Читать книгу Franzi und die Ponys - Band II - Eike Ruckenbrod - Страница 5

Die Ponytaufe

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Der Mittag schleppte sich träge dahin, denn Franzi konnte es kaum erwarten, bis es endlich Nachmittag war und sie anfangen konnte, mit dem Hengst zu arbeiten. Der stand auf einer sicher eingezäunten Weide mit einigen Junghengsten zusammen.

Als es Zeit war, eilte Franzi alleine zu der Weide, denn sie wollte den Hengst in Ruhe kennenlernen. Sie stellte sich an den Zaun und beobachtete den Rappen. Er war nicht besonders groß, aber kräftig und hatte eine herrlich lange, wellige Mähne. Sein buschiger Schopf bedeckte fast komplett die Augen. Und sein schwarzes Fell war so glatt, dass sich das Sonnenlicht darin spiegelte. Schon jetzt konnte sie aus seinem Verhalten erkennen, dass er ein ängstliches, schreckhaftes Tier war, das sich ständig von den Jährlingen ärgern ließ.

Als Franzi die Weide betrat, kamen die einjährigen Hengste neugierig auf sie zu. Der Ältere blieb verunsichert am Rand stehen.

„Na, ihr Lieben, ihr seid ganz schön frech, der könnte euer Vater sein“, tadelte sie vorwurfsvoll die Jährlinge, die sie umringten. Langsam, Schritt für Schritt, ging sie auf den Hengst zu. Die jungen Pferde folgten ihr. Mit ein wenig Abstand blieb sie stehen und atmete tief durch, um sich zu entspannen. Der Wildling spürte ihre Aufregung, das verunsicherte ihn noch mehr. Er wich einige Schritte zurück und Franzi blieb stehen.

Warum bin ich denn so aufgeregt?, ärgerte sie sich und versuchte krampfhaft, sich zu entspannen, was natürlich nicht funktionierte.

Nach einer Weile ging sie mit gesenktem Blick einige Schritte weiter in seine Richtung und blieb wieder stehen. Das wiederholte sie so oft, bis sie direkt neben ihm stand.

Franzi hatte alle Hände voll zu tun, um sich die Junghengste vom Leib halten, die an ihr herumknabbern wollten, ohne den Älteren damit zu verscheuchen. Sie redete beruhigend auf ihn ein. Aufmerksam beobachtete er sie. Seine Ohren zuckten nervös vor und zurück. Er hob den Kopf hoch und blähte die Nüstern. Vorsichtig streckte sie die Hand in Richtung seiner Nüstern. Er zögerte. Franzi hielt die Luft an. Er zögerte immer noch. Ich habe ja noch eine Karotte in der Tasche, fiel ihr ein. Sie schaute nach den Jährlingen. Die hatten sich wieder in kleinen Gruppen auf der Weide verteilt und widmeten sich ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Fressen.

Mit langsamen Bewegungen holte sie diese heraus und streckte sie ihm entgegen. Neugierig roch er daran und nahm sie vorsichtig zwischen seine Lippen. Franzi freute sich und senkte die Hand wieder.

Zum Glück haben die Jährlinge das mit der Karotte nicht mitbekommen, sonst hätte ich jetzt ein Problem ...

Ein paar Minuten blieb sie noch bei ihm stehen. Er graste wieder, ohne sie aus den Augen zu lassen. Am Spiel seiner Ohren erkannte sie, dass er sehr aufmerksam war. Ab und zu schleuderte er seinen Schweif herum, um die lästigen Fliegen zu vertreiben. Franzi riss einen Grashalm ab und kaute darauf herum.

Schlendernd verließ Franzi die Weide.

Das reicht für heute. Ich bin schon weiter gekommen, als ich dachte.

Die jungen Hengste folgten ihr bis zum Zaun, immer noch in der Hoffnung, etwas Leckeres zu ergattern.

Auf dem Weg in den Stall traf sie Lisa. „Na, wie war‘s? Konntest du ihn anfassen?“, fragte sie interessiert. Gerade kam auch Wiebke vorbei, stellte sich zu ihnen und Franzi erzählte: „Ich war so nahe bei ihm, dass er mir eine Karotte aus der Hand fraß, und das reicht mir für heute. Gut, dass die Jährlinge es nicht mitgekriegt haben, sonst hätten sie mich noch mehr bedrängt.“

„Toll, dass du ihm Zeit gibst. Du schaffst es bestimmt ihn zu zähmen“, meinte Lisa hoffnungsvoll. „Das wär‘ echt krass“, stimmte ihr Franzi verträumt zu. Im Gedanken war sie schon so weit, dass der Hengst ihr folgte wie ein Hund und alles mit sich machen ließ.

