Читать книгу Franzi und die Ponys - Band II - Eike Ruckenbrod - Страница 3

Heiß ersehnte Ferien

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Franzi summte vergnügt vor sich hin. Voller Vorfreude packte sie den mit Pferdesticker beklebten Koffer.

Endlich ist es wieder soweit. Bald bin ich bei meinen geliebten Isis. Vier wundervolle Wochen lang. Ich freue mich schon so.

Franzi arbeitete schon das zweite Jahr in den Sommerferien als Praktikantin auf dem Island-Ponyhof „Triptrab“.

Es klopfte und ihre Mutter streckte den Kopf zum Türspalt hinein. In Franzis Zimmer wimmelte es nur so von Pferden in allen möglichen Formen: auf den Regalen, an der Tür, auf dem Schrank, auf ihrem Schreibtisch und als Plüschversion in ihrem Bett. Urkunden, Hufeisen, Schleifen und Berichte über misshandelte Ponys zierten die Wände.

„Na, bist du fertig?“, fragte Petra Schweiger, kam rein und setzte sich, nachdem sie einen Stapel Kleider zur Seite gelegt hatte, auf Franzis Bettkante. Sie strich mit den Händen über den engen Rock und legte ihre schlanken Beine übereinander.

„Ja, gleich. Ich muss nur noch diesen verflixten Koffer zu bekommen, die Reitkappe und die Stiefel holen“, erklärte Franzi, während sie mit aller Kraft versuchte, ihren übervollen Koffer zu verschließen. Aber es war wie verhext, immer wenn sie die herausquellenden Kleidungsstücke auf der einen Seite hineindrückte, quollen sie auf der anderen wieder heraus.

„Ich hoffe, es wird dieses Jahr nicht wieder so aufregend wie letztes Jahr“, meinte ihre Mutter und beobachtete Franzi besorgt. Die saß mittlerweile fluchend, mit hochrotem Kopf auf dem Koffer und drückte den Deckel nach unten.

„Okay, es waren aufregende, aber auch sehr schöne Wochen“, presste sie zwischen den Zähnen hervor und dachte dabei an Olli, den gut aussehenden Auszubildenden von Frau Knoll, in den sie sich letztes Jahr verliebt hatte.

„Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie aufgeregt ich war, als Frau Knoll mich damals anrief und mir von deinem Unfall mit Rafi in der Teufelsschlucht erzählte“, meinte Petra Schweiger nachdenklich und kontrollierte dabei ihren grellroten Nagellack.

Franzi hatte sich letztes Jahr mitten in der Nacht heimlich Rafi, eines der Islandponys, gesattelt und auf die Suche nach zwei verschwundenen Ponys gemacht. Dabei ist sie mit dem Wallach verunglückt. Sie wurden auf abenteuerliche Weise gerettet.

Franzi hörte für einen Moment auf zu drücken, schob ihr dunkelblondes, glattes Haar hinter die Ohren und reckte ihr schmerzendes Kreuz. „Ich hab‘ mir einfach keine Gedanken gemacht. Ich wollt‘ doch nur den Hengst und Blika suchen“, erklärte sie entschuldigend und ihre grünen Augen verdunkelten sich.

„Es hätte schrecklich ausgehen können“, sagte ihre Mutter, und eine tiefe Falte zog sich über ihre gepflegte Stirn.

„Ja, ich weiß, Mama. Wir haben doch schon lange genug darüber gesprochen. Dieses Jahr bin ich bestimmt vorsichtiger, das verspreche ich dir.“

„Ich hoffe es, Franzi.“

Endlich waren die Verschlüsse des Koffers zu und Franzi stand erleichtert auf. „Puh, ich glaub‘, ich hätte doch eins von den zwanzig T–Shirts zu Hause lassen sollen – oder den dicken grünen Pulli? – Nein, den lieber nicht, vielleicht wird es ja kalt.“

„Wo sind eigentlich die zwei Beutel Karotten, die ich gestern gekauft habe?“, fragte ihre Mutter ahnungsvoll. Franzi grinste und warf vielsagende Blicke zu ihrem aufgeblähten Koffer. Frau Schweiger schüttelte den Kopf, nahm ihre Tochter schmunzelnd in die Arme und streichelte über ihr schulterlanges Haar. Franzi klopfte ihr beruhigend auf den Rücken. „Mach‘ dir keine Sorgen, ich pass‘ schon auf mich auf. Dieses Jahr sind es ja nur vier Wochen, dann hast du mich wieder.“

