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Zweites Kapitel: Das Zuhause in der Wildnis
ОглавлениеSie brauchten nicht lange zu warten, denn als Clayton am nächsten Morgen an Deck ging, um den gewohnten Spaziergang zu. machen, erklang ein Schuss, dem sofort andere folgten. Der Anblick, der sich Clayton bot, entsprach seinen schlimmsten Befürchtungen. Offiziere und Besatzung des kleinen Schiffes standen sich kampflustig gegenüber. Der Schwarze Michael führte die Mannschaft an. Nach der ersten, von den Offizieren abgegebenen Salve hatten die Matrosen Deckung gesucht und erwiderten das Feuer der fünf Offiziere, die für sie die verhasste Autorität des Schiffes repräsentierten. Zwei Besatzungsmitglieder waren bereits gefallen, und in dieser Sekunde warf ein gutgezielter Schuss den Steuermann zu Boden. Auf Befehl des Schwarzen Michaels stürmten seine Männer auf die restlichen vier Offiziere los. Nur sechs der Matrosen besaßen Schusswaffen, die anderen hatten sich mit Bootshaken, Äxten, Beilen und Knüppeln bewaffnet.
Der Kapitän lud gerade nach, als der Angriff erfolgte. Die Pistole des Zweiten Steuermannes hatte Ladehemmung, so dass nur zwei Offiziere ihre Waffen auf die Anstürmenden richten konnten. Beide Parteien stießen wilde Verwünschungen aus, in die sich die Schreie und das Stöhnen der Verwundeten mischten. Schritt um Schritt wichen die Offiziere zurück, dann begann das blutige Handgemenge. Die Axt in der Hand eines herkulischen Negers spaltete den Schädel des Kapitäns von der Stirn bis zum Kinn, Sekunden später sanken die anderen Offiziere blutüberströmt zu Boden.
Während des kurzen, verbissenen Kampfes hatte Clayton an der Reling gelehnt und gelassen seine Pfeife geraucht, als sähe er einem Kricketmatch zu. Nun dachte er an seine Frau, die allein unter Deck war, und wandte sich zum Gehen. Zu seinem Erstaunen sah er Alice an der nach unten führenden Treppe stehen.
»Seit wann bist du an Deck, Alice?«, fragte er besorgt.
»Seit es begann«, erwiderte sie. »Wie schrecklich, John, wie schrecklich! Was können wir jetzt noch erhoffen, da diese fürchterlichen Männer das Schiff in der Gewalt haben?«
»Unser Frühstück«, sagte Clayton und zwang sich zu einem Lächeln, um ihre Furcht zu zerstreuen. »Zumindest werde ich sie fragen, wie es damit steht. Sie dürfen nicht auf den Gedanken kommen, wir erwarteten etwas anderes als die höflichste Behandlung.«
Die Besatzungsmitglieder hatten sich inzwischen um die toten und verwundeten Offiziere geschart und warfen sie der Reihe nach über Bord. Mit der gleichen Herzlosigkeit und Ungerührtheit ließen sie ihre eigenen Toten und Verwundeten folgen. Dann erspähte einer von ihnen die sich nähernden Claytons und stürmte mit dem Ruf »Noch zwei von den Brüdern!« auf sie zu.
Aber der Schwarze Michael war schneller, und der Angreifer sank mit einer Kugel im Rücken zu Boden, bevor er drei Schritte gemacht hatte. Mit lauter Stimme verschaffte sich der Schwarze Michael Gehör, er wies mit dem Finger auf Clayton und Alice.
»Die da sind meine Freunde und werden in Ruhe gelassen, verstanden?«, sagte er. »Jetzt bin ich Kapitän dieses Schiffes und gebe die Befehle.« Er nickte Clayton zu. »Halten Sie sich abseits und kümmern Sie sich um nichts anderes, dann belästigt Sie niemand.«
Die Claytons befolgten seinen Rat. So begegneten sie nur selten einem Besatzungsmitglied und erfuhren nichts von den Plänen der Männer. Gelegentlich hörten sie lauten Streit zwischen den Meuterern, und zweimal zerrissen Schüsse die Stille, die über dem Schiff lag. Aber es schien, als sei der Schwarze Michael durchaus der Mann, seine aus halben Verbrechern bestehenden Untergebenen im Zaum zu halten.
