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Carrington-Ereignis

Am 1. September des Jahres 1859 gegen elf Uhr vormittags befasst sich der britische Amateur-Astronom Richard Carrington in seinem privaten Observatorium gerade mit dem Abzeichnen von Sonnenflecken, als plötzlich zwei gleißende Lichtpunkte auf dem Papier erscheinen. Sie nehmen schnell an Größe und Helligkeit zu und verschmelzen schließlich zu einem einzigen Objekt. Sofort verlässt er den Platz, um seine Entdeckung einem befreundeten Wissenschaftler zu zeigen. Als beide eine Minute später zurückkehren, ist die Erscheinung jedoch bereits wieder verschwunden.

Genau achtzehn Stunden später strahlt der gesamte Nachthimmel der nördlichen Erdhalbkugel von grünen und lilafarbenen Polarlichtern. So hell sind sie, dass Menschen und Gebäude Schatten werfen. In den Rocky Mountains halten zeltende Männer das Licht für den Sonnenaufgang und bereiten sich Stunden zu früh ihr Frühstück zu. Über die Telegrafenleitungen wandern knisternde Sankt-Elms-Feuer. Obwohl die Angestellten sofort den Strom abschalten, bleiben die Leitungen weiter unter Spannung. Aus den Geräten sprühen Funken, die schmerzhafte elektrische Schläge austeilen und stark genug sind, das Papier der Telegrafen in Brand zu setzen.

Die rätselhaften Phänomene dauern eine ganze Woche an, bis sie allmählich schwächer werden. Die letzten Polarlichter werden am 6. September gesichtet.

Da Mitte des 19. Jahrhunderts die Welt noch vergleichsweise wenig technisiert ist, halten sich die Folgen des Ereignisses in Grenzen. Das nach seinem Entdecker benannte Carrington-Event wird zu einer kuriosen Fußnote in den Geschichtsbüchern.

Seitdem werden auf der Erde zahlreiche weitere solare Ausbrüche registriert. 1967 blendet ein Sonnensturm das Raketen-Frühwarnsystem der NATO und löst beinahe den 3. Weltkrieg aus. Während des Vietnamkrieges lässt ein Magnetsturm an der Küste von Hon La Seeminen explodieren, 1989 bricht in Teilen Kanadas die Stromversorgung zusammen und 2003 trifft eine Partikelwolke, dreizehnmal so groß wie die Erde, auf den Planeten, stört den Funkverkehr und führt im schwedischen Malmö zum Zusammenbruch des Stromnetzes.

Keines dieser Ereignisse erreicht jedoch die Stärke des Sturms von 1859.

Außer im Jahr 2012. Mitte Juli lösen sich nacheinander zwei riesige Plasmawolken von der Sonne und vereinigen sich zu einem Supersturm, dessen Magnetfeld um ein Drittel stärker ist als das des Carrington-Events. Er verfehlt die Erdbahn nur um wenige Tage.

Niemand kann sagen, welche Auswirkungen er auf eine ohnehin angespannte Gesellschaft gehabt hätte. Das US-Militär jedenfalls vergleicht sie in einer Studie mit denen eines militärischen Konflikts.

Jeder des anderen Feind

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