Ihre Mutter lächelte zweifelnd. „Und, dass dein Geburtstag ausfallen musste, weil ich mal wieder Termine hatte, tut mir sehr leid. Wenn du wieder zu Hause bist, organisieren wir eine große Party.“

„Au, ja. Das wär‘ toll. Nach den Ferien sind auch Miri und Alena wieder da.“

Sie trugen das Gepäck vor die Tür ihres Reihenhäuschens und verstauten alles im BMW ihrer Mutter. Mojo, Franzis großer Bruder, fuhr sie dieses Jahr zum Hof, da ihre Mutter in der Zeit einen wichtigen geschäftlichen Termin hatte.

Noch ein letztes Mal nahmen sie sich in den Arm und küssten sich auf die Wangen.

„Machs gut, meine Kleine, und pass‘ auf dich auf. Und du, Moritz, fahr vorsichtig!“, forderte Petra Schweiger ihre Kinder auf.

„Klar Mum!“, versicherte ihr Mojo und strich mit stolzem Grinsen über den glänzenden Lack des Cabriolets.

Franzi winkte noch kurz ihrer Mutter zu, und schon war sie mit den Gedanken auf dem Ponyhof: Bin gespannt, wie es wohl allen geht. Ollis Briefe waren ja echt lieb, aber was sind schon zwei kurze Briefe in einem ganzen Jahr? - Ich habe ihm mindestens acht geschrieben. Wie schön, wieder von morgens bis abends mit den Ponys zusammen zu sein, und nicht nur eine einzige Reitstunde in der Woche zu haben. Und die meistens noch auf verschiedenen Pferden, die man gesattelt übernimmt. Wie soll man da eine Beziehung zu dem Pferd aufbauen können ...

Mojo legte seine Kassette ein. Die Lautstärke erstickte jeglichen Versuch, ein Gespräch zu beginnen. Sogar sich auf so tiefsinnige Gedanken zu konzentrieren wurde anstrengend.

Schweigend starrte Franzi aus dem Fenster. Ab und zu strich sie ihre Haare zurück, die ihr wild um den Kopf wehten. Ich hätte mir einen Zopf machen sollen. Wie werde ich nur aussehen, wenn wir dort sind?, sorgte sie sich.

Je näher sie dem Hof kamen, desto aufgeregter wurde sie. Sie setzte sich auf ihre eiskalten Hände, in der Hoffnung sie ein wenig aufzuwärmen. Franzi dachte an Olli. Mit seiner lustigen Art hatte er sie immer wieder zum Lachen gebracht. Dunkelbraune, fast schulterlange Locken umschmeichelten sein anziehendes Gesicht. Besonders hatten ihr seine muskulösen Oberarme imponiert. Ein Blick aus seinen warmen, braunen Augen und sie schmolz dahin. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken.

Ob er mich noch mag? Vielleicht hat er ja in der Zwischenzeit eine andre. Franzi sank förmlich in sich zusammen.

Mojo schaute seine Schwester von der Seite her an, drehte die Musik leiser und fragte: „Na, Schwesterlein, was ist los? Ich denk‘, du freust dich, dabei siehst du aus, als wär' jemand gestorben.“

„Ach, Mojo, ich hab‘ alle so lang nicht gesehen. Meinst du, die mögen mich noch?“ Dabei dachte sie besonders an den süßen Olli. Ihr Bruder runzelte die Stirn und fixierte kritisch seine kleine Schwester. „Na, ja, deine Haare hättest du ruhig gelen können und was Vernünftiges anziehen, aber sonst ...“ Er schaute kurz auf die Fahrbahn und dann wieder zu seiner unglücklichen Schwester. Franzi schwieg.