„Du weißt ja, dass wir die Ponys auf den Weiden nicht füttern dürfen, wegen dem Futterneid“, meinte Wiebke altklug. Franzi drehte ihr demonstrativ den Rücken zu und schlug Lisa vor: „Wir sollten ihm einen Namen geben. Ich find‘ es traurig, dass ihn jeder nur ‚Hengst‘ nennt.“

„Stimmt. Warum eigentlich?“, fragte Lisa.

„Er hat sehr wohl einen Namen. Jedes Fohlen mit Papieren bekommt in Island gleich nach der Geburt einen Namen“, warf Wiebke ein und stellte ich neben Lisa.

„Die Knoll hat ihn mir letztes Jahr gesagt, aber ich weiß ihn nicht mehr. Er war unaussprechbar. So ähnlich wie Glasvattur fraaa Hafsteinssowieso“, erzählte Franzi, ohne das rothaarige Mädchen zu beachten.

„Wir können ihm ja morgen, in der Theoriestunde, einen neuen Namen geben. Das gefällt den Mädchen bestimmt“, meinte Lisa.

„Mh, gar keine schlechte Idee. Ich klär‘ das noch mit Frau Knoll“, stimmte Franzi zu.

Alle Mädchen - außer Wiebke - freuten sich, als Franzi ihnen am nächsten Tag mitteilte, dass sie abstimmen durften, welchen Namen der Hengst bekommen sollte. Natürlich hatte sie es vorher mit der Besitzerin abgesprochen. Sie war einverstanden, da der Name wirklich schwer auszusprechen war.

„Und wenn er dann einen Namen hat, werden wir ihn feierlich taufen. Ich spendiere Chips und Cola für uns und einen Eimer Karotten für den Hengst“, versprach Franzi. Plötzlich plapperten alle aufgeregt durcheinander.

„Heeeyyy“, rief sie laut. „Jetzt seid wieder leise, damit wir zügig vorankommen. Sonst ist nichts mit feiern.“

Die Mädchen beruhigten sich wieder, und Lisa verteilte kleine Zettel, auf die sie ihre Namensvorschläge schreiben konnten.

„Soll es ein isländischer Namen sein?“, fragte die zwölfjährige Svenja.

„Ich kenn‘ ja gar keine“, jammerte Ines.

„Ich fänd‘s schon schön, wenn er einen isländischen Namen bekommen würde. Wenn es euch lieber ist, dann schreibe ich ein paar Namen auf die Tafel und ihr sucht euch einen davon aus“, schlug Franzi den Mädchen vor, nahm sich ein Buch zu Hilfe und schrieb fünf der Namen, die zu dem Hengst passen könnten, auf die Tafel.

1. Dimmi – der Dunkle

2. Bósi - Frauenheld

3. Tinni – der so schwarz ist wie Feuerstein

4. Vafi – Zweifel, Unsicherheit

5. Svartur – der Schwarze

Die Mädchen schauten gebannt auf die Tafel und flüsterten sich verschiedene Namen zu. Es verging einige Zeit, bis sich alle entschieden hatten und Johanna die Zettel einsammeln konnte.

„Was ist mit dir, Wiebke, möchtest du keine Stimme abgeben?“, fragte sie ihre Freundin.

„Ich find‘ das albern, der Hengst hat doch einen Namen.“

Johanna blickte verunsichert zu Franzi.

„Lass sie! Sie kann sich auch der Stimme enthalten.“ Johanna legte alle Blättchen vor Franzi und Lisa auf den Tisch. Franzi faltete sie nacheinander auf und Lisa machte Striche hinter den vorgeschlagenen Namen.

1. Dimmi ///

2. Bósi ////

3. Tinni //

4. Vafi ////

5. Svartur ///////

„Also, da haben wir ja einen eindeutigen Sieger. Der Hengst wird heute von uns ‚Svartur‘ getauft. Und da unser Täufling so schüchtern ist, feiern wir ohne ihn. Ich hol‘ Chips und die Cola und ihr organisiert ein paar Gläser. Und Lisa, frag‘ Frau Knoll, ob sie auch mitfeiern möchte!“, ordnete Franzi an und machte sich auf den Weg.