Am fünften Tag nach der Ermordung der Offiziere kam Land in Sicht. Ob es sich um eine Insel oder um Festland handelte, wusste der Schwarze Michael nicht. Er verkündete Clayton, dass er und seine Frau mit ihrer Habe an Land gebracht würden, wenn es sich um bewohnbares Gebiet handeln sollte.
»Sie werden sich dort ein paar Monate durchschlagen können«, erklärte er. »Inzwischen haben wir eine bewohnte Küste erreicht und uns in alle Winde verstreut. Dann sorge ich dafür, dass Ihre Regierung benachrichtigt wird und ein Kriegsschiff schickt, das Sie abholt.« Er sah, wie sich Claytons Brauen zusammenzogen, und fügte hinzu: »Gewiss wäre es besser für Sie, wenn wir Sie in einer zivilisierteren Gegend absetzten, aber das geht nicht. Man würde uns Fragen stellen, auf die wir die Antworten schuldig bleiben müssten.«
Clayton protestierte dagegen, an einer unbekannten Küste zurückgelassen zu werden, aber seine Worte machten keinen Eindruck auf den Schwarzen Michael. Schließlich ergab er sich achselzuckend in sein Schicksal. Gegen drei Uhr nachmittags näherten sie sich der mit wunderbaren Bäumen bestandenen Küste, und eine Stunde später lag die Bark in einem kleinen, natürlichen Hafenbecken vor Anker, das durch eine schmale Passage zu erreichen war.
Soweit das Auge blickte, war die Küste mit üppigem subtropischem Grün bewachsen. In der Ferne stieg das von dichtem Urwald bedeckte Land an. Kein Zeichen deutete darauf hin, dass es sich um bewohntes Gebiet handelte, aber die vielen Vögel und kleineres Wild, das von Deck aus beobachtet werden konnte, ließen keinen Zweifel daran, dass Menschen sich hier ohne sonderliche Anstrengung zu erhalten vermochten, zumal ein kleines Flüsschen sein Frischwasser in das Hafenbecken führte.
Als die Nacht herabsank, standen Clayton und Lady Alice stumm an der Reling und blickten auf das Land, das ihnen für die nächste Zeit zur unfreiwilligen Heimat werden sollte. Aus den dunklen Schatten der mächtigen Wälder klangen die Stimmen der Dschungelbestien - das dumpfe Brüllen des Löwen und gelegentlich der heisere Ruf eines Panthers.
Später trat der Schwarze Michael zu ihnen und riet Clayton, sich auf die Landung vorzubereiten. Weder Bitten noch Drohungen vermochten ihn von seinen Plänen abzubringen.
»Ich bin der einzige Mensch an Bord, der Sie nicht lieber tot als lebendig sähe«, sagte er. »Im Interesse unserer Sicherheit wäre es besser, es gäbe keine Tatzeugen, aber der Schwarze Michael ist nicht der Mann, der es vergisst, wenn ihm jemand half. Sie haben mir das Leben gerettet, jetzt rette ich Ihnen das Ihre, aber mehr kann ich nicht tun. Je schneller Sie an Land gebracht werden, desto besser, damit die Mannschaft es sich nicht noch anders überlegt. Sie können Ihr gesamtes Gepäck mitnehmen, außerdem bekommen Sie von uns alles, was Sie zum Kochen brauchen, ein paar alte Segel, aus denen Sie sich ein Zelt bauen können, und genügend Verpflegung für die erste Zeit. Später müssen Sie von Früchten und Wild leben, was es reichlich geben dürfte. Dazu haben Sie Ihre Waffen, um sich gegen wilde Tiere zu schützen. Sie können es also aushalten, bis Hilfe kommt. Sobald ich in Sicherheit bin, erfährt Ihre Regierung, wo Sie stecken, obwohl ich den genauen Standort selbst nicht kenne. Aber man wird Sie schon finden.«
Er wandte sich um und ging unter Deck. In düsterer Stimmung blieben Clayton und Alice zurück. Clayton glaubte nicht an die Absicht des Schwarzen Michaels, die britische Regierung zu verständigen. Außerdem fürchtete er, dass die Matrosen, die sie an Land bringen sollten, sich nicht mehr an die Befehle ihres neuen Kapitäns halten würden, sobald sie außer Sichtweite waren.
