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Terry hatte Jiggs zum Besuch einer Operette eingeladen und wollte gerade seine Wohnung verlassen, als das Telefon klingelte. Glücklicherweise fuhr Jiggs im selben Augenblick vor, und die beiden rasten in seinem Taxi mit größter Geschwindigkeit zum Berkeley Square.


Vor dem Haus Nummer 147 hatte sich schon eine Menschenmenge angesammelt; irgendwie mußte sich die Nachricht von dem Verbrechen verbreitet haben. Terry bahnte sich einen Weg durch die Gasse und wurde von dem Polizisten, der an der Tür Wache hielt, sofort eingelassen.


Die beiden Beamten in Zivil, die die Vorderseite des Gebäudes tagsüber bewacht hatten, warteten innen und erstatteten kurz Bericht. Niemand war während der letzten halben Stunde vor dem Mord ins Haus gekommen oder hatte es verlassen. Terry ging in die Bibliothek und betrachtete den Toten. Der alte Mann war aus nächster Nähe mit einem schweren Revolver erschossen worden. Die Waffe lag etwa einen Meter vom Schreibtisch entfernt auf dem Boden. Der Detektiv ließ sich eine Zange bringen, und nachdem er die Lage des Revolvers mit Kreide genau bezeichnet hatte, hob er die Waffe auf, legte sie auf einen kleinen Tisch und untersuchte sie beim Schein einer hellen Leselampe. Es war ein verhältnismäßig altmodischer Colt-Revolver, der noch vier Patronen enthielt.


Wichtiger war die Entdeckung, daß sich auf den Stahlteilen zwischen dem Griff und der Trommel deutlich ein Fingerabdruck zeigte. Auf dem Schreibtisch entdeckte Terry einen Bogen Papier, auf dem ebenfalls ein ganzer Satz von Fingerabdrücken klar zu erkennen war. Eine dritte Reihe von Fingerabdrucken fand sich auf dem Rand des blankpolierten Mahagonischreibtisches. Es sah so aus, als ob jemand seine Hand dort hingelegt hätte.


Terry ging dann in Leslies Büro und unterhielt sich mit ihr. Sie war bleich, erzählte ihm aber gefaßt, was sie von der Sache wußte.


»Ist Tanner benachrichtigt worden?«


Sie nickte.


»Er kam sofort herunter und sah den armen Mr. Decadon. Dann ging er wieder in seine Wohnung hinauf. Er sagte, daß nichts angerührt werden dürfe. Aber die Polizei war schon im Haus und hatte alle Anordnungen getroffen. Mr. Tanner wußte natürlich nichts davon, daß die Beamten den ganzen Tag Wache gehalten hatten.«


Terry ließ Tanner durch Danes rufen, und Ed kam mit ernstem Gesicht herunter. Ohne zu zögern, ging er in die Bibliothek. »Es ist furchtbar – einfach entsetzlich!« erklärte er. »Ich kann es kaum glauben ...«


»Haben Sie den Revolver vorher schon gesehen?«


Terry zeigte auf die Schußwaffe, die auf dem Tisch lag.


Zu seinem Erstaunen nickte Tanner. »Ja, das ist mein Revolver! Ich bin meiner Sache ganz sicher: Ich habe ihn nicht angefaßt, als ich vorher hereinkam, aber ich kann einen Eid leisten, daß die Waffe mir gehört. Vor einem Monat wurde mir ein Koffer auf dem Bahnhof gestohlen, in dem auch dieser Revolver lag. Ich habe der Polizei damals die Sache angezeigt und sogar die Nummer der Waffe angegeben.«


Terry erinnerte sich genau an den Vorfall, denn Diebstahl von Feuerwaffen gehörte zu seiner Abteilung. »Und seit der Zeit sahen Sie den Revolver nicht wieder?«


»Nein.«


»Mr. Tanner: Auf der Waffe und auf dem Schreibtisch hier haben wir Fingerabdrücke gefunden. In kurzer Zeit werden die Beamten des Erkennungsdienstes mit ihren Apparaten hier sein. Sind Sie bereit, ihnen Ihre eigenen Fingerabdrucke zu geben, damit man sie mit den anderen vergleichen kann?«


»Gewiß! Ich habe nicht das geringste dagegen!«


Gleich darauf erschienen die Beamten. Terry nahm den Sergeanten einen Augenblick beiseite und erklärte ihm, was zu tun sei. Ein paar Minuten darauf hatten sie klare und gute Abdrücke von Tanners Fingern.