„Deine Augen sind noch grün, deine Haare sind immer noch dunkelblond. Außer ein paar Pickeln mehr, die aber fast nicht auffallen ...“, zählte er auf und konzentrierte sich wieder auf den Verkehr. „Natürlich mögen sie dich. Du hast dich doch nicht verändert. Du bist immer noch die gleiche Franzi“, versuchte er sie zu trösten. Die schaute ihn zwar zweifelnd an, aber bedankte sich trotzdem.

„Schon okay“, meinte er und winkte ab. Lange Zeit fuhren sie schweigend weiter. Franzi döste vor sich hin.

„Schau mal! Nur noch über den Berg, dann sind wir bei deinem Ponyhof“, stellte Mojo fest. Franzi öffnete die Augen und schaute in Richtung des Kirchturms, der im Zentrum des Ortes stand. Sie spürte, wie der Kloß im Hals noch dicker wurde. Nur noch ein paar Minuten bis sie Frau Knoll, die strenge Hofbesitzerin, ihren Yorkshire-Terrier Kuni, ihre schreckliche Nichte Wiebke, die Mädchen - und Olli sehen würde. Sie atmete tief durch, lehnte sich im Sitz zurück und kaute nervös auf einer Haarsträhne.

Mojo brachte das Cabriolet ruckend zum Stehen. Sie waren am Ziel. Neugierig ließ sie den Blick über den Hof schweifen. Das große weiße Gebäude, dessen Putz allmählich abblätterte, mit den Stallungen und angrenzenden Weiden, das schmiedeeiserene Tor, mit den goldenen Pferdeköpfen. Alles schon sehr alt und renovierungsbedürftig, aber so sauber, dass auf dem Kopfsteinpflaster kein einziger Strohhalm lag. Ein paar Mädchen liefen schnatternd am Auto vorbei, ohne von ihnen Notiz zu nehmen.

Die kenne ich schon mal nicht, dachte Franzi gerade, als plötzlich die Autotür aufgerissen wurde und Lisa, eine der ältesten Ferienkinder, sie freudig begrüßte. Franzi stieg lachend aus, um ihre Freundin herzlich zu begrüßen.

„Mensch Lisa, bist du gewachsen!“, und noch hübscher als letztes Jahr, stellte Franzi - nicht ohne Neid - fest.

„Ja, schau! Jetzt bin ich fast so groß wie du“, bestätigte ihr das blonde Mädchen, indem sie sich nahe neben Franzi stellte und die Größe verglich.

„Ja, cool. – Ist schon jemand da, den ich kenne?“, fragte Franzi neugierig.

„Johanna, meine kleine Schwester, natürlich. Wiebke ist auch schon da. Äh, die Annika, Mara, Caroline, Svenja ...“, Lisa zählte auf. Franzi hörte schon nicht mehr richtig zu. „Ist Olli auch da?“, fragte sie ganz nebenbei.

„Nein, leider kommt er erst nächste Woche. Er muss seinen Eltern auf dem Hof helfen und hat dafür ein paar Tage freigenommen“, erklärte Lisa.

Schade, dachte Franzi im ersten Moment – aber vielleicht ist es ganz gut. So kann ich mich erst einmal eingewöhnen, bevor er kommt.

Mojo hatte in der Zwischenzeit das Gepäck ausgeladen. „So, da sind alle deine Sachen. Soll ich sie dir noch irgendwohin tragen?“, fragte er. Lisa musterte ihn neugierig und strich sich dabei durch ihre hüftlangen Haare. Mojo hatte seine kurz geschorenen Haare kunstvoll mit Gel hochgestylt. Seine Naturfarbe war auch blond, aber da schwarz im Moment modern war, hatte er schwarzgefärbte Haare, die am Ansatz blond waren. Seine Figur konnte man in den weiten Hosen, die er trug, nur erahnen. Seine tiefblauen Augen lachten Lisa an, als er grinsend ihren Blick erwiderte.

Als er sich kurz darauf bückte, um Franzis Koffer hochzuheben, kamen seine Markenboxershorts zum Vorschein.

„Weißt du, ob ich wieder mein altes Zimmer hab'?“, fragte Franzi Lisa, die noch immer den Jungen beobachtete.

„Ja, klar. Du bist wieder oben.“

„Also folge mir, Brüderlein!“, wies sie Mojo an, schnappte ihre Tasche und lief voraus.

