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1.2 Die physische Welt und ihr Informationsgehalt

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Wichtiger für uns sind jene Spiele, in denen die Natur selbst als Spielpartner auftritt. Man wird einwenden, dass die Natur selbst keine Informationen formuliert, sondern dass ich es bin, der das Verhalten der Natur, also die Tatsachen, beschreibt. Ich brauche diese Beschreibung ja nur so zu formulieren, dass ich sie verwenden kann. Das ist nun aber oft nicht möglich, wie bereits ein einfaches Beispiel zeigt, etwa die Bestimmung der Entfernung Erde-Mond. Es kann hier keine Messung der fraglichen Größe selbst vorgenommen werden (gedacht ist an das Messen mit dem Maßstab), sondern es können nur Aussagen über greifbare Tatsachen gemacht werden, also Entfernungen auf der Erde, Blickwinkel zum Mond. Erst durch Umformung dieser Aussagen (die an Hand bestimmter Vorstellungen über die Raumstruktur vorgenommen werden) gelangt man zu einer brauchbaren Information, nämlich derart, dass die Entfernung in Metern angegeben wird.

Wir wollen nun versuchen, jene Informationen zu charakterisieren, deren Eigenschaft, zugleich wichtig und unverständlich zu sein, die Erfindung der mathematischen Methoden nahelegte.

Es gibt Aussagen, die sich mit den Empfindungen selbst, den Qualitäten, beschäftigen, und es gibt Aussagen, die zwischen den Empfindungen Beziehungen herstellen. Sie sind durch das folgende Kriterium zu unterscheiden: Für Aussagen der ersten Art ist die empfundene Qualität als solche wesentlich, während es bei Aussagen der zweiten Art nicht auf die Qualität selbst, sondern nur auf ihre Konstanz ankommt(1).

Damit ein Lebewesen sich in seiner Umwelt zurechtfinden kann, ist es notwendig, dass gleiche Bedingungen gleiche Empfindungen hervorrufen; die Qualität der Empfindung ist (in Grenzen) zur Orientierung, zur Ordnung der Eindrücke, nicht relevant. Wie steht es aber mit den Qualitäten selbst? Die Erfahrung lehrt, dass es etwa unmöglich ist, einem Blindgeborenen die Farbempfindungen mitzuteilen, sieht man von so schwachen Aussagen wie: „Grün ist angenehm" ab. Aber selbst solche Aussagen werden nicht von allen Empfindenden gebilligt. Daraus folgt, dass die empfundene Qualität in ihrem vollen Umfang nicht durch die Sprache mitteilbar ist und dass das Wenige, das mitgeteilt werden kann, keine allgemeine Zustimmung findet. Offenbar empfinden verschiedene Menschen verschieden. Objektiv überprüfbar können also nur Aussagen der zweiten Art sein, auf sie wird sich die Wissenschaft stützen.

Der normale Mensch hat die Wörter „kein", „ein", „zwei", „drei" und „viele" so zur Verfügung wie etwa „grün" oder „blau". Sein Gehirn befähigt ihn, sie einer Situation unmittelbar zu- oder absprechen zu können. („Da ist kein Haus." „Der Baum ist grün." „Dort sind zwei Wolken.") Es muß dabei allerdings gesagt werden, dass die Eindrücke „zwei", „drei" usw. von der Grundstimmung des Urteilenden abhängen, also von der Art, wie er die Welt sieht. Je nachdem, worauf seine Aufmerksamkeit gerichtet ist und was er als für sich bestehenden Aspekt der Welt zu betrachten gewohnt ist, wird er unter sonst gleichen Bedingungen z. B.: „kein" oder „drei" empfinden („Da ist kein Gasthaus." „Da sind drei Wegweiser"). Wie bereits erwähnt, betrachten wir nun nicht die Qualität der Empfindung, die wir haben, wenn wir etwa „zwei" mit Recht zusprechen, sondern Relationen zwischen diesen Empfindungen. Zum Beispiel interessiert es uns, dass man, wenn man zu zwei Dingen ein Ding dazugibt, die Empfindung „drei Dinge" hat.

Es hat sich nun gezeigt, dass man durch Ausweitung der Wortfamilie „kein", „ein" usw. mächtige Werkzeuge erhält, die den Aufbau technischer Zivilisationen ermöglichen, die dem Menschen - nach verbreiteter Ansicht - Vorteile im „Lebensspiel" gewähren. So wie aus zwei Dingen, die um ein Ding vermehrt werden, drei Dinge entstehen, führen wir , ,vier" als Vermehrung von „drei" ein und so weiter. Diese Wörter gehören aber alle zur Empfindung „viele", unser Gefühl leitet uns nicht in ihrem korrekten Gebrauch. Aussagen der zweiten Art, in denen Wörter der erweiterten Familie „kein", „ein" usw. vorkommen, wollen wir Aussagen mit quantitativen Relationen nennen. Da sie einerseits besonders nützlich, andererseits aber im Gebrauch sehr schwierig sind, liegen sie ja außerhalb der Automatik unseres Gehirns, bedürfen sie, um sie brauchbar zu machen, ganz besonders der Umformung.

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