Der Sergeant machte sich nun daran, die übrigen Abdrücke aufzunehmen. Als er sie auf dem Bogen Papier mit Puder eingestäubt hatte, traten sie klar hervor. Er untersuchte sie, und Terry sah das Erstaunen in seinen Zügen. »Es sind die gleichen Abdrücke wie die von Mr. Tanner!«


»Was?« rief Terry verblüfft. Er nahm den Revolver auf und bestäubte selber den Abdruck mit Puder. »Hier ist es ebenso ...« Terry sah zu Tanner hinüber, der vollkommen ruhig geblieben war und nur leicht lächelte.


»Um sieben Uhr heute abend war ich in der Bibliothek, Chefinspektor, aber ich habe weder den Briefbogen noch sonst etwas im Zimmer angefaßt. Die Tatsache, daß ich vorher hier im Zimmer war, würde eine sehr einfache Erklärung für meine Fingerabdrücke auf dem Schreibtisch geben. Damit wären aber nicht die auf dem Revolver erklärt. Doch auch die hätte ich unmöglich hinterlassen können, denn ich war im Begriff auszugehen und trug Handschuhe. Erst nachdem ich meinen Onkel gesprochen hatte, änderte ich meine Absicht und ging wieder in meine Wohnung.«


»Worüber haben Sie sich denn unterhalten?«


Eine kleine Pause trat ein. »Wir sprachen über sein Testament. Er hatte mich heruntergerufen, um mir mitzuteilen, daß er zum erstenmal in seinem Leben ein Testament machen wollte ...«


»Hat er Ihnen gesagt, wie er über sein Vermögen verfügte?«


»Nein.«


Terry ging wieder in Leslies Büro und hörte zu seinem Erstaunen, daß Decadon vor seinem Tod tatsächlich ein Testament aufgesetzt hatte, das von Leslie persönlich als Zeugin unterzeichnet worden war.


Über den Inhalt konnte sie allerdings nichts sagen. Sie wußte nur, daß der alte Herr ihr ein Legat von tausend Pfund vermacht hatte. »Ich machte ihn noch ausdrücklich darauf aufmerksam, daß es ungültig sei, wenn ich als Zeugin seine Unterschrift bestätige.«


»Haben Sie eine Ahnung, wo er das Testament verwahrt hat?«


»Er hat es in die linke obere Schreibtischschublade gelegt.«


Terry ging wieder in die Bibliothek zurück. Inzwischen war der Arzt erschienen und untersuchte den Toten.


»Können Sie mir wirklich nicht sagen, wie Ihr Onkel in dem Testament über sein Vermögen verfügt hat?«


»Nein – das weiß ich nicht«, erklärte Tanner zum zweitenmal. »Er hat mir nichts darüber gesagt.«


Terry trat an den Schreibtisch und zog die ihm von Leslie bezeichnete Schublade auf. Sie war leer ...


»Es ist Ihnen doch klar, wie ernst diese Situation für Sie ist, Mr. Tanner? Wenn Ihre Angabe stimmt, daß Ihr Onkel nie ein Testament gemacht hat, sind Sie, als sein einziger Verwandter, sein Universalerbe. Er hat nun aber, nach Feststellung mehrerer Zeugen, tatsächlich ein Testament hinterlassen, und es wäre möglich, daß er Sie darin enterbt hätte. Die Vernichtung des Testaments und die Ermordung Ihres Onkels sind Umstände, die deutlich auf ein wichtiges Motiv hinweisen ...«


Tanner nickte. »Wollen Sie damit sagen ...?«


»Nein! Im Augenblick will ich noch nichts sagen! Ich möchte Sie nur bitten, die Beamten nach Scotland Yard zu begleiten und mich in meinem Büro zu erwarten. Das bedeutet noch nicht, daß Sie verhaftet sind.«


Tanner dachte einen Augenblick nach. »Kann ich mich mit meinem Rechtsanwalt in Verbindung setzen?«


Terry schüttelte den Kopf. »Das ist hier bei uns nicht üblich. Wenn eine bestimmte Anklage gegen Sie erhoben wird, können Sie selbstverständlich Ihren Rechtsanwalt sprechen. Aber es steht noch nicht fest, ob eine Anklage erhoben wird. Die Umstände sind sehr verdächtig. Sie selbst geben zu, daß die Mordwaffe Ihnen gehört; der Sergeant hat festgestellt, daß die Fingerabdrücke den Ihren gleichen. Wir müssen die Sache genauer untersuchen, und es bleibt mir nichts anderes übrig, als in der angegebenen Weise zu handeln.«


»Ich verstehe vollkommen!« entgegnete Tanner und machte sich auf den Weg zum Polizeipräsidium. Jiggs Allerman war schweigender Zeuge all dieser Vorgänge gewesen. Terry hatte die Anwesenheit des Amerikaners vollständig vergessen. Erst jetzt bemerkte er ihn wieder und trat zu ihm.