Nachdem alles an Ort und Stelle war, verabschiedete sich Mojo wieder. Franzi packte hastig ihre Sachen aus, denn sie wollte keine Minute der kostbaren Zeit verschwenden. Dann stopfte sie sich die Taschen voll mit Karotten und eilte in den Stall hinunter.

Genüsslich, mit geschlossenen Augen, sog sie den Stallduft ein.

Ist das nicht der beste Duft der Welt?! Endlich bin ich wieder hier, freute sie sich und schaute nach den Ponys. In der Hoffnung etwas zum Fressen zu ergattern, kamen die Isländer zu ihr. Irgendwie hatten sie den süßen Geruch von Karotten in den Nüstern. Plötzlich kam Unruhe in die Herde, denn Rafi, der Herdenchef, bahnte sich den Weg zu ihr.

„Hallo Rafi. Na, wie geht es dir? Kennst du mich noch?“, fragte sie schmeichelnd. Das schwarze Pony blickte sie mit seinen dunklen Samtaugen aufmerksam an.

Langsam kam der Rappe näher und schnoberte an ihrer ausgestreckten Hand. Er brummelte leise.

Wahnsinn, er kennt mich noch. Franzi streichelte ihm glücklich über sein glänzendes, dunkles Fell, zog eine Karotte aus der Tasche und hielt sie ihm hin. Knackend biss er hinein.

„Na, mein Süßer, gut siehst du aus. Bin mal gespannt, was wir dieses Jahr zusammen erleben werden“, meinte sie in freudiger Erwartung, als sie hinter sich eine bekannte Stimme vernahm: „Ich hoffe nichts so Dramatisches wie letztes Jahr, Franziska.“

Franzi drehte sich um und sah, dass ihre Chefin in den Stall gekommen war. Eine kleine, drahtige, grauhaarige Frau - energisch, streng, pingelig - und immer in Reithosen, Stiefeln und einer Gerte bewaffnet, marschierte mit harten Schritten auf sie zu.

„Hallo, Frau Knoll.“ Franzi streckte ihr herzlich die Hand entgegen.

„Hallo Kind. Wie geht es dir? Schön, dass du wieder helfen kannst.“

„Ja, ich freu‘ mich auch wahnsinnig.“

Wiebke und Johanna, mit Kuni im Schlepptau, kamen in diesem Moment in den Stall gestürmt.

„Super Franzi, cool, dass du wieder da bist“, versicherte ihr Johanna, die auch dieses Jahr ihr langes blondes Haar in zwei Flechtenzöpfen trug, als die Ältere erblickte. Kuni sprang kläffend an Franzi hoch. Die beugte sich hinunter und streichelte den aufgeregten Hund über sein zottiges Fell.

„Na, Kuni, großer Wachhund, wie geht es dir?“ Heftig wedelte er mit seinem kurzen Schwänzchen und leckte ihr übers Gesicht.

„Ihh, Kuni, so genau wollte ich es nicht wissen“, lachte sie und wischte sich mit dem Ärmel über ihr feuchtes Gesicht.

„Ja, sogar die Mädchen, die dich noch nicht kennen sind ganz gespannt auf dich“, berichtete die rothaarige, sommersprossige Wiebke und Johanna, die neben Wiebke noch zarter erschien, als sie ohnehin schon war, nickte zustimmend.

„Oh je. Was hast du ihnen denn alles erzählt?“, fragte Franzi misstrauisch, denn sie kannte Wiebke mittlerweile recht gut und wusste, dass sie immer irgendwelche Gemeinheiten ausheckte. Wiebke grinste nur, dabei kam ihre neue Zahnspange zum Vorschein.

„Jetzt sag schon!“, forderte Franzi sie ungeduldig auf und starrte dabei auf die Spange, in der noch Brotkrumen hingen.

„Ich hab' ihnen eigentlich gar nichts erzählt. Auf jeden Fall nicht, dass du ganz schrecklich bist, dass du nur meckerst und motzt, dass es Reitverbot gibt, wenn jemand etwas falsch macht - ... Du siehst, ich war ganz brav“, entgegnete sie, grinste breit und unschuldig. Johanna blickte zu Boden.

„Wiebke!“, ermahnte Frau Knoll ihre Nichte.

