Читать книгу Die Geheimnisse des Volkes - Эжен Сю - Страница 9

Оглавление

DER AUTOR AN DIE ABONNENTEN DER GEHEIMNISSE DES VOLKES

Werte Leser!

Das Jahrhundert, in dem nun der Sohn Ludwigs XIII. regierte, sollte nach Ansicht gewisser Denker rechtens das Jahrhundert Ludwigs XIV. genannt, und demütig die Livree des Monarchen getragen werden, so wie Versailles, die maßlose Hotellerie, von ihm allem Pomp, allen Lastern, allem Gemeinen und Ruinösen geöffnet, an seinem Tor wie immer das triumphale Zeichen des Sonnenkönigs trägt.

In der Person dieses Fürsten die Inkarnation einer Epoche der Geschichte zu sehen, erscheint irgendwie seltsam. Er hatte, das ist wahr, mit einer gewissen Größe seine Gabe Autorität bis zur höchsten Machtfülle gesteigert, ja potenziert, aber viel zu theatralisch, um sich wirklich durchzusetzen. Er konnte und wollte, wenn nicht selbst regieren, denn jederzeit stand er, unbewusst, unter dem absoluten, zumeist unseligen Einfluss einiger seiner Minister oder seines Umfeldes, doch zumindest permanent mit Affären des Staates befasst sein, sich sogar selbst dafür halten: 'Der Staat, das bin ich', pflegte er zu sagen und fügte die zweite Maxime hinzu, die er in erster Linie praktizierte: 'Der Staat ist mein Eigentum'; das beweisen die an seinen Sohn adressierten Instruktionen an den Dauphin:

'Alles, was sich im Umfang unserer Staaten befindet, welcher Natur es auch sei, gehört uns nach demselben Rechtstitel (des Königs). Sie müssen der Überzeugung sein, dass Könige absolute Herrscher sind, und selbstverständlich, uneingeschränkt, über alle Güter verfügen dürfen, neben den eigenen auch über die der Geistlichen und der Säkularen, um sich diese als weise Verwalter nutzbar zu machen.'

Die weise Haushaltung des Sire kennt man zur Genüge, übte er doch kontinuierlich, gewissenhaft seinen Königsberuf aus, und bis zu seinem Tod präsidierte er seinen Rat. Bedenkt man aber die spärliche Intelligenz Ludwigs XIV., seine frappierende Unwissenheit, seinen irren Hochmut, seinen albernen, grausamen Fanatismus, die freche, eiserne Egomanie seines despotischen, hoffärtigen, neidischen, hasserfüllten, in seiner Rache stets unbarmherzigen und feigen Charakters; bedenkt man ferner, dass seine zynisch lockere, skandalöse Moral, seine unstillbare Gier nach Schmeicheleien, die man, um Majestät zu imponieren, bis zum widerwärtigsten Götzenkult treiben musste, auf seine Zeit einen ebenso fatalen Einfluss hatten, wie seine verblendete Eroberungssucht und seine hanebüchenen Verschwendungen ein Desaster für das Land waren, dann wird man zugeben, wir wiederholen es, dass es irgendwie seltsam erscheint, das Jahrhundert von Colbert, Vauban, Molière, Corneille, Lebrun und Racine das Jahrhundert Ludwigs XIV. zu nennen, so als wäre aller Nachruhm lediglich diesem Menschen zu verdanken, und nicht mehr als eine Art Emanation Seiner Königlichen Majestät. Was die Protektion angeht, die er großen Männern im Allgemeinen, Colbert und Racine im Besonderen gewährte, so weiß man, von analogen Fällen ganz zu schweigen, dass der populäre Minister den großen König, der ihm mit sehr viel Abscheu, Undank und Härte begegnete, im Sterben verfluchte; und der sanfte Racine, die devote, kleinmütige Seele, verschied vor Kummer, als er erkannte, dass er bei seinem Herrn in Ungnade gefallen war.

Hier sollte man erwähnen, dass auch Nero die Kunst liebte und protegierte; und Franz I., dieser adlige Nero, er liebte sie nicht weniger, die Kunst, die Briefe… Dennoch verbot er eines Tages, bei Androhung des Galgens, das Druckgewerbe, und Sie wissen es, werte Leser, als der glücklichere Rivale im Wettstreit vereidigter Peiniger erdachte er zur Folter von Ketzern diese geniale Maschine, die Estrapade23, mit der man Protestanten lebendig abwechselnd nach oben ziehen und dann in die Flammen fallen lassen konnte, bis der Tod eintrat! Und wir wiederholen: Selbst wenn die Liebe eines Fürsten zu Literatur und Kunst, dazu sein persönlicher Einfluss, die bedeutendsten Genies hervorbringen würde (welch absurde Idee), könnte so ein Wunder niemals die Verbrechen dieses Fürsten abmildern oder auslöschen, nicht in den Augen der ewigen Moral!

Es war sehr wohl ein Jahrhundert Ludwigs XIV., sehr wohl die Inkarnation dieses Mannes, dieses Jahrhundert gemeiner, blutiger Willkür, ungerechter Eroberungen, fluchwürdiger Kriege, die so viele unserer Soldaten zu Dieben und Henkern machten und die Bezeichnung Frankreich zum Inbegriff des Schreckens in Europa! Es war letztlich, und das vor allem, ein Jahrhundert bitterster Armut, Resultat der Prunksucht dieses Fürsten, einer Armut, die eine neue Jacquerie, einen fanatischen Bürgerkrieg zeitigte, an dem nicht nur das lehnspflichtige Landvolk und die Stadtbewohner, sondern auch die Bourgeoisie und manche der Provinzparlamente beteiligt waren. Es war sehr wohl ein Jahrhundert Ludwigs XIV., dieses Jahrhundert gemeiner religiöser Verfolgungen, die der Widerruf des Edikts von Nantes24 einleitete, das Fanal zu einer neuen Bartholomäusnacht; oh nein, sie dauerte keine 24 Stunden wie jene unter Karl IX.25, sie dauerte Jahre, schleifte vollständig durch Feuer, Abriss und Sprengung etwa 600 Dörfer des Languedoc und der Cevennen, tötete über 50.000 Geschöpfe Gottes, verbannte zirka 1 Million Einwohner und verwies Frankreichs beste, einträglichste Gewerbe des Landes… So sah in Wahrheit das Jahrhundert Ludwigs XIV. aus!

Es war eine der traurigsten Episoden jenes Jahrhunderts, liebe Leser, die wir in unserer Erzählung nachzuzeichnen versuchen. Die Geschichtsschreiber des Königs ließen diese schmerzenden Wunden der Herrschaft ihres Souveräns bewusst und komplett im Dunkel ruhen, welche die Bürgerkriege provozierten:

- Die Tyrannei Ludwigs XIV.;

- die Abnormität der Steuern;

- die Übergriffe und die Brutalität der Soldaten;

- die bittere, gnadenlose Gier des Adels und der Kirche.