Aber selbst, wenn es keine Zwischenfälle gab, welches Schicksal erwartete sie? Seinetwegen machte er sich keine Sorgen. Er war ein durchtrainierter, athletischer Mann, den keine Strapaze schreckte. Wie aber stand es mit Alice und dem neuen Leben, das in ihr wuchs? Würde sie die Anforderungen eines harten, unbarmherzigen Dschungellebens durchstehen, den Gefahren und Drohungen einer primitiven, an Entbehrungen reichen Existenz trotzen?
Früh am nächsten Morgen wurden die zahlreichen Kisten und Kästen, die ihre Habe bargen, an Deck getragen. Da sie sich auf einen mehrjährigen Aufenthalt in ihrer neuen Heimat vorbereitet hatten, enthielt das Gepäck nicht nur Lebensnotwendigkeiten, sondern sogar einige Luxusartikel. Der Schwarze Michael achtete sorgsam darauf, dass nichts, was den Claytons gehörte, an Bord zurückblieb. Er bestand sogar darauf, dass der Matrose, der Claytons Pistolen an sich genommen hatte, sie zurückgab.
Das Gepäck wanderte in das Beiboot, dazu kamen aus den Vorräten des Schiffes gesalzenes Fleisch und Zwieback, Kartoffeln - und Bohnen, Zündhölzer, Kochtöpfe, ein Kasten mit Werkzeug und die alten Segel, die der Schwarze Michael ihnen versprochen hatte.
Michael begleitete sie an Land, als teilte er ihre Befürchtungen.
Er war der letzte, der das Beiboot wieder bestieg, nachdem die Matrosen ihre Fässer mit Frischwasser gefüllt hatten. Stumm blickten Clayton und seine Frau dem kleinen Boot nach, das auf die Fuwalda zustrebte. Als der Segler eine halbe Stunde später die schmale Einfahrt passierte und ihren Blicken entschwand, warf Alice die Arme um Claytons Hals und presste ihr tränenüberströmtes Gesicht an seine Brust.
Weder der Mann noch die Frau ahnten, dass zwei Augen - nahe beisammen liegende, verschlagene Augen unter zottigen Brauen - sie vom Rand einer niedrigen Anhöhe beobachteten.
»Wie schrecklich, John«, sagte Alice, als ihre Tränen versiegt waren. »Nun ist es geschehen, wir sind allein im Dschungel. Was sollen wir tun?«
»Arbeiten, uns beschäftigen«, erwiderte Clayton mit fester Stimme und drückte seine Frau an sich. »Unsere Rettung kann nur in der Arbeit liegen. Wir dürfen uns nicht dem Grübeln überlassen, das wäre unser Verderben. Man wird uns finden, dessen bin ich sicher. Sobald sich herausstellt, dass die Fuwalda ihren Bestimmungsort nicht erreicht hat, wird man uns suchen, selbst wenn der Schwarze Michael sein Wort nicht hält.«
Alice begann erneut zu schluchzen. »Wenn es nur um dich und mich ginge, John, würden wir die Wartezeit überstehen, das weiß ich, aber...«
»Auch daran habe ich gedacht«, sagte er, ihr über das Haar streichend. »Es gibt kein Problem, das nicht zu lösen wäre. Vor hunderttausend Jahren lebten unsere Vorfahren unter den gleichen primitiven Verhältnissen wie wir. Sie wurden damit fertig, sonst existierten wir heute nicht. Gegen sie, die nur Waffen aus Stein und Knochen besaßen, sind wir reich, und zudem verfügen wir über alle Erfahrungen, die uns die Wissenschaft bescherte. Und da sollten wir nicht mit den Problemen fertig werden, die jene primitiven Geschöpfe zu lösen vermochten?«
Alice lächelte unter Tränen. »Du hast recht, John. Verlass dich auf mich. Ich werde mich bemühen, dir eine tapfere Gefährtin zu sein.«