„Danke, Wiebke, ich glaub‘ dir kein Wort.“ Franzi schüttelte den Kopf, so gemein konnte ja nicht einmal Wiebke sein. Sie wandte sich an ihre Chefin. „Was macht der Hengst? Sind seine Wunden von letztem Jahr gut verheilt? Kann man ihn reiten?“, erkundigte Franzi sich neugierig.

Frau Knoll stöhnte frustriert. „Ja, Franzi, der Hengst – mit dem haben wir so unsere Probleme. Seine Wunden sind alle sehr gut verheilt. Bis auf ein paar Narben am Röhrbein merkt man ihm nichts mehr an. Aber er ist immer noch sehr wild und hat kein Vertrauen zum Menschen. Es war ein Drama seine Verbände zu wechseln. Er lässt sich nur ungern anfassen. Theoretisch könnte man ihn reiten, aber er buckelt wie wild. Er hat Olli schon ein paar Mal in den Sand gesetzt.“ Franzi erschrak, denn das hatte er ihr nicht geschrieben. „Oh je, ich hoffe, ihm ist nichts passiert.“

„Nein, du kennst ihn doch, der ist zäh. Er ist sofort wieder aufgestiegen - und war gleich wieder unten.“ Margarete Knoll schüttelte traurig den Kopf.

„Olli kann nichts einschüchtern, der ist knallhart“, meinte Wiebke bewundernd. Johanna nickte.

„Ich weiß nicht, was ich mit dem Hengst noch anstellen soll, damit er ein gutes, zuverlässiges Reitpony wird. Ich setze mich mit meinen alten Knochen nicht auf ihn. Bei mir würde er schnell lernen was es heißt, bockig zu sein“, sagte sie sehr von sich überzeugt. Franzi streichelte nachdenklich Rafis Hals und gab ihm noch eine Karotte.

Ich hätte da schon eine Idee. Aber ich traue mich nicht, zu fragen. Dann gab sie sich einen Ruck. „Ich weiß, sie erklären mich bestimmt für verrückt, aber ich würde es auch gerne mal mit ihm versuchen.“ Frau Knoll sah das Mädchen zweifelnd an. „Du?“

„Ja, ich hab' so viel über Pferdeflüsterer gelesen, dass ich diese sanfte Methode gern mal selbst ausprobieren würde“, versuchte sie die Hofbesitzerin zu überzeugen.

„Das schaffst du doch nie. Wenn Olli es nicht mal geschafft hat“, warf Wiebke gehässig ein. Margarete Knoll blickte Franzi ernst an. „Du weißt, dass ich deiner Mutter nach dem Unfall letztes Jahr etwas versprochen habe.“

„Ja, ich weiß, aber ich geh' ganz bestimmt kein Risiko ein“, versprach diese und schaute bittend.

„Tante, das ist doch viel zu gefährlich. Am Ende fällt sie runter und bricht sich den Hals“, regte sich Wiebke auf. Wenn Blicke töten könnten, wäre Wiebke tot umgefallen, so böse starrte Franzi sie an.

Dieses Biest, ich könnte sie auf den Mond schießen, dachte sie verärgert.

„Lasst uns zuerst Abendbrot essen, bevor wir so schwer wiegende Entscheidungen treffen“, schlug Frau Knoll vor.

Warum müssen Erwachsene immer erst so lang überlegen?, fragte sich Franzi.

Sie hätte natürlich gern gleich eine Entscheidung gehabt, aber traute sich nicht zu sehr zu nerven. Also stimmte sie der Hofbesitzerin notgedrungen zu. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg in den Speisesaal.

Franzi schaute sich neugierig um und ging von Tisch zu Tisch, um die Mädchen zu begrüßen und sich den Neuen vorzustellen. Diese fixierten sie schüchtern, respektvoll, schweigend, mit großen Augen.

Sobald Franzi zum nächsten Tisch ging, steckten sie die Köpfe zusammen und flüsterten.

Da stimmt doch was nicht. Also hat Wiebke doch Mist über mich erzählt, stellte Franzi fest und blickte mit zusammengekniffenen Augen zu dem rothaarigen Mädchen. Wiebke winkte mit einem hämischen Grinsen zu ihr hinüber.

