Читать книгу Mami Staffel 11 – Familienroman - Edna Meare - Страница 9

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»Und was wirst du tun? Ich meine, man wird ja nicht jeden Tag dreißig…«

»Das mußt du mir noch ordentlich unter die Nase halten, was? Ich habe keine Ahnung, mir ist einfach nicht nach feiern.«

»Gerade deshalb solltest du es tun. Zeig allen, daß du nicht unterzukriegen bist.«

»Ha, ha. Wie soll ich das zeigen, wenn ich bereits untergekriegt bin?«

Christine lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Sie fand nicht, daß sie übertrieb. Wenn sie ihr Leben so betrachtete, verlief es ganz schön lau.

Natürlich sollte sie dankbar sein, daß sie einen Beruf hatte, der sie ernährte, sie und Daniel, ihren Sohn, der gesund und munter war und ihr wenig Sorgen bereitete. Das wußte sie selbst, es war nicht nötig, daß es ihre Mutter dauernd betonte. Zumal deren Meinung nach eine Scheidung ja gar nicht nötig gewesen war. Frank war doch so ein netter Mann…

Ja, das war er auch, solange man nicht mit ihm leben mußte. Dann sah es schon anders aus. Er hatte sich benommen, als wohne er in einem Hotel, von dem er erwartete, daß alles zu seiner Zufriedenheit erledigt wurde, ohne daß man ihn damit belästigte. Eine Zeitlang hatte Christine seine Wünsche entsprechend erfüllt, sie war es von zu Haus so gewöhnt gewesen.

Doch allmählich war ihr der Verdacht gekommen, daß sie nur deshalb so erschöpft war und nie Zeit für persönliche Dinge hatte, weil sie irgend etwas falsch machte.

Wie schafften es die anderen Frauen trotz eines oder mehrerer Kinder, noch Hobbys nachzugehen oder einfach einmal auf dem Sofa zu liegen und zu lesen?

Mit der Erkenntnis, daß sie ihren Liebsten keineswegs von vorn und hinten bedienen mußte, war es dann schwierig geworden. Frank hatte überhaupt nicht einsehen wollen, daß eine halbtags arbeitende Notarin, Mutter und Ehefrau, auch Zeit für sich brauchte. Weiterhin war er am Wochenende zum Sport gegangen, ohne Daniel mitzunehmen und sie wenigstens auf diese Weise zu entlasten. Weiterhin hatte er seine Zeit abends in Fortbildung und das Treffen mit Freunden gesteckt, wobei schon weitere drei Abende verloren waren. Irgendwann hatte Christine einen Rappel bekommen und war in Streik getreten. Da war was los gewesen! Wenn sie daran dachte, mußte sie jetzt noch lachen. Frank hatte natürlich nicht geglaubt, daß es ihr ernst war. Sie hatte nur noch eingekauft und gewaschen, was dringend nötig war, damit Daniel nicht darunter litt. Ansonsten hatte sie einfach alles stehen- und liegenlassen. Frank hatte kein Hemd und keine Unterwäsche mehr sauber im Schrank vorgefunden, kein Abendessen bekommen, wenn er dann mal endlich erschien, und vor allem keine bereitwillige Ehefrau gehabt, die sich zärtlich in seinen Armen rekelte. Das hatte ihn allerdings nicht so getroffen wie alles andere.

Zwei Wochen hatte sie durchgehalten. Frank hatte kein Wort mehr mit ihr gewechselt, sondern war zu seiner Mutter gegangen und hatte sich dort beschwert. Christines Schwiegermutter war vorbeigekommen und hatte »ein ernstes Wort« mit ihr gewechselt, ohne Erfolg, auch Christines Mutter hatte dergleichen versucht. Beide Frauen verstanden nicht, worum es Christine gegangen war.

»Frank muß hart arbeiten und möchte noch viel erreichen. Das tut er doch für dich und Daniel, Kind.«

»Nein, das tut er für sich. Sein und mein Einkommen reichen gut und wir hätten viel Zeit für uns, wenn wir es dabei beließen, solange Daniel noch so klein ist. Frank denkt nur an sich, und meine Berufstätigkeit scheint nur eine Art Hobby für ihn zu sein.«

»Eine Frau muß eben zurückstecken. Zumal, wenn sie Kinder hat. Das ist doch eine schöne, lohnende Aufgabe.«

»Wenn wir uns mal scheiden ließen, würde ich kein Einkommen haben. Was ist dann noch lohnend? Das wäre dämlich.«

»Scheidung?«

Auf dieses Wort hatten beide Mütter mit atemlosen Entsetzen reagiert.

Nun war es aber ausgesprochen gewesen, und Christine hatte immer öfter darüber nachgedacht, was sie verlöre, wenn sie in die Tat umsetzte, was zuerst nur so dahingesagt gewesen war.

Schließlich war es ihr selbst albern vorgekommen, weiterhin die Hausarbeit in dieser Form zu verweigern. Sie fühlte sich nicht mehr wohl in der Wohnung. Frank hatte natürlich geglaubt, daß ihr Widerstand endlich gebrochen und sie wieder zur Vernunft gekommen war. Um ihm diese Illusion zu nehmen, hatte sie ihn nach einem besonders guten Essen um eine Unterredung gebeten und ihm klipp und klar gesagt, daß es so nicht mehr weiterginge. Daraufhin war er dann damit herausgerückt, daß eine Kollegin von ihm Christine auch überhaupt nicht verstehen könne. Sie würde alles für Frank tun, denn so sei es von der Natur nun einmal vorgesehen. Die Männer gingen arbeiten, und die Frauen sorgten für ein gemütliches Heim.

Christine war für Sekunden fassungslos gewesen. Gab es das noch? Oder hatte diese Kollegin es so nötig, daß sie glaubte, die Zeit der Jäger und Sammler sei noch immer nicht vorbei und einer hätte in der Höhle das Feuer zu hüten. Jedenfalls hatte Frank das Gegenteil erreicht mit dem Loblied auf seine Kollegin.

»Wenn sie dir mit dieser Einstellung so gut gefällt, dann weiß ich überhaupt nicht, warum wir noch zusammen sind. Du wirst nie erreichen, daß ich für dich alles aufgebe und nur noch am Herd stehe. Überleg es dir. Wenn sich hier nicht einiges ändert, möchte ich mich scheiden lassen.«

Weder Frank noch sie vermißten die sexlose Zeit sonderlich, die sich immer länger hinzog. Für Christine war das ein eindeutiges Zeichen, daß ihre Ehe sowieso schon nicht mehr war, was sie hätte sein sollen. Und Frank war zu keiner Einsicht bereit. Die Fronten verhärteten sich immer mehr, bis er eines Nachts nicht mehr nach Hause kam und Christine wußte, daß er bei der Kollegin schlief.

Irgendwann wäre es sowieso so gekommen. Sie hatte nicht viele Tränen vergossen und sich weder von ihrer Mutter noch von anderen ein schlechtes Gewissen machen lassen. Mit Daniel kam sie gut zurecht, und er vermißte seinen Vater nicht sehr, weil der ja schon vorher nicht viel Zeit mit ihm verbracht hatte. So war im Grunde allen gedient. Franks Selbstbewußtsein hatte allerdings einen solchen Knacks bekommen, daß er ziemlich übel über Christine sprach. Gemeinsame Freunde hatten sich nach und nach für sie oder Frank entschieden, und allmählich war die Informationsquelle über das, was Frank sagte oder tat, versiegt. Christine wußte nur, daß er inzwischen schon wieder die nächste Freundin hatte.

»Also, wenn dir nichts einfällt, dann organisiere ich etwas für dich. Dann gebe ich dir eine Party.«

»Hier bei mir in der Wohnung?«

»Nein, bei mir. Da ist sowieso mehr Platz. Daniel kann bei deiner Mutter schlafen. Das wird sie ja wohl machen.«

»Ja, wenn ich mir wieder anhöre, daß das alles ja eigentlich gar nicht nötig sei.«

»Das bist du doch schon gewöhnt«, gab ihre Freundin Suse gnadenlos zurück.

»Stimmt auch wieder. Aber dann übernehme ich die Kosten.«

»Okay, sind wir uns einig. Am nächsten Samstag wird also gefeiert. Ich werde mal sehen, daß ich ein paar schnuckelige Singles zusammenkriege. Oder möchtest du einen Stripper?«

»Nur, wenn er putzt. Hast du das schon mal gelesen? Sie kommen, ziehen sich splitterfasernackt aus und putzen Fenster und was man so geputzt haben möchte. Und die Damen sitzen zusammen, trinken Sekt und kichern sich halb tot.«

»Das wäre doch das passende Geschenk für deine Mutter und ihr Kaffeekränzchen. Stell dir mal vor, es klingelt bei ihr und…«

Beide prusteten los. Es gab wohl kaum jemanden, der so hanseatisch steif war wie Christines Mutter.

»O Gott, ich muß nach Hause. Immer wenn ich bei dir bin, rast die Zeit so dahin. Also, Chris, halte die Ohren steif. Für die Midlifecrisis ist es sowieso noch zu früh. Die darfst du frühestens mit Ende dreißig haben. Deshalb heißt sie ja Mitte des Lebens-Krise. Und da Frauen fast achtzig werden…«

»Stell dir vor, noch fünfzig Jahre…«, rechnete Christine und riß die Augen auf bei dieser Vorstellung.

»Na also, kein Grund für Selbstmitleid. Das ganze Leben liegt noch vor dir.«

Nachdem Suse gegangen war, dachte Christine noch einmal über ihre Worte nach. Sie hatte recht. Suse war zwar eine gnadenlose Optimistin und schien damit immer richtig zu liegen, jedenfalls was ihr eigenes Leben anbetraf, aber in diesem Fall hatte sie nicht übertrieben. Wenn Christine daran dachte, wie schlecht es anderen ging, dann sollte sie wirklich dankbar sein und den ganzen Tag frohlocken. Langeweile konnte man sicher sehr viel besser aushalten als Sorgen.

Daniel kam am nächsten Tag mit einer Einladung zum Elternabend aus der Schule zurück. Er ging erst seit einem halben Jahr zur Schule, und Christine war gespannt, wie sie und er mit dieser neuen Erfahrung zurechtkommen würden. Noch liebte er alles, was er dort erlebte und war ziemlich unkritisch. Aber wenn Christine an ihre eigene Schulzeit dachte, dann wußte sie, daß sich das bald ändern würde. Sie würde vielleicht schon die ersten Probleme zu Gehör bekommen, wenn sie den Elternabend besuchte. Ihre Mutter hatte diese Zusammenkünfte jedenfalls immer verabscheut, weil der Lehrer sich jedesmal über ihre aufmüpfige Tochter beschweren mußte, was Andrea Helmut ihrer Christine besonders übelnahm, weil er es vor allen Eltern verkündete. Wenn man nach der Maxime »Nur nicht auffallen« lebte, war das schon ziemlich hart.

Sie mußte Daniel einen unterschriebenen Zettel mitgeben, daß sie die Einladung bekommen habe und erscheinen würde. Stolz legte er ihn in seine Mappe zurück und verriet ihr, daß sie seinen Platz sofort erkennen würde, wenn sie in zwei Tagen die Klasse besuchte. Christine hoffte nur, daß er seinen Namen nicht in das Pult geschnitzt hatte. Das war nämlich damals ihre Idee gewesen, um sich unsterblich zu machen in der Schule.

*

Daniel hatte ein schönes Namensschild gemalt. Seine bunten Blumen und der riesige Schmetterling entlockten Christine ein stolzes Lächeln, als sie sich hinsetzte und um sich schaute. Die anderen Kinder hatten ähnliche Schilder angefertigt, so daß man gleich wußte, welches Kind zu welchen Eltern gehörte. Bei manchen war das nicht schwer zu erkennen.

Warum die kleine Rosalie so dick war, sah man an ihren Eltern. Und die schmale scharfe Nase von Tobias trug auch sein Vater im Gesicht. Viele Kinder aus der Klasse kannte Christine allerdings nicht.

Sie merkte, daß sie genauso neugierig gemustert wurde, und versuchte, nicht den Blick zu senken, sondern weiter offen und interessiert zu wirken. Vielleicht hätte sie doch nicht in Jeans und Tweedblazer kommen sollen. Dagegen war eigentlich nichts zu sagen, nur stand der Tweedblazer in ziemlichem Gegensatz zu der Spitzenbluse, die sie dazu ausgesucht hatte. Sie kleidete sich gern modisch, aber hier fiel sie auf.

Der Lehrer war groß und schlank und noch ziemlich jung. Er wirkte ein bißchen schüchtern, sicher lag es daran, daß er die Eltern nun zum ersten Mal alle auf einmal vor sich hatte und vermutlich ahnte, daß man sehr kritisch ihm gegenüber war.

»Guten Abend, liebe Eltern…«

Offenbar fiel ihm ein, daß nur wenige Elternpaare vollständig erschienen waren. Er wurde rot und überlegte schnell, ob er noch etwas hinzufügen mußte, damit sich auch die Geschiedenen oder Alleinstehenden angesprochen fühlten. Christine lächelte ihm zu. Er schien dankbar und fuhr fort.

»Ich freue mich, daß Sie so zahlreich erschienen sind. Heute wollen wir uns ein bißchen kennenlernen. Sie können mir im Anschluß an das, was ich Ihnen sagen möchte, Fragen stellen. Das nächste Mal schicke ich Ihnen zur Einladung eine Auflistung der Themen, die ich ansprechen möchte, und Sie können sie nach Belieben ergänzen. Aber für heute wollte ich nicht so förmlich sein. Also…«

Er faßte zusammen, was er bis jetzt mit den Kindern gemacht hatte und wie wunderbar und eifrig sie alle seien. Die Väter und Mütter wurden alle ein Stück größer, auch Christine.

Natürlich war es ziemlich geschickt von ihm, alle so zu loben, denn nun blieben die kritischen Fragen, die sich wohl mancher vorgenommen hatte, ungesagt. Nur ein Vater bemängelte, daß man nicht schnell genug voran ging mit dem Lehrplan. Das Leben sei schließlich hart und der Erfolg der Schule ausschlaggebend für die späteren Chancen. Christine grummelte mit einigen anderen, um ihren Unmut zu zeigen und Herrn Wolf zu unterstützen, doch wie sich zeigte, brauchte der das gar nicht.

»Ich verstehe, was Sie meinen. Aber ich denke, die Kinder werden im Laufe der Jahre noch von selbst begreifen, daß sie mehr für sich als für die Schule lernen. Wir sollten ihren Eifer und Spaß nutzen, um einen Grundstein zu legen für die Erkenntnis, daß Lernen auch Spaß machen kann. Ich lehne jeden Drill ab und denke, daß die meisten von Ihnen meiner Meinung sind.«

»Aber ganz bestimmt sogar«, sagte Christine laut und wurde nun selbst rot, denn alle wandten ihr die Köpfe zu. Mancher hatte das gedacht und genickt oder gemurmelt, aber sie war richtig laut geworden.

»Wunderbar. Vielen Dank. Wenn das jetzt alles ist, würde ich sagen, wir beenden den Abend nun. Wenn Sie sonst noch einmal Fragen an mich haben, können Sie mich auch gern jederzeit anrufen. Die Telefonnummer haben die Kinder.«

Einige Eltern hatten mit Herrn Wolf offenbar gleich noch das eine oder andere zu besprechen. Christine verabschiedete sich mit einem freundlichen Nicken und ging hinaus. Sie fand den ersten Elternabend sehr gelungen, für alle Seiten. Daniel war kein schwieriges Kind und es war schön, daß der Lehrer das genauso sah.

»Ach, Frau… Baerwald…, einen Moment bitte noch…«

Herr Wolf winkte ihr zu. Christine wußte nicht, was sie davon halten sollte, und blieb zögernd stehen.

»Ich… wollte mich gern noch einmal mit Ihnen unterhalten. Daniel ist schon ziemlich weit und manchmal langweilt er sich ein bißchen. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich ihn dann mit Lehrstoff beschäftige, der eigentlich nicht unbedingt zum Unterricht gehört? Er stört die anderen Kinder sonst zu leicht, indem er den Kasper spielt…«

»Den Kasper? Wie meinen Sie das?«

Eigentlich war er bei näherem Hinsehen doch nicht ganz so sympathisch. Christine dokumentierte das, indem sie die Arme verschränkte.

»Na, nichts Schlimmes. Er albert eben ein bißchen herum. Ich dachte, er könnte dann malen oder Schreibübungen machen, bis die anderen Kinder soweit sind. Ich möchte Sie nur fragen, damit Sie sich nicht wundern, was er im Unterricht macht.«

»Ich habe nichts dagegen. Soll ich mit ihm sprechen?«

»Wegen des Alberns? Aber nein, das ist doch völlig normal in dem Alter. Ich komme schon mit ihm klar. Er ist ein netter, aufgeweckter Junge.«

»Ja, das ist er. Gut, Herr Wolf, wenn das alles war…«

»Ja, danke.«

Jetzt brauchte sie dringend ein Bier. Die Schulluft hatte ihr schon früher nicht gefallen, sie war nicht besser geworden.

In der Nähe gab es eine einfache Kneipe, die einen ordentlichen Eindruck machte. Christine war nicht überrascht, daß sie einige Väter und Mütter hier wiedersah, die eben noch in der Klasse gesessen hatten. Bis auf zwei Paare saßen sie alle einzeln. Sie überlegte, ob sie sich irgendwo dazusetzen sollte. Schüchtern war sie nicht, aber letztendlich könnte sie eine falsche Wahl treffen und dann wurde der Genuß am Bier dahin sein. Also suchte sie sich einen Tisch am Fenster aus und bestellte.

Sie hatte gerade den ersten Schluck genommen, als sich die Tür öffnete und Herr Wolf eintrat. An seinem Arm hing eine hinreißende Blondine, die ihn gerade anlächelte, daß man neidisch werden könnte. Offenbar war sie sehr verliebt.

Als Herr Wolf sah, daß sie hier nicht unbemerkt bleiben würden, wäre er am liebsten wieder umgedreht.

Seine Mimik verriet deutlich, was er dachte. Soweit Christine wußte, war er ledig, es war also keineswegs eine Schande, wenn er hier mit dieser Schönheit aufkreuzte.

Das schien er schließlich auch zu denken, führte sie an den Thresen und nahm dort Platz, weil kein Tisch mehr frei war. Er durfte aber wahrscheinlich auch kein Elternteil bevorzugen, so daß es für ihn dort sicherer war.

Christine saß genau in seiner Blickrichtung. Sie machte sich einen Spaß daraus, die beiden zu beobachten. Herr Wolf schaute sie ein paarmal an und hörte dann offenbar nicht, was seine Begleiterin sagte, was diese ärgerlich machte. Schließlich trank Christine den Rest Bier aus und zahlte. Sie wollte keinen Streit zwischen den beiden provozieren, hatte aber das Gefühl, daß er durch sie doch ziemlich abgelenkt gewesen war. Wie schön, daß sie noch wirkte, sogar auf Lehrer.

Daniel schlief fest, als sie nach Hause kam. Christine klingelte kurz bei der Nachbarin, die auf ihn aufgepaßt hatte, indem sie ein paarmal nach ihm geschaut hatte, und bedankte sich. Dann ging sie ebenfalls schlafen, weil sie keine Lust mehr zum Fernsehen oder lesen hatte.

In zwei Tagen würde ihre Geburtstagsfeier steigen, und ein paar Stunden Extra-Schlaf könnten ihr nur helfen, nicht auch wie dreißig auszusehen, wenn sie schon so alt wurde.

Beim Frühstück wollte Daniel ganz genau wissen, was beim Elternabend besprochen worden war. Christine erzählte ein bißchen, ließ die »Beschwerde« seines Lehrers aber aus. Er sollte nicht voreingenommen gegen Jasper Wolf sein. Und eine richtige Beschwerde war es ja auch gar nicht gewesen.

»Er ist toll, nicht? Ich finde Schule super.«

»Das ist schön. Dann geh jetzt los, sonst kommst du noch zu spät. Und vergiß dein Brot nicht.«

»Du sollst mich aber nicht abholen. Ich gehe mit Lukas nach Hause.«

»Wie du willst. Ich bin hier, wenn du kommst.«

Christine arbeitete immer noch halbtags, wollte nun aber bald auf volle Berufstätigkeit umsteigen. Nur zögerte sie, Daniel zu ihrer Mutter zu geben, die das angeboten hatte. Es war gut gemeint, aber im Grunde fürchtete sie, daß ihre Mutter Daniel zu sehr nach ihrer Vorstellung erziehen könnte. »Männer taten dies und jenes«, dazu gehörte bestimmt nicht Aufräumen und beim Abwasch helfen. Bisher hatte sie jedoch noch keinen Kindergartenplatz bekommen. Das wäre eine Lösung, die auch ihrem Sohn gefallen würde. Wenn er nach der Schule in den Kindergarten gehen könnte, wo auch mehrere seiner neuen Klassenkameraden waren, deren Mütter arbeiteten, wüßte Christine ihn gut aufgehoben und könnte in der Notariatskanzlei eventuell sogar Teilhaberin werden. Ihr Chef hatte ihr das schon mehrmals angeboten.