Doch diese offenen Wunden sollten für die Monarchie Ludwigs XIV. fast zu tödlichen werden, als sich die furchterregende und beklagenswerte Vergeltung der Jacquerie des 14. Jahrhunderts im 17. wiederholte; dieselben Ursachen, dieselben Effekte. Von seinen säkularen Peinigern abermals zum Äußersten getrieben, bewaffnete sich Jacques Bonhomme wieder mit der Sense, und jagte, wahnsinnig geworden vor Elend und Wut, Herren, Priester, Steuerbeamte und Soldaten des Königs!

***

Hauptschauplatz dieser modernen Jacquerie, eifrig unterstützt durch die Insurrektion der Städte und offen geschürt durch die Bürger und die Parlamentarier jener Region, war die Bretagne. Die Bretagne, das klassische Land für die Hingabe an Altar und Thron, sagen die, die nicht wissen oder übersehen wollen, liebe Leser, dass ausschließlich Bretonen, jahrhundertelang, mit unerschütterlichem Heldenmut für ihre Unabhängigkeit und ihre nationale Identität gegen die Könige fränkischer Herkunft, die Erben Chlodwigs und Karls des Großen, stritten; Könige, die in Gallien, unserem Mutterland, Fremde waren, die Gallien durch Eroberung aufgenötigt wurden! Die bretonische Orthodoxie ist ebenso ein Märchen wie ihre angebliche Hingabe an die fränkische Monarchie. Bis ins 16. Jahrhundert hatten Kirchenkonzile Weisung über Weisung gegen die sture Bewahrung druidischer Traditionen erlassen, mittels derer die Bretonen, offenbar dem alten gallischen Glauben treu geblieben, katholische Religionspraktiken infizierten; so hieß es in den Weisungen. Um es kurz und mit den Worten Monsieur de Maistres auszudrücken, dem zuständigen Richter auf diesem Gebiet: 'Mit dem Christentum wurde in der Bretagne der uralte druidische Stamm veredelt'. Fügen wir hinzu, dass Bretonen im 16. Jahrhundert eine große, glorreiche Rolle in der Bewegung spielten, die zu religiösen Reformen führte, denn die Liga, die verachtenswerte Partei Roms und der Fremden, hatte in diesen Gegenden auf Befehl des Duc de Mercoeur ihre übliche Wut ausgelassen. Tja, Gewalt erzeugt Gegengewalt. Ergänzen wir abschließend, dass in Nantes, einer der 2 wichtigsten bretonischen Städte, zur ewigen, ehrenvollen Erinnerung an Heinrich IV., unter dem Applaus des Volkes das gleichnamige Edikt proklamiert wurde, so wie dessen Widerruf die Erinnerung an Ludwig XIV. auf ewig mit Blut besudelte.

Die Insurrektion von 1675 beschränkte sich nicht auf Bretagne; sie erfasste die Guyenne, das Languedoc, die Saintonge und die Dauphiné. Rennes, Nantes, Bordeaux, Toulouse griffen fast am gleichen Tag zu den Waffen und gaben das Zeichen zur Revolte gegen die Herrschaft Ludwigs XIV. Die konzertanten Aktionen der Erhebung belegen ihre Relevanz. Übrigens hatten schon im Jahr zuvor die Messieurs Rohan, Latréaumont, des Préaux, die Marquise de Villars und Van den Enden26, Bürger der Republik Holland, Jünger Spinozas, ein undurchschaubarer, aber nobler Märtyrer der Humanität, ihren Plan zur Revolution in der Normandie mit dem Leben gebüßt. Rohan, ein verschuldeter Edelmann, war das Banner dieser Konspiration, ihr Arm der kühne Glücksritter Latréaumont. Die Marquise de Villars, des Préaux, schwärmerische, edle, reine Herzen, waren von den erhabenen Doktrin Van den Endens, der Seele dieses Unternehmens, verführt und mitgerissen worden. Er arbeitete auf eine Föderation der Provinzen Frankreichs hin, die, wie Sie sahen, werte Leser, im 16. Jahrhundert vom härteren, rationaleren Teil der Protestanten oft erträumt, ja gewollt wurde, nicht ohne Grund davon überzeugt, dass die Negierung der päpstlichen Macht nicht unbedingt zur Negierung der royalen Macht führen würde, vor allem, wenn sie einem Karl IX. oder einem Heinrich III. zufallen sollte. Der Wohlstand, die stets zunehmende Macht der Sieben Vereinigten Provinzen Hollands, die nach heroischen Kämpfen das Joch Philipps II. abwarfen, um diese Föderation zu bilden, das exzellente Vorbild des frühbürgerlichen England, vor allem die erniedrigende und ruinöse Willkür Ludwigs XIV., hatten in vielen Hirnen des letzten Jahrhunderts republikanische Gesinnungen erzeugt; Symptome, die noch an Bedeutung gewannen, als Ludwig XIV. Holland überfiel, verheerte, ausraubte, sodass ihr Statthalter Wilhelm von Oranien, der gnadenlose Feind des großen Königs, danach Europa gegen ihn verbündete, und den Revolten, die diesen despotischen Fürsten zu bremsen oder zu stürzen versuchten, oft moralische und materielle Hilfe leistete.

Da sich unsere Erzählung auf eine Episode der Insurrektion in der Bretagne beschränkt, lassen wir Beweisstücke zu den Erhebungen in den anderen Provinzen außer Acht. Wir werden hier nur einige Auszüge vertraulicher, unveröffentlichter Depeschen des Gouverneurs der Bretagne und anderer Amtspersonen wiedergeben, die wir, vor unserem Exil, jenem Schatz historischer Akten entnahmen, der als Grüne Bände Colberts27 bekannt ist. Er enthält die an Colbert adressierte Korrespondenz und befindet sich im Depot der Handschriften der Bibliothek Rue Richelieu. Mit Hilfe dieser Dokumente werden wir zweifelsfrei unser zuvor erstelltes Gutachten stützen, dass die Insurrektion, diese neue Jacquerie von 1675, verursacht wurde durch:

- Die Tyrannei Ludwigs XIV.;

- die Abnormität der Steuern;

- die Übergriffe und die Brutalität der Soldaten;

- die bittere, gnadenlose Gier des Adels und der Kirche.