Jiggs beobachtete gerade die Beamten des Erkennungsdienstes, die den Toten fotografierten. »Ist dies nun schon ein Bandenmord? Oder liegt ein anderes Motiv zugrunde? Ich wage das im Augenblick nicht zu entscheiden.« Er schüttelte den Kopf. »Was ich nicht recht verstehen kann, sind die Fingerabdrücke auf dem Aktenbogen. Haben Sie sich die schon genau angesehen? Sie sind ungewöhnlich grob.«


Der Sergeant sah sich um. »Das ist mir auch aufgefallen. Die Linien sehen so merkwürdig verschwommen aus. Man sollte fast glauben, die Abdrücke seien absichtlich gemacht ...«


»Zu der Schlußfolgerung bin ich ebenfalls gekommen«, bestätigte Jiggs. »Dann der Revolver auf dem Fußboden! Haben Sie jemals gehört, daß ein Gangster sein Schießeisen zurückläßt? Er hätte ja ebensogut seine Visitenkarte neben sein Opfer legen können!«


Terrys Assistent kam an, und der Chefinspektor gab ihm den Auftrag, eine genaue Durchsuchung des Hauses vorzunehmen. »Besonders eingehend nehmen Sie sich Tanners Wohnung vor! Sehen Sie sich genau nach Patronen, und sonstigen Beweisstücken um, die ihn mit dem Verbrechen in Verbindung bringen könnten! Vor allem suche ich nach einem Testament, das Mr. Decadon heute abend geschrieben hat und das verschwunden ist. Schauen Sie sich in allen Kaminen und an anderen Plätzen um, wo Asche liegen könnte! Es. besteht der Verdacht, daß Tanner das Testament verbrannt hat.«


Nachdem der Tote fortgeschafft und die Spuren des Verbrechens beseitigt waren, rief er Leslie herein. Ihr Gesicht war blaß, und ihre Lippen zitterten; die Reaktion machte sich jetzt bei ihr geltend.


»Gehen Sie jetzt bitte nach Hause, Miss Ranger! Ich gebe Ihnen einen meiner Beamten zur Begleitung mit. Der Himmel weiß, wie ich den Mann darum beneide ... Kommen Sie aber morgen um die gewöhnliche Zeit wieder hierher! Ich habe noch einige Fragen an Sie zu stellen; das kann ich Ihnen leider nicht ersparen.«


»Der arme Mr. Decadon ...!« sagte sie leise.


»Ich weiß! Ich weiß!« Er wagte es, behutsam den Arm um ihre Schultern zu legen. »Sie müssen jetzt alles zu vergessen suchen, was Sie heute erlebte haben! Morgen ist ein neuer Tag – da sieht die Sache ganz anders aus. Eines nur möchte ich wissen: Haben Sie gehört, daß Tanner mit dem alten Herrn in der Bibliothek sprach? Und wann war das?«


Sie konnte genaue Angaben darüber machen, die mit Tanners Aussagen durchaus übereinstimmten.


»Und kurz bevor die Schüsse fielen, haben Sie Stimmen gehört?«


»Ja. Aber ich erkannte nur Decadons Stimme, die andere nicht.«


»Sie hörten doch auch die Geräusche, als die Schlüssel in der Bibliothekstür und in der Bürotür umgedreht wurden? Wir können also annehmen, daß jemand den Gang entlangging, Ihre Tür zum Korridor abschloß, in die Bibliothek eindrang und dann, ohne Rücksicht auf Decadons Anwesenheit, die Verbindungstür zwischen Ihrem Büro und der Bibliothek absperrte.«


»Ja, so muß es wohl gewesen sein«, entgegnete sie müde. Er nahm sie am Arm. »Genug für heute abend! Jetzt gehen Sie heim, legen sich hin und träumen – wenn möglich: von mir!«


Sie versuchte zu lächeln, aber es gelang ihr nicht ganz.


»«Was halten Sie von der Sache, Jiggs?« fragte Terry, als Leslie gegangen war.


»Ich stimme mit Ihrer Ansicht überein: Der Mörder kam von der Rückseite des Hauses.«


»Es kann sehr wohl Tanner gewesen sein ...«


»Gewiß! Aber ebensogut mag einer der Dienstboten die Tat begangen haben. Wir wollen uns einmal auf dem Grundstück umsehen.«


Sie gingen den Gang bis zu Ende. Zur Linken sahen sie den Lift; rechts führte eine Treppe zur Küche hinunter. Unter den Stufen befand sich ein großer Schrank, in dem Mäntel, Schirme und Gummiüberschuhe aufbewahrt wurden. Jiggs öffnete die Tür zum Fahrstuhl und drehte das Licht an. Dann traten die beiden ein. Der Aufzug brachte sie direkt zum obersten Geschoß; man konnte ihn zwischendurch nicht anhalten.