So bezahlte Frank noch immer jeden Monat eine bestimmte Summe für sie und Daniel. Christine nahm das Geld nicht gern an, aber es stand ihnen zu, und deshalb mußte sie ihren Stolz hinunterschlucken. Frank tat es nicht sonderlich weh, denn jetzt zahlte sich sein berufliches Engagement während der Ehe natürlich aus. Er verdiente sehr, sehr gut. Wie komisch sich die Dinge manchmal fügten…

Sie durfte jetzt auch nicht mehr hier herumsitzen und vor sich hinträumen. Christine stand auf, räumte den Frühstückstisch mit geübten Griffen ab und schloß die Fenster. Schnell noch ein wenig Lippenstift, die Haare steckte sie wie jeden Morgen streng hoch, und dann war sie bereit für den neuen Arbeitstag.

In der Kanzlei herrschte ein netter, lockerer Umgangston. Deshalb hatte Christine auch nie das Verlangen gehabt, sich selbständig zu machen. Es gefiel ihr, mit den Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten. Sie war angesehen und gehörte dazu. Auch heute tranken sie erst eine Tasse Kaffee zusammen, besprachen den ungefähren Tagesablauf und zogen sich dann in ihre Büros zurück. Dr. Fellhaber, ihr Chef, hatte heute besonders gute Laune, denn ihm winkte ein großes Geschäft. Er beschäftigte sich hauptsächlich mit Immobilien-Verträgen und verdiente gut damit.

Gegen Mittag, Christine hatte gerade ein Testament beurkundet und den Mandanten verabschiedet, klingelte das Telefon auf ihrem Schreibtisch.

»Hallo, Chris, ich bin’s, Suse. Na, schon aufgeregt? Die Party nimmt allmählich monströse Formen an.«

»Mein Gott, jetzt lade bloß nicht ganz Hamburg ein!«

»Nein, nur die Hälfte der männlichen Singles und drei bis vier Frauen. Aber mal im Ernst, wir werden ungefähr zwanzig Leute sein. Hast du noch besondere Wünsche, wer unbedingt kommen sollte?«

Komischerweise mußte Christine plötzlich an Daniels Lehrer denken. Wie sie darauf kam, wußte sie selbst nicht.

»Nein, nur die, die ich dir ja schon genannt hatte. Wird es dir auch nicht zuviel? Ich habe schon fast ein schlechtes Gewissen, daß ich das alles dir überlasse.«

»Mußt du nicht. Mir macht das einen Wahnsinnsspaß. Wir sehen uns dann. Komm aber bitte gut eine Stunde früher.«

»Natürlich. Ich dachte, ich komme schon am Mittag und helfe dir.«

»Sehr lieb, aber nicht nötig. Ich habe das ganz anders organisiert. Bis dann, meine Süße. Und grüß Daniel.«

Das Gespräch machte Christine fast ein wenig mißtrauisch. Suse war für ihre verrückten Einfälle berüchtigt. Vielleicht war es doch nicht so eine gute Idee gewesen, ihr die gesamte Planung zu überlassen.

Wieso hatte sie an Jasper Wolf gedacht. Wäre es überhaupt möglich, Daniels Lehrer – natürlich mit seiner reizenden Freundin zusammen – einzuladen? Oder hätte das so ausgesehen, als wolle sie sich für Daniel bei ihm einschmeicheln? Es war völlig unnötig, darüber nachzudenken. Sie wollte ihn ja nicht wirklich einladen.

»Frau Baerwald? Kommen Sie mal kurz zu mir?«

Christine sah auf. Ihr Chef schmunzelte.

»Keine unangenehmen Überraschungen. Ich wollte nur mit Ihnen besprechen, wie wir es machen, wenn ich nächsten Monat im Urlaub bin. Meine Frau besteht darauf, daß ich endlich mal drei Wochen mit ihr verreise, und ich fürchte, es bleibt mir nichts anderes übrig, als zuzustimmen. In der Zeit hätte ich den Sohn eines alten Freundes anzubieten. Er ist gerade fertig mit seinem Examen und könnte sich ein bißchen nützlich machen…«

»Oh…«

Die Vorstellung, mit einem Protegé von Dr. Fellhaber arbeiten zu müssen, um den sie sich dann auch noch zu kümmern hätte, riß Christine nicht gerade vom Hocker. Aber Dr. Fellhaber war der Chef, es würde ihr gar nichts anderes übrigbleiben, als wohlwollend zuzustimmen. Die Frage war ja sowieso nur der Form halber gestellt worden.

»Keine Angst, er ist ein netter Mann. Frisch verlobt und voller Eifer, seiner Liebsten zu beweisen, wie tüchtig er ist. Wird schon schiefgehen. Aber kommen Sie doch bitte mit zu mir ins Büro, trinken wir einen Kaffee zusammen und besprechen es in Ruhe. Sie haben doch jetzt keinen Termin?«

Er wußte natürlich genau, daß sie keinen Termin und somit keine Ausrede hatte. Christine stand auf und folgte ihrem Chef ins Allerheiligste.

*

Suse hatte gründliche Arbeit geleistet. Das Büffet bog sich unter den Köstlichkeiten, die sie alle fertig hatte bringen lassen. Die Dekoration in Rot und Schwarz wirkte in ihrer ohnehin schon hypermodern gestylten Wohnung geradezu dramatisch.

»Leben und Tod. Ein Jahrzehnt ist zu Ende, ein neues beginnt. Rot ist das Temperament, rot wie Blut«, erklärte sie überflüssigerweise, als sie Christines Gesicht sah.

»An meinen Tod dachte ich nun nicht gerade, nur weil ich dreißig werde…, aber es sieht umwerfend aus.«

Gott sei Dank überwog doch rot. Schwarz war das Geschirr, und um es nicht zu gruselig zu machen, hatte Suse reichlich Goldsternchen verstreut. Sie würde aber keine große Mühe haben, die später wieder zu entfernen, wenn sie vermutlich sämtlichst auf dem Boden lagen. Das Parkett konnte man gut saugen.

Christine fand sich mit dem schwarzen schmalen Seidenkleid und dem blutrot geschminkten Mund passend gestylt. Für Suse war es nicht schwer zu erraten gewesen, was sie anziehen würde, Christine war einfach der Typ für Schwarz. Ihr echtes hellblondes Haar bildete einen tollen Kontrast, und deshalb trug sie schwarz nicht erst, seit es bei den Intellektuellen als einzige Farbe angesagt war.

»Wow…, darf ich probieren?«

Daniel stand mit großen Augen und bereits begehrlich ausgestreckter Hand vor dem Büffet und machte Anstalten, eine kunstvoll verzierte Schinkenscheibe herunterzunehmen.

»Finger weg! Für dich gibt es eine Extra-Platte in der Küche. Laß dir ja nicht einfallen, hier etwas wegzunehmen«, fuhr Suse ihn an, lächelte dann aber versöhnlich.

Daniel nahm es ihr nicht übel. Er kannte sie, seit er auf der Welt war, und liebte sie über alles, was auf Gegenseitigkeit beruhte.

»Dann geh ich mal in die Küche.«

Christine umarmte ihre Freundin.

»Das ist einfach toll geworden. Aber ich fürchte, die Rechnung werde ich bei dir abstottern müssen. Allein diese roten Ballons und die ganzen Blumen…«

»Keine Bange, das ging auf Geschäftskosten. Wir hatten gestern eine große Präsentation, und das ist die Dekoration davon. Ich habe es mitgenommen, nachdem ich den Big Boss gefragt habe. Es war eine Restauranteröffnung, so ein Nobelding in der Innenstadt.«

»Und die Speisen?«

»Na, die sind natürlich frisch. Oder glaubst du, ich hätte die Platten mitgehen lassen?« gab Suse amüsiert zurück.

»Dein Beruf ist ganz praktisch, wenn man es sich überlegt.«

Suse war PR-Managerin und hatte viel mit Eröffnungen von Restaurants und Geschäften zu tun. Ihre Ideen waren gefragt.

»Du bist jedenfalls Spitze. Ich freue mich jetzt richtig.«

»Was heißt ›jetzt‹? Hattest du Angst, daß ich es nicht packe?«

»Nein, daß du vielleicht noch verrücktere Ideen gehabt hättest. Bei deinem manchmal etwas makabren Humor hätte es ja auch eine Friedhofsdekoration sein können. Immerhin bin ich dreißig geworden«

»Gute Idee, muß ich mir für den vierzigsten Geburtstag merken. Alle sitzen auf Särgen und…«

»Huh, hör auf!«

Suse lachte. Christine stellte fest, daß Daniel immer noch in der Küche war, und ging sicherheitshalber nachsehen, was er dort tat.

Das war auch gut so, wie sich zeigte, denn er probierte gerade die Ananas aus der von Suse angesetzten Bowle.

»Wirst du das wohl lassen, Daniel! Das ist der reine Alkohol!«

»Schmeckt aber gut. Du weißt doch, daß ich gern Ananas esse!«

»Wieviel hast du davon schon genommen?«

Christine sah sich bereits mit Daniel ins Krankenhaus sausen, um ihm den Magen auspumpen zu lassen.

»Gerade mal einen Haps. Und schon hast du mich erwischt.«

»Na, Gott sei Dank. Du hättest dir eine Alkoholvergiftung zuziehen können. Finger weg von der Bowle.«

Daniel murrte, bis Suse ihm eine kleine Schale frischer Ananasscheiben hinstellte, die sie im Kühlschrank für ihn aufgehoben hatte. Sie entschuldigte sich anschließend, um sich für die Party umzuziehen und in Schale zu werfen, wie sie es nannte.

Daniel aß mit gutem Appetit die Hälfte der für ihn reservierten Häppchen auf. Den Rest wollte er sich für den Abend aufbewahren, aber Christine sah voraus, daß er bis morgen früh keinen Bissen mehr herunterbringen würde. Er war kein starker Esser, sondern hatte sich von den Köstlichkeiten verlocken lassen. Sie nahm sich auch ein kleines Scheibchen gerolltes Roastbeef mit einer Füllung aus Remoulade und Gurke und kaute genüßlich. Seit dem Frühstück waren schon einige Stunden vergangen, und mit Rücksicht auf das enge Kleid hatte sie das Mittagessen für sich ausfallen lassen.

»Wer kommt denn alles? Kenne ich die?« wollte Daniel wissen.

»Ich weiß es nicht, wen Suse eingeladen hat. Aber auf jeden Fall auch Freunde von mir, die du kennst.«

»Wie lange darf ich mitfeiern?«

»Wollen wir mal sehen. Bis zehn vielleicht, aber nicht länger.«

»Kann ich fernsehen?«

»Wenn Suse dich in ihr Schlafzimmer läßt.«

»Ich frage sie mal eben.«

Er wollte schon losstiefeln, als Christine ihn zurückhielt.

»Nicht jetzt. Sie zieht sich doch gerade um.«

Er plumpste auf seinen Stuhl zurück. Christine holte die Tasche, die sie für ihn mit einigem Spielzeug und seinem Schlafanzug gepackt hatte.

»Hier, Schatz, beschäftige dich ein bißchen. Ich will sehen, ob ich Suse helfen kann. Und laß die Bowle in Ruhe, versprochen?«

»Na klar.«

Suse klebte sich gerade eine Reihe falscher Wimpern an. Sie sahen aus wie Fliegenbeine.

»Oh, verdammt…, sieh mal, wie ich aussehe! Die sind viel zu lang.«

»Man muß sie ja auch erst zurechtschneiden. Sag mal, warum machst du das überhaupt? Kommt heute jemand, den du zum Frühstück auch noch dabehalten willst?«

»Nee, aber man kann ja nicht wissen… Bereit sein ist alles.«

Die Wimpern wurden mit einer solchen Vorsicht geklebt, als könnten sie jeden Moment explodieren, nachdem Suse noch ein wenig daran herumgeschnitten hatte. Die Wirkung war dann auch wirklich umwerfend.

»Du hast einen Blick wie Bette Davis.«

»Hoffentlich aber nicht so viele Falten.«

»Du weißt doch genau, daß du umwerfend aussiehst.«

»Man tut, was man kann. Die Konkurrenz schläft nicht. Du, sag mal, irgendwie ist mir übel…«

»Das ist bestimmt die Aufregung. Du tust zwar immer so cool, aber ich kenne dich.«

Suse lehnte sich zurück und strich sich mit der flachen Hand über den Magen.

»Kann sein. Vielleicht habe ich aber auch zu wenig gegessen. So, das muß genügen. Gefällt dir mein Kleid?«

Es war ein Traum aus rotem Samt. Mit ihren roten Haaren und der hellen Haut sah Suse wirklich sehr schön aus.

»Du bist perfekt. Und das Kleid ist wunderschön. Ich sehe in Rot immer aus wie ein Clown.«

»Das stimmt zwar nicht, aber deine Farbe ist wirklich schwarz. Wir sind schön. Die Männer werden Schlange stehen.«

Zufrieden betrachtete Suse sich und Christine im Spiegel. Dann grinste sie.

»Und wenn nicht, haben wir immer noch uns. Es geht doch nichts über eine gute Freundin. Laß uns sehen, was dein Sprößling macht.«

Daniel saß brav am Tisch und malte. Das tat er gern, deshalb hatte Christine immer Buntstifte und Papier dabei, wenn sie mit ihm irgendwo hinging. In ihren Augen hatte er ein wirkliches Talent.

Das Bild, das er ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, hing bereits in einem Rahmen an der Wand im Flur ihrer Wohnung. Es zeigte ihn und seine Mutter Hand in Hand. Christine war zu Tränen gerührt gewesen, wieviel Mühe er sich gegeben hatte.

»Du bist wirklich super, Daniel. Wegen dir könnte ich mir glatt noch überlegen, ob ich nicht doch noch eines Tages Kinder haben will.«

»Wieso? Willst du denn sonst keine?«

»Eigentlich nicht. Stell dir vor, all die Kinderfinger auf meinem Glas…«

Sie hatte ein Faible für Glastische und Vitrinen.

»Kann man doch wieder wegmachen. Guck mal.«

Daniel leckte seinen Finger an und rieb auf der Tischplatte herum. Suse lachte.

»Laß nur. Das mache ich morgen. Hast du alles, was du brauchst? Du kannst auch im Schlafzimmer fernsehen. Hast du deinen Nintendo mit?«

»Na klar. Oder, Mama? Hast du ihn eingesteckt?«

»Eigentlich hättest du selbst daran denken sollen. Aber ich habe ihn, ja. Unten in der Tasche.«

Suse und Christine setzten sich ins Wohnzimmer, während Daniel ins Schlafzimmer umsiedelte. Im Grunde waren sie bereit für die Gäste, aber es war noch Zeit, um sich ein bißchen zu unterhalten und ein Gläschen Sekt zum Anwärmen zu trinken.

Eine Stunde später brach die Hölle los. Die Dekoration war also mehr als passend gewählt. Zehn der Gäste kamen gleichzeitig, es herrschte ein solches Tohuwabohu, bis alle Blumen und Geschenke überreicht und alle Umarmungen erledigt waren, daß Christine in Schweiß ausbrach. Aber man meinte es gut mit ihr. Selbst Leute, die sie noch nie zuvor gesehen hatte, gaben ihr Küßchen und wünschten ihr viel Glück. Als sie vollzählig waren, stimmte Suse ein Lied für Christine an und alle sangen mit. Daniel amüsierte sich bombig, denn den Text hatte Suse auf Happy Birthday umgestaltet. Er holperte reimlos dahin und schließlich brach alles in Lachen aus und niemand konnte weitersingen.

Schon während der Darbietung war Christine ein Mann aufgefallen, der ihr ausnehmend gut gefiel. Er hatte schwarze Haare und ein klassisches Profil. Bei solchen Gesichtern war sie schon immer schwach geworden, wenn auch nur innerlich. Frank war fast das Gegenteil gewesen. Wahrscheinlich sollte man seinem Ideal treu bleiben…

Dieser Mann jedoch schien zu ihrer Freude auch noch allein gekommen zu sein. Bei der ersten Gelegenheit fragte sie Suse nach ihm.

»Das ist Adrian von Manger, der Restaurantbesitzer, von dem ich dir erzählte.«

»Kein Wort hast du von ihm gesagt.«

»Wir haben gestern sein Restaurant eingeweiht.«

»Ach der…, und da hast du ihn gleich eingeladen? Ist er ein Geschenk für mich?«

»Finger weg. Ich habe mehr an mich gedacht, als ich ihn bat zu kommen…«, drohte Suse scherzhaft mit dem Finger.

»Oh…, ja dann…«

»Na gut, lassen wir ihn selbst entscheiden. Du mußt dich ja nicht gerade so in Pose werfen, wenn er dich ansieht…«

»Ich werde mir Mühe geben«, versprach Christine, wußte aber nicht, wie ernst es Suse mit ihrem Interesse war.

Suse hatte ständig wechselnde Begleiter und schien damit zufrieden zu sein. Aber wenn sie sich wirklich ins Gehege kommen würden…

»Entspann dich. Er mag vielleicht gar keine Frauen. Sein bester Freund sieht auch gut aus…, aber er hatte keine Zeit zu kommen.«

Zwei Stunden später, sie waren alle gestärkt und bester Laune, tanzte Adrian von Manger mit Christine.

Sie hatte keinen Grund zu glauben, daß er keine Frauen mochte, als sie seine Hand auf ihrem Rücken spürte. Im Gegenteil, wenn sie nicht alles täuschte, war er an ihr interessiert. Ihr Herz klopfte schneller. Sie wußte nicht, wie weit sie gehen durfte, ohne Suse, die immer wieder zu ihnen herüberschaute, zu verärgern.

»Fühlen Sie sich nicht wohl?« fragte er, wobei seine Lippen ihr Ohr kitzelten.

»Warum fragen Sie?«

»Weil Sie ein bißchen verkrampft sind.«

»Oh…, nein, mir geht es sehr gut…«

Sie lächelte. Schließlich wollte sie höflich sein. Es war doch nett von ihm zu bemerken, daß sie nicht locker war.

»Fein. Es wäre auch schade, wenn Sie sich auf Ihrer Party nicht amüsieren. Gehen Sie gern essen?«

»Ja, sehr gern.«

»Dann müssen Sie mich unbedingt in meinem neuen Restaurant besuchen. Es heißt ›Orpheus‹.«

»Ach, daher also diese Deko. Die Hölle, beziehungsweise die Unterwelt.«

»Richtig. Es kam gut an bei meinen Eröffnungsgästen. Suse hat wirklich etwas los.«

»Das hat sie. Sie ist genial.«

»Und was machen Sie, wenn Sie nicht gerade Geburtstag feiern?«

»Ich bin Notarin.«

»Wie schön. So etwas kann man immer brauchen. Jetzt kenne ich also auch eine Notarin…«

Christine mußte lachen. Solche Sprüche mußten sich Ärzte sicher oft anhören, aber zu ihr hatte man das noch nicht gesagt.

»Ich würde mich freuen, wenn Sie wirklich einmal kommen.«

»Das mache ich bestimmt.«

Suse wirkte schon etwas beunruhigt. Christine nahm ein wenig Abstand und setzte sich nach diesem Tanz äußerst ungern wieder auf ihren Platz, während Adrian jetzt Suse aufforderte. Ihre Freundin übte nicht die Zurückhaltung, die sie Christine aufgezwungen hatte. Sie hing an diesem aufregenden Mann wie eine Kletterpflanze.

Es gab noch mehr Männer zum Flirten, denn tatsächlich hatte Suse es geschafft, etliche dieser Exemplare solo einzuladen. Was natürlich nicht heißen mußte, daß sie das auch sonst waren. Manch einer hatte seine bessere Hälfte vielleicht ganz gern zu Hause gelassen. Als Bilanz des rundherum netten Abends blieb Christine die Erkenntnis, daß ihr keiner so gut gefallen hatte wie Adrian, der aber offenbar in den Fängen von Suse hängengeblieben war. Suses Großzügigkeit hatte Grenzen.

*

Am Sonntag schliefen sie aus. Christine war mit ihrem Sohn trotz Suses Protest nach Hause gefahren und hatte versprochen, gegen Mittag wieder bei ihrer Freundin zu sein, um aufzuräumen und die Spuren der Party zu beseitigen. Sie wollte Suse nicht ins Gehege kommen, falls sie mit Adrian…

Das war jedoch nicht der Fall, wie sie zu ihrer Erleichterung erfuhr, als sie mit Suse in der Küche saß und Reste verzehrte. Daniel war bei Christines Mutter. Sie würde ihn dort am Abend abholen.

»Ein aufregender Mann. Er hat ganz schön mit mir geflirtet.«

»Ich finde ihn auch sehr nett.«

»Was hältst du davon, wenn wir nächste Woche mal zu ihm gehen? Zum Essen?«

Das hätte Christine lieber allein gemacht. Sie wußte nicht einmal, ob sie Suse von seiner Einladung erzählen durfte. Aber wenn sie sich jetzt weigerte, wäre das auch blöd.