Die neuen Steuern auf Tabak, auf Zinngeschirr und gestempeltes Papier, erhoben über Edikte, die das bretonische Parlament nicht registriert hatte, waren der Anlass zu einer Erhebung, die längst im Stillen gärte. Das Zeichen zur Insurrektion gab am 3. Mai 1675 die Stadt Nantes, und seltsam, den ersten Schrei zum Aufstand stießen 2 mutige Frauen aus, eine Konditorin und die Frau eines Schreiners. Dieses Brieffragment des Abbé Travers, eines Augenzeugen, legt in wenigen Worten die Fakten dar:

'Der Mob, voran eine Zuckerbäckerin und eine Tischlerin, der sich in diesem Jahr wegen Tabak und gestempeltem Papier in Nantes zu erheben begann, bezeigte unserem Bischof nicht die ihm gebührende Achtung. Er unternahm einiges, um die meuternden kleinen Leute zu ihren Pflichten zurückzurufen; er begab sich sogar selbst in Gefahr, als ihn das Volk in die Kapelle Saint-Yves nahe der Metzgerei sperrte und für seine Freigabe vom Gouverneur Monsieur de Molac die sofortige Entlassung einer einfachen Frau verlangte, die im Schloss inhaftiert war; der Mob drohte unseren Bischof de la Baume so zu behandeln, wie man die Eveillonne behandelt (so heißt diese Aufrührerin, eine der Urheberinnen des Chaos); man sprach, würde sie gehängt, erginge es dem Bischof ebenso… (Mai 1675)'

Monsieur de Molac, Kommandant in Nantes, rettete das Leben des Bischofs, indem er die Rebellin freiließ. Diese potente Frau hieß Michelle Roux, die man l’Éveillonne oder l’Éveillée nannte (Die Erwachte). Aus Angst vor späterer Nachstellung ergriff sie die Flucht und wurde aus Nantes verbannt, was uns der folgende Extrakt einer Depesche lehrt, die der Gouverneur der Bretagne, der Duc de Chaulnes, an Colbert schrieb:

'Rennes, 2. Juni 1675.

Monsieur, ich schicke Ihnen den Strafbefehl, den ich gegen die Frau verfügt habe, welche nun Schloss Nantes verlassen hat; obwohl sie im Grunde nicht sehr straffällig war, dachte ich, es nicht dulden zu müssen, dass sie in Nantes bleibt; weil jedoch mein Strafbefehl eine Art Verbannungsurteil ist, bin ich nicht sicher, ob ich damit meine Befugnisse überschreite; ich dachte aber, dass bei solchen Anlässen besser zu viel als zu wenig getan werden sollte, zumal der Entschluss des Königs und seine Approbation später alle Dinge richtigstellen können, etc.'

Der Depesche des Duc de Chaulnes ist folgendes Verbannungsurteil beigefügt:

'Im Auftrag des Königs,

Duc de Chaulnes, Pair28 de France sowie Vidame29 de Amiens, Ordensritter des Königs, Gouverneur und Generalleutnant im Land und im Herzogtum Bretagne und in Feldlagern und den Armeen Seiner Majestät:

Die Flucht der Michelle Roux alias l'Éveillonne zum Zeitpunkt unserer Ankunft in dieser Stadt ist ein sicheres Merkmal ihres üblen Betragens und ein Geständnis des ihr zur Last gelegten Verbrechens, in den zur Exekution der Edikte Seiner Majestät etablierten Amtsstuben jüngst Ärger und Chaos verursacht zu haben. Aus diesen und weiteren guten Gründen verbieten wir der genannten Michelle Roux, auch l'Éveillonne geheißen, auf Lebenszeit, in diese Stadt oder andere Orte dieser Provinz zurückzukehren. Falls ihre Flucht nur simuliert war, weisen wir sie an, die Stadt innerhalb von 24 Stunden zu verlassen, oder ihr droht die Festnahme sowie der Prozess gleich einer echten Aufrührerin. Damit unser aktueller Strafbefehl seine Wirkung erzielt, erklären wir all jene in unserer Provinz, die sie decken oder verbergen, für kriminell, für schuldig, und der äußersten Härte der Justiz vorbehalten. Wir bitten und beauftragen alle bevollmächtigten Richter, sowie den Vogt der Maréchaussée30 der Bretagne und seine Leutnants, beim Vollzug des aktuellen Strafbefehls zusammenzuarbeiten, welchen wir öffentlich anschlagen lassen wollen, wo immer nötig mit Fanfarenton, sodass ein jeder ihn kennt.

Verfügt zu Nantes am 30. Mai 1675.'

Die arme Éveillonne, obwohl im Grunde nicht sehr straffällig, sagte Monsieur de Chaulnes mit der Einfalt des Unrechts, wurde also verbannt, auch wenn eine Exilierung die Befugnisse des Gouverneurs überstieg, weil bei solchen Anlässen besser zu viel als zu wenig getan werden sollte. Sie war gewiss nicht schuldiger als die übergroße Mehrheit der Einwohner von Nantes, der Akteure einer Revolte, die immerhin so eindrucksvoll war, dass eine Erhebung neuer Steuern augenblicklich ausgesetzt wurde. Doch die Aufrührer hatten gedroht, den Bischof von Nantes zu erhängen, wenn man die Éveillonne nicht freiließ, was zweifellos der Grund für ihre Verbannung war. Beinahe zeitgleich mit Nantes erhob sich Rennes gegen neue Steuern, und beunruhigt über die Verärgerung im Volk, hielt es der Duc de Chaulnes für geboten, 3 Kompanien des Kronregiments in diese Stadt zu beordern, um die Aufsässigen einzuschüchtern. Aber die legitime Angst, die Aversionen der Bevölkerung gegenüber dem Militär Ludwigs XIV. waren so groß, dass bereits beim Auftauchen der royalen Truppen in Rennes die Vororte zu den Waffen stürzten und das Verhalten der Leute wurde bedrohlicher; Monsieur de Chaulnes gab den 3 Kompanien den Befehl, die Stadt zu verlassen. Dazu schrieb er an Colbert:

'Rennes, am 12. Juni 1675.