Sofort wollten alle losrennen, um im Speisesaal die Gläser zu holen, aber Lisa hielt sie zurück. „Ihr braucht doch jetzt nicht alle runterzurennen. Es reicht, wenn zwei gehen.“ Lisa deutete auf Svenja und Wiebke, beide Mädchen waren kräftiger Statur. „Geht ihr und bringt die Gläser in einem Korb hoch! Wiebke, du kennst dich ja aus.“

„Ja, ich kenn‘ mich aus“, bestätigte ihr der Rotschopf, „aber das heißt nicht, dass ich es mach‘.“

„Mensch Wiebke, jetzt sei doch nicht so stinkig“, meinte Lisa vorwurfsvoll. Wiebke stand murrend auf und begab sich mit Svenja auf den Weg.

Lisa eilte zu Frau Knolls Wohnung und klopfte an. Als sich nichts rührte, klopfte sie noch einmal fester. Normal bellte Kuni, wenn sie in der Wohnung waren, aber es blieb alles still. Lisa wollte die Mädchen nicht zu lange alleine lassen und rannte zurück. Gerade kamen auch Franzi, Wiebke und Svenja.

„Und, kommt sie?“, fragte Franzi.

„Sie war nicht in ihrer Wohnung. Aber ich hab‘ auch keine Lust, auf dem ganzen Hof herumzurennen und sie zu suchen.“

„Na, ja, macht nichts, wir können auch ohne sie feiern“, meinte Franzi und öffnete die Tür. Keines der Mädchen saß noch an seinem Platz und alle quasselten durcheinander. Svenja verteilte mit Wiebke die Gläser, Franzi stellte auf jeden Tisch eine große Flasche Cola und einen Beutel Chips.

Als jeder Tisch versorgt war, stellte sie sich in die Mitte und schlug mit einem Löffel an ein Glas. „Seid mal bitte leise! Ich möcht‘ ein paar Worte sagen. Ich spreche euch was vor und ihr sagt es nach!“

Sie hob ein großes Foto von Gljásvartur hoch, auf dem die Namen seiner Eltern standen, und sprach in feierlichem Ton: „Du reinrassiger Sohn von Nör frá Hafsteinsstödum und Stroka frá Kröggöefsstadir aus Island.“

Alle Mädchen versuchten ihr laut nachzusprechen, aber es war nicht so einfach. „Wir taufen dich heute feierlich auf den Namen ‚Svartur‘.“

Ihre Stimmen wurden immer lauter und Svarturs Namen schrien sie gemeinsam so laut sie konnten. Sie fingen an zu klatschen und zu jubeln und mit den Füßen zu trampeln, als wäre der Hengst Sieger eines Championats geworden.

Unvermittelt ging die Tür auf und Margarete Knoll stand im Türrahmen.

„Hallo! Was ist denn hier los?“

„Wir haben grad den Hengst auf den Namen ‚Svartur‘ getauft“, erklärte Franzi, „und ich bin froh, dass er nicht dabei war.“

„Ich finde, der Name passt sehr gut zu ihm“, meinte die Hofbesitzerin, und die Mädchen freuten sich.

„Ja, er hat jetzt einen ganz anderen Namen als vorher“, meinte Wiebke ironisch. Franzi blickte sie böse an, dann wandte sie sich wieder an Wiebkes Tante: „Wenn Olli wieder da ist, kann er ja ein Schild für seinen Stall zeichnen.“ Frau Knoll reagierte nicht. Sie war im Gedanken versunken. Franzi sagte es noch einmal lauter. Die alte Dame schaute sie verwirrt an. „Ja, das wäre schön.“

„Wann kommt er denn genau?“, fragte Franzi beiläufig.

„Übermorgen. Durch das schöne Wetter kamen sie schneller voran als erwartet.“ Übermorgen, dachte Franzi und ein Schauer lief ihr über den Rücken. Nur noch zweimal schlafen, bis ich ihn wiedersehe.

Margarete Knoll verließ bald darauf den Raum. Die Mädchen feierten noch eine Weile, machten dann die Ponys fertig und ritten noch eine Stunde, aber Franzi war nicht mehr bei der Sache. Sie war jetzt schon ganz aufgeregt.

Nachdem die Reitstunde um war und alle Ponys versorgt waren, arbeitete sie wieder mit Svartur. Auch heute kam sie ein Stückchen weiter und war sehr zufrieden mit sich und dem schönen tiefschwarzen Hengst.

Abends brachten sie ihm einen Eimer Karotten in den Stall und erzählten ihm von seinem Namen. Jedes der Mädchen durfte ihm eine von den Rüben füttern, denn sie hatten versprochen, langsam und leise zu ihm zu gehen. Als der Eimer halb leer war, gingen sie in den Schlafsaal und spielten noch ein paar Spiele, bis es Zeit war, das Licht auszumachen.

Franzi und die Ponys - Band II

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