Als Franzi auf ihrem Platz saß, knurrte lautstark ihr Magen. Der Stuhl neben ihr war leer. Er war für Olli bestimmt.

Ich vermisse ihn jetzt schon. Hoffentlich kommt er bald.

Nach dem Essen saßen sie noch lange zusammen und erzählten von den Ereignissen des vergangenen Jahres.

Gegen zwanzig Uhr meinte Frau Knoll: „Zeit zum Schlafengehen. Ihr müsst morgen früh raus!“ Die Mädchen sprangen lautstark von den Stühlen auf und strömten quasselnd aus dem Saal. Gerade lief Johanna an Franzi vorbei. Die hielt sie am Arm fest. „Johanna, sag' Wiebke bitte, sie soll schnell in den Stall kommen, ich muss dringend mit ihr reden. Sie soll sich nicht von der Knoll erwischen lassen.“

Schnell eilte Franzi in den Stall.

Na warte, du Hexe, dir werde ich‘s zeigen. Das ist zwar ein uralter Trick, aber er funktioniert immer noch bestens.

Sie füllte einen Eimer mit Wasser, spannte eine Schnur über die Stallgasse und lockerte das Stroh auf. Schon hörte sie Schritte. Franzi versteckte sich hinter dem Strohhaufen und hoffte innigst, dass es nicht ihre Chefin war, die im nächsten Augenblick durch diese Tür stürmen würde. Wiebke riss die Stalltür auf. In diesem Moment entleerte sich der gefüllte Eimer über ihrem Kopf. Das Mädchen schrie erschrocken auf, torkelte nach vorne, stolperte über die gespannte Schnur und fiel kopfüber in den Strohhaufen.

„Franzi, du Ekelpaket, wo bist du?“, rief Wiebke wutentbrannt. Lachend kroch diese aus ihrem Versteck.

„Das war nur ein kleiner Denkzettel. Jetzt sind wir quitt. Ich hoffe, überlegst dir in Zukunft, was du über andere Leute erzählst. Das nächste Mal landest du im Misthaufen.“

Wiebke warf mit Stroh nach Franzi. „Du bist echt das Letzte. Ich hab' gar nichts gemacht.“

„Und wenn du hier noch Sauerei machst, kannst du gleich noch fegen“, erwiderte Franzi kalt. Wiebke schaute sie böse an und stampfte aus dem Stall. Bei jedem Schritt wippten die Strohhalme in ihren roten Locken auf und ab und erinnerten Franzi irgendwie an Spagetti mit Tomatensoße.

Lächelnd warf sie sich ins Heu, und bald dachte sie an Olli und die schönen Momente, die sie hier zusammen erlebt hatten. Sie stellte sich ihr Zusammentreffen vor.

Bestimmt werde ich knallrot und weiß nicht, was ich sagen soll.

Verträumt schloss sie die Augen und versuchte sich Olli vorzustellen. Aber so richtig klappte es nicht, irgendwie hatte der Junge eher Ähnlichkeit mit einem Klassenkameraden, den sie nicht mochte, als mit Olli.

Nach einer Weile streckte sie sich gähnend, stand auf, klopfte sich das Heu aus den Kleidern und machte sich auf den Weg zu ihrer Dachkammer.

Die Kammer war noch genau so, wie sie diese vor einem Jahr verlassen hatte. Die Pferdepostkarten und Poster hingen noch an den Wänden, der runde Tisch, die zwei Hocker ohne Lehne, das Bett mit den schrecklich weichen, dreigeteilten Matratzen und die Kommode füllten den kleinen Raum voll aus. Alles wie gehabt. Franzi fühlte sich gleich wie zu Hause, zog sich zufrieden aus und legte sich mit einem Buch über Pferdeausbildung ins Bett.

Mist, jetzt haben wir gar nicht mehr darüber gesprochen, ob ich mit dem Hengst arbeiten darf, fiel ihr plötzlich ein. Ich werde es schon schaffen, sie zu überreden, wenn das rote Hexchen nicht in der Nähe ist.

Nachdem das Licht aus war, zähmte sie im Traum auf wunderbare Weise den Hengst.

Franzi und die Ponys - Band II

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