Monsieur, ich informiere Sie, dass infolge eines gewöhnlichen Präzedenzfalls Aufruhr entstand, als ich bereits daran dachte, die 3 Kompanien zurückzuschicken, damit sie sich gemäß dem mir erteilten Befehl, das Kronbataillon nicht zu teilen, wieder diesem anschließen; ohne Militär glauben der erste Präsident und Monsieur de Coëtlogon aber weder sicher zu sein, noch in meiner Abwesenheit die Büros der Steuereintreiber bewahren zu können. Der Vorfall ließ mich zögern; ich wollte nichts tun, bevor Ruhe herrscht, doch schamlos griffen die Vorstädte, die größer sind als die Stadt und voller Kanaillen, zu den Waffen; Gerüchte, dass Truppen sich von der einen oder anderen Seite nähern würden, trieben sie um; die Angst der Frauen vor der Gewalt der Soldaten sorgte für besonders große Verwirrung… Ich hörte, dass sie Ihre Leute in den Vorstädten in einen Turm und ein Stadttor sperrten, das sie bewachten; ich veranlasste, dass sich alle Kompanien der Bürgerwehr bewaffnen, was sie von ihren Posten vertrieb und die öffentliche Ruhe wiederherstellte; dann entließ ich die 3 Kompanien des Regiments. Alles blieb recht still, aber Gerüchte über Truppenankünfte, die am Abend herumgingen, sorgten in den Vororten erneut für Verwirrung, und alle ergriffen dort die Waffen. Nun sah ich mich gezwungen, Stadt und Vororte sorgfältiger zu trennen, da die Gefahr bestand, dass man Büros aufbricht und plündert, oder die Sturmglocke läutet; bislang wagte keiner, das zu tun, oder wie angekündigt, ins Palais zu gehen, um ähnliche Urteile wie in Bordeaux zu fordern 31 . Die Gerüchte ebbten gestern ab und bis 4 Uhr war alles friedlich. Wohl rief am Abend eine Frau zu den Waffen, die sagte, sie hätte Truppen die Vororte besetzen sehen, aber gegenwärtig ist es ruhig. Ich halte die Stadt unter Kontrolle und hoffe, die Gerüchte enden bald, sodass ich den guten Bürgern die schuldigen Pflichten abfordern kann. Aber seien Sie versichert, Monsieur, ihre Loyalität ist sehr begrenzt.'

(Die folgenden Zeilen der Nachricht des Monsieur de Chaulnes sind kursiv und chiffriert; ihre Deutung hat einer der Sekretäre Colberts zwischen die Zeilen geschrieben.)

'Der wahre Quell dieses Aufruhrs ist das Parlament. Neidisch auf das, was in Nantes und Guinguamp geschah, verbreiteten Leute aus dem Palais und Staatsanwälte zahllose Gerüchte in der Stadt, die der Autorität des Königs schaden; man hätte es nicht eskalieren lassen dürfen.'

'Die Lösung wäre, die Vororte dieser Stadt ganz zu zerstören; sie ist etwas brutal, aber die einzige, die mir einfällt; ich halte dies mit regulären Truppen zu tun nicht einmal für schwierig. Eine Lösung muss her; und mit den Maßnahmen, die ich noch ergreifen will, zweifle ich auch nicht am Erfolg; ohne sie wird man sich in dieser Stadt nie sicher sein können. Das erfordert nicht, dass die Truppe getrennt anrückt; ein wenig Infanterie zeitgleich mit dem Kronregiment wird genügen.'

'Da ich zudem hörte, dass sich die Bauern der Niederbretagne versammeln und meutern, sowohl wegen der Tabaksteuer als auch wegen der sich häufenden Gerüchte, man wolle dort die Gabelle32 einführen, bat ich den ersten Präsidenten, ein Urteil zu erlassen, welches das Volk von seinem Irrtum befreit.'

(Auch das Folgende der Depesche ist chiffriert.)

'Mir kam eine Idee, wie diese Zusammenrottungen verhindert und der Aufruhr in den Vororten dieser Stadt ein für alle Mal beendet werden kann: Ich gab bekannt, von Ihnen einen Brief bekommen zu haben, in dem Sie mir mitteilen, Monsieur, dass der König den Ort und den Termin einer Ständeversammlung zu wählen mir überlässt; sogleich entschied ich mich, anstelle des Königs, für Dinan, und nannte einen Termin in 5 Wochen. Ich kann Ihnen den günstigen Effekt dieser Meldung gar nicht beschreiben, und erhoffe diesen umso mehr auf dem Land, da in Erwartung der Stände die Gemüter abkühlen werden; und weil mein Vorstoß keinerlei Folgen hat und man nun vertagen und den Ort ändern kann, wie es Seiner Majestät belieben, ist mir sehr daran gelegen, dass Sie und Monsieur de Pomponne mich nicht verleugnen, wenn darüber gesprochen wird.'

Ein dreist erlogenes Versprechen war die Lösung des Monsieur de Chaulnes; seine Lüge, die Stände der Bretagne in Kürze und an einem bestimmten Ort einzuberufen, sollte die Insurrektion beilegen, denn sie ließ das Volk hoffen, dass das Parlament die Registrierung der Erlasse verweigern würde; und während dieser Art Waffenruhe zog Monsieur de Chaulnes diverse Truppen zusammen, genug, um die Vororte vollständig zu zerstören; die 'etwas brutale, aber einzige' Lösung, die dem Gouverneur einfiel; und dann die bezeichnenden Worte, dass die Loyalität der Bürgermiliz sehr begrenzt, dass der wahre Quell des Aufruhrs das Parlament gewesen sei.

Monsieur Duc de Chaulnes gab Colbert, in einer Depesche vom 13. Juni, weitere Details bekannt:

'Monsieur, ich habe erfahren, dass abends in den Vororten die Trommeln geschlagen wurden, dass einige Kompanien zu den Waffen gegriffen, aber nichts getan hätten als herumzulaufen und dass wieder davon geredet wird, ins Parlament zu gehen. Morgen sehen wir, ob diese Hinweise begründet waren.'

(Die folgenden Zeilen sind chiffriert.)

'Sehr wahr ist, dass das Parlament die ganze Revolte anführt. Nach außen ist die Ruhe wiederhergestellt, doch man rät dem Volk, sich nicht ganz zu entwaffnen, und es sei notwendig, ins Parlament zu gehen, um den Widerruf der Erlasse zu fordern, vorzüglich den, der das Stempelpapier betrifft; und ob Staatsanwälte oder Präsidenten à mortier33, die Mehrheit bekämpft die Autorität des Königs. Das ist die reine Wahrheit, und man muss kein Genie sein, um das zu erkennen.'

'Ich halte die Stadt, sprich, die guten Bürger in der Pflicht und ringe ihnen die Unterstützung ab, die man von solchen Leuten erwarten kann. Aber diese Klasse verzichtet nicht auf Gewalt, widersetzt sich demzufolge auch der Macht des Königs, solange die Vororte Waffen tragen und die Straßen kontrollieren…'

Wir sagten es bereits: Die Willkür Ludwigs XIV. war so abartig, so unerträglich geworden, dass Parlamentarier (nach heutigem Maßstab kaum Revolutionäre), ob Staatsanwalt oder Präsident à mortier, die königliche Macht befehdeten sowie mit erhitzten Vorstädtern konspirierten; der Aufruhr, alles andere als sich zu legen, verdoppelte seine Intensität, wie aus einer weiteren Depesche des Monsieur de Chaulnes an Colbert hervorgeht:

'Die Furcht vor Truppen dient nur als Vorwand, um sich nicht vollständig zu entwaffnen; im Kern geht es um die Aufhebung der Edikte. Es ist nicht die Tabaksteuer, die das Volk umtreibt und für mehr Lärm sorgt, sondern die das gestempelte Papier betreffende, was dafür spricht, dass das simple Volk nicht von sich aus handelt. Bislang wagte niemand, vom Parlament den Widerruf der Edikte zu fordern, aber wie es jetzt heißt, würde man eine Aussetzung bis zum Ständerat verlangen.'

