheiten zu stecken.«

Der Kapitän sprang auf. Sein Gesicht war dunkelrot angelaufen, mit der geballten Rechten fuchtelte er Clayton vor der Nase herum. Greystoke hielt dem Blick des Tobenden ruhig stand.

»Captain Billings«, sprach er schließlich langsam und betont, »verzeihen Sie meine Offenheit, aber ich muss Ihnen sagen, dass Sie ein Esel sind, falls Sie das noch nicht wissen.«

Er wandte sich um, verließ die Kabine und kehrte an Deck zurück. »Nun, Alice«, sagte er zu seiner jungen Frau, »ich hätte mir den Weg sparen können. Der alte Narr war nicht im Geringsten dankbar, sondern knurrte mich an wie ein bissiger Hund. Von nun an interessiert mich nur noch unser eigenes Wohlergehen, und als erstes werde ich jetzt in unsere Kabine gehen und meine Pistole überprüfen. Es tut mir nur leid, dass die schwereren Waffen und die Munition bei unserem Gepäck im Laderaum liegen.«

Als sie die Kabine betraten, blieben sie überrascht stehen. Der kleine Raum befand sich in schrecklicher Unordnung. Der Inhalt der Schubladen und Kästen lag am Boden verstreut, selbst die Letten waren durchsucht worden.

»Offensichtlich hat sich jemand für unseren Besitz interessiert«, bemerkte Clayton. »Ich möchte bei Gott wissen, hinter was er her war. Schaffen wir Ordnung, Alice, und stellen wir fest, was fehlt.«

Sie brauchten nicht lange, die Sachen wieder einzuräumen. Nur die beiden Pistolen und eine kleine Schachtel Munition fehlten.

»Gerade die Dinge, die mir im Augenblick am wichtigsten scheinen«, sagte Clayton unbehaglich.

»Was sollen wir tun, John?«, fragte seine Frau. »Ein erneuter Gang zum Kapitän kommt nicht in Frage. Ich will nicht, dass er dich wieder beleidigt. Vielleicht ist es am besten, wenn wir uns neutral verhalten. Sind die Offiziere in der Lage, die Meuterei zu verhindern, so haben wir nichts zu fürchten. Sollten die Meuterer siegen, dann können wir nur auf Nachsicht hoffen, wenn wir sie nicht herausfordern.«

»Du hast recht, Alice, der goldene Mittelweg scheint für uns das einzig Richtige.«

Sie räumten die letzten Dinge auf. Als Clayton sich der Tür näherte, sah er, wie ein Stück Papier darunter durchgeschoben wurde. Er wollte schon den Türgriff packen, als Alice ihn aufhielt.

»Nicht, John«, flüsterte sie. »Sie wollen nicht gesehen werden, also dürfen wir sie nicht sehen. Vergiss nicht, dass wir uns für den goldenen Mittelweg entschieden haben.«

Lächelnd ließ Clayton die Hand sinken. Er wartete eine Minute, dann öffnete er die Tür, hob den Zettel auf und entfaltete ihn. In ungelenker Schrift warnte man sie davor, dem Kapitän den Verlust der Waffen zu melden und über das zu sprechen, was sie von dem alten Matrosen gehört hatten. Für den Fall, dass sie die Warnung nicht befolgten, drohte man ihnen den Tod an.

Achselzuckend zerknüllte Clayton den Zettel und schob ihn in die Tasche. »Eine Warnung, die nicht misszuverstehen ist«, sagte er leise. »Ich denke, wir müssen sie befolgen. Von nun an können wir nur abwarten und der Dinge harren, die da kommen werden.«

TARZAN VON DEN AFFEN

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