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Fünf Minuten später war ein Dutzend Polizeibeamter zur Stelle. Ein Sergeant in der Marlborough Street, der gerade einen Betrunkenen transportierte, hatte sie alarmiert.

»Der ist mit einer Pistole von sehr kleinem Kaliber aus allernächster Nähe erschossen worden«, sagte er, als er den Toten oberflächlich untersucht hatte.

Kurz darauf kam der Krankenwagen, und Horace Tom Ticklers Leiche wurde fortgeschafft. Ein Polizist brachte das Auto zur nächsten Polizeiwache. Die Nummer war bereits aufgeschrieben, und Scotland Yard hatte Beamte ausgeschickt, um den Eigentümer, den Taxichauffeur Wells, aufzutreiben.

Man hatte Dick Allenby nicht besonders eingeladen, an den Ermittlungen teilzunehmen, aber er ging trotzdem zur Polizeiwache mit.

Der Mann war tatsächlich im Wagen erschossen worden. Das Geschoss hatte ein Loch in den Lederbezug gerissen.

»Wahrscheinlich lebte er noch, als er auf dem Boden lag«, meinte Smith. »Der Mörder muß einen zweiten Schuss abgefeuert haben. Wir haben nämlich eine Kugel im Boden des Wagens entdeckt.«

»Haben Sie den Chauffeur gefunden?« fragte Dick.

»Der ist auf dem Weg hierher.«

Mr. Wells war entsetzt, als er erfuhr, unter welchen Umständen man sein Auto gefunden hatte. Seine Aussagen waren klar.

Kurz vor zwei Uhr hatte er den Wagen wie gewöhnlich vor der verschlossenen Garage stehenlassen, damit er am frühen Morgen geputzt und für die Tagestour fertiggemacht werden konnte. Er durfte das riskieren, da Taxis äußerst selten gestohlen wurden; sie konnten leicht erkannt werden und brachten daher den Autodieben nichts ein.

Wells hatte ein vorzügliches Alibi. Als er den Wagen verlassen hatte, war er zur nächsten Polizeiwache gegangen, um dort einen Regenschirm und eine Brieftasche abzugeben, die einer der Fahrgäste liegengelassen hatte. Ein Polizist hatte gesehen, wie er den Wagen vor der Garage stehenließ, und war auch später dazugekommen, als der Chauffeur die Gegenstände persönlich auf der Wache abgab.

Es war bereits sieben Uhr, und die Straßen in West End belebten sich allmählich. Dick fuhr zu seiner Wohnung in Queen's Gate zurück. Er war sehr beruhigt darüber, daß Mary nicht über die Straße gegangen war und die Tür des Unglücksautos geöffnet hatte. Es war zwanzig Minuten vor der Entdeckung an der Stelle geparkt worden. Der Portier hatte beobachtet, wie der Chauffeur den Wagen verließ und in Richtung der Air Street ging.

Die Polizeibeamten stellten fest, daß der Hebel der Zähluhr immer noch nach unten gedrückt war und auf siebzehn Shilling zeigte. Daraus konnten sie annähernd berechnen, wieviel Zeit zwischen dem Mord und der Entdeckung des Verbrechens vergangen war.

Spät am Nachmittag suchte der Chefinspektor Dick Allenby in seiner Wohnung auf.

»Ich dachte, Sie würden sich dafür interessieren, wie weit wir mit unseren Nachforschungen gekommen sind. Wir haben in einer der Taschen des Toten hundert Einpfundnoten gefunden.«

»Was, so viel Geld hatte Tickler bei sich?«

»Woher wußten Sie denn, daß der Mann Tickler heißt?« Surefoot Smith sah ihn argwöhnisch an.

Dick antwortete nicht gleich.

»Nun ja, ich erkannte ihn, als er im Wagen lag. Früher war er einmal Diener bei meinem Onkel.«

»Davon haben Sie aber gestern Abend kein Wort gesagt.«

»Ich war meiner Sache zuerst nicht ganz sicher. Erst als er aus dem Wagen gehoben wurde, konnte ich es genau feststellen. Ich glaube, der Mann wurde entlassen, weil er gestohlen hatte, und zwar vor etwa sechs oder sieben Jahren.«

Der Chefinspektor nickte.

»Nun, dann ist alles in Ordnung. Ich wollte Ihnen eben dasselbe erzählen. Heute morgen habe ich nämlich den alten Lyne aufgesucht, aber der kümmert sich nicht um Scotland Yard. Der ist also Ihr Onkel? Da kann man Ihnen ja gratulieren!«

»Was sagte er denn?« fragte Dick neugierig.

Surefoot Smith steckte seine große Pfeife an und setzte sich.

»Die Geschichte machte nicht den geringsten Eindruck auf ihn. Er erinnerte sich nur noch daran, daß Tickler gestohlen hatte, und das wußten wir selbst auch schon. Hundert Einpfundnoten! Wenn wenigstens eine Fünfpfundnote darunter gewesen wäre! Dann kämen wir leichter vorwärts. Ich möchte nur wissen, wer den auf die Fahrt mitgenommen hat. Sicher war es ein Amerikaner.«

Smith sah mehrere Flaschen Bier unter einer der Werkbänke, öffnete zwei und trank sie kurz hintereinander aus.