'Nachdem ich den Fortgang der Revolte stoppen konnte, ohne ernstere Schritte unternehmen zu müssen, bin ich bemüht, die Menschen durch Milde zurückzugewinnen…' Und kodiert fügt Monsieur de Chaulnes hinzu: 'Um nicht von Truppen und Vergeltung zu reden, was die letzte Option wäre. In der aktuellen Lage ist das für mich der entscheidende Punkt, und ich denke, Sie stimmen mir zu: Man sollte abwarten, was die Feinde tun.'

'Wir erfuhren soeben vom Bankrott eines der besten Bankiers von Vannes, der viele Leute ruinieren wird. Der Bankier heißt Régnard.' Und chiffriert: 'Ich verstehe solches Unglück für die Bauern der Provinz sehr wohl. Sie hatten mir etwas Geld vorgestreckt, etwa 15.000 Livres, um es für aktuelle Geschäfte zu nutzen. Sie teilten mir gerade mit, dass sie außerstande seien, auch nur 1 Sou zu bezahlen. Und Monsieur Präsident gedenkt 100.000 Écu für sich und seine Freunde abzuheben. Wenn wir sie auf dieses Vorbild hinweisen, sollten sie bald Ruhe geben.'

'Es ist eine Tatsache, Monsieur, dass es in der Bretagne kaum noch Geld gibt; man glaubt, dass der Handel nicht mehr als 1 Million umsetzt. Die Bauernrevolte bei Châteaulin hält an. Ich gab überallhin die Befehle, die ich für notwendig hielt, um die Revolte zu stoppen. Es ist das armseligste Volk in der Provinz. Ich bin ganz der Ihre, Monsieur.

Der Duc de Chaulnes.'

Die wichtigsten Aussagen dieser Depesche dürften Ihnen nicht entgangen sein, liebe Leser, welche waren:

- Die Revolte war so bedrohlich, dass man es vorerst unterließ, von Truppen oder Vergeltung zu reden;

- Elend, Insolvenzen und Geldmangel in der Bretagne machten es fast unmöglich, vom Volk Steuern zu kassieren;

- die Insurrektion begann auf dem Land, weil das Landvolk das ärmste Volk der Provinz war.

Dass die Regierung Ludwigs XIV., wie Sie später lesen werden, liebe Leser, mit gutem Recht Geheimkontakte der Rebellen zur Republik Holland fürchten musste, deren Flotte im Ärmelkanal kreuzte, welche, wir sagten es oben, der Revolte moralisch und materiell beistehen konnte, machte die Lage umso ernster.

'Würden Feinde an unserer Küste erscheinen,' schrieb der Duc de Chaulnes am 27. August 1675 in einer anderen Depesche an Colbert, 'könnten Nachrichten zum Fortschritt des Aufstandes sie veranlassen, dort zu intervenieren; man kann sogar damit rechnen, dass Waffenlärm, der nur für Rennes bestimmt war, in der Niederbretagne böse Folgen zeitigen würde. Ich glaube also, Monsieur, (in Chiffre) dass ein Aufschub der Bestrafung absolut notwendig ist…'

Die Bedenken des Monsieur de Chaulnes wegen der Schiffe der Republik Holland waren begründet, wie die folgende Depesche des Marquis de Lavardin, Kommandant des Königs in Nantes, an Colbert zeigt. Wir geben diesen Brief in voller Länge wieder, weil er ein originelles Denken offenbart und weil sein Autor einer der geistreichsten Männer seiner Zeit war.

'Nantes, 31. August 1675.

Monsieur, ich habe Kenntnis von 7 holländischen Fregatten in Saint-Sebastien, bereit, um in See zu stechen und vor unseren Küsten zu kreuzen, und aus Saint-Malo meldete man mir zum 27., dass die von Ruyters kommandierte Kriegsmarine an der Küste auftauchte. Den Brief, mit dem Sie mich beehrten, habe ich erhalten. Da es Ihnen nicht zusagt, ganz offen gewarnt zu werden, will ich mir diese Freiheit nicht länger nehmen; denn wenn ich mit de Narp einen Beschützer an seinen Richter ausliefere, würde ich meinem Ruf doch mehr schaden als seinem; Villebagne verhalf ihm zu der Anstellung, als er ihn Monsieur de Coëtlogon empfahl, der damals nicht erkannte, dass er seine Wahl gegen die eines Generalleutnants abwog, der sich nie täuschte: Monsieur de Léon handelte nur nach den Memoiren Monsieur de Seuils, der sich auf seine Freunde verließ. Ich erwähne das Ihnen gegenüber nie wieder; sehr erfreut darüber, weder ein Unrecht zu begehen noch meine Hände besudeln zu müssen, werde ich schamlos zulassen, dass man Unglückliche malträtiert; und ich wäre unendlich froh, Monsieur, hätte ich das Pech, Ihnen zu missfallen, da ich nichts mehr wünsche als die Ehre Ihrer Protektion und Ihres Wohlwollens; und um Ihnen meine Untertänigkeit zu signalisieren, verbleibe ich trotz der Abneigung, die Sie mir bezeigen mögen, Monsieur, als Ihr ergebener und gehorsamer Diener.

Lavardin.'

Könnte man Hochmut noch demütiger ausdrücken? Man spürt förmlich, wie der adlige Herr in dieser Depesche seinen Vorgesetzten anredet: Monsieur Colbert! Die Person, um die es geht, Monsieur de Narp, Registrator der Küstenmarine, machte sich durch seinen Gebührenwucher verhasst; aber in dieser elenden Epoche waren Wucher und Gewalt allgegenwärtig. Wir werden nun durch die folgenden Texte beweisen, dass die Aversion der Bretonen gegen ihre Priester, ein ausschlaggebendes Motiv der Insurrektion, ihre Ursache in der unstillbaren Habgier des Klerus hatte. Hier ein bizarrer Beweis; wir würden komisch sagen, hätten Gewalt und klerikale Exzesse nicht Ströme von Blut vergossen: Ein Bischof hatte seinen Zehnten einem Sieur Régnard verkauft, wartete vergeblich auf sein Geld und überlegte, wie er den Schuldner zum Zahlen bringen konnte. Wie?… Urteilen Sie selbst, werte Leser, anhand dieses Auszugs einer Depesche von Monsieur de Chaulnes an Colbert vom 17. Juni 1675:

'Der Bankrott in Vannes stimmt so nicht; hier die Fakten: Der Bischof verkaufte 35 Fässer Roggen des Zehnten an Sieur Régnard, drängte auf Bezahlung, und da Régnard sie nicht, wie gewünscht, prompt leistete, nahm der Bischof eine episkopale Zwangsvollstreckung vor, von der man noch nie gehört hatte, und schickte ihm Priester, die bis zur vollständigen Bezahlung bei ihm wohnen sollten. Weil man Priester respektieren musste, der besagte Régnard es aber satt hatte, diese Menschen zu sehen und durchzufüttern, floh er aus Furcht arretiert zu werden. Er blieb in der Provinz, zog sich in die Region um Nantes zurück, wo er begann, seine Gläubiger in Bar oder Assignaten zu bezahlen, oder ihnen die Waren zurückschickte, die er noch nicht verkauft hatte, etc.