Claytons erste Sorge galt der Schaffung einer sicheren Unterkunft, die ihnen nachts Schutz vor den blutgierigen Bestien des Dschungels bot. Zuerst öffnete er die Kiste mit den Waffen und der Munition, so dass sie sich während der Arbeit gegen überraschende Überfälle zur Wehr setzen konnten. Dann suchte er nach einem geeigneten Platz für die erste Nacht. Etwa hundert Meter vom Bach entfernt entdeckte er auf einer kleinen Lichtung eine ebene Stelle, die ihm als Platz für das künftige Haus geeignet schien. Vorerst aber gedachte er eine Art Hütte in den Bäumen zu errichten, um vor den nachts auf Beute ausziehenden Raubtieren sicher zu sein. Er wählte vier Bäume, die ein Quadrat von etwa drei Metern Seitenlange bildeten. Mit Axt und Tauwerk aus dem Werkzeugkasten errichtete er eine Plattform in den Zweigen, die er mit dicken Schichten des mannshoch wachsenden Elefantengrases polsterte und mit einer dreifach gefalteten Segelleinwand abdeckte. Gegen den Regen baute er zwei Meter höher eine ähnliche Plattform als Dach. Dann trug er ihre Decken und einen Teil des leichteren Gepäcks in die neue Behausung. Inzwischen war es später Nachmittag geworden, der Rest des Tages verging mit der Anfertigung einer Leiter, auf der Alice in die primitive Hütte klettern konnte. Bunte, exotische Vögel und aufgeregt schnatternde Affen hatten die Ankunft der Fremdlinge und den Fortgang der Arbeiten beobachtet. Obwohl sie scharf Ausschau hielten, gewahrten weder Clayton noch Alice größere Raubtiere, aber es fiel ihnen auf, dass die putzigen, kleinen Affen wiederholt ängstliche Blicke zum Rand der Höhe warfen und zweimal kreischend die Flucht ergriffen.
Kurz vor Einbruch der Dämmerung füllte Clayton aus dem nahen Flüsschen eine große Schüssel mit Wasser und stieg mit Alice über die Leiter in die verhältnismäßig sichere, luftige Behausung hinauf. Es war sehr warm, deshalb hatte Clayton die seitlich herabhängende Zeltleinwand über dem Dach zusammengeschlagen. Sie kauerten sich wie Türken auf die Decken, und Lady Alice ließ den Blick langsam über die dunkler werdenden Schatten ringsum schweifen. Plötzlich hielt sie den Atem an und griff nach Claytons Arm.
»John«, flüsterte sie, »dort hinten! Was ist das? Ein Mensch?«
Clayton wandte den Kopf in die Richtung, in die sie wies. Am Rand der Höhe erkannte er undeutlich die Silhouette einer hohen Gestalt, die sekundenlang wie lauschend stand und dann mit dem sie umgebenden Schatten verschmolz.
»Was war das, John?«, wiederholte Alice.
Clayton schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Alice. Die Entfernung war zu groß, um das klar zu erkennen. Vielleicht war es nur ein Schatten, den der aufgehende Mond warf.«
»Nein, John. Wenn es kein Mensch war, dann war es das riesige, unheimliche Zerrbild eines Menschen. Ich fürchte mich, John, ich habe Angst.«
Er schloss sie in die Arme und sprach ihr Mut zu. Allmählich entspannte sich ihr verkrampfter Körper. Bald darauf zog Clayton die Seitenplanen herab und verknotete sie fest mit der Plattform. Nur zum Strand hin ließ er eine schmale Öffnung, durch die sie notfalls schnell ins Freie gelangen konnten. Die Dämmerung war in pechschwarze Nacht übergegangen. Sie streckten sich auf ihrem Lager aus, um einige Stunden Schlaf und Vergessen zu finden.
Clayton lag mit dem Gesicht zum Einschlupf, ein Gewehr und zwei Pistolen griffbereit neben sich. Kaum hatten sie die Augen geschlossen, als der furchterregende Schrei eines Panthers aus dem Dschungel hinter ihnen aufstieg. Näher und näher kam das Fauchen, bis sie die Bestie direkt unter sich hörten. Länger als eine Stunde schnupperte die große Raubkatze durch das Gras und schlug ihre Krallen in die Rinde der Bäume, welche die Plattform trugen. Schließlich entfernte sie sich zum Strand hin, wo Clayton sie im hellen Mondschein deutlich erkennen konnte - ein großes, schönes Raubtier, den größten Panther, den er je zu Gesicht bekommen hatte.
Sie verbrachten eine unruhige Nacht, denn die vielfältigen Geräusche des Dschungels endeten nie und zerrten an ihren Nerven. Immer wieder erklangen grelle Schreie, bewegten sich mächtige Tierkörper unter ihnen.