Auf einem schmalen Treppenabsatz stiegen sie aus. Links sahen sie eine Glastür, auf der mit roten Buchstaben ›Notausgang‹ stand. Terry versuchte den Handgriff, der sofort nachgab. Soviel er sehen konnte, führte eine schmale Eisentreppe im Zickzack auf den kleinen Hof hinunter.


Terry trat wieder zurück, schloß die Tür und ging in Tanners Wohnung, die von zwei Beamten durchsucht wurde.


»Ich habe bisher nichts finden können«, berichtete der eine. »Nur dies hier. Ich weiß nicht, was das bedeuten soll.« Er zeigte auf einen Stuhl, auf dem ein Paar schmutziger und zerrissener Stiefel stand. »Ich fand sie unter dem Stuhl«


Sie befanden sich in Tanners Schlafzimmer, und der Sergeant machte darauf aufmerksam, daß ein kleiner Sekretär offenstand und eine Anzahl von Papieren auf dem Fußboden lag. Verschiedene Schubfächer mußten eilig ausgekramt worden sein. »Es sieht so aus, als ob schon vor uns jemand diesen Raum durchstöbert hätte. Vielleicht hat aber Tanner hastig etwas gesucht?«


Terry sah wieder auf die Schuhe und schüttelte den Kopf. »Haben Sie keine Papierasche im Kamin gefunden?«


»Nein. Es riecht auch nirgends nach verbranntem Papier.«


»Hören Sie mal, Terry!« mischte Jiggs sich ein. »Sie ließen doch das Haus bewachen? Seit wann standen die Leute auf Posten?«


»Seit etwa halb elf heute vormittag.«


»Haben Sie auch auf der Rückseite jemand aufgestellt?«


»Ja, einen Mann.«


»Es ist leichter, an einem Posten vorbeizuschlüpfen, als der Aufmerksamkeit zweier Beamter zu entgehen. Wir wollen mal die Feuerleiter hinunterklettern und sehen, ob jemand auf diesem Weg hereinkommen konnte. Sie haben doch schon bemerkt, daß alle Fenster im Zimmer offenstehn? Es ist auch ein bißchen kühl.«


Terry war diese Tatsache nicht entgangen. »Ich glaube, die Idee mit der Feuerleiter hat etwas für sich«, meinte er.


Sie wandten sich wieder dem Notausgang zu. Terry ließ seinen Begleiter vor dem Fahrstuhl zurück, während er nach unten ging, um sich von einem Polizisten eine Taschenlampe zu leihen. Als er wiederkam, stand der Notausgang offen, und Jiggs war verschwunden. Terry leuchtete nach unten und entdeckte den Amerikaner auf dem zweiten Treppenabsatz.


»Das ist besser als Streichhölzer!« rief Jiggs. »Sehn Sie mal hierher, Terry!«


Der Chefinspektor eilte die eisernen Stufen hinunter und bemerkt, daß Jiggs einen Gummischuh in der Hand hielt. Beim Licht der Taschenlampe untersuchte er ihn schnell. Der Schuh war alt und abgetragen; später stellte es sich heraus, daß er Tanner gehörte.


»Wie mag das Ding nur hierhergekommen sein?« fragte Jiggs.


Sie stiegen die Feuertreppe weiter hinab, konnten aber nichts mehr finden. Die Treppe mündete unmittelbar auf den Hof. Jiggs ging voraus; Terry folgte ihm und leuchtete mit der Taschenlampe.


»Dort drüben ist eine Tür in der Mauer!« stellte Jiggs fest. »Wohin mag die führen? Etwa auf die hintere Straße? Das wäre ...« Plötzlich blieb er stehen. »Um Himmels willen!« sagte er leise. »Sehn Sie mal her!«


Dicht vor ihren Füßen lag eine zusammengekrümmte Gestalt: ein Mann in zerlumpten Kleidern. An dem einen Fuß trug er einen Gummischuh, am andern einen Lederpantoffel; sein Hut lag in einiger Entfernung auf dem Boden.