Der Duc de Chaulnes.'

Was der Duc de Chaulnes als episkopale Zwangsvollstreckung bezeichnete, machte aus den Abgesandten des Herrn Soldaten, Recors34; auf Befehl ihres Bischofs wurden sie zu Garnisaires35. Wir wiederholen: Dies böte den Stoff zu einer echten Komödie, wäre die durch solche Schandtaten provozierte öffentliche Empörung nicht in einen blutigen und katastrophalen Bürgerkrieg ausgeartet. Die Insurrektion der Bauern wurde von Tag zu Tag heftiger. Man begann die Edelleute anzugreifen, und Monsieur de Guémadeuc, der Bischof von Saint-Malo, schrieb persönlich an Colbert (21. Juni 1675):

'Auch in der Niederbretagne gab es einigen Ärger, er beruhigt sich jetzt; übel ist jedoch, dass eine Person wie der Marquis de la Coste, der den König vertritt, vom hiesigen Pöbel attackiert und verwundet wurde. Vielleicht sollte Monsieur de Chaulnes, während er seine Generalstände erwartet, eine kleine Reise in diese Gegend machen, um hier Ruhe und Frieden der Bevölkerung wiederherzustellen…'

Monsieur de Chaulnes schrieb am 29. Juni 1675 an Colbert:

'Seit dem 8. des Monats sind die Gemeinden uneins wegen der Revolte, ebenso die Bürger von Quimper; doch sie hören nicht auf, lautstark zu meckern, sogar über ihre Pfarrer, die sie des Verrats bezichtigen. Monsieur Marquis de la Roche, der Statthalter von Quimper, schrieb mir, dass am 23. mehrere Dörfer ohne ein Alarmsignal zusammenströmten und das Haus eines schwer verwundeten Adligen angriffen; dass sie anschließend aus einem Büro gestempeltes Papier raubten; der momentane Stein des Anstoßes ihrer Revolte; er riet mir in Anbetracht der Not dieser Leute die Folgen ihrer Wut und Brutalität sorgsam zu bedenken und bat mich, weil eine solche Nachricht unnötig Alarm schlagen würde, künftig davon abzusehen, mich an ihn zu wenden, denn ich sei nicht in der Lage, diese Menschen mit Waffengewalt zu bändigen; und dass, wie es während meiner Abwesenheit in dieser Stadt geschah, alle Neuigkeiten aus der Niederbretagne üble Effekte haben könnten. Ich werde jedoch mit allem, was denkbar ist, versuchen, diese Cornouailles36 zu beruhigen und ihnen Hoffnung auf eine baldige Erleichterung durch die Stände zu machen. Was die Gemüter in diesem Jahr wegen der Steuer, voran die auf Stempelpapier, erregt, ist die Gewissheit, dass eine solche in der Bretagne fehlt und dass sie mehr Geld bringt, während das Volk Not leidet. Dafür spricht auch, dass sich das Landvolk diesem Edikt seit Monaten nicht widersetzt hat. Ich bin ganz der Ihre.

Der Duc de Chaulnes.'

War das nicht deutlich? Der Gouverneur der Bretagne, der von Natur aus wie alle Beamten dazu neigte, die Teile der Wahrheit zu kaschieren, die dem Herrn missfallen mochten, gibt zu, dass eine quälende Not das Volk zum Äußersten treibt, dass Geld in der Bretagne fehlt, dass schließlich der Zorn des Volkes so groß ist, dass man nicht wie bisher hoffen sollte, die Aufständischen mit Gewalt disziplinieren zu können, doch dass man sie mittels eines unwürdigen Tricks, indem man ihnen durch das erlogene Treffen der Stände des bretonischen Parlaments Hoffnung auf baldige Erleichterung macht, besänftigen würde. Wie es jedoch gewöhnlich der Fall ist, kannten die in Versailles residierenden Minister Letellier und sein Sohn, der starre Louvois, die wahre Stimmungs- und Sachlage nicht und befahlen dem Gouverneur der Bretagne, die Kanaille zu bestrafen… Chaulnes antwortete:

'Rennes, 30. Juni 1675.

Gestern traf Monsieur Letelliers versiegelter Brief bei mir ein, mit dem Befehl Seiner Majestät, in der Normandie die Bogenschützen zu sammeln, um sie in diese Provinz zu verlegen und den Aufstand zu bestrafen; Monsieur de Louvois teilt mir mit, dass ich die Schützen zurückschicken kann, wenn ich sie nicht benötige. Sollte man diesen Befehl ausführen, hätten wir nach der vorläufigen Ruhe in der Stadt ein noch größeres Chaos zu gewärtigen als das vorige; und die erste Nachricht vom Sammeln jener Bogenschützen in der Normandie könnte nicht nur zu einem neuen Aufruhr in dieser Stadt, sondern dazu führen, dass sich das ganze Land erhebt.'

'Im Bistum Quimper versammeln sich die Bauern täglich, und ihre ganze Wut gilt nun den Edelleuten, von denen sie schlecht behandelt wurden. Es ist eine Tatsache, dass der Adel mit den Bauern sehr hart verfahren ist. Jetzt rächen sie sich dafür; sie haben bereits 5 oder 6 Gräueltaten verübt, Adlige verwundet, ihre Häuser geplündert, einige sogar niedergebrannt. Letzten Informationen zufolge waren sie meistens bewaffnet. Deshalb sollte ich per Express über alle Besonderheiten benachrichtigt werden, derentwegen man Maßnahmen ergreifen kann…

Der Duc de Chaulnes.'