»Können wir machen. Ich weiß nur noch nicht wann.«

»Macht ja nichts. Halte dir vielleicht den Mittwoch oder Donnerstag frei. Montag oder Dienstag sieht zu eifrig aus, und ab Freitag ist da bestimmt viel zuviel zu tun, als daß er sich um uns kümmern könnte.«

»Okay. Ich sage dir noch Bescheid. Ist er nicht irgendwie verbändelt?«

»Nein, er ist geschieden. Schon lange, irgend jemand hat es mir erzählt. Bei der Einweihung war er auch allein als Gastgeber. Sonst wäre doch seine Partnerin mit dort gewesen an so einem Tag.«

»Hm. Und wie ernst ist es dir?«

Christine konnte sich diese Frage einfach nicht verkneifen. Auf der anderen Seite wollte sie nicht den Eindruck erwecken, als kämpfe sie wie ein Hund um denselben Knochen. Um sich lächerlich zu machen oder die Freundschaft zu gefährden, war Adrian von Manger nun doch nicht wichtig genug.

»Kann ich noch nicht sagen. Er gefällt mir sehr gut. Vielleicht bin ich mein Single-Leben doch allmählich leid.«

Diese Antwort hatte Christine trotz allem nicht erwartet. Sie erfreute sich auch nicht sonderlich.

»Was machst du für ein Gesicht? Ich sagte dir doch, daß ich ihn nett finde. Sonst hätte ich ihn nicht eingeladen.«

»Schon gut. Ich wünsche dir viel Glück.«

Ja, das tat Christine tatsächlich. Sie beschloß auf der Stelle, sich nicht mehr um Adrian von Manger zu kümmern. Zwar wollte sie sein Restaurant noch sehen und Suse begleiten, wie sie es gesagt hatte, aber darüber hinaus würde sie alles ablehnen, was er ihr vielleicht noch anbot. Keine weiteren Essen, keine Telefonate. Sollte er daran überhaupt gedacht haben.

Sie kam sich recht edelmütig vor, wie sie amüsiert feststellte. Während des gründlichen Putzens stieg ihre Stimmung wieder an, denn Suse mit ihrer strahlenden Laune wirkte ansteckend. Wegen eines Mannes sollte man sich sowieso keine grauen Haare wachsen lassen, fand Christine. Einmal hatte sie das alles hinter sich gebracht, und eigentlich genügte diese Erfahrung für den Rest ihres Lebens.

Um halb fünf blitzte die Wohnung wie nie zuvor. Suse sah sich zufrieden um.

»Zur Krönung müßte jetzt das Telefon klingeln, und Adrian teilt mir mit, daß er vor Sehnsucht nicht klar denken kann und ich sofort zu ihm kommen soll. Aber so etwas passiert ja wohl leider nur in Romanen.«

»Tut mir leid, daß du mit mir vorlieb nehmen mußt. Trinken wir noch einen Kaffee, bevor ich gehe?«

»Ja, klar. Und deine Gesellschaft ist mir sehr lieb, wie du weißt.«

Dafür erwähnte sie diesen Adrian aber reichlich oft…

Als Christine Daniel abholte, geriet sie wieder einmal mit ihrer Mutter aneinander, die der Meinung war, daß Daniel am Sonntag keine Jeans tragen sollte.

»Früher haben wir die Kinder sonntags immer hübsch gemacht. Das ist schade, daß ihr jungen Frauen das heute so anders handhabt.«

Christine erinnerte sich noch gut an die Kleider, die sie sonntags tragen mußte, bis sie sich dann einmal mit neun Jahren energisch geweigert und damit gedroht hatte, dann lieber den ganzen Tag im Bett zu verbringen. Die Sonntage waren ihr verhaßt gewesen. Nur wegen der Nachbarn hatte ihre Mutter das verlangt, und wegen des Vaters, der dann seine beiden Frauen wohlgefällig betrachten und sich für einen tollen Kerl halten konnte. Welchen Grund sollte es sonst haben, Kinder mit einem Sonntagskleid zu quälen?

Wenn sie mit Daniel etwas besonderes vorhatte, trug er eine Jeans, die ein wenig edler war und weniger oft gewaschen, aber er sollte sich wohlfühlen, das war ihr die Hauptsache.

»Soll er dauernd aufpassen, daß er sich nicht schmutzig macht? Nein, Mama, das macht man heute nicht mehr. Kinder mögen das nicht, erinnerst du dich nicht?«

»Du warst immer anders als die anderen Kinder. Insofern habe ich keinen Vergleich.«

Wieder so eine kleine Spitze. Christine ahnte sie oft schon voraus und ärgerte sich kaum noch. Naja, eine kleines bißchen höchstens.

»Na gut, dann hat Daniel das eben von mir. Und schämen mußt du dich ja nicht gerade mit ihm.«

»Nein, wir waren ja auch nicht weg. So, Daniel, jetzt räum schön auf. Der Opa kommt auch bald nach Hause. Er möchte, daß alles schön aussieht.«

»Soll ich das Bild hier an die Wand hängen?«

Daniel hatte seine Buntstifte und Papier mitgenommen, weil er hier nicht fernsehen durfte.

»Ach nein, ich lege es in eine Mappe zu den anderen Bildern von dir.«

Christine warf ihr nur einen Blick zu. Warum konnte ihre Mutter nicht einmal eines der liebevoll gemalten Bilder von Daniel aufhängen? Es wäre allemal schöner anzusehen als die kitschigen Ölbilder unbekannter Meister, die die Wohnung verschandelten. Irgendwie waren ihre Eltern in den Fünfzigern stehengeblieben, obwohl sie noch gar nicht alt waren.

Ihre Mutter war bestimmt die einzige, die noch Kreuzstichdecken auf den Tischen liegen hatte, alles übernommen von ihrer eigenen Mutter. Nein, unmöglich, Daniel einer solchen Atmosphäre jeden Tag auszusetzen.

»Aber ich habe doch extra die Farben genommen, die hier passen…«, beschwerte sich Daniel.

»Laß nur, Schatz, Oma hat ja auch gar keinen Rahmen. Irgendwann kauft sie einen und dann hängt sie deine Bilder auf.«

»Aber sicher, Daniel.«

Offenbar hatte ihre Mutter nun doch gemerkt, daß sie ihren Enkel enttäuschte.

»Wir gehen dann. Danke, daß du aufgepaßt hast.«

»Du weißt ja, daß ich ihn auch gern öfter nehmen würde.«

»Ja, ich weiß. Grüß Papa, und einen schönen Abend noch.«

Im Auto erkundigte sich Daniel besorgt, ob er wirklich öfter zur Oma gehen mußte.

»Nein, wenn du nicht willst, mußt du das sicher nicht.«

»Sie hat aber gesagt…«

Er brach ab. Christine warf ihm im Rückspiegel einen Blick zu. Daniel kämpfte offenbar mit sich.

»Na, red schon weiter. Was hat sie gesagt?«

»Ich sollte es dir nicht sagen…«

»Du weißt doch, daß das niemand von dir verlangen kann. Ich bin deine Mama, und wir haben keine Geheimnisse voreinander.«

Christine war schon wieder auf hundertachtzig. Ihre Mutter wußte genau, daß sie Daniel damit in Konflikte brachte, wenn

sie von ihm verlangte, daß er schwieg.

»Daß du wieder arbeiten willst und ich dann zu ihr kommen muß. Oder ich… müßte zu Papas neuer Freundin, die dann auf mich aufpaßt. Aber die kenne ich doch gar nicht…«

»Das hat sie gesagt?« fragte Christine fassungslos.

»Ja, und daß es doch besser wäre, wenn ich zu ihr komme.«

»Daniel, du mußt weder zu Oma noch zu irgendeiner Freundin, die du nicht kennst. Wir warten so lange, bis ein Platz im Kindergarten frei ist. Vorher arbeite ich halbtags wie bisher auch.«

»Versprochen?«

»Versprochen.«

Als Daniel abends im Bett lag, rief Christine ihre Mutter an.

Sie teilte ihr ungeschminkt ihre Meinung zu diesem Thema mit.

»Und darüber hinaus möchte ich nicht, daß du ihn zum schweigen verdonnerst. Wir haben ein enges Verhältnis zueinander, wie du genau weißt. Das ist nicht nett von dir.«

»Das ist es aber, was mir Sorgen macht. Ich habe neulich beim Friseur gelesen, daß es ungesund ist, wenn eine Frau mit ihrem Sohn ein so enges Verhältnis hat. Die Jungen werden dann später… Sie interessieren sich nicht für Frauen oder hassen sie sogar. Das willst du doch wohl auch nicht…«

Christine wußte nicht, ob sie lachen oder wütend werden sollte. Das war mal wieder so typisch. In irgendeinem schlauen Käseblatt stand psychologischer Blödsinn, und ihre Mutter glaubte es unbesehen, weil es ja gedruckt worden war. Da könnte sie sich den Mund fusselig reden.

»Nein, und das wird auch nicht passieren.«

»Und wie willst du das verhindern? Daniel braucht männliche Vorbilder, und deinen Mann hast du ja ohne Not…«

»Wer sagt dir denn, daß es nicht bald einen anderen gibt?« antwortete Christine unbedacht, weil sie es einfach satt hatte, diese Diskussion immer wieder führen zu müssen.

»Was? Wen denn? Ist er denn nett zu Daniel?«

Jetzt war das Kind in den Brunnen gefallen. Christine kämpfte ein paar Sekunden mit sich und konstruierte dann einen Idealmann mit dem Aussehen von Adrian von Manger und der Art von Jasper Wolf.

»Er ist sehr nett. Aber mehr möchte ich jetzt dazu nicht sagen.«

»Ich erfahre ja dann hoffentlich noch vor der Hochzeit von ihm.«

»Du wirst schon noch abwarten müssen.«

Um Gottes willen, was hatte sie da angerichtet? Christine ärgerte sich über ihre vorschnelle Art und konnte nichts mehr tun, um die Behauptung zurückzunehmen, weil es dann noch alberner gewirkt hätte.

Am nächsten Tag dachte sie nicht mehr daran. Die Hauptsache war, daß es Daniel gutging. Und als er mit einem fröhlichen Lächeln zur Schule ging, war sie sicher, daß er sich ebenfalls schon keine Gedanken mehr über die Worte seiner Oma machte.

*

Das Essen mit Suse in dem Restaurant Orpheus verlief für Suse etwas enttäuschend. Zwar freute sich Adrian von Manger, hatte aber keine Zeit für seine Gäste. Er wies freundlich darauf hin, daß sie besser angerufen hätten. Christine hatte angenommen, daß Suse das getan hatte. Jetzt saßen sie da, aßen hervorragend und wurden von einem Kellner statt von Adrian bedient. Er hatte Geschäftsbesuch und ließ sich erst am Ende, bevor sie gehen wollten, noch einmal sehen.

»Es tut mir wirklich sehr leid. Das nächste Mal machen wir etwas aus, ja?«

»So oft werde ich nicht Zeit haben. Aber gut, dann rufe ich vorher an«, gab Suse etwas mißgelaunt zurück.

Christine sagte gar nichts. Sie hätte ihre Rechnung am liebsten selbst bezahlt, doch der Besitzer des schicken Restaurants bestand darauf, daß sie seine Gäste waren. Suse stand auf.

»Komm, Christine, sonst komme ich zu spät zu meiner Verabredung.«

Es war klar, daß sie schwindelte, denn immerhin war es schon nach zehn Uhr abends. Christine fand es langsam etwas peinlich, wie Suse sich verhielt.

»Ich muß auch schnellstens nach Hause. Meine Nachbarin paßt auf Daniel auf.«

»Grüßen Sie Ihren Sohn herzlich.«

»Mache ich.«

Als sie vor dem Restaurant standen, stieß Suse die Luft mit einem Seufzer aus.

»So was Blödes. Er hätte sich doch Zeit nehmen können.«

»Aber du hast doch gesehen, daß er Besuch hatte.«

»Na und? Hätte er den nicht schneller verabschieden können? So schnell gehe ich bestimmt nicht mehr hin.«

Sie hatte richtig schlechte Laune. Für Christine war damit klar, daß Suse verliebt war. Schade…

Während des kurzen Gespräches mit Adrian hatte sie nämlich den Eindruck gehabt, daß dieser sich mehr an sie wandte als an Suse. Aber wenn es Suse ernst war mit ihren Gefühlen, mußte sie jetzt sehr aufpassen. Hatte sie sich nicht sowieso vorgenommen, auf ihn zu verzichten? Wenn er nur nicht so genau ihrem Ideal entsprechen würde…

»Was ist, willst du hier festwachsen?«

»Nein, aber deine Laune ist jetzt echt nicht toll.«

»Ach, entschuldige. War heute nicht mein Tag. Gute Nacht, Chris. Grüß Daniel von mir.«

Sie umarmte Christine flüchtig und ging zu ihrem Auto. Christine fuhr nach Hause.

Daniel schlief. Alles war ruhig, bis zehn Minuten später das Telefon klingelte. So spät noch? Das konnte nur Suse sein, die sich vielleicht entschuldigen wollte.

Es war nicht Suse, es war Adrian von Manger.

»Entschuldigen Sie die späte Störung. Ich habe mir ausgerechnet, daß Sie jetzt gerade nach Hause gekommen sind. Ich wollte noch einmal mein Bedauern ausdrücken, weil ich keine Zeit hatte. Ich hätte mich gern persönlich um Sie gekümmert.«

Ob er auch bei Suse anrief? Nein, sicher nicht. Christine wußte es einfach. Und auch, daß sein Interesse sie nicht getäuscht hatte. Jetzt hatte sie ein Problem.

»Das macht nichts. Es hat uns gut gefallen, und das Essen war hervorragend. Vielen Dank noch einmal«, gab sie mit möglichst gleichmütiger Stimme zurück.

»Vielleicht haben Sie Lust, einmal mit Daniel zu kommen? Sonntags vielleicht?«

Das wurde ja immer schöner…

»Tut mir leid, ich fürchte, das geht nicht. Ich muß jetzt auflegen, es ist spät.«

»Ja, sicher. Entschuldigen Sie noch einmal die Störung.«

Ja, das war’s dann wohl. Jetzt hatte seine Stimme deutlich zurückhaltend geklungen. Es war klar, daß er sie richtig verstanden hatte, wenn sie ihm auch etwas vorgespielt hatte. Wie jammerschade.

»Das ist in Ordnung, Adrian. Alles Gute weiterhin.«

Als sie sich umdrehte, stand ihr Sohn in der Tür.

»Ist das der von der Party gewesen?«

»Ja, und ich soll dich grüßen. Jetzt aber schnell wieder ins Bett, mein Schatz.«

»Der mag dich, oder?«

»Nein, er wollte nur höflich sein. Schlaf jetzt bitte, mein Schatz. Warum bist du überhaupt wach geworden?«

»Das Telefon.«

Sie brachte Daniel zu Bett, wobei sie sich die Frage verkniff, ob ihm Adrian gefallen habe.

Am nächsten Abend kam Suse überraschend vorbei.

»Mir fällt die Decke auf den Kopf. Hast du Zeit zum Quatschen?«

Akuter Liebeskummer, diagnostizierte Christine. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, obwohl sie ja wirklich unschuldig war.

»Natürlich, komm rein. Wollen wir Pizza essen und ›Frühstück bei Tiffany‹ sehen?«

Das hatten sie früher gern gemacht, wenn eine von ihnen Kummer hatte. Jetzt schüttelte Suse entsetzt den Kopf.

»Weder noch! Bei ›Moon River‹ werde ich mich heulend auflösen, und Pizza setzt sich auf die Hüften. Ich muß abnehmen.«

Das klang ja immer schrecklicher…

»Seit wann mußt du abnehmen? Du siehst doch fabelhaft aus.«

»Adrian mag, glaube ich, nur so schlanke, knabenhafte Frauen. Schlecht durchzuhalten bei seiner Küche.«

Sie seufzte theatralisch. Christine hätte jetzt widersprechen können, denn immerhin war sie nicht knabenhaft schlank. Aber diese Kenntnis hätte Suse wohl kaum getröstet.

»Mir genügt eine Scheibe Brot. Du ißt doch auch mit Daniel Brot?«

»Ja, gleich. Ich habe gerade vorbereitet. Daniel muß jeden Moment kommen. Er ist bei seinem Freund.«

Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, erschien er. Er fiel Suse um den Hals.

»Bleibst du noch hier? Dann kann ich dir mein neues Nintendo-Spiel zeigen.«

»Heute nicht, Spatz. Ich habe einfach keine Nerven dafür.«

Vielleicht sollte Suse lieber nicht Mutter werden. Sie würde dann lernen müssen, daß es keine Rolle spielte, wie man drauf war, sondern immer Zeit haben mußte für sein Kind. Daniel wirkte enttäuscht.

»Komm, Schatz, wasch dir die Hände, dann können wir essen.«

Daniel schlurfte ins Badezimmer.

Als sie alle zusammen am Tisch saßen, klingelte das Telefon erneut. Christine ging ins Wohnzimmer. Sie wollte es kurz machen, aber wie sich herausstellte, machte sie es trotz allem nicht kurz genug. Als sie in die Küche zurückkam, stand Suse gerade auf. Sie sah sie wütend an.

»Ich hätte mir denken können, daß dich Freundschaft nicht soweit interessiert. Ganz schön unfair von dir, nach allem, was ich für dich getan habe.«

Bevor Christine noch fragen konnte, wovon Suse sprach, rauschte diese zur Tür.

»Sag mal, was ist denn jetzt passiert? Vielleicht erklärst du mir freundlicherweise mal…«

Die Tür klappte zu.

Sollte sie Suse nachlaufen? Das hätte wohl wenig Sinn. Christine hoffte, daß sich ihre Freundin wieder beruhigen würde. Vielleicht konnte Daniel das Geheimnis lösen.

»Was war denn los, Schatz? Weißt du, warum Suse so böse ist?«

»Nee, auch nicht. Sie fragte, ob ich Adrian schon mal wiedergesehen hätte. Ich habe ihr erzählt, daß er dich neulich nachts angerufen hat…«

»Ach, du Schreck…, ja, das reicht. Na gut. Nun iß schön.«

»Habe ich was Falsches gesagt?«

»Nein, mein Schatz, das hast du nicht. Suse hat wohl schlechte Laune gehabt, das gibt sich bestimmt wieder.«

Gegen neun hielt Christine es nicht mehr aus. Sie rief bei ihrer Freundin an, stieß aber nur auf den Anrufbeantworter. Kurz erklärte sie, was es mit dem Telefonat auf sich gehabt hatte.

»Ich habe ihm sehr knapp erklärt, daß ich keine Zeit habe, ihn zu besuchen in seinem Restaurant. Mehr kannst du wohl nicht verlangen, Suse. Wenn du trotzdem sauer auf mich bist, dann hast du ein Problem. Ich wollte es nur nicht erzählen, weil ich ja gemerkt habe, wie verrückt du auf Adrian bist. Ruf also bitte zurück und hör auf, mit mir zu schmollen.«

Nichts. Weder an diesem Abend noch am nächsten. Christine sah keinen Grund, noch einmal hinter Suse herzulaufen. Es mußte wohl erst einige Zeit vergehen, bis Suse wieder zur Vernunft käme.

Einen Tag später war sie dann abgelenkt, denn ihr neuer Kollege, jedenfalls für die Zeit des Urlaubs von Dr. Fellhaber, wurde ihr vorgestellt und machte einen netten Eindruck. Der Eindruck war sogar so nett, daß Christine wiederum Grund hatte, ihr Schicksal zu beklagen. Sie wußte ja, daß er eine Freundin hatte, oder sogar eine Verlobte, wenn sie es richtig erinnerte. Alle akzeptablen Männer waren vergeben.

Tobias Reiter betonte, daß er sich auf die Zusammenarbeit sehr freue. Dazu lächelte er so charmant, daß zwei der Schreibdamen glänzende Augen bekamen. Christine versicherte ihm, daß sie ihm alle helfen würden, sich schnell einzuarbeiten, und dann spendierte Dr. Fellhaber Kaffee und Kuchen für alle, und sie hatten Gelegenheit, sich an dem Charme des jungen Notars zu erwärmen. Wie wohl seine Verlobte war? Hoffentlich wußte sie, wie glücklich sie sich schätzen konnte.

Die nächsten drei Wochen würde die Arbeit sicher noch mehr Spaß machen als vorher. Christine hatte keine Ahnung, daß es eher umgekehrt kommen würde. Allerdings hatte daran nicht unbedingt Tobias Reiter Schuld, sondern eher ihre kleine Lüge ihrer Mutter gegenüber.

*

Es begann ganz harmlos. Am Sonnabend wollte Christines Mutter ihren Enkel sehen. Christine hatte nichts dagegen, ihn für drei Stunden hinzubringen, weil sie dann Gelegenheit hatte, ein paar Einkäufe zu machen, ohne alle fünf Minuten von Daniels Wünschen bedrängt zu werden. Jeder Supermarkt, jedes Kaufhaus hatten eine unglaubliche Anziehungskraft auf Daniel. Immer war er auf der Suche nach neuen Spielen oder anderen Kleinigkeiten, die sie sich dann wenigstens genau ansehen und merken sollte.