»Wie fanden Sie denn meinen lieben Onkel?«

»Sind Sie mit ihm befreundet?«

Dick schüttelte den Kopf.

»Nun, dann kann ich Ihnen ja ruhig sagen, was ich von ihm denke.«

Der Chefinspektor äußerte sich in wenig schmeichelhafter Weise über Hervey Lyne.

»Das mag stimmen«, pflichtete Dick Allenby bei und sah ruhig zu, wie der Chefinspektor eine weitere Flasche Bier nahm. »Ich spreche in der letzten Zeit überhaupt nicht mehr mit ihm.«

»Sagen Sie mal, hatten Sie nicht seinerzeit einen Wortwechsel mit Tickler?«

Dick kniff die Augenlider zusammen.

»Hat Lyne Ihnen das erzählt?«

»Irgend jemand hat es mir gesagt«, bemerkte Smith.

»Ja, ich habe ihn aus meiner Wohnung hinausgeworfen. Er brachte eine beleidigende Mitteilung von meinem Onkel und fügte von sich aus noch ein paar unverschämte Bemerkungen hinzu.«

Smith erhob sich von der Bank und klopfte sich sorgfältig ab.

»Das hätten Sie mir alles gestern Abend sagen sollen«, entgegnete er vorwurfsvoll. »Sie hätten mir damit viel Arbeit erspart.«

Er betrachtete die merkwürdig aussehende Luftpistole, nahm sie in die Hand und legte sie wieder hin.

»Mit so einer Waffe hätte man die Schüsse abfeuern können, die Tickler getötet haben.«

»Wollen Sie damit sagen, daß ich den Mann umgebracht habe?« fragte Allenby ärgerlich.

Der Chefinspektor lächelte.

»Lassen Sie sich die Laune nicht verderben. Ich habe ja gar nichts gegen Sie. Mein Groll richtet sich nur gegen die wissenschaftlichen Methoden, mit denen die Verbrecher heutzutage arbeiten.«

»Gewiß ist das eine gute Waffe«, erwiderte Dick, der sich wieder faßte, »aber ich verfolge damit ganz andere Ziele – ich weiß nicht, ob ich das in Ihren Schädel trommeln kann ...«

»Danke schön«, murmelte Smith.

»Sie soll vor allem für die Industrie nutzbar gemacht werden. Wenn ich hier in dieser Stahlkammer eine gewöhnliche Patrone abschieße, erziele ich einen unheimlich hohen Luftdruck, den ich dazu verwenden kann, eine Maschine in Gang zu setzen. Genauso kann ich mit dem Ding einem Galgenvogel das Lebenslicht ausblasen.«

Smith sollte um vier Uhr nachmittags an einer Konferenz in Scotland Yard teilnehmen. Er haßte derartige Besprechungen, bei denen die Leute an einem runden Tisch zusammensaßen, rauchten und hochtrabende Reden über Dinge hielten, von denen sie nichts verstanden. Aber dieses Mal kam er pünktlich und fand, daß seine vier Kollegen dieses Verbrechen ebensowenig erklären konnten wie er selbst.

Eine neue Nachricht war inzwischen eingetroffen. Ein Polizist, der am Portland Place patrouillierte, hatte in dem Toten einen Mann wiedererkannt, den er kurz vor zwei Uhr in einer Nebenstraße gesprochen hatte. Das stimmte mit den Beobachtungen des Chefinspektors überein, der um zwei Uhr Tickler vom Portland Place her die Regent Street hatte entlanggehen sehen.

Merkwürdigerweise hatte der Polizist nichts von dem betrunkenen Mann erzählt, für den sich Tickler so sehr interessiert hatte.

»Das bringt mich auch nicht weiter«, sagte Surefoot und legte den Bericht beiseite. »Ich möchte nur wissen, warum dieser kleine Dieb ums Leben kam. Er war ziemlich am Ende. Bevor ich ihn anrief, habe ich mit eigenen Augen gesehen, wie er sich nach Zigarettenstummeln bückte.«

Smith fand in seinem kleinen Büro eine Anzahl von Briefen. Einer davon war in Westminster aufgegeben und am Nachmittag zugestellt worden. Das Kuvert war schmutzig, und eine wenig geübte Hand hatte die Adresse geschrieben. Der Chefinspektor riß den Umschlag auf und nahm ein Blatt Papier heraus, das von einem billigen Notizblock abgerissen war. Mit Bleistift stand darauf gekritzelt:

Wenn Sie wissen wollen, wer den armen Mr. Tickler ermordet hat, so erkundigen Sie sich am besten bei Mr. L. Moran.

Smith sah lange auf die Nachricht.

»Warum auch nicht?« fragte er dann laut. Er hielt Mr. Moran schon immer für eine dunkle Persönlichkeit.

Der leuchtende Schlüssel

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