Wieder plaudert Monsieur de Chaulnes ein Bekenntnis aus: Es ist eine Tatsache, dass der Adel mit den Bauern sehr hart verfahren ist. Dieses Bekenntnis berechtigter Klagen bretonischer Vasallen über Adel und Klerus, wir werden es sehen, mehrmals und verschärft, in einer Serie von Briefen des Duc de Chaulnes, des Bischofs von Saint-Malo und des Marquis de Lavardin. Wir zitieren ohne Kommentar:

'Monsieur, ich hörte, dass sich das Volk, das dort bei Quimper rebelliert, nach meinem Brief wiederholt zusammenrottet und mit viel Gewalt gegen Adlige vorgeht, über deren Behandlung es sich beklagt. Wenn das so weitergeht, werde ich nach Port-Louis reisen, um zu sehen, wie man da Abhilfe schaffen kann.' (Depesche des Monsieur de Chaulnes, Rennes, 1. Juli 1675)

'Wie ich Ihnen zuletzt schriftlich mitteilte, dauern die Revolten im Bistum Quimper an, wendet sich das Volk, stets bewaffnet, gegen den Adel, der es seit Langem unrecht behandelt, das ist wahr. Morgen werde ich nach Port-Louis reisen; von dort aus könnte ich einem Übel, das umso schwerer auszumerzen ist, je länger es anhält, schneller begegnen. Ich tat vor meiner Reise alles was half, diese brutalen, grausamen, inhumanen Geister zur Vernunft zu bringen. Sie haben bei diversen Aktionen ihre Gesinnung offenbart, über Irrglauben und Priesterverachtung hinaus Schandtaten verübt, die sogar bei den Barbaren kaum noch Anwendung fanden…' (Depesche des Monsieur de Chaulnes, Rennes, 3. Juli 1675)

'Da Monsieur de Chaulnes die Ruhe in Rennes für hinreichend wiederhergestellt glaubte, reiste er in die Niederbretagne und wird heute in Port-Louis eintreffen. An mehreren Orten in der Gegend von Quimper-Corentin sammeln sich die Bauern noch immer, haben diese Stadt sogar bedroht. Offenbar richtet sich ihr Zorn mehr gegen den Adel als gegen die royale Gewalt. So manchen der Stockschläge, die sie erhielten, haben sie zurückgegeben; zudem diese raue Sitte, die wir 'Usement de Broërek' nennen, die den Bauern das Erbrecht für Vermögen verwehrt, und für Rückstände aus diesen domaines congéables37 Schuldscheine ausstellt. Unruhen gab es nur im Bistum Cornouailles und sehr wenige im Bistum Leon. Das Volk von Guéméné verübte einige recht erhebliche Gewalttaten; Madame de Rohans Städte hielten sich bislang an die Regeln.' (Depesche des Monsieur de Lavardin, Nantes, 5. Juli 1675)

'Vorgestern hier eingetroffen, habe ich meine Reise nach Port-Louis verschoben, um mit meinem Besuch in dieser Stadt dem Volk mehr Vertrauen zu bekunden; es wäre aber falsch zu behaupten, die Leute würden den erwarteten Gehorsam zeigen; so entrüstet sie über die Erlasse sind, so entschlossen sind sie, das Joch des Adels abzuwerfen, um sich von jenen zu befreien, die ihnen Lasten aufbürden und die Macht hätten sie ihnen zu erleichtern. Hier braucht man Truppen, keine Bogenschützen, und nichts tun scheint kein erfolgversprechender Weg zu sein. Im Zuge ihrer Beruhigung verbrannten sie eine Schrift, die sie den Bauerncodex nannten, ein Regelwerk in ihrem Sinne, das in etwa enthielt, was Sie in meiner Sendung, wenn auch nicht in dieser ungehörigen Form lesen werden 38 ; urteilen Sie dann über die Gewaltbereitschaft jener, in deren Sprache das Wort Revolte kein krimineller Begriff ist.'

'Ich höre eben, dass es bei Landernau und Carhaix zu einigen Tumulten kam, aber noch waren das nur Gerüchte. Monsieur de Seuil wird Ihnen einen korrekteren Bericht geben können.' (Depesche des Monsieur de Chaulnes, Hennebon, 9. Juli 1675)

'Ich teilte Ihnen zuvor mit, dass ich am Tag meiner Ankunft in Hennebon eine Gemeinde besuchte, die sich am Morgen gegen ihre Herrschaft und ihre Priester aufgelehnt hatte.'

'Da ich mich jeder Art von Leuten bediene, um dieses Volk zur Vernunft zu bringen und zu hören, was sie wirklich umtreibt, warb ich die Jesuitenpater von Quimper für diese Mission an. Der bei den Bauern sehr geachtete Pater Lefort berichtete mir eben, dass, als er mehrere Tage auf dem Land zubrachte, ihm dort erzählt wurde, man glaube verhext und in teuflische Wut versetzt worden zu sein; dass man sich seiner Vergehen wohl bewusst sei, die Notlage aber einige dazu getrieben hätte, sich zu bewaffnen. Die Lasten, die ihnen ihre Herrn aufbürden, die schändliche Behandlung, die sie von ihnen erfuhren, das Geld, um das man sie betrog, für die Arbeit, die sie unaufhörlich auf ihrem Land verrichten mussten, ohne dass ihnen jemals mehr Achtung zuteil wurde als den Gäulen… angesichts dessen können sie nicht anders, als dieses Joch abzuwerfen; auch hätten Gerüchte über die Einführung der Gabelle39 und der Anschlag des Edikts zum Tabak, den sie nicht entbehren, sich aber jetzt nicht mehr leisten können, viel zu ihrem Aufruhr beigetragen. Der Pater berichtete mir tausende inhumane Taten, die sie an ihren Grundherren verübten, so an einem, der nach zahllosen Schlägen an den Haaren aus der Kirche geschleift wurde.'

'Pater Lefort ergänzt, dass andere meiner Ankunft mit Furcht entgegensahen und gefragt haben, ob ich sie bestrafen würde, und ob diejenigen, die gezwungen wurden, sich zu bewaffnen und keine Verbrechen verübt haben, wenigstens vom Rest unterschieden würden; dass annähernd 40 Gemeinden, also 18-20.000 Mann die Waffen ergriffen haben, von denen 2 Drittel mit Musketen oder Gewehren, andere mit Sensen, Mistgabeln und Hellebarden bewaffnet sind; dass Adlige, bewacht, damit sie nicht fliehen, in Bauernkleidern an der Spitze ihrer Rotten marschieren mussten; und dass sie vor ein paar Tagen, nachdem sie einer dieser Hauptleute mit falschem Alarm von einer beabsichtigten Plünderung abgehalten hatte, diesen zu erhängen und zu erwürgen drohten; sie hätten das getan, weil aber andere sagten, dass man solche Hauptleute nicht mehr finden würde, begnügten sie sich mit einer ansehnlichen Geldbuße.'

'Nachdem ich Monsieur über den aktuellen Stand der Proteste informiert habe, die sich, wie von den meisten Gemeinden beschlossen, scheinbar beruhigen, sage ich Ihnen: Sicher ist nur, dass es keine Gewähr gibt; statt dessen ist zu befürchten, dass sie die Enttäuschung zu noch übleren Exzessen treiben würde, sollten die Stände ihre lachhaften Forderungen zurückweisen. Daher wage ich Ihnen zu sagen, was mir mein Gefühl eingibt, Monsieur: Es ist notwendig, sie vor dem Treffen zu bestrafen.'