Sie bummelte also im Einkaufszentrum herum. Daß das Restaurant Orpheus in der Nähe lag, war reiner Zufall. Christine ging hier immer einkaufen.

Um halb drei war ihr nach einem Cappuccino. Ihre Einkäufe hatte sie ins Auto gebracht, um die Tüten nicht mitschleppen zu müssen. Sie wollte gerade das kleine Café betreten, in dem man sie gut kannte, als sie plötzlich eine Stimme hörte, die ihr vertraut war.

»Na, so ein Zufall…, Christine…«

Adrian von Manger stand da und lächelte sie an. Christine wußte nicht, wie sie reagieren sollte. Suse hatte nicht angerufen. Adrian interessierte sich nicht für ihre Freundin. Mußte sie nun weiterhin kühl und ablehnend sein, oder durfte sie zeigen, daß sie sich ebenfalls freute…

»Haben Sie einen Moment Zeit für einen Kaffee? Ich treffe mich gleich mit einem meiner besten Freunde und seiner Verlobten, aber soviel Zeit bleibt mir noch. Sie kommen hier sowieso vorbei. Wenn wir uns ans Fenster setzen, kann ich sie sehen.«

»Ich weiß nicht…«

»Ich hatte den Eindruck, daß Sie sowieso gerade hineingehen wollten. Oder mögen Sie meine Gesellschaft nicht?«

Das war eine klare Frage, die eine offene Antwort verdiente.

»Doch, natürlich.«

»Na also.«

Sie setzten sich ans Fenster. Adrian bestellte und sah sie dann aufmerksam an.

»Wie geht es Ihnen?«

»Danke, gut.«

»Und Daniel?«

»Ebenso. Er ist bei meiner Mutter, aber ich hole ihn nachher ab.«

»Und wollen Sie nicht doch einmal mit ihm zu mir kommen? Als meine Gäste? Ich bin sicher, es wird ihm gefallen.«

»Das glaube ich auch. Aber ich weiß wirklich nicht…«

»Wenn es wegen Suse ist… Ich bin nicht interessiert, sie näher kennenzulernen. Ich sage das ganz offen, weil ich den Eindruck habe, daß es ein Problem für Sie ist.«

»Ich…«

»Oh, entschuldigen Sie, da kommen meine Freunde… Moment…«

Zu ihrem ungläubigen Staunen sah Christine, daß draußen Tobias Reiter und eine hübsche dunkelhaarige Frau vorbeigehen wollten. Gleich darauf kam Adrian von Manger zu ihnen herein.

»Nanu, das ist ja ein Zufall. Hallo, Frau Baerwald. Das ist Viola, meine Verlobte. Viola Holzner.«

Sie setzten sich, und schon nach fünf Minuten war eine angeregte Unterhaltung im Gange. Christine mußte plötzlich daran denken, daß Adrian von Manger beim Kennenlernen so getan hatte, als wäre sie die erste Notarin in seinem Bekanntenkreis. Dabei war Tobias Reiter sein Freund…

Wie gut, daß sie keine Gelegenheit mehr hatten, über Suse zu sprechen. Christine wußte immer noch nicht, welche Antwort sie ihm wohl geben wollte.

Doch es kam noch komplizierter. Suse kannte dieses Café natürlich auch. Sie wohnte ebenfalls in der Nähe. Und sie kam herein, nachdem auch sie ihre Einkäufe erledigt hatte. Allerdings ging sie sofort wieder hinaus, als sie ihre Freundin dort sitzen sah. Eigentlich hatte sie das gehofft, da sie Christines Gewohnheiten kannte, aber als sie die fröhliche Runde dort entdeckte, hätte sie am liebsten eine Szene gemacht. Soweit war es also her mit der angeblichen Rücksicht, die Christine ihr vorgegaukelt hatte! Sie saß bereits neben Adrian und ihnen gegenüber gemeinsame Freunde! Adrian hatte sie also schon als seine Neue vorgestellt…

Die Enttäuschung und Ungerechtigkeit schnürte ihr fast den Hals zu. Die Kellnerin, die ihr gerade Platz machen wollte, damit sie vorbeigehen konnte, sah Suse erstaunt an, denn offenbar hatte sie einen merkwürdigen Laut von sich gegeben. Jetzt drehte sie sich um und eilte hinaus. Sie ging in einer anderen Richtung davon, so daß sie nicht am Fenster vorbeigehen mußte.

»Eben war Ihre Freundin da, Frau Baerwald, aber sie ist gleich wieder gegangen«, teilte die freundliche Kellnerin Christine mit, als sie für jeden am Tisch einen Cognac servierte, den Tobias Reiter bestellt hatte.

Christine erstarrte. Sie sah Adrian an, der sie ebenfalls anschaute.

»Oh…, das ist…«

»Christine, es ist nicht Ihre Schuld. Sie kann uns doch nicht zwingen…«

»Sie ist meine beste Freundin. Ich möchte ihr nicht weh tun. Ich muß… jetzt sowieso gehen.«

»Aber sie hat uns doch schon gesehen«, wandte er leise ein.

»Ich muß meinen Sohn abholen«, beharrte Christine und kam sich ziemlich albern vor. Es war tatsächlich nur ein Zufall gewesen, daß sie sich hier getroffen hatten, aber für Suse mußte es wirken, als wären sie alle vier hier verabredet gewesen. Wenn Suse ihr nicht glauben würde, könnte ihre Freundschaft damit ein Ende gefunden haben. War ein Mann das Wert?

»Wo kommst du denn jetzt erst her? Und eine Fahne hast du auch«, begrüßte ihre Mutter Christine.

»Tut mir leid, wenn ich mich etwas verspätet habe. Ich traf noch einen … Freund… und da…«

»Wen denn, Mama?«

»Adrian, mein Schatz. Ich soll dich grüßen.«

Das hatte er ihr extra aufgetragen.

»Ich will nicht von ihm gegrüßt werden.«

Christine sah ihren Sohn erstaunt an. Was waren denn das für Töne? Bisher hatte sie den Eindruck gehabt, daß Daniel Adrian mochte. Aber jetzt war sowieso alles durcheinander, da kam es darauf auch nicht mehr an.

Diesmal bekam sie im Auto nichts aus ihm heraus. Es habe ihm bei Oma gefallen, versicherte er ziemlich einsilbig auf ihre Frage. Als sie zu Hause waren, ging er gleich in sein Zimmer. Christine versuchte, Suse zu erreichen, sprach aber diesmal keine Nachricht auf den Anrufbeantworter. Sie würde doch ungehört verhallen.

Der Sonntag wurde gemütlich und streßfrei. Daniel ging vor dem Mittagessen zu einem Freund und rief von dort aus an, ob er bis zum Abend bleiben könnte. Christine dachte sich nichts dabei und stimmte zu. Als sie ihm am späteren Abend gute Nacht sagen wollte, tat er so, als schliefe er bereits. Sie ließ ihn in Ruhe, denn offenbar legte er keinen Wert auf einen Kuß. Morgen würde sich das sicher klären. Er hielt es nie lange aus zu schmollen.

Tobias Reiter setzte sich am Montagvormittag auf ihre Schreibtischkante, als wäre er dort zu Hause. Christine wollte gerade einen Kaffee trinken.

»Mein Freund ist hin und weg von Ihnen, Christine. Ich darf doch Christine sagen?«

»Ja, warum nicht…«

»Er ist ein feiner Kerl. Und ich freue mich, daß er sich endlich mal ernsthaft verliebt hat. Bisher war er nicht dazu zu bewegen gewesen, eine Frau näher als fünf Meter an sich heranzulassen.«

»Und warum?«

Sie wußte, daß sie das nicht hätte fragen sollen. Es signalisierte Interesse.

Tobias Reiter grinste auch prompt.

»Weil seine damalige Ehefrau so eine Zicke gewesen ist. Sie hat ihn ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Dadurch hat sich sein Traum vom eigenen Restaurant auch so verzögert. Aber inzwischen hat er mit ihr nichts mehr zu tun. Ich glaube, er mißtraut Frauen seitdem. Bei Ihnen ist das anders. Viola und ich wollten Sie nächsten Sonnabend zu uns einladen. Haben Sie Zeit?«

Ein Abend zu viert… Sie und Adrian… Was sollte sie nur tun? Gab ihr Adrians Desinteresse an Suse das Recht, mit ihm auszugehen und es der Zukunft zu überlassen, ob aus ihnen etwas werden könnte?

Was sollte sie tun?

»Ich glaube nicht, daß ich Zeit habe. Aber ich weiß es nicht genau…«

»Dann sagen Sie mir noch Bescheid. Adrian nimmt sich extra frei, obwohl der Sonnabend eigentlich heilig für ihn ist als Restaurantbesitzer.«

»Weiß er…, daß sie mich dazubitten?«

»Na klar. Genaugenommen war es sogar seine Idee. Er dachte, sie könnten am Sonnabend vielleicht eher, weil Daniel da nicht zur Schule muß. Aber verraten Sie mich nicht. Das hätte ich Ihnen natürlich nicht sagen sollen. Ich wollte Ihnen nur zeigen, wie sehr er sich für Sie interessiert.«

Wie sollte man so einem Mann widerstehen? Christine hatte keine Ahnung. Sie war nicht aus Holz, und bei dem Gedanken an Adrian von Manger wurde ihr immer leicht schwummerig im Kopf. Wie er wohl küssen mochte?

Als sie beschwingt und schon halb entschlossen, den Sonnabend mit Adrian zu verbringen, nach Hause kam, erwartete sie kurz darauf eine neue Überraschung. Jasper Wolf rief an. Daniel war nach dem Essen sofort wieder zu seinem Freund gegangen. Von der Schule hatte er kaum erzählt, doch das wurde Christine jetzt erst mit schlechtem Gewissen klar. Sie hatte so in ihrer Vorstellung geschwelgt, wie der Abend mit Adrian und seinen Freunden wohl verlaufen würde, daß sie Daniel nicht einmal gefragt hatte, warum er so zurückhaltend war. Jedenfalls wirkte er nicht so, als würde er krank werden, versuchte sie sich gleich zu beruhigen.

»Ja, Herr Wolf, was ist passiert?«

Es kann nichts Schlimmes sein…

»Es tut mir leid, wenn ich Sie vielleicht beunruhige. Aber Daniel verhält sich so seltsam für seine Art, daß ich doch dachte, ich frage einmal nach, ob etwas vorgefallen ist.«

»Was meinen Sie mit seltsam?«

»Er war heute recht aggressiv und hat den Unterricht wirklich gestört. Das bin ich von ihm nicht gewöhnt.«

»Oh…, ich kann es mir nicht erklären. Es war nichts Besonderes…«

»Haben Sie vielleicht Streit mit ihm gehabt? Ihm etwas verboten oder so?«

»Nein…, nein, gar nicht. Ich werde ihn heute abend fragen, er ist bei seinem Freund. Da war er gestern auch, und als er nach Hause kam, erschien er mir ganz normal.«

»Manchmal wissen Eltern nicht alles, was in ihren Kindern vorgeht.«

Vielleicht mußte sie ihre Mutter anrufen. Ob die wieder irgend etwas gesagt hatte? Aber dann hätte Daniel sich doch sicher bei ihr beschwert…

»Ich denke, ich beobachte es noch einmal ein paar Tage. Wenn es sich nicht bessert, telefonieren wir wieder.«

»Ja bitte. Ich spreche mit ihm. Ich hoffe, es ist morgen wieder vorbei. Tut mir leid, wenn er Ihnen Mühe macht.«

»Ich bitte Sie, Frau Baerwald. Er ist wirklich ein netter Junge. Man merkt, daß Sie sich sehr bemühen, ihn gut zu erziehen.«

Wie nett von ihm, das zu sagen. Hoffentlich sah auch Daniel es so.

Daniel wollte nicht zu Abend essen, wenn er es nicht in seinem Zimmer verspeisen könnte. Jetzt wußte Christine, daß sie ein Problem hatten. Sie beschloß, offen zu sein.

»Daniel, du setzt dich jetzt hier hin. Hier zu mir in die Küche. Und dann erzählst du mir, was eigentlich los ist mit dir.«

»Nichts.«

Er sah sie nicht an. Christine wurde es schwer ums Herz. So eine Krise hatten sie nicht einmal gehabt, als Daniel von der geplanten Scheidung erfuhr.

»Hast du denn kein Vertrauen mehr zu mir?«

»Ich will nicht reden. Ich bin müde.«

»Wirst du krank? Fühlst du dich nicht wohl?«

Er sah nicht so aus, wirklich nicht. Im Gegenteil, ausgesprochen trotzig wirkte er mit der vorgeschobenen Unterlippe und der gerunzelten Stirn. Ein bißchen ähnelte er jetzt seinem Vater, wenn der wütend war.

»Ich weiß nicht.«

Es half nichts. Christine mußte noch deutlicher werden.

»Herr Wolf hat heute angerufen und mir erzählt, daß du im Unterricht gestört hast. Das machst du doch sonst nicht. Was ist also los?«

»Ach, der. Ich habe nicht gestört. Die anderen haben alle gelacht.«

Christine seufzte. Zum ersten Mal kam sie sich ein bißchen hilflos vor.

»Daniel, hör zu. Wir haben doch immer Vertrauen zueinander gehabt. Ich möchte jetzt wissen, was los ist.«

»Ich… habe nichts.«

Sie biß sich am Widerstand ihres Sohnes offenbar die Zähne aus. Das war eine ganz neue, wenig schöne Erfahrung.

»Dann kannst du jetzt in dein Zimmer gehen. Ich würde mich freuen, wenn du es dir noch einmal überlegst und mir sagst, was los ist. Und vor allem hoffe ich, daß du Herrn Wolf nicht mehr ärgerst. Der gibt sich nämlich viel Mühe mit euch.«

Der Stuhl kratzte über den Fliesenboden, als Daniel sich stumm und trotzig erhob.

Christine rief ihre Mutter an. Sie tat es nur äußerst ungern, aber es half nichts. Vielleicht konnte sie einen Hinweis geben.

»Daniel? Nein, er war ganz normal bei mir. Wir hatten keinerlei Schwierigkeiten.«

Ihre Stimme troff vor Selbstzufriedenheit.

»Dann weiß ich auch nicht…«

»Bring ihn nur wieder zum Wochenende. Er kann ja auch mal hier schlafen.«

Aber das würde er nicht wollen, hätte Christine am liebsten geantwortet. Das Problem war nur, daß sie gar nicht sicher war. Daniel schien sich zu verändern. Und außerdem könnte sie das Angebot ihrer Mutter vielleicht sogar gern in Anspruch nehmen, falls sie zu Tobias Reiter und seiner Verlobten gehen wollte…

»Ich weiß es noch nicht. Wir telefonieren dann noch.«

Nachdenklich legte sie den Hörer auf. Offenbar gab es nichts mehr, was sie sicher wußte. Wie gern hätte sie mit Suse darüber gesprochen…

Am nächsten Tag, als Daniel aus der Schule kam, wartete er mit einer neuen Überraschung auf.

»Ich möchte vielleicht doch bei Oma wohnen, wenn du ganze Tage arbeitest.«

Er stocherte in seinen Spaghetti herum und sah Christine nicht an.

»Wie kommst du denn jetzt darauf? Ich habe dir doch gesagt, wie wir es machen.«

»Ich weiß nicht… Sie sagt, ich kann bei ihr auch ein Zimmer haben.«

»Aber wir haben es doch schön so. Es ist doch alles besprochen gewesen. Sobald du einen Nachmittagsplatz im Kindergarten hast…«

»Ich bin aber zu alt für den Kindergarten.«

»Daniel, viele Kinder gehen nachmittags dort hin, wenn sie aus der Schule kommen.«

»Aber bei Oma ist es auch schön.«

»Das ist aber neu.«

Er warf ihr einen merkwürdigen Blick zu. Christine wurde es kalt und heiß. Irgend etwas ging hier vor. Und sie kam nicht an ihn heran.

»Ich glaube nicht, daß ich das möchte.«

Er gab keine Antwort, sondern aß auf und schob dann seinen Teller beiseite.

»Kann ich zu Jan gehen?«

»Heute nicht, ich wollte mit dir einkaufen fahren«, lockte sie ihren Sohn.

»Will ich aber nicht.«

»Nicht einkaufen? Wie war es heute übrigens in der Schule?«

»Wie immer.«

»Hast du brav mitgemacht?«

»Ja.«

Christine fühlte sich ein wenig hilflos.

»Möchtest du am Wochenende bei Oma schlafen?«

Wenn er seine Behauptungen nur aufgestellt hatte, um sie zu ärgern, würde er jetzt vermutlich ablehnen. Bisher hatte er nicht gern dort geschlafen, weil alles einem so strengen Ritual folgte.

»Ja, gern«, gab Daniel höflich zurück. »Willst du weg?« fügte er dann hinzu, ohne sie anzusehen.

»Vielleicht. Der neue Notar in unserer Kanzlei hat uns eingeladen…«

»Uns?«

Hatte sie »uns« gesagt? Sie wurde rot, antwortete aber wahrheitsgemäß. Ihr Sohn sollte nicht glauben, daß sie Geheimnisse vor ihm hatte.

»Adrian von Manger und mich. Er hat übrigens gefragt, ob wir nicht einmal zu ihm ins Restaurant kommen wollen, du und ich.«

So etwas ließe sich Daniel doch nicht entgehen…

»Nö, will ich nicht. Kann ich jetzt zu Jan?«

Zur Verblüffung erlaubte Christine es ihm. Sie blieb zu Hause und putzte in ihrer Verwirrung den ganzen Haushalt, was sie normalerweise verabscheute. Jetzt war es tröstlich und lenkte sie von ihren Sorgen ab.

*

Am Freitag kam ein weiterer Anruf von Daniels Lehrer.

»Ich glaube, wir sollten uns treffen, Frau Baerwald. Daniel verhält sich anders als vorher, und ich kann das nicht mit ein paar Sätzen am Telefon erklären.«

Er erzählte Christine nichts Neues. Auch sie hatte keine Hoffnung mehr, daß Daniels Benehmen einer kurzen Laune entsprang. Er war ihr gegenüber verschlossen, doch sie sah – jetzt mußte sie fast denken »leider« – keinen Anhaltspunkt dafür, daß er eine Kinderkrankheit ausbrütete und sich deshalb so seltsam verhielt.

»Ich hätte heute nachmittag etwas Zeit. Oder heute abend. Wie ist es Ihnen lieber? Wenn es mir nicht wichtig erschiene, würde ich Sie sicher nicht so drängen.«

»Ich könnte sowohl als auch. Soll ich zu Ihnen kommen?«

»Ja, das wäre mir recht. Um fünf?«

»Gut. Ich bringe Daniel zu meiner Mutter. Da wollte er sowieso das Wochenende verbringen.«

»Dann sehen wir uns um fünf.«

Jasper Wolf nannte Christine seine Adresse und beschrieb kurz den Weg. Christine blieb einen Moment am Telefon sitzen und fühlte sich verunsichert und unglücklich. Gerade jetzt, wo sich ein neues Glück am Horizont abzeichnete, verlor sie ihre beste Freundin und anscheinend auch das Vertrauen ihres Sohnes. Ein bißchen viel auf einmal…

Daniel nahm es gelassen zur Kenntnis, daß er heute zur Oma gefahren wurde. Heimlich hatte Christine doch auf seinen Protest gehofft.

»Du willst wirklich gleich bis Sonntag dortbleiben? Ich kann dich auch heute abend wieder abholen…«

»Nee, du hast ja doch keine Zeit.«

Sie mußte sowieso gerade an einer roten Ampel halten. Sie drehte sich zu Daniel um und sah ihn bittend an.

»Daniel, ich frage dich jetzt ein letztes Mal, was mit dir los ist. Du bist mir gegenüber richtig komisch…«

»Oh, Mama… hör doch auf!«

Noch nie hatte er in diesem Ton mit ihr gesprochen.

Christine sah ihn fassungslos an. Hinter ihr begann ein Auto zu hupen. Die Ampel stand bereits wieder auf Grün.

Sie konnte sich nichts mehr vormachen. Daniel lehnte sie aus irgendeinem Grund ab.

Als sie ihn ihrer Mutter übergab, hätte Christine fast noch Streit mit ihr bekommen.

»Daniel ist anders als sonst. Bitte, sei nicht streng mit ihm, ja?«

»Ich weiß schon, wie ich mit meinem Enkel umgehen muß. Vielleicht besser als du«, lautete die selbstgerechte Antwort, die Christine sofort wieder auf die Palme brachte.

Konnte ihre Mutter nicht einmal freundlich fragen, welche Sorgen ihre Tochter beschäftigten, ohne gleich den Zeigefinger zu heben und zu betonen, daß sie alles besser wußte? Aber Trost war von ihrer Seite nie zu erwarten gewesen. Warum sollte er jetzt gegeben werden, nur weil in ihrem Leben plötzlich alles auf dem Kopf zu stehen schien?