»Hier hätten wir schon den zweiten Toten!« murmelte Terry düster. »Wer aber mag es sein?«


Jiggs stieg über den Leichnam weg, lieh sich von Terry die Lampe und stellte eine genaue Untersuchung an. »Er sieht wie ein Strolch aus. Man hat ihn aus nächster Nähe durch den Kopf geschossen, mit einer kleinkalibrigen Waffe. Er ist schon eine halbe Stunde tot. Können Sie sich das erklären?«


Terry ging zum Haus zurück und fand eine Tür, die in die Küche führte. Er schickte einen der erschrockenen Dienstboten zum Polizeiarzt, der oben in Leslies Büro seinen Bericht schrieb. Während er auf ihn wartete, untersuchte er die Füße des Toten. Der Mann trug weiche Lederpantoffeln, die etwas zu klein für ihn waren, und darüber hatte er offenbar die Gummischuhe gezogen.


In diesem Augenblick kam einer der Polizisten in den Hof, und Terry sandte ihn zurück, damit er den Sergeanten vom Erkennungsdienst hole. Dann begann er, die Kleider des Toten sorgfältig zu durchsuchen. In der linken Tasche des schäbigen Rockes fand er einen kleinen Blechkasten, der einer Kindersparbüchse glich, schwarz lackiert war und ein kleines Patentschloß hatte. Terry versuchte vergeblich, ihn zu öffnen. »An dem Blech werden wir wohl seine Fingerabdrücke finden. Er hat das Ding in der Tasche getragen. Haben Sie sonst noch was entdeckt, Jiggs?«


Allerman hatte inzwischen Terrys Arbeit fortgesetzt, und der Chefinspektor hörte das Klingen von Münzen, als Jiggs ihm den Fund zeigte. »Das ist außergewöhnlich!«


Terry staunte, als er zehn englische Pfundstücke sah.


»Die fand ich in seiner Westentasche, in ein Stück Papier eingewickelt. Um so sonderbarer, da der Mann doch offenbar arm war. Wie kam er zu den Goldmünzen?«


Sie überließen dem Arzt die genaue Untersuchung des Toten und fuhren in einem Dienstauto zum Präsidium zurück.


Dort wartete Tanner in Terrys Büro. Er rauchte eine Zigarette und las eine Zeitung, als die beiden eintraten. »Haben Sie das Testament gefunden?« fragte er.


»Nein. Aber wir haben verschiedene andere Dinge entdeckt. Wann waren Sie zuletzt in Ihrem Schlafzimmer?«


Tanner runzelte die Stirn. »Sie meinen in Berkeley Square? Seit heute morgen bin ich nicht mehr dortgewesen.«


Terry sah ihn scharf an. »Sind Sie Ihrer Sache ganz sicher?«


Tanner nickte.


»Haben Sie in Ihrem Schreibtisch etwas gesucht?«


»Schreibtisch ...?. Ach, Sie meinen den kleinen Sekretär? Nein!«


»Lag etwas Wertvolles darin?«


Ed Tanner überlegte. »Ja – ich hatte etwa ein Dutzend englische Goldstücke darin aufbewahrt. Es machte mir Spaß, sie zu sammeln. Übrigens fällt mir eben ein, daß ich heute nachmittag noch einmal in mein Schlafzimmer wollte. Die Tür war aber verschlossen. Ich dachte, die Haushälterin hätte das getan. Ab und zu macht sie das nämlich. Später hab' ich nicht mehr daran gedacht ... Ist das Geld verschwunden?«


»Ich habe es hier in meiner Tasche«, erwiderte Terry grimmig, »aber ich kann es Ihnen nicht geben!« Unterdessen hatte, er den kleinen Blechkasten aus der Tasche gezogen und ging damit zu seinem Schreibtisch. Aus der Schublade nahm er einen Bund mit Nachschlüsseln und versuchte das Schloß zu öffnen. Es dauerte auch nicht lange, bis er Erfolg hatte. Der Deckel sprang auf, und Terry sah ein Farbkissen. »Das ist ja ein Stempelkasten!« rief er überrascht.


Jiggs nahm die drei Gummistempel heraus und betrachtete sie verblüfft. »Da hört doch alles auf!« Es waren Gummistempel von Fingerabdrücken, deren Oberflächen noch Spuren von Feuchtigkeit zeigten.


»So erklären sich also die Fingerabdrücke!« sagte Terry langsam. »Decadons Mörder wollte die Schuld auf einen anderen abwälzen.« Er blickte zu Ed Tanner. »Sie müssen allerdings sehr mächtige Feinde haben ...«


»Ja –; ich habe einen Feind, dem viele Freunde und Helfer zur Verfügung stehen.« Als Tanner aufsah, begegnete er dem fragenden Blick Allermans und lächelte.

Gangster in London

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