»Ich rufe heute abend noch einmal an. Wenn er zurückmöchte, hole ich ihn natürlich.«

Ein frommer Wunsch. Daniel würde nichts dergleichen wollen, denn schon jetzt war er in der Küche verschwunden, ohne sich von seiner Mutter zu verabschieden.

»Ich glaube, er fühlt sich sehr wohl hier«, gab ihre Mutter dann auch sofort zurück.

»Na gut… Dann gehe ich mal wieder.«

Sie ersparte es sich, nach Daniel zu rufen. Er würde nicht kommen, und ihre Mutter hätte wieder Grund, dieses Gesicht zu machen, das ausdrückte, wie unzufrieden sie mit der Erziehung war, die ihre Tochter Daniel angedeihen ließ.

Die Wohnung, in die Herr Wolf sie kurz darauf führte, war voller Bücher. Das war der erste Eindruck, den Christine gewann. Aber es wirkte ausgesprochen heimelig hier. Allerdings fiel ihr auch auf, daß nichts auf die sorgende Hand einer Frau hinwies. Lebte er allein?

Warum interessierte sie das überhaupt? Hatte sie nicht genug Probleme?

»Bitte, setzen Sie sich, Frau Baerwald. Ich hoffe, Sie sehen über das Chaos hinweg. Ich lese immer mehrere Bücher gleichzeitig, und dann noch das Unterrichtsmaterial…, na ja, Sie sehen ja selbst…«

»Ich finde es gemütlich.«

»Wirklich? Das freut mich. Wann immer eine Frau hier hereinkommt, scheint es ihr in den Fingern zu zucken. Meine Schwester sagt immer, ich bin der geborene Einsiedler.«

Seine Schwester? War die hübsche junge Frau seine Schwester gewesen? Christine lächelte.

»Lassen Sie sich nicht irritieren. Es gibt auch Frauen, die sich gern mit Büchern umgeben. Blattpflanzen sind viel schwieriger sauberzumachen.«

Er lachte und entschuldigte sich für einen Moment, um den Kaffee zu holen, den er bereits gekocht hatte. Christine setzte sich auf das breite Ledersofa mit den abgewetzten Lehnen und fühlte sich zum ersten Mal seit Tagen fast entspannt. Komisch angesichts des Gespräches, das sie gleich führen würden.

»So, dann wollen wir gleich mal in medias res gehen. Ich kann ja nicht mit Bestimmtheit sagen, was los ist, Daniel hat sich nur verändert. Er ist nicht mehr so lustig, sondern eher… aufsässig. Als wolle er mit aller Gewalt meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ich habe schon versucht, ernsthaft mit ihm zu sprechen, in den Pausen. Aber er läßt mich dann nicht an sich heran.«

Christine nickte. Genauso erging es ihr mit ihrem Sohn. Es hatte wenig Sinn, dem Lehrer etwas vorzumachen. Noch vor zwei Wochen hätte sie mit Sicherheit sagen können, daß er sich das einbilden mußte. Jetzt nicht mehr.

»Ich weiß nicht, was mit ihm los ist. Aber genau das ist mir auch aufgefallen. Wir hatten immer Vertrauen zueinander. Es kommt mir so vor, als hätte ich etwas Schlimmes getan und ihn tief gekränkt, aber ich habe keine Ahnung, was das sein könnte.«

Jasper Wolf schaute Christine Baerwald besorgt an. Ihr hübsches Gesicht wirkte traurig und ihre ganze Haltung deprimiert. Er mochte sie, und es tat ihm leid, sie so zu sehen.

»Vielleicht ist es ja doch nur eine kleine Krise, die sich wieder gibt. Aber sicher bin ich mir da nicht. Er hat eigentlich genügend Stabilität gehabt, um mit solchen kleinen Erschütterungen fertigzuwerden. Dieses erscheint mir doch größer. Hat sich bei Ihnen etwas verändert? Oder könnte er Kontakt mit jemandem haben, von dem Sie nichts wissen?«

»Nein, seine Freunde sind dieselben wie immer. Seinen Vater hat er auch vorher kaum gesehen. Und bei mir hat sich nicht direkt etwas geändert.«

»Darf ich fragen, was das heißt? Haben Sie jemanden kennengelernt, der ihm nicht gefällt? Ich frage nicht aus Neugier…«

»Das weiß ich. Nein, eigentlich nicht. Das heißt, doch, aber das ist überhaupt nicht der Rede wert.«

War es das wirklich nicht? Wie auch immer, Daniel zumindest konnte das nicht wissen. Es hatte immer mal jemanden gegeben, mit dem sie ausgegangen war, und bisher hatte ihn das weder verunsichert noch gestört.

»Dann können wir eigentlich nur abwarten und beobachten. Mehr fällt mir nicht ein, was zu tun wäre. Auf keinen Fall sollten wir ihn zu sehr bedrängen…«

»Nein, ich muß. Ich möchte Ihnen herzlich danken, daß Sie sich so seiner annehmen.«

»Das tu ich gern. Ich mag Daniel.«

Christine schaute auf. Jasper Wolf sah sie an und wich ihrem Blick nicht aus. Für Sekunden hatte sie das Gefühl, daß er ihr etwas sagen wollte, doch dann war es schon wieder vorbei. Er stand auf, um die Kaffeekanne zu holen, die er auf die Warmhalteplatte zurückgestellt hatte.

Leicht verwirrt verabschiedete sich Christine eine Viertelstunde später. Sie hatten ausgemacht, in enger Verbindung zu bleiben, um sofort eingreifen zu können, falls Daniel sich noch mehr verschloß.

*

Christine hätte sich unter normalen Umständen auf den Abend mit Adrian von Manger gefreut. Nein, sie wäre begeistert gewesen. Aber jetzt fühlte sie sich nur unsicher. Daniel fehlte ihr. Er hatte am Telefon nicht mit ihr sprechen wollen, doch ihre Mutter versicherte Christine, daß alles bestens sei.

Wie konnte das möglich sein? Wie konnte es Daniel gutgehen unter diesen Umständen? Wieso fühlte er sich plötzlich so wohl bei ihren Eltern?

Das waren die Gedanken, die ihr im Kopf herumschwirrten, als sie sich zum Ausgehen zurechtmachte. Sie wählte wieder ein schwarzes Kleid, doch diesmal machte es sie so blaß, daß sie sich noch einmal umzog und statt dessen ein helles Seidenkostüm aus dem Schrank nahm.

Tobias Reiter und seine Verlobte begrüßten Christine sehr herzlich. Sie hatte statt Blumen eine Flasche Champagner mitgebracht, was ihre Anerkennung fand.

»Sehr schön, die trinken wir nach dem Essen. Adrian ist noch nicht da…, aber er wird sicher jeden Moment kommen. Setzen Sie sich und fühlen Sie sich wie zu Hause.«

Es wurde ihr nicht schwergemacht. Viola Holzner war eine wunderbare Gastgeberin. Die beiden würden es weit bringen, wenn sie erst einmal Fuß gefaßt hätten in den Kreisen der Notare und Rechtsanwälte. Tobias sprach auch bevorzugt über dieses Thema. Seine Pläne waren klar.

»Ich will so schnell wie möglich eine eigene Kanzlei aufbauen. Wenn Sie bis dahin noch nicht feste Partnerin sind, hoffe ich, Sie abwerben zu können.«

»Ich weiß nicht, ob ich das je werde. Ich müßte erst dafür sorgen, daß mein Sohn wirklich gut untergebracht ist. Bisher ist die Halbtagslösung sehr gut für mich.«

»Sie sind viel zu gut, um halben Kram zu machen.«

»Aber mein Sohn ist mir wichtiger.«

»Das ist doch klar, Liebling. Laß Christine in Ruhe, du kannst ihr ja noch kein Angebot machen…«, mischte sich Viola lächelnd ein.

»Mit mir gehen schon wieder die Pferde durch, was? Okay, ich…«

Es klingelte. Adrian von Manger…

Christine beobachtete sich selbst genau. Sie spürte, daß ihr Herz schneller klopfte und die Hände ein wenig feucht wurden. Sie war verliebt, das konnte sie nicht leugnen. Aber die Sorge um Daniel überlagerte das in solchem Maße, daß sie beschloß, ihre Gefühle einfach zu ignorieren. Sie hätte jetzt keine Zeit dazu, eine neue Beziehung aufzubauen, und an einem sexuellen Abenteuer war sie ohnehin nicht interessiert.

Adrian begrüßte sie mit einem Handkuß.

Es kribbelte angenehm durch ihren Körper, als seine Lippen über ihre Hand hauchten.

»Ich freue mich sehr, daß wir uns einmal in Ruhe unterhalten können heute abend…«

»Nehmt euch die Zeit, die ihr braucht. Ich werde Tobias davon abhalten, Christine dauernd Angebote zu machen.«

»Ich weiß zwar nicht, was du damit meinst, Viola, aber ich hoffe, es sind nur Angebote beruflicher Art.«

»Na, hör mal, Adrian! Etwas anderes würde ich ja wohl erst recht nicht zulassen.«

Alle lachten. Christine kamen fast die Tränen, als sie daran dachte, wie schön dieser Abend sein könnte, wäre da nicht die Sorge um Daniel.

»Christine, Sie kommen mir irgendwie verändert vor… Bedrückt Sie etwas?« fragte Adrian nach dem Essen.

Viola und Tobias räumten die Küche auf. Wahrscheinlich wollten sie den beiden im Wohnzimmer Gelegenheit geben, einen Moment allein miteinander zu sprechen – oder selbst allein sein.

»Mein Sohn macht mir etwas Sorge.«

»Ist er krank?«

»Nein, aber er verhält sich anders als sonst. Ich weiß auch nicht, wie ich es sagen soll…«

»Ach, Kinder verhalten sich doch schnell mal seltsam, das legt sich bestimmt bald wieder.«

Warum tat er das so ab? Christine fühlte einen Stich der Enttäuschung. Aber dann entschuldigte sie ihn gleich, indem sie sich klarmachte, daß sich seine Erfahrung mit Kindern vermutlich nur auf Hörensagen beschränkte.

»Ja, das hoffe ich.«

»Und Ihre Freundin Suse? Hat sie sich wieder beruhigt?«

»Nein, wir haben im Moment keinen Kontakt. Ich verstehe das auch nicht…«

»Soll ich mit ihr sprechen? Ich sagte Ihnen ja, sie kann Ihnen nicht böse sein, nur weil ich nicht das für sie empfinde, was sie vielleicht gedacht hat.«

Christine war es unangenehm, dieses Thema zu vertiefen. Sie schüttelte den Kopf.

»Nein, das möchte ich nicht. Suse muß mich gut genug kennen, um zu wissen, daß sie keinen Grund hat, auf mich böse zu sein.«

»Ja, das finde ich auch. Gut, ich halte mich da heraus. Aber ich würde Sie gern wiedersehen, Christine. Sie… sind mir wichtig.«

Diese Augen… grau mit einem dunklen Rand und schönen Wimpern… und der Blick war auch nicht gerade so, daß man sich ruhig und gelassen fühlen könnte. Christine verlor für einen Moment leicht die Übersicht.

Er strich mit seinem Finger ihre Wange entlang. Die Berührung war so zart wie ein Schmetterling, der sie streifte. Und doch war die Wirkung phänomenal. Christine räusperte sich schnell und nahm den Kopf ein Stückchen zurück.

»Haben Sie doch keine Angst…«

Angst hatte sie nicht. Eher Lust. Und das war jetzt überhaupt nicht angebracht.

»Ich glaube, ich frage mal, ob ich irgend etwas helfen kann.«

Adrian lächelte. Natürlich war das albern, was sie da redete. Die beiden kämen in der Küche sicher sehr gut allein zurecht. Außerdem hätte sie das dann schon eher anbieten müssen, zum Beispiel beim Abräumen.

Christine fühlte sich plötzlich unbehaglich. Sie wollte wissen, ob Daniel schon schlief oder ob er traurig war und sie vermißte. Diese Antwort würde sie von ihrer Mutter jedoch bestimmt nicht bekommen.

»Ich glaube, ich sollte mich dann langsam verabschieden…«

»Christine, es ist gerade zehn Uhr. Tobias und Viola wären beleidigt, wenn Sie jetzt schon gehen. Und ich wäre traurig. Ich hatte gehofft, daß wir später noch einen Schlummertrunk nehmen. Bei mir im Restaurant an der Bar…«

»O nein, auf keinen Fall!«

Sie stieß das so vehement hervor, daß er sie leicht verletzt musterte. Christine wurde rot.

»Entschuldigen Sie, das habe ich nicht böse gemeint. Ich wollte nur sagen…, daß ich…, daß ich…«

Was denn nun? Daß ich Angst habe, in Ihren Armen zu landen? Ja, das war es nämlich. Genau das. Sie spürte es schon vorweg und wußte, daß es ihr gefallen würde. Und genau das sollte nicht passieren. Nicht jetzt, nicht schon, nicht so schnell. Nicht, bevor mit Daniel alles wieder in Ordnung war.

»Ich verstehe schon. Lassen wir uns Zeit.«

Das war nun wieder sehr nett von ihm. Erleichtert lächelte Christine ebenfalls. Trotzdem mochte sie nicht mehr so nah neben ihm sitzen. Sie stand auf und ging zum Tisch, wo ihr Weinglas stand.

»So, der Champagner hat jetzt genau die richtige Temperatur«, verkündete Tobias und schwenkte die Flasche leicht hin und her.

»Und du wohl auch, was? Du hast noch Lippenstift auf der Wange.«

Tobias grinste seinen Freund an und machte keinen Versuch, den Lippenstift seiner Verlobten abzuwischen. Statt dessen füllte er die Gläser und gab Christine ihres in die Hand.

»Man muß die Gelegenheiten nutzen, die sich einem bieten.«

Dabei sah er erst Adrian, dann Christine an. Sie tat so, als bemerkte sie die Anzüglichkeit nicht. Sicher war, daß Adrian keine Lippenstiftspuren trug.

Als Viola und Tobias wieder im Raum waren, löste sich die Spannung, unter der Christine gestanden hatte, auf wohltuende Weise von selbst. Sie blieb noch weitere zwei Stunden, ließ sich dann aber nicht mehr davon abhalten, nach Hause zu fahren. Adrian bestand darauf, sie zum Wagen zu bringen.

»Ich darf Sie anrufen, Christine?«

»Ja. Das können Sie gern tun.«

»Und Sie werden auch Zeit für mich haben?«

»Wir werden sehen…«

Er beugte sich blitzschnell vor und küßte sie auf den Mund. Christine hatte so etwas erwartet und zuckte nicht zurück. Eigentlich war es sehr schön…

Ein letzter Händedruck, ein letzter Blick, dann saß sie im Wagen und fuhr nach Hause. In eine leere Wohnung, ohne Daniel… aber morgen konnte sie ihn abholen, dann könnte er sich nicht weigern, wieder mitzukommen. Sie würde das Mittagessen, zu dem ihre Mutter sie eingeladen hatte, schon irgendwie überstehen. Am Nachmittag wollte sie mit Daniel ins Kino gehen, hatte ihm aber noch nichts davon gesagt, um ihn zu überraschen. Oder – weil sie Angst hatte, daß er ablehnen könnte?

*

Ins Kino war er mitgekommen, aber ansonsten verhielt er sich genauso wie in der vergangenen Woche. Christine brauchte alle Geduld, derer sie fähig war, um nicht die Nerven zu verlieren und ihn anzuschreien.

Um wenigstens ein Erfolgserlebnis herbeizuzwingen, rief sie am Montagabend bei Suse an. Ihre Freundin nahm sogar den Hörer ab.

Wahrscheinlich hatte sie einen anderen Anruf erwartet.

»Hallo, Suse, ich bin es. Kann ich mit dir sprechen?«

»Was willst du?«

Huh, das klang aber nicht gerade erfreut. Christine ärgerte sich bereits wieder, doch sie versuchte, ruhig zu bleiben.

»Ich denke, wir haben etwas zu klären. Du tust so, als hätte ich dir einen Freund ausgespannt. Aber du weißt genau, daß es so nicht ist.«

»Ist das alles?«

»Mein Gott, sei doch nicht so stur! Erzähl mir nicht, daß du mich nicht vermißt. Ich habe gerade große Probleme mit Daniel, und ich dachte, daß ich wenigstens unseren Streit in Ordnung bringen könnte…«

»Vielleicht kümmerst du dich zu wenig um deinen Sohn.«

Das hätte ihre Mutter sagen können, und von dieser hätte es Christine auch nicht überrascht oder verletzt. Aber daß ihre beste Freundin ihr so etwas vorwarf, die es ja nun wirklich besser wissen mußte, kränkte Christine tief.

»Entschuldige, es hat wohl doch keinen Sinn, mit dir zu sprechen. Wenn du dich wieder eingekriegt hast, weißt du ja, wo du mich erreichst.«

Sie legte den Hörer auf, ohne eine Antwort abzuwarten, und begann zu weinen.

Was passierte da mit ihrem Leben? Hatte sich denn alles gegen sie verschworen?

»Mama? Mama, tut dir etwas weh?«

Christine hatte gar nicht gemerkt, daß sie wohl ein wenig laut geschluchzt hatte. Jedenfalls stand Daniel in der Tür und sah sie betroffen an.

»Komm her, Daniel…, komm her, und sag mir endlich, was mit dir los ist…, bitte…«

Er zögerte, kam dann aber zumindest näher. Er setzte sich auf die Kante des Sessels und sah sie voller Unbehagen an.

»Bitte, Daniel, ich verstehe dich überhaupt nicht mehr. Wir haben doch immer Vertrauen zueinander gehabt, oder nicht? Du hast mir immer alles sagen können, was dich bedrückte. Und jetzt bist du mir so fremd, als kenne ich dich gar nicht…«

»Ich… hab nichts.«

»O doch, du hast etwas. Das sagt auch Herr Wolf. Ich war nämlich am Freitag bei ihm. Er macht sich auch Sorgen um dich. Er hat dich gern, weißt du, deshalb möchte er, daß es dir gutgeht.«

»Hmm.«

»Daniel, bitte, komm zu mir. Setz dich hier neben mich, wie sonst auch. Und sag, was dich bedrückt. Hat jemand etwas zu dir gesagt oder… dir etwas getan?«

»Du… hast mich doch gar nicht mehr lieb…«

Christine konnte kaum verstehen, was er sagte, weil er so leise sprach. Und als sie den Worten nachlauschte, konnte sie nicht glauben, was sie gehört hatte.

»Daniel! Wie kannst du so etwas sagen? Du bist das Wichtigste auf der Welt für mich!«

»Ja, früher…«

»Nein, jetzt und immer! Ich verstehe überhaupt nicht, wie du auf so einen Unsinn kommst. Erklär mir das bitte.«

»Du… hast mir nicht gesagt, daß du… heiraten willst.«

Wie bitte? Christine verschlug es die Sprache. Sie starrte Daniel so ungläubig an, daß er unsicher wurde. Ein schiefes Grinsen machte sich in seinem Gesicht breit, aber es sah nicht fröhlich aus, eher ängstlich und sehr… einsam.

»Mein Daniel…, ich will nicht heiraten! Ich schwöre es, davon kann keine Rede sein! Wie kommst du nur auf so einen Unsinn?«

»Aber Oma hat gesagt, daß du es ihr selbst erzählt hast. Diesen Mann…, diesen Mann mit dem Restaurant. Ist der das?«

»Ich kenne ihn doch kaum, Daniel! Ich bin noch nie mit ihm allein gewesen. Warum sollte ich ihn heiraten? Wie kommt Oma nur dazu, so etwas zu behaupten? Was hat sie denn noch gesagt?«

»Daß alles anders wird, wenn ich einen Stiefvater habe. Daß du dann nicht mehr soviel Zeit für mich hast. Daß ich dann doch lieber bei ihr sein soll, weil du ja sowieso bald ganze Tage arbeitest…«

»Und das hast du alles so geglaubt? Du hast geglaubt, daß ich solche Pläne mache, ohne mit dir zu sprechen? Daniel, das kann ich gar nicht glauben… Kennst du mich denn nicht besser?«

Wieder liefen die Tränen. Die Erleichterung, hinter sein Geheimnis gekommen zu sein, war so groß… Und langsam spürte sie eine ungeheure Wut auf ihre Mutter aufsteigen. Die würde sich wundern… Nach ihrem Gespräch mit ihr hätte sie allen Grund, auf Christine böse zu sein.

»Na ja, deshalb war ich ja so… traurig…«

»Dann ist es jetzt wieder gut? Keine Traurigkeit mehr? Ich heirate nicht, und schon gar nicht, wenn du nicht einverstanden wärest. Du bist der Erste, dem ich es erzählen würde. Das verspreche ich hoch und heilig.«

Und ein Versprechen gab sich Christine selbst. Sie würde in Zukunft sehr genau aufpassen, ob sie sich eine flapsige Bemerkung zu wem auch immer leisten könnte, ohne solche Folgen zu riskieren.

Natürlich hatte ihre Mutter ihre Bemerkung aufgegriffen und sie so hochgespielt, daß es Christine fast das Vertrauen ihres Sohnes gekostet hätte.

Dem Himmel sei dank für die Idee, Suse anzurufen. Sonst hätte sie nicht geheult, und Daniel hätte keinen Grund gehabt, zu ihr zu kommen…

Er schmiegte sich erleichtert in ihre Arme. Sie saßen noch eine ganze Weile zusammen, bis sie ihn um halb elf endlich ins Bett zurückbringen konnte. Mit einem glücklichen Lächeln schlief er ein.

Christine lag noch lange wach. Sie merkte wieder einmal, wie wichtig ihr Daniel war. Und wie gut sie es hatten. Um nichts in der Welt würde sie das gefährden.

Am nächsten Nachmittag, Daniel war fröhlich zu seinem Freund abgezockelt, rief sie Jasper Wolf an.

»Oh, Frau Baerwald, ich wollte mich auch melden. Daniel ist wie ausgewechselt. Keine Spur mehr von Unsicherheit oder ähnlichem.«

»Deshalb rufe ich an. Ich weiß jetzt, was ihn so bedrückt hat. Meine Mutter hat unverantwortlicher Weise behauptet, ich wolle heiraten, und er glaubte nun, ich hätte ihm davon nichts sagen wollen. Er fühlte sich natürlich zurückgesetzt.«

»Der arme kleine Kerl. Das muß ja wirklich eine schwere Belastung für ihn gewesen sein. Tut mir leid…«

»Ja, mir hat es auch fast das Herz gebrochen, zumal davon kein Wort stimmt. Ich werde nachher noch bei meiner Mutter anrufen und sie zur Rede stellen.«

Warum betonte sie, daß kein Wort daran stimmte? Im Grunde wäre das nicht nötig gewesen. Hoffentlich dachte Jasper Wolf jetzt nicht, daß sie ihm damit irgendein Signal geben wollte. Wenn sie träumte, dann war es noch immer Adrian, dessen Augen und Arme sie sah und spürte. Sehr verwirrend.

Jasper Wolf machte eine kleine Pause. Dann bekundete er seine Freude darüber, daß sich alles so gut aufgelöst hatte, und verabschiedete sich. Christine legte den Hörer ebenfalls auf, aber nur, um ihn gleich darauf wieder abzunehmen.

»Andrea Helmer«, meldete sich ihre Mutter.

»Hier Christine. Wie kannst du es wagen, meinem Sohn zu erzählen, daß ich demnächst heirate und dann keine Zeit mehr für ihn habe?« fauchte sie gleich los.

Eigentlich hatte Christine sich vorgenommen, ruhig und sachlich ihre Meinung zu sagen, da die Tatsachen sowieso für sich sprachen. Aber jetzt kam eine solche Wut in ihr hoch, daß sie mühsam um Luft ringen mußte. Es war so ungeheuerlich, was ihre Mutter da angerichtet hatte! Eine ganze Woche Verzweiflung und Unsicherheit, die Daniel empfunden haben mußte! Wie wollte sie das eigentlich wieder gutmachen? Von Christines eigenen Sorge mal ganz abgesehen…

»Moment mal, so habe ich das aber ganz bestimmt nicht gesagt!«

»Wie im Wortlaut, ist letztendlich egal. Du hattest überhaupt kein Recht, ihm so einen Quatsch zu erzählen! Willst du mir mein Kind entfremden? Willst du, daß er mir mißtraut?«

»Rede nicht in diesem Ton mit mir, Christine! Du hast mir doch gesagt, da gäbe es jemanden, oder nicht? Ich war ganz erstaunt, daß Daniel das nicht mal wußte. Findest du das vielleicht korrekt?«

»Misch dich nicht immer in meine Dinge ein! Wenn ich dir Daniel überhaupt noch einmal bringe, verlange ich, daß du dich aus solchen Sachen heraushältst.«

»Und was ist mit diesem Mann? Daniel muß doch wissen, wenn er plötzlich einen Stiefvater bekommen soll. Dein Vater und ich machen uns große Sorgen um Daniel.«

»Wie nett. Ihr traut mir also nicht zu, daß ich mich genügend um ihn sorge und kümmere? Was traut ihr mir überhaupt zu?«

»Seit du leichtfertig deine Ehe aufs Spiel gesetzt hast…«

»Davon verstehst du nichts. Schließlich warst du nicht mit Frank verheiratet. Und wieso maßt du dir überhaupt an, mir etwas über eine gute Ehe erzählen zu können? Deine ist doch wohl auch nicht so happy. Warum ist Papa denn dauernd weg?«

Jetzt schnappte ihre Mutter nach Luft. Christine fand diesen Erfolg etwas billig, es war im Grunde nichts als eine Retourkutsche. Das sollte sie nicht nötig haben.

»Ich lege jetzt auf. Melde dich erst wieder, wenn du dich entschuldigst.«

Klick. Der Hörer wurde augenblicklich auf die Gabel zurückgelegt. Christine stellte ernüchtert fest, daß sie im Moment keine sehr glückliche Hand mit Menschen hatte. Erst Suse, jetzt ihre Mutter. In diesem Fall war sie jedoch weniger betroffen, denn ihre Mutter hatte wirklich viel Porzellan zerbrochen.

Den Rest der Woche verbrachte sie nach der Arbeit mit Daniel, der darüber sehr glücklich schien. Sie machten Einkaufsbummel, bei denen er mehr abstaubte, als sie ihm normalerweise erlaubte, gingen ins Kino, in den Zoo und ins Schwimmbad. Das Programm »perfekte Mutter« hatte sie bis zum Wochenende allerdings so erschöpft, daß sie froh war, als Daniel darauf bestand, den Sonnabend mit seinem Freund zu verbringen. Dessen Mutter hatte sich bereits gewundert, daß er sich gar nicht mehr sehen gelassen hatte, und erlaubte den Kindern gern, daß sie sowohl das Mittag- als auch das Abendessen zusammen bei ihr einnahmen.

Christine hatte also frei. Sie überlegte, ob sie noch einen Versuch machen sollte, Suse anzurufen, unterließ es dann aber, weil es vermutlich sinnlos war. Adrian hatte zweimal abends angerufen, aber sie hatte sich zu keinem Treffen bereitgefunden, weil sie sich ganz Daniel widmen wollte. Jetzt bedauerte sie das ein bißchen. Es wäre nett gewesen, ihn wiederzusehen. Im Grunde hätte sie jetzt wieder genügend Muße, ihn näher kennenzulernen, wo es mit Daniel und ihr keine Probleme mehr gab…

Sie wusch sich die Haare, lackierte die Nägel und sah sich dann um. Es gäbe einiges zu tun in der Wohnung, aber dafür einen freien Sonnabend zu opfern, war nicht in ihrem Sinne. Schließlich beschloß Christine, eine Ausstellung zu besuchen, die sie interessierte. Es war nie verlorene Zeit, etwas für die Bildung zu tun.

Die Bilder des russischen Malers waren atemberaubend schön. Sie bereute keine Sekunde, hergekommen zu sein. Es gab viele Interessenten, die wie sie langsam von Bild zu Bild schlenderten. Nur ihre Kommentare nahmen ihr ein wenig von dem Genuß. Plötzlich zupfte sie jemand am Ärmel.

»Hallo…«

»Herr Wolf…, so ein Zufall…«

Er war allein. Lächelnd begrüßten sie sich.

»Sie mögen Bilder?«

»O ja, sehr. Ich gehe oft in Ausstellungen«, übertrieb Christine etwas.

»Ich auch. Diese gefallen mir ganz besonders. Man kann gut sehen, wie er langsam zu der Reife gelangte, die er zum Schluß hatte.«

»Vielleicht hat seine Krankheit auch dazu beigetragen«, ergänzte Christine, die froh war, gerade die Vita des Malers am Eingang gelesen zu haben.

»Bestimmt sogar. Sehen Sie, wie er sich zum Schluß mit dem Symbol des Kreuzes…«

Jasper Wolf verstand wirklich eine Menge von Gemälden und Malern, wie Christine beeindruckt feststellte. Als er sie zu einer Tasse Kaffee einlud, stimmte sie freudig zu. Sie hätte ihm noch stundenlang zuhören können. Seine Augen leuchteten vor Begeisterung.

»Im Grunde ist es so, daß ich gern Kunstlehrer geworden wäre, aber meine Eltern waren entsetzt. Ein Künstler in der Familie sei genug. Meine Schwester ist Schauspielerin, müssen Sie wissen. Mein Vater ist Beamter und hatte schon damit seine Mühe.«

Christine lachte.

»Aber malen Sie denn wenigstens selbst? Oder haben Sie sich das ganz verboten?«

»Ich male nicht mehr. Aber vielleicht fange ich eines Tages wieder an. Es fehlt mir oft. Noch befriedigt mich die Arbeit mit den Kindern allerdings sehr.«

»Ich kann mir vorstellen, daß es sehr anstrengend ist.«

»Manchmal ja. Und dann wieder ist es ein richtiges Vergnügen. Mit Kindern wie Ihrem Sohn zum Beispiel.«

»Danke. Ich bin auch sehr glücklich über Daniel.«

»Es liegt ja nicht nur an ihm, daß er so ist. Daran haben Sie auch Ihren Anteil.«

Christine wurde rot. Dieses Kompliment aus seinem Mund war gut zu hören. Er meinte, was er sagte, das merkte sie.

»Ich… wünsche mir sehr, alles richtig zu machen. Aber immer gelingt es mir nicht.«

»Wem schon? Es wäre gar nicht so gut, wenn man nie Fehler macht. Kinder brauchen doch die Erkenntnis, daß auch Eltern Fehler machen können. Wie man damit umgeht, das ist das Entscheidende.«

Der Kaffee war getrunken, aber weder Christine noch der Lehrer machten Anstalten, sich zu verabschieden. Es war schön, zusammenzusitzen und miteinander zu reden, als kenne man sich schon ewig. Christine hatte so etwas bisher nur mit Suse erlebt, und das war ja nun vorbei.

Es fehlte der Thrill, wenn sie mit Jasper Wolf zusammen war. Er war auch nicht so gutaussehend wie Adrian, und doch ging von ihm eine Wärme und Freundlichkeit aus, die wohltat. Sie wäre glücklich, wenn sie ihn zu ihren Freunden zählen könnte.

Offenbar dachte er ähnlich, denn plötzlich schlug er vor, eine nächste Ausstellung gemeinsam zu besuchen. Begeistert stimmte Christine zu.

»Sie hören sicher eher davon, wenn es etwas Sehenswertes gibt. Rufen Sie mich an?«

»Das mache ich sehr gern. Dann muß ich wohl mal wieder… Meine Schwester steht heute auf der Bühne, ein neues Stück, das ich ansehen muß. Gehen Sie auch ins Theater?«

»Gern, aber seit Daniel da ist, nicht mehr so oft, wie ich zugeben muß.«

»Aber vielleicht haben Sie mal Lust?«

»Ja, ja, sehr.«

»Schön. Ich freue mich, daß ich Sie getroffen habe. Grüßen Sie Daniel bitte herzlich.«

»Das mache ich.«

Es war ein wunderbarer Nachmittag gewesen. Als Christine nach Hause kam, fühlte sie sich rundherum zufrieden. Auch Daniel hatte einen schönen Tag verbracht, wie er ihr sofort mitteilte, als sie ihm die Tür öffnete.

»Morgen wollen wir zusammen hier spielen. Geht das?«

»Natürlich geht das. Und wenn ihr Lust habt, hole ich Pommes und Hähnchen.«

»Ach, Mama, du bist echt super!«

Er umarmte sie kurz und lief dann in sein Zimmer, um sich noch eine Weile mit seinen eigenen Spielsachen zu beschäftigen, bevor er schlafen mußte.

Um neun klingelte das Telefon.

»Christine? Können wir uns morgen mal sehen?«

»Suse…, ja, warum nicht?«

Nur nicht gleich zuviel Begeisterung zeigen. Wer wußte schon, was Suse ihr zu sagen hatte. Vielleicht rollte sie alle Vorwürfe noch einmal auf, um sich wenigstens vor sich selbst zu rechtfertigen.

»Dann kommst du her?«

»Nein, Daniel spielt morgen mit einem Freund hier. Komm du doch. Wann du willst, ich bin zu Hause.«

»Gut. Dann so gegen frühen Nachmittag.«

Es gab immer noch Überraschungen.

*

Mit Suse versöhnte sich Christine wieder. Es war ganz leicht, denn ihre Freundin hatte sie offensichtlich ebenso vermißt wie Christine Suse. Ihre Welt war wieder überschaubar geworden, dachte Christine.

Die nächste Katastrophe kam aus einer ganz anderen Ecke. Ihr Chef verunglückte im Urlaub. Der Anruf kam Mitte der folgenden Woche, nachdem sie gerade eine Karte erhalten hatten, wie gut es ihm und seiner Frau gefiel, einfach mal faul zu sein.

Frau Fellhaber teilte Christine weinend mit, daß ihr Mann sich das Rückgrat angebrochen habe und nur äußerst knapp einer Querschnittslähmung entgangen sei.

Er dürfte nicht transportiert werden und mache sich natürlich große Sorgen um die Kanzlei.

»Er bittet sie, erst einmal alle Geschäfte zu übernehmen. Ihnen traut er es nicht nur zu, er vertraut Ihnen auch vollständig. Können Sie das einrichten?«

Christine wußte nicht, was sie antworten sollte. Es bedeutete nichts anderes, als von jetzt an gleich ganztags zu arbeiten, denn halbtags war es nicht zu schaffen, auch nicht mit Tobias’ Hilfe.

»Ich muß mich erst um einen Platz für meinen Sohn kümmern, aber ich denke, das werde ich irgendwie hinbekommen…«

»Bitte, versuchen Sie, was möglich ist. Etwaige Kosten für eine Tagesmutter übernehmen wir. Ich möchte nicht, daß mein Mann sich Sorgen machen muß. Sie wissen doch, wie er ist.«

Ja, das wußte Christine. Die Kanzlei war sein Kind.

»Kann ich Sie erreichen?«

»Ich gebe Ihnen die Nummer des Hotels, in dem ich wohne. Dort erreichen Sie mich jeden Abend und morgens zwischen acht und neun. Die restliche Zeit verbringe ich in der Klinik. Hätte ich nur nie einen Urlaub machen wollen…«

»Aber das konnten Sie doch nicht ahnen. Und Ihr Mann hat wirklich sehr viel gearbeitet.«

»Ja, das stimmt sicher. Na ja, ich muß dankbar sein, wenn er wieder gesund wird. Man kümmert sich gut um ihn.«

»Um Sie hoffentlich auch?«

»Nett, daß Sie das sagen. Doch ja, ich bin zufrieden.«

Christine wußte nicht, was sie nun zuerst machen sollte. Erst einmal informierte sie die anderen Mitarbeiter. Tobias versprach, so lange zu bleiben, wie sie ihn brauchte. Sie war ziemlich sicher, daß er sich schon ausrechnete, die Kanzlei vielleicht übernehmen zu können.

Er war ein junger Mann, der genau wußte, was er wollte. Seine Verlobte kam aus einer wohlhabenden Familie. Aber da sie selbst kein Interesse hatte, sich selbständig zu machen, war es ihr gleichgültig.

Mit Dr. Fellhaber zu arbeiten, war in Ordnung. Und der wäre derjenige, der die Entscheidungen traf. Das könnte er auch vom Krankenbett aus, wenn das nötig sein sollte.

»Ich werde jetzt erst einmal alle Geschäfte führen müssen. Dr. Fellhaber möchte es so. Aber das werden wir bestimmt noch schriftlich bekommen.«

»Ganz bestimmt sogar. Ein Wunder, daß noch kein Fax da ist«, stimmte die Sekretärin zu. Dr. Fellhaber machte alles schriftlich, er liebte Memos und kleine Zettel ebenso wie notariell beglaubigte Schreiben.

»Und nun muß ich für heute einen Termin absagen, weil ich mich um einen Platz für meinen Sohn kümmern muß. Oder haben Sie Zeit, den Mandanten zu übernehmen, Tobias?«

»Ja, klar. Kann ich machen.«

Christine war in einer Zwickmühle. Ihre Mutter wäre sicher sofort bereit, Daniel zu nehmen, wie sie wußte. Aber das wäre ihre letzte Lösung. Bisher hatten sie noch nicht wieder zusammen gesprochen.

Sie packte ihre Sachen zusammen und fuhr erst einmal nach Hause. Nach mehreren Telefonaten wußte Christine, daß weder die eine Mutter von Daniels Freund noch die andere bereit war, Daniel mehr als einen Tag in der Woche zu betreuen. Es war auch nur ein Versuch gewesen, doch selbst das angebotene Geld konnte die beiden Mütter nicht verlocken.

Die eine versprach jedoch, einzuspringen, wenn Not am Mann war.

Der Kindergarten, bei dem Daniel nun schon so lange angemeldet war, hatte immer noch keinen Platz frei, auch nicht in dieser Situation. Es blieb also nur noch ihre Mutter…

Christine wollte das nicht über Daniels Kopf entscheiden. Sie würde warten müssen, bis er aus der Schule kam.

Um die Prozedur abzukürzen, holte sie ihn ausnahmsweise ab, obwohl er das nicht mochte. Schließlich war er kein Wickelkind mehr, wie er betonte.

»Tut mir leid, aber ich muß mit dir sprechen, Daniel. Mein Chef hatte einen schweren Unfall im Urlaub, er fällt längere Zeit aus. Ich soll die Kanzlei so lange führen, aber dazu müßte ich ganztags arbeiten. Ginge das, wenn du die Nachmittage bei Oma verbringst?«

»Du mußt jetzt doch ganztags arbeiten?«

Sie sah ihn scharf an. War da schon wieder eine Spur des Mißtrauens, das sie überwunden glaubte? Nein, er sah sie ganz offen an.

»Nur solange Dr. Fellhaber im Krankenhaus ist. Dann wird er die Kanzlei ja wieder selbst führen.«

»Na gut.«

Christine atmete erleichtert auf. Sie hatte schon eine Ablehnung befürchtet. Andererseits wollte sie Dr. Fellhaber nicht enttäuschen und sich damit die Chance nehmen, bald Teilhaberin zu werden.

Irgendwann würde Daniel ja wohl seinen Platz im Kindergarten bekommen. Wahrscheinlich dann, wenn er alt genug wäre, um allein zu Hause bleiben zu können, dachte sie desillusioniert. Wie machten das eigentlich die Frauen, die gar nicht anders konnten, als ganztags zu arbeiten?

Nun stand ihr also der Bittgang zu ihrer Mutter bevor. Christine wollte es hinter sich haben und rief sofort dort an, nachdem sie Daniel sein Mittagessen serviert hatte.

»Ach, Christine…«

Das klang nicht gerade ermutigend. Die kühle Stimme rief in Christine einen richtigen Widerwillen hervor.

Sie erklärte, warum sie anrief.

»Du willst mir also Daniel bringen.«

»Ja, jeden Tag nach der Schule bis halb sechs. Dann hole ich ihn ab. Und nur, solange mein Chef krank ist. Er kann aber auch an zwei Tagen in der Woche bei den Müttern seiner Freunde sein.«

Christine wußte, daß ihre Mutter das nicht zulassen würde. Sie wollte Daniel bestimmt ganz für sich.

»Das wäre für das Kind viel zu unruhig. Nein, dann müßte ich ihn wohl ganz nehmen. Obwohl der Junge eigentlich seine Mutter braucht…«

Neue Töne. Christine wußte, daß sie im Prinzip machen könnte, was sie wollte. Ihre Mutter würde immer ein Haar in der Suppe finden.

»Ja, das denke ich auch. Aber im Moment ist es nun mal so.«

»Allerdings wirst du es mir überlassen müssen, wie ich mit ihm umgehe.«

Diese Kröte wollte Christine nicht so ohne weiteres schlucken.

»Wenn du dich daran hältst, was ich für wichtig halte. Und erzähl ihm nicht wieder so etwas wie neulich.«

»Stellst du jetzt Bedingungen? Dann muß ich mir das noch sehr überlegen.«

Auf die Knie, Christine!

»Daniel soll es doch gutgehen, oder? Ich denke, daß wollen wir beide, also müssen wir uns auch absprechen.«

»Na schön. Ab wann kommt er?«

»Ab morgen?«

»Ja, gut. Dann muß ich jetzt erst einmal einkaufen gehen… Und das Bett muß auch noch bezogen werden und…, na gut, obwohl es mir eigentlich noch gar nicht paßt…«

Meine Mutter, die Märtyrerin!

»Dann später?«

»Nein, nein, schon gut.«

Na also, es ging doch. Christine bedankte sich, was sie ehrlich meinte, und merkte, daß ihre Hände schweißnaß waren. Schade, daß sie zu ihrer Mutter einfach kein besseres Verhältnis aufbauen konnte. Es war schier unmöglich, weil sie Welten trennten.

Sie packte für Daniel einen Koffer mit Kleidung und Spielsachen, fuhr noch einmal los, um ein Blumengesteck für ihre Mutter zu kaufen und eine Packung Pralinen als Dankeschön. Der Rest des Nachmittages ging für die Hausarbeit drauf, denn wenn sie ab morgen ganztags arbeiten mußte, dann bliebe abends nicht mehr viel Zeit, denn da ginge Daniel vor.

Schon am nächsten Tag begannen die Probleme. Daniel erwachte mit Halsschmerzen. Da er kein Fieber hatte und unbedingt zur Schule gehen wollte, brachte Christine ihn hin.

Sie begleitete ihn in die Klasse. Herr Wolf schien erfreut, sie zu sehen.

»Ich arbeite ab heute für einige Zeit ganztags. Die Nummer der Kanzlei haben Sie in der Akte von Daniel. Hier ist die Nummer meiner Mutter, wo er nachmittags ist. Die drei Straßen geht er allein, das ist kein Problem. Aber heute hat er Halsschmerzen, ich wollte Ihnen nur Bescheid sagen. Falls es schlimmer wird, rufen Sie bitte meine Mutter oder mich an?«

Daniel stand mit finsterem Gesicht neben ihr. Offenbar fühlte er sich schon wieder als Baby behandelt, aber Christine konnte nicht anders handeln, denn sonst hätte sie keine Sekunde Ruhe in der Kanzlei. Sie kam sich vor wie eine Rabenmutter.

»Machen Sie sich keine Gedanken, das wird schon klappen. Setz dich hin, Daniel, ich muß noch kurz mit deiner Mutter sprechen.«

Er ging mit ihr hinaus. Christine war gespannt, was jetzt käme.

»Wenn Sie wollen, kann Daniel nachmittags auch mal bei mir sein, Frau Baerwald. Ich meine, weil Sie doch mit Ihrer Mutter ein paar Spannungen haben… Nur für den Fall der Fälle…«

Sie sah ihn an, als sei er der personifizierte Schutzengel.

»Das ist aber ein großzügiges Angebot von Ihnen…«

»Sie wissen ja, ich mag Daniel.«

»Ich bin ganz gerührt, Herr Wolf. Aber ich hoffe, ich muß nicht darauf zurückkommen. Sie haben doch selbst genug Arbeit…«

»Das ginge schon. Sie werden ja sehen, wie es klappt. Dann rufen Sie mich einfach an.«

»Danke, vielen Dank.«

Was für ein erstaunlicher Mann. Christine kam gar nicht darüber hinweg, wie großzügig er war. Sie konnte ihrer Mutter nun ganz anders gegenübertreten, als sie Daniels Sachen hinbrachte und Blumen und Pralinen überreichte.

»Danke, Christine. Das Geld hättest du sparen sollen. Es kann immer mal einen Notfall geben.«

Warum konnte sie sich nicht einfach freuen? Christine knirschte innerlich mit den Zähnen.

»Daniel hat Halsschmerzen, wollte aber trotzdem zur Schule. Gib ihm nachher noch dreimal von diesen Pastillen, ja? Um halb sechs hole ich ihn ab.«

»Soll er nicht lieber hier schlafen, wenn er krank ist?«

»Solange er kein Fieber hat, nicht. Ich muß los. Danke noch einmal.«

»In der Not muß man als Großmutter eben zur Verfügung stehen«, gab ihre Mutter mit Leidensmiene zurück und vergaß offenbar ganz, daß sie das die ganze Zeit gewollt hatte.

In der Kanzlei war heute der Teufel los. Es war, als hätten sich alle Mandanten gegen Christine verschworen.

Die Termine platzten, weil sie Unterlagen vergessen hatten oder sich verspäteten, andere Mandanten standen plötzlich da und wollten sofort etwas erledigt haben. Christine wußte schon am Nachmittag nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. Dann rief ihre Mutter an.

»Daniel hat Fieber. Soll ich mit ihm zum Kinderarzt gehen?«

Natürlich, das fehlte noch. Christine schaute auf ihren Terminkalender. Sie konnte jetzt unmöglich weg.

»Ja, bitte, das wäre nett. Du weißt ja Bescheid.«

»Obwohl ich denke, unser Hausarzt…«

»Nein, bitte nicht.«

Sie bat ihre Mutter, sofort anzurufen, wenn sie zurück war. Mußte Daniel gerade jetzt krank werden? Warum ging nicht einfach einmal etwas glatt?

Um halb sechs hatte ihre Mutter immer noch nicht angerufen. Christine packte ihre Sachen zusammen und raste los. Ein paar Termine hatte sie nicht einmal geschafft. Für morgen war ihr Terminkalender bereits übervoll.

Daniel lag mit einem Halswickel im Bett.

»Dr. Klausner meint, es könnte eine Kinderkrankheit werden. Masern womöglich.«

»Ach je…, dann werde ich nicht mehr weitermachen mit der Arbeit.«

»Ich werde damit schon fertig. Nicht, Daniel, du bleibst hier?«

Daniel nickte. Seine Augen glänzten fiebrig. Daß es ihm nicht besonders ging, konnte man auch sehen, ohne Fieber zu messen.

»Wirklich, Schatz? Ich kann auch wieder mittags nach Hause kommen. Dr. Fellhaber kann mich ja nicht zwingen.«

»Ich bleib hier.«

Christine gab nach. Sie könnte ihren Sohn ja sowieso nicht täglich hin und her fahren, und jetzt Urlaub zu nehmen, war ausgeschlossen.

Sie bereitete ihm Rührei zu und fütterte ihn. Er wollte nur wenig essen und schlief dann schließlich ein. Christine wartete noch eine Weile, dann fuhr sie erschöpft nach Hause.

Als Adrian von Manger anrief, hatte sie gerade einen Kaffee getrunken und fühlte sich ein wenig frischer.

»Christine…, ich hoffe, ich störe nicht?«

»Nein.«

»Ich muß Sie unbedingt sehen. Kommen Sie doch her. Wir könnten zusammen essen…«

Das war wirklich verlockend. Christine hatte vor lauter Streß vergessen, etwas einzukaufen. Der trockene Käse und das nicht mehr frische Brot waren nicht besonders verlockend.

»Bitte, nicht lange nachdenken. Kommen Sie einfach her. Ich würde mich sehr freuen. Ich hätte auch Zeit für Sie, nur kann ich nicht weg.«

Sie mußte nicht länger überredet werden.

»Wenn ich mich nicht allzusehr schön machen muß…«

»Sie sind doch schön.«

»Dann fahre ich gleich los.«

Vorher rief sie noch einmal an, um zu hören, ob Daniel wirklich schlief. Ihre Mutter bestätigte das und betonte, daß er bei ihr gut aufgehoben sei.

*

Adrian begrüßte sie mit einem Kuß auf die Wange. Es war, als tauche sie in eine andere Welt ein. Elegant gekleidete Menschen saßen an den schön gedeckten Tischen und ließen es sich schmecken. Hier herrschte kein Streß, keine Anspannung. Leise klassische Musik untermalte das Gemurmel der Stimmen.

»Bitte, setzen Sie sich, Christine. Sie sehen ein bißchen erschöpft aus. Tobias erzählte mir, daß Sie jetzt die ganze Verantwortung für die Kanzlei haben.«

»Ja, Dr. Fellhaber bat mich, sie zu übernehmen, bis er wiederkommt. Und mein Sohn ist krank, ausgerechnet jetzt.«

»Paßt die Nachbarin auf?«

»Glauben Sie, ich würde ihn alleinlassen, wenn er krank ist?«

Christine war über diese Frage wirklich verblüfft.

»Nein, wahrscheinlich nicht. Aber Kinder haben ja schnell mal etwas. Worauf haben Sie denn Appetit?«

Sie fühlte sich ein wenig irritiert. Adrian von Manger verstand von Kindern wirklich nicht allzuviel. Aber das war schließlich nicht seine Schuld.

Sie saßen sich gegenüber. Der Wein funkelte in den Gläsern, das Rehfilet mit den Waldpilzen schmeckte hervorragend. Christine wurde verwöhnt, und das tat ihr zur Abwechslung und vor allem nach dem anstrengenden Tag wirklich gut.

»Ich würde Ihnen gern meine Wohnung zeigen, Christine. Wenn Sie schon einmal hier sind…«

»Ist es weit? Ich dachte, Sie können nicht weg…«

»Nein, ich wohne hier über dem Restaurant. Wußten Sie das nicht?«

»Nein…«

Christine trank noch einen Schluck Wein. Er entspannte sie wunderbar. Vielleicht war ja alles gar nicht so schlimm… Daniel würde in ein paar Tagen wieder gesund sein, und selbst wenn es Masern waren, die er ausbrütete, könnte sein Körper damit spielend fertig werden. Er war ein kräftiger, ansonsten gesunder Junge…

Adrian strich mit seinem Finger über ihre Hand.

»Nicht schon wieder die Sorgenfalten, Christine. Es ist doch alles gut…«

»Ja, Sie haben recht.«

»Dann kommen Sie…«

Seine Wohnung war ein wahrgewordener Traum. Wunderschöne Antiquitäten in Verbindung mit modernen Designermöbeln standen hier, ohne sich gegenseitig die Schau zu stehlen, in harmonischer Verbindung. Suse würde der Schlag treffen vor Glück. Nur ein Kind könnte sich Christine hier nicht vorstellen. Aber das stand ja auch nicht zur Diskussion. Wie kam sie überhaupt darauf?

Adrian verschwand in der in Schwarz und Edelstahl gestalteten Küche, in der bestimmt nicht mehr als Kaffee gekocht wurde, und kam gleich darauf mit einer Flasche gekühlten Champagner wieder.

»Ein Glas zum Abschluß?«

»Ich werde ein Taxi nehmen müssen…«

Das wäre wohl sowieso besser. Sie hatte zwar nur zwei Gläser Wein getrunken, aber die Wirkung spürte Christine bereits. Wahrscheinlich lag es daran, daß sie den ganzen Tag nichts gegessen hatte…

»Das regeln wir schon«, gab Adrian leise zurück.

Er lächelte sie an. Christine schloß für einen Moment die Augen. Wie es wohl wäre, in seinen Armen zu liegen? Sie hatte das lange nicht erlebt…

Das Kribbeln, das bei dieser Vorstellung durch ihren Körper fuhr, beunruhigte sie. Jetzt bloß nicht schwach werden, es war garantiert der falsche Zeitpunkt. Wenn Adrian nur nicht so toll aussehen würde in dem schwarzen Rollkragenpullover…

»Auf dein Wohl, liebe Christine. Ich darf doch Du sagen?«

»Ja, warum nicht… Danke.«

Sie nippte an dem schönen, zarten Glas und spürte, wie der kalte Champagner prickelnd ihre Kehle hinunterrann.

Er nahm ihr das Glas ab und stellte es auf den Tisch zurück. Dann schloß er Christine in die Arme und küßte sie. Sie wehrte sich nicht dagegen, denn es war ausgesprochen schön, seine warmen fordernden Lippen auf den ihren zu spüren, seine Zunge, die sich langsam vortastete und…

Seine Hände machten sich selbständig. Christine zuckte zurück.

»Bitte nicht…«

»Entschuldige, aber ich bin… so verliebt in dich, Christine. Habe ich eine Chance bei dir?«

Wenn sie ihren Körper fragte, war die Antwort leicht. Er sehnte sich eindeutig nach mehr. Aber ihr Verstand funkte irgendwie dazwischen und sagte kühl und beherrscht: Nein, zu früh.

»Ich… denke, wir sollten uns Zeit lassen. Ich muß jetzt nach Hause…«

»Wir könnten doch hierbleiben. Mein Gästezimmer steht immer bereit für dich…«

»Ich muß nach Hause. Wirklich, es tut mir leid.«

»Ein letzter Kuß?«

Dagegen war wohl nichts zu sagen. Noch einmal umarmten sie sich. Christines Herz klopfte aufgeregt, ihre Beine fühlten sich seltsam kraftlos an. Aber sie schaffte es, bei ihrem Entschluß zu bleiben.

Adrian bestellte ihr ein Taxi und brachte sie noch hinaus, als dieses ankam. Christine fühlte sich benommen. Sie hatte den Eindruck, einen Fehler gemacht zu haben, konnte aber ihr Verhalten nicht allzu leichtfertig finden und wunderte sich ein wenig über ihre Unruhe.

Zu Hause blinkte der Anrufbeantworter. Christine ließ ihn zurücklaufen und hörte ihn dann ab.

»Wo steckst du denn bloß, Christine? Ich habe schon dreimal angerufen! Daniel ist im Krankenhaus, er hatte wohl das Medikament nicht vertragen, das Dr. äh… Klausner aufgeschrieben hat…«

»Im Krankenhaus? Wieso im Krankenhaus?« schrie Christine auf.

»Du kannst dort hinkommen. Ich erwarte dich dort. Wo bist du denn bloß?«

Klick. Christine rannte hin und her und hatte das Gefühl, gleich durchzudrehen.

Sie mußte sofort zu Daniel. Sie hatte ihn im Stich gelassen. Niemals hätte sie ihn ihrer Mutter überlassen dürfen…

Sie bestellte wieder ein Taxi und wartete auf der Straße, bis es endlich kam. Ihre Nerven lagen blank. Sie machte sich ohne Unterbrechung Vorwürfe.

Auf der Kinderstation wurde sie zu ihrem Sohn geführt. Er lag mit geschlossenen Augen da, an eine Infusion angeschlossen. Ihre Mutter war nach Hause gefahren, wurde Christine mitgeteilt.

»Bitte wecken Sie ihn nicht. Er ist erst vor einer halben Stunde eingeschlafen, nachdem er dauernd geweint und nach Ihnen gefragt hatte.«

Die Schwester sah Christine vorwurfsvoll an.

»Ich… war zum Essen aus. Er war doch gut aufgehoben bei meiner Mutter… Ich verstehe das alles gar nicht… Was war das denn für ein Medikament, das er nicht vertragen hat? Dr. Klausner ist doch immer sehr vorsichtig mit Medikamenten…«

»Dr. Klausner? So hieß der Hausarzt aber nicht. Es war ein Dr. Bernd.«

»Dr. Bernd? Sie müssen sich irren…«

»Ich irre mich nicht. Ich habe das Medikament da, Ihre Mutter hatte es mitgebracht und uns den Namen des Arztes genannt.«

»Dann war sie also bei ihrem Arzt…«

»Mir scheint, Sie haben nicht unbedingt den Überblick.«

Das hatte Christine wohl nicht anders verdient. Tief beschämt senkte sie den Kopf. Die Schwester ließ sich von ihrem Anblick offenbar erweichen, etwas freundlicher zu sein.

»Er wird es ja schaffen, es besteht keine Gefahr mehr. Übrigens bekommt er Masern, deshalb liegt er isoliert.«

»Kann er denn wieder nach Hause?«

»Ein paar Tage muß er hierbleiben. Um sicher zu sein, daß es keine Nachwirkungen für die Nieren gibt.«

»Ja…, natürlich…«

»Bleiben Sie noch einen Moment und kommen Sie dann morgen früh wieder.«

Christine setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett und sah Daniel unverwandt an. Er wirkte so blaß und spitz, nur die roten Flecken auf den Wangen zeugten noch von dem Fieber. Beinahe hätte sie ihn verloren…

»Es tut mir so leid, Daniel…, ich habe dich lieb…«, flüsterte sie fast stimmlos, um ihn nicht zu wecken, obwohl sie sich nichts mehr wünschte, als daß er die Augen aufschlagen und sie anlächeln möge.

Die Nacht lag sie schlaflos im Bett und lauschte angsterfüllt auf das Telefon. Mit ihrer Mutter hatte sie noch zu sprechen versucht, doch ihr Vater hatte ihr grob erklärt, daß sie für genug Aufregung gesorgt habe und er nicht zuließe, daß sie seine Frau jetzt noch störe. Christine hatte keine Ahnung, was ihre Mutter ihm erzählt hatte, aber vermutlich nicht die Wahrheit.

Am nächsten Morgen rief sie noch einmal an. Ihre Mutter überschüttete sie sofort mit Vorwürfen.

»Du treibst dich in der Gegend herum, während dein Sohn auf Leben und Tod liegt! Du bist wirklich unverantwortlich, Christine!«

»Du warst nicht bei Dr. Klausner, sondern bei deinem alten Hausarzt! Was denkst du dir nur dabei?«

»Jetzt versuch bloß nicht, die Schuld zu verwischen! Daß er allergisch ist, konnte ja keiner wissen, aber du hättest zu Hause bleiben müssen! Das Kind hat so nach seiner Mutter geweint!«

Christine wußte nichts zu entgegnen. Ihre Mutter hatte ja recht, sie hätte nicht weggehen und sich amüsieren dürfen…

»Ich hole Daniel morgen wieder ab. Geh du nur arbeiten. Das ist dir ja so wichtig.«

»Nein, ich bleibe zu Hause, solange Daniel krank ist. Ich muß nur noch hin und die Termine verteilen.«

»Ich schaffe das sehr gut.«

»Das habe ich ja gesehen. Schon gut, schon gut. Ich sage nichts mehr. Ich fahre jetzt ins Krankenhaus.«

Christine fiel ein, daß sie auch Herrn Wolf Bescheid geben mußte. Ob er noch zu Hause war?

Er nahm den Hörer ab und fragte sofort besorgt, was passiert sei, als er Christines Stimme hörte.

»Daniel… Er ist krank. Er hatte eine Allergie auf ein Medikament und mußte ins Krankenhaus. Ich wollte nur Bescheid sagen, daß er für die… nächsten zwei Wochen wohl nicht kommt.«

»Mein Gott, Frau Baerwald, das tut mir aber leid. Kann ich etwas tun? Kann ich ihn besuchen?«

Sie sagte ihm, in welchem Krankenhaus Daniel lag, und beendete das Gespräch schnell, denn die Tränen saßen schon sehr locker. Er sollte nicht hören, wie zitterig und elend sie sich fühlte.

*

Tobias Reiter versprach, sein Bestes zu geben, um soviel Mandanten wie möglich zufriedenzustellen. Frau Fellhaber, mit der Christine telefonierte, zeigte selbst in ihrer Situation noch Mitgefühl mit Daniel und versicherte, daß ihr Mann bestimmt nicht böse sei, wenn die Kanzlei für eine Woche nur das Nötigste abwickelte. Wie es schien, kamen ihr alle entgegen, aber Christine konnte trotzdem nicht froh werden. Sie hatte das Gefühl, kläglich versagt zu haben und zwar dem wichtigsten Menschen gegenüber, den sie hatte, ihrem Sohn. Sie fürchtete sich davor, ihm heute morgen gegenüberzutreten.

Die Schwester hatte ihr am Telefon mitgeteilt, daß es Daniel den Umständen entsprechend gut ginge. Sie solle nicht vor der Visite um zehn kommen, deshalb war Christine auch zuerst in die Kanzlei gefahren. Jetzt schaute sie alle fünf Minuten auf die Uhr.

Als ihr Telefon klingelte, riß sie den Hörer hoch, als sei er ein Rettungsanker.

»Hier spricht Adrian, mein Liebes. Sehen wir uns heute?«

Er konnte nichts dafür. Christine mußte sich beherrschen, um nicht unhöflich zu sein. Es war allein ihr Verschulden, daß sie nicht zu Hause gewesen war, als Daniel sie brauchte.

»Nein. Mein Sohn ist im Krankenhaus.«

»Oh, ist es schlimm?«

»Er hatte eine Allergie, aber es geht ihm schon besser.«

»Dann komm doch heute abend her. Dann mußt du nicht kochen, und Daniel ist ja gut aufgehoben.«

Hatte der Mann Nerven! Dachte er vielleicht, sie würde gelassen neben ihm auf der Couch sitzen – oder liegen – und herumschäkern, während ihr Kind im Krankenhaus lag und sich fürchtete und so allein war?

Damit war das Kapitel Adrian von Manger für Christine abgeschlossen.

Ein toller Mann war er – unbestritten – aber leider keiner, den sich eine Frau erlauben konnte, die ein Kind hatte. Er würde es auch nicht lernen, denn sein Verhalten zeugte von mangelndem Einfühlungsvermögen, und das ließ sich nicht lernen.

Komischerweise war die Enttäuschung gar nicht so groß. Seine Küsse waren vielversprechend gewesen, aber damit allein konnte man keine Partnerschaft aufbauen. Bye, bye, schöner Adrian.

»Tut mir leid, aber es wird keine Fortsetzung geben, Adrian. Wir passen nicht zusammen.«

»O doch, das tun wir, Liebling, und das hast du gestern auch gemerkt. Sei nicht so ängstlich, nur weil dein Sohn krank ist. Er wird wieder gesund, das weißt du doch auch. Entscheide jetzt nichts.«

Er fragte nicht, ob er Daniel besuchen oder ihm eine Freude machen könnte…

Lieber Jasper Wolf…

»Ich habe bereits entschieden. Du bist ein attraktiver Mann und sehr charmant, aber nichts für mich. Ich muß jetzt auflegen.«

Und das tat sie dann auch ohne zu zögern.

Daniel sah ihr traurig entgegen. Christine zerriß es das Herz vor Mitleid. Sie beugte sich über ihn, um ihm einen Kuß zu geben, doch er drehte den Kopf weg.

»Aber Daniel…, ich bin doch hier! Ich war auch heute nacht hier, aber da hast du geschlafen…«

»Du warst nicht da, als ich solches Aua hatte…«

Normalerweise drückte er sich anders aus. Jetzt war er ein ganz kleiner Junge, einsam und voller Schmerz. Christine unterdrückte mühsam ihre Tränen.

»Lieber Daniel, ich wußte doch nicht… Ich war nur zum Essen.«

»Wo denn?«

»Bei Adrian von Manger… im Restaurant.«

»Du hast ihn viel lieber als mich…«

»So ein Unsinn! Ich sehe ihn doch gar nicht wieder…«

»Oma hat auch gesagt, du bist bestimmt wieder bei deinem Freund. Und dabei hast du mir versprochen, daß du ihn nicht heiratest…«

Jetzt begann Daniel zu weinen. Christine wußte nicht, was sie tun sollte.

»Ihr Sohn sollte sich jetzt aber nicht aufregen…«

»Natürlich, das weiß ich auch…«

Daniel genoß es, daß man mit seiner Mutter schimpfte. Das beruhigte Christine ein wenig, weil es ihr zeigte, daß er wohl doch nicht so sehr getroffen war, sondern ihr aufgrund seiner Empfindlichkeit ein wenig Theater vorspielte. Es würde wieder gut werden.

»Wann kann ich ihn mit nach Hause nehmen?«

»Ich will nicht zu Oma! Ich will nach Hause…«, quengelte Daniel mit einem Blick auf die Schwester.

»Das sagte ich doch. Natürlich kommst du nach Hause.«

»Und du gehst nicht arbeiten?«

»Nein. Ich bleibe bei dir.«

Daniel konnte schon wieder lächeln. Christine war viel zu froh, um es ihm übelzunehmen, daß er ihr so zusetzte.

»Dr. Schröder hat nichts dagegen, wenn Sie ihn heute abend holen. Bis dahin haben wir die neuen Blutergebnisse und können Ihnen auch genau sagen, wogegen er allergisch ist. So gegen achtzehn Uhr…«

»Oh, das ist ja wunderbar. Dann fahre ich nachher noch einmal los und kaufe alles ein, was du gern ißt.«

»Kriege ich auch neue Star-Trek-Figuren?«

»Ja, auch. Ich bin so froh, Daniel…«

Er schenkte ihr ein Lächeln. Christine umarmte ihn. Sein Körper war noch immer heiß, aber das war wohl normal, denn immerhin brütete er ja die Masern aus.

Um eins fuhr Christine los. Daniel hatte ein wenig gegessen und schlief jetzt. Die Schwester war inzwischen sehr wohlwollend Christine gegenüber. Offenbar sah sie, daß diese doch nicht die Rabenmutter war, die sie in ihr vermutet hatte.

Die Lebensmittel hätten für eine Kompanie gereicht. Christine wollte sicher sein, daß sie alles im Haus hatte, was Daniel benötigte. Sie konnte ihn nicht mehr alleinlassen. Nie wieder sollte er einen solchen Schock erleben, daß seine Mama nicht da war, wenn es ihm schlecht ging.

Als sie ins Krankenhaus zurückkehrte, saß Jasper Wolf an Daniels Bett und las ihm aus einem mitgebrachten Buch vor.

»Oh, Herr Wolf… Wie nett, daß Sie Daniel besuchen. Er kann allerdings heute abend schon wieder nach Hause.«

»Bringen Sie ihn zu Ihrer Mutter zurück?«

»Nein, sicher nicht. Ich bleibe bei ihm.«

»Und Ihre Arbeit?«

»Ich mußte mir Urlaub nehmen. Es geht nicht anders.«

»Mama muß ja bei mir bleiben.«

Jasper Wolf warf Daniel einen Blick zu. Dann stand er auf.

»Können wir einen Kaffee trinken, deine Mama und ich? Du kannst dir ja schon mal die Bilder anschauen, die hier im Buch sind.«

»Aber ihr müßt gleich wiederkommen«, verlangte Daniel.

»Ja, natürlich, mein Schatz.«

Christine verstand nicht, warum Jasper Wolf sie jetzt allein sprechen wollte. Sie blieb vor der Tür des Zimmers stehen. Kaffee mochte sie jetzt sowieso nicht trinken.

»Was wollten Sie mir sagen?«

»Kommen Sie, trinken wir…«

»Nein, ich möchte gleich wieder zu Daniel hinein.«

»Frau Baerwald, Sie machen einen Fehler, wenn Sie Daniel jetzt in allem nachgeben. Er hat schon gemerkt, daß er Sie jetzt nach seiner Pfeife tanzen lassen kann. Das ist nicht gut für Sie, und auch nicht für ihn.«

»Oh, bitte, Herr Wolf! Warum glaubt eigentlich jeder, daß er mir sagen kann, wie ich mit Daniel umgehen muß?«

Sie merkte selbst, daß sie sich im Ton vergriffen hatte. Christine sollte wohl nicht gerade Jasper Wolf anschnauzen, denn er war der, der Daniel gegenüber am meisten Verständnis zeigte. Aber nun war es ausgesprochen, und sie sah, daß der Lehrer sich merklich zurücknahm.

»Es tut mir leid, wenn Sie es als Einmischung empfinden. Ich hatte Ihnen eigentlich vorschlagen wollen, daß Sie nachmittags arbeiten und ich Daniel betreue. Aber das werden Sie jetzt wohl nicht mehr annehmen wollen, oder?«

Christine wußte nicht, wie sie sich aus der Bredouille bringen sollte.

»Ich… glaube, ich muß erst einmal selbst bei ihm bleiben. Er ist jetzt ein wenig empfindlich.«

»Wie Sie meinen. Gut, dann werde ich mich mal von ihm verabschieden.«

Bitte, geh nicht, bat Christine ihn innerlich, aber sie sprach es nicht aus. Die Situation war irgendwie verfahren. Jasper Wolf glaubte, daß sie seine Hilfe ablehne, dabei war Christine ihm wirklich dankbar. Nur gerade jetzt mußte sie doch erst einmal wieder gutmachen, daß sie gestern nicht für Daniel dagewesen war…

»Daniel, ich muß wieder los. Laß es dir gutgehen, hörst du?«

»Besuchst du mich mal?«

Normalerweise duzte Daniel seinen Lehrer nicht. Aber es schien weder ihm noch Jasper Wolf aufzufallen. Christine mischte sich lieber nicht mehr ein.

»Ich glaube, ich werde das nicht schaffen. Viel zu tun…«

»Ich habe nichts dagegen, wenn Sie doch einmal Zeit finden.«

Wenigstens das mußte sie doch noch sagen, um den schlechten Eindruck, den er von ihr hatte, zu verwischen. Doch leider schenkte er ihr kein Lächeln, wie Christine gehofft hatte.

»Mama, ich finde Herrn Wolf richtig nett.«

»Ja, das ist er wirklich.«

»Viel netter als dieser Adrian.«

»Ja, sicher.«

»Ich will, daß er uns besucht…«

»Du hast gehört, was er gesagt hat. Wir können ihn nicht zwingen.«

Daniel mußte sich zufrieden geben. An seinem Gesicht sah Christine, daß das Thema noch nicht zu Ende diskutiert war.

*

Die nächsten Tage wurden für beide sehr anstrengend. Daniel schien tatsächlich zu glauben, daß er sich jetzt jeden Wunsch von den Augen ablesen lassen konnte. Er war quengelig und manchmal geradezu unausstehlich. Wenn Christine nicht gleich tat, was er wollte, drohte er damit, zu seiner Oma zu gehen. Christine hatte am vierten Tag seiner Krankheit die Nase voll. So ging es tatsächlich nicht. Daniel war eine richtige kleine Nervensäge geworden. Sie hatte in der letzten Zeit wohl so ziemlich alles falsch gemacht. Wo waren die Zeiten, in denen sie prächtig miteinander ausgekommen waren?

Suse gab ihr am Telefon wohlgemeinte, aber undurchführbare Ratschläge.

»Ignorier ihn einfach, wenn er so eklig ist. Oder bring ihn zu deiner Mutter.«

Eines war so wenig möglich wie das andere. Christine hatte ihrer Mutter nur mitgeteilt, daß Daniel wieder zu Hause sei und nun seine Masern auskurieren müsse. Wenn sie ihn besuchen wolle, könnte sie das tun. Die Antwort ihrer Mutter war zurückhaltend, aber erheblich weniger giftig ausgefallen als normalerweise. Im Moment fühle sie sich nicht wohl genug, um Besuche zu machen.

Ignorieren konnte Christine ihn natürlich auch nicht. Immerhin war er krank, und da hatte man öfter Durst, fror oder wollte etwas zu essen oder mit jemandem spielen.

Seine Ausdauer, mit der er sie beschäftigt hielt, war eigentlich fast bewundernswert.

Schließlich platzte ihr aber eben doch der Kragen. Er hatte heute zum zweiten Mal seinen Saft ins Bett geschüttet, weil er sich weigerte, aus dem geschlossenen Becher mit dem Strohhalm zu trinken, sondern den Deckel immer wieder abnahm.

»Daniel, jetzt ist es genug. Wenn du den Becher nicht nimmst, wie ich ihn dir gebe, kannst du nichts mehr zu trinken bekommen.«

»Aber ich habe Durst!«

»Dann trink mit dem Strohhalm.«

»Das will ich aber nicht.«

»Daniel, es reicht!«

»Dann will ich zu Oma. Da kann ich…«

»Gut, ich rufe sie an.«

Daniel sah sie entsetzt an. Würde sie das wirklich tun? Er fand es wunderbar zu Hause. Sein Fieber ging bereits zurück, und ein solches Verwöhnprogramm würde seine Oma niemals mit ihm durchziehen…

Christine ging hinaus. Sie hatte sich in eine Ecke manövriert. Was sollte sie jetzt machen?

Das Telefon klingelte. Wenn es jetzt ihre Mutter wäre, würde sie sie bitten, Daniel für zwei halbe Tage zu betreuen, damit sie in die Kanzlei gehen und nach dem Rechten sehen könnte. Besser, ihn für die Zeit noch einmal ihrer Mutter anzuvertrauen, als durchzudrehen…

Es war Daniels Lehrer, der sich erkundigen wollte, wie es Daniel ging.

Christine atmete erleichtert auf. Sie hatte ihn vermißt, sich nach seinem Rat und seinem Verständnis gesehnt, hatte aber andererseits nicht die Kurve bekommen, ihn anzurufen und sich zu entschuldigen. Er mußte sie für launisch und unfähig halten. Sein guter Eindruck von ihr war sicher weg.

»Daniel geht es immerhin gut genug, daß er mich in den Wahnsinn treiben kann«, gab sie schonungslos ehrlich zu. Es war sowieso zu spät, noch Eindruck zu schinden.

Er lachte laut. Christine fiel ein, aber es klang unsicher. Lachte er sie aus oder mit ihr?

»Ja, das habe ich befürchtet. Ich wette, so wie ich ihn hier in der Schule erlebt habe, kennen Sie ihn auch nicht. Daniel ist ein cleverer kleiner Bursche, nicht nur in einer Hinsicht. Er merkt sofort, wie weit er gehen kann.«

»Und Sie meinen, bei mir kann er zu weit gehen?«

»Wie ich Ihnen bereits sagte.«

Mutig war er ja. Aber Christine gefiel es, daß er nicht versuchte, ihr nach dem Mund zu reden.

»Also, was schlagen Sie vor?«

»Ernsthaft?«

»Ja, bitte. Ich war kurz davor, meine Mutter anzurufen und einen Bittgesang anzustimmen.«

»Na, das will was heißen.«

Sie hörte an seiner Stimme, daß Jasper Wolf lächelte.

»Ich würde vorschlagen, daß ich jetzt mal vorbeikomme und mir den jungen Mann vorknöpfe. Währenddessen können Sie einkaufen gehen oder sich ein paar schöne Stunden machen. Sie werden es nötig haben.«

»Das würden Sie wirklich tun?«

»Ich bin schon unterwegs.«

Als habe er Angst, daß sie es ablehnen könnte, legte Jasper Wolf den Hörer auf.

Gleich darauf klingelte das Telefon wieder. Diesmal war es Suse.

»Na, hast du das kleine Ekel schon zur Räson gebracht?«

»Nein, aber das wird Jasper gleich tun.«

»Jasper?«

»Äh…, Jasper Wolf, sein Lehrer.«

»Ich glaube nicht, daß du mir von dem schon erzählt hast…«

»Kann sein. Er ist sehr nett und kommt vorbei, um Daniel zur Räson zu bringen, wie du es nennst. Das hat er selbst angeboten.«

»Den Mann würde ich sofort festhalten. Einer, der sich um die Erziehung fremder Kinder freiwillig kümmert…, toll. Das wäre doch ein viel besserer Partner für dich, oder ist er verheiratet?«

»Nein, aber das spielt keine Rolle. Es ist nichts zwischen uns.«

»Was nicht ist, kann ja noch werden. Sag mal, war eigentlich mit Adrian und dir etwas?«

Suses Stimme klang merkwürdig verhalten. Christine wußte sofort, was das bedeutete. Es gab ihr nicht einmal einen Stich.

»Ich nehme an, du willst mich jetzt schonend darauf vorbereiten, daß zwischen dir und ihm demnächst etwas ist?«

»So ungefähr…«

»Dann hat er dich angerufen?«

»Ich hatte noch einmal beruflich mit ihm zu tun. Und da sind wir uns etwas… nähergekommen.«

»Wenn es dir nichts ausmacht, daß er so schnell wechselt…, nein, es war nichts.«

Aber nicht, weil er nicht wollte…, fügte sie in Gedanken hinzu. Doch wozu sollte sie Suse das unter die Nase reiben? Ihre Freundin nahm ihre Partnerschaften ohnehin nie sehr ernst. Vermutlich würde sie ihre Freiheit nicht aufgeben, sondern weiter genießen, was ihr geboten wurde.

»Dann ist es ja gut. Er will mir heute seine Wohnung zeigen, und ich würde nicht gern in der Bettwäsche liegen, in der sich meine beste Freundin mit ihm gewälzt hat.«

»Also, Suse, wirklich!«

»Du weißt, wie ich das meine. Dann wünsche mir einen schönen Abend und mach dich an diesen tollen Lehrer heran. Du brauchst mal wieder ein bißchen Spaß.«

Ja, das stimmte. Christine sah es genauso. Aber für ein bißchen Spaß war Jasper Wolf viel zu schade. Und sie sich auch.

Es klingelte. Jasper Wolf erschien mit einem fröhlichen Grinsen im Gesicht.

»Na, haben Sie ihn schon vorgewarnt?«

»Nein, er weiß nichts. Wahrscheinlich denkt er jetzt, daß seine Oma auftaucht, um ihn zu holen.«

»Mama…«, rief Daniel in diesem Moment ziemlich kläglich.

»Na, dann wollen wir ihn mal erlösen.«

Jasper Wolf begleitete Christine zum Kinderzimmer. Daniel machte große Augen, als er seinen Lehrer sah.

»Herr Wolf?«

»Ich dachte, wir reden mal von Mann zu Mann. Deine Mama kann ein bißchen ausgehen, was meinst du?«

»Ja, toll…«

Daniel meinte es wirklich so. Christine war erleichtert. Offenbar hatte er vor seinem Lehrer Respekt.

Sie mochte eigentlich gar nicht weggehen, doch Jasper Wolf bestand darauf.

»Sie sehen wirklich fertig aus, also gehen Sie ruhig. Wir kommen bestimmt zurecht.«

»Dann bleiben Sie aber zum Abendessen.«

»Gern.«

Wie einfach es war… Christine lächelte, verabschiedete sich von Daniel mit einem Kuß und machte sich auf den Weg. Sie würde ein schönes Essen zaubern, damit Jasper Wolf wenigstens von ihr als Hausfrau einen guten Eindruck gewann. Es war ihr wichtig, was er dachte…

Suses Worte gingen ihr im Kopf herum, als sie den Einkaufswagen füllte und anschließend noch einen Cappuccino trank. Jasper und sie…, ja, sie konnte es sich vorstellen. Seine gemütliche Wohnung wäre auch für ein Kind geeignet. Er hatte eine so natürliche Art, mit Daniel umzugehen, ganz unverkrampft und ohne die Absicht, ihm gefallen zu wollen. Er war einfach nett, auch wenn sie bei seinem Anblick nicht so schnell feuchte Hände bekam wie bei Adrian von Manger, den sie ihrer Freundin von Herzen gönnte.

Als sie zurückkam, hörte sie die beiden lachen. Wie schön das klang…

Leise ging sie zur Kinderzimmertür.

Daniel saß im Bett. Seine Wangen waren gerötet, aber nicht vom Fieber, sondern vor offensichtlichem Vergnügen. Jasper Wolf las ihm etwas vor und setzte dabei eine beredte Mimik ein, die Christine von hier aus nicht sehen konnte.

»Mama, guck mal, wie komisch Jasper aussieht, wenn er den dicken Polizisten nachmacht!«

Jasper Wolf drehte sich um. Er hatte die Wangen aufgeblasen und schielte leicht. Dabei runzelte er auch noch die Stirn. Er las offenbar in dem alten Enid Blyton-Buch, das ihr als Kind ebensoviel Vergnügen gemacht hatte.

»Das ist toll! Darf ich zuhören?«

»Daniel und ich hatten ausgemacht, daß er jetzt ein bißchen allein spielt. Ich helfe Ihnen in der Küche. Oder gibt es nichts zu essen?«

»O doch. Aber…«

Er blinzelte ihr zu. Aha, es war also eine Erziehungsmaßnahme. Daniel sollte sich an sein Versprechen halten.

»Ich kann Ihre Hilfe gut gebrauchen. Einverstanden.«

Daniel legte sich betont brav zurück. Christine gratulierte Jasper Wolf, als sie in der Küche standen, wo sie erst einmal die Einkäufe auspackte.

»Es ist ganz einfach. Er ist ja gutwillig. Außerdem mag ich…«

»… ihn gern. Das haben Sie mir schon oft beteuert. Würden Sie das für alle Ihre Schüler tun?«

Welcher Teufel ritt sie da nur? Christine konnte die Frage nicht zurücknehmen und merkte, daß sie atemlos auf die Antwort wartete.

»Ehrlich gesagt nicht unbedingt. Nur, wenn ich die Mutter auch ziemlich gern mag…«

Nein, schüchtern war er nicht. Christine sah ihn an. Er erwiderte ihren Blick.

Sie spürte ihr Herz klopfen, fühlte die Hände feucht werden und merkte, daß ihre Knie seltsam weich wurden…

Und dann lag sie schon in seinen Armen. Er küßte sie voller Leidenschaft, daß sie nicht einmal das Klingeln hörte. Aber auch Jasper war ganz bei der Sache.

Daniel öffnete seiner Oma die Tür, nachdem er kurz in die Küche geschaut hatte.

»Wo ist denn deine Mutter? Sie sollte dich nicht aufstehen lassen.«

»Die ist in der Küche und küßt sich gerade.«

»Küßt sich?« wiederholte Frau Helmer irritiert.

»Na klar, mit Jasper. Aber das ist okay.«

»Also doch! Du armes Kind, dann wirst du nicht mehr viel von deiner Mutter haben. Wenn sie erst einen Freund… Aber sie sollte nicht hier vor dir…«

Der Rest ging in Gemurmel unter. Sie strebte der Küche zu, Daniel blieb ihr auf den Fersen. Er wußte genau, daß er sich keine Sorgen machen mußte. Seine Oma wußte eben auch nicht alles, das war beruhigend. Jasper und seine Mama würden sich ja rund um die Uhr um ihn kümmern, wenn sie erst eine Familie wären. Er war schließlich sein Lehrer. Jetzt könnte seine Mutter ruhig den ganzen Tag arbeiten gehen. Alle würden ihn um Jasper beneiden…

Christine hatte sich gerade von Jasper gelöst. Ihre Augen strahlten, die Wangen glühten, als sie ihre Mutter in der Tür sichtete.

»Mama!«

»Ich habe lang genug geklingelt, aber du warst ja wohl beschäftigt«, gab sie spitz zurück.

»Sie müssen Frau Helmer sein. Christine hat mir schon viel von Ihnen erzählt. Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Ich bin Jasper Wolf, Daniels Lehrer.«

»Und mein… Freund«, fügte Christine hinzu, obwohl diese Erklärung eigentlich überflüssig war.

»Und bald mein neuer Papa«, übertrumpfte Daniel das noch.

Christine hielt den Atem an und wurde blutrot. Ihre Mutter sah witternd von ihr zu Jasper, doch der blieb ganz gelassen.

»Genau. Wenn alle Anwesenden einverstanden sind, auch das. Möchten Sie mit uns essen, Frau Helmer? Wir waren gerade dabei, das Abendessen zu machen.«

Christine konnte nicht anders. Sie prustete los. Das Gesicht ihrer Mutter war zu köstlich. Für sie war anscheinend in der Küche ihrer Tochter eine Orgie gefeiert worden…

Mami Staffel 11 – Familienroman

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