'Nach dieser Offenbarung zum Thema Strafe muss ich Ihnen 2 Dinge vor Augen führen: Zuerst, dass wenigstens 1.500 Mann Infanterie und 300 oder 400 Dragoner erforderlich sind, weil das Land bei Quimper sehr überwuchert ist und von zahllosen Gräben durchzogen wird, sodass normale Kavallerie, die dort nicht absitzen kann, ineffektiv wäre; ich dürfte in der Provinz einige finden, die den Dragonern helfen würden. Bei der Zahl der Rebellen, der Abgeschiedenheit des Bistums Quimper und des Geländes, wo man unbedingt Infanterie braucht, müssten es mindestens 2 Regimenter sein.'

'Die zweite Sache ist, Monsieur, dass Truppen bezahlt werden müssen, denn es gibt derzeit keinen Ort, wo sie auf Kosten der Rebellen leben könnten; und die Dörfer sind nicht wie im Rest von Frankreich, in keinem stehen Häuser nah beieinander; es gibt Gemeinden, die sich über 6-7 Meilen erstrecken, in denen alle Häuser zu zweit, zu dritt in abgelegenem und von Gräben durchzogenem Terrain stehen; kein Reiter oder Soldat könnte dort sicher sein.'

'P. S. Der Brief ist beendet, doch ich vernahm ein Gerücht aus dem Bistum Leon, wonach Leute drohen, 2 oder 3 Häuser von Adligen abzubrennen, die diese Leute dort über Jahre für sich hatten arbeiten lassen. Ich warte auf gesicherte Nachrichten.'

'Monsieur de Beaumont trifft soeben aus dem Bistum Léon ein und berichtet, dass eines der Schlösser, die ich oben erwähnte, dem Marquis de Trésigny gehört.' (2 Depeschen des Monsieur de Chaulnes, Port-Louis, 11. und 13. Juli 1675)

'Monsieur, ich erhielt seit der Abreise Monsieur de Beaumonts sehr unerfreuliche Nachrichten aus dem Bistum Quimper; der dort verantwortliche Marquis de Nevet teilt mir mit, dass sich das Volk aufs Neue bewaffnet, um Quimper anzugreifen; dass er erlebte, wie sich in den Köpfen der Menschen plötzlich eine deutliche Wende vollzog, die er der Rückkehr der Vagabunden zuschreibt, die das Schloss Guergouët plünderten, wobei Sieur de Beaumont Zeuge war, und dass er ihre Raserei nicht mehr stoppen könne. Ohne meine Präsenz hier hätte diese Rebellion schon die Oberbretagne erfasst. Ich sende Monsieur Le Tellier alle Schreiben, die ich von Monsieur de Nevet erhielt, damit er versteht, dass andere Truppen erforderlich sind, keine Bogenschützen, um die Unverfrorenheit dieser Leute zu ahnden.'

'Ich war gestern sogar der Meinung, Monsieur, dass mehrere Gemeinden einfach hierher kommen und ihre Klagen über die schlechte Behandlung, die sie vom Adel und von den Priestern erfuhren, vorbringen sollten. Es gibt auch einige Rebellen, die sie Schriften unterzeichnen lassen, um sich von ihren Übeln zu befreien, die sehr groß sind, das ist wahr; nach meiner Kenntnis gibt es keinen Grundeigentümer, der seine Einkünfte nicht durch eine außerordentliche Besteuerung des Volkes um mehr als 1 Drittel vergrößert hätte.' (Depesche des Duc de Chaulnes, Port-Louis, 17. Juli 1675)

Monsieur du Guémadeuc, Bischof von Saint-Malo, erhärtet die genannten Fakten in dieser Depesche an Colbert:

'Saint-Jean des Prés, 23. Juli 1675.

Monsieur, seitdem ich Rennes verließ, und nur in Gesellschaft des Duc de Chaulnes, den ich auf seiner Reise nach Port-Louis bis Ploërmel begleiten sollte, versagte ich mir die Ehre, Ihnen zu schreiben, denn ich wusste, dass er Sie hinlänglich über die Gründe informiert hatte, die ihn am Ende nötigten, Rennes zu verlassen, um mit der Niederbretagne in Kontakt zu kommen, wo das von Bauern verursachte Chaos anhält.'

'Als ich am letzten Sonntag eintraf, war ich überrascht zu hören, dass sich Madame Duchesse de Rohan und Monsieur und Madame de Coëtquen in dem kleinen, nur 20 Schritte von hier entfernten Örtchen Josselin aufhalten, das Madame de Rohan gehört, ebenso ein altes Schloss dort. Sie haben nun Probleme, nach Pontivy weiterzukommen, einem anderen kleineren Ort, 6 Meilen von hier, Hauptsitz des Herzogtums von Madame de Rohan; ursprünglich wollte sie da eine Weile bleiben, denn sie wurde einige Tage zuvor gewarnt, dass Bauern der Nachbardörfer jenes Pontivy gedroht hatten, Sonntag und gestern, an einem Feiertag, zu kommen, um das Haus auszuplündern und niederzubrennen.'

'Fast der gesamte Adel der Niederbretagne sowie der näheren Umgebung verlässt seine Landhäuser, zieht sich in die Hauptstädte zurück, trägt fort, was er an wertvollen Möbeln besitzt, auch alle seine Papiere, um zu vereiteln, dass sie geraubt oder verbrannt werden, wie in Schloss Kogoët geschehen, einer der stärksten Burgen der Niederbretagne.'

'Alle Schlösser beherrscht die Furcht vor Zusammenrottungen der Bauern und ihren Gräueln, die sie in Städten und auf dem Land an Privatpersonen verüben, insbesondere des Adels und sogar der Kirche, der sie, wie es scheint, keinen Glauben mehr schenken wie einst; alle Edelleute und Geistlichen müssen sich per Unterschrift verpflichten, von nun an weder Pachten noch Zehnten von ihnen zu verlangen. Monsieur, bedenken Sie nur, wohin diese armen Elenden ihre eigene Verblendung führt, ja welche Strafe ihnen früher oder später drohen wird, etc.'

'Alles Landvolk, alle Bauern revoltieren, ermorden Edelleute; hätte der Adel Hilfstruppen, wäre dieser Kanaille leichter beizukommen; ohne Militär wird sie sicher nicht zu zähmen sein, denn beruhigt man die einen hier, revoltieren die anderen da. Monsieur, urteilen Sie selbst, in welcher Misere sich Monsieur de Chaulnes aktuell in Port-Louis befinden könnte, sollten ihm Truppen fehlen, um in der Niederbretagne die Rebellen zu bestrafen, während in der Oberbretagne seine Gattin dem Zorn des Volkes von Rennes ausgesetzt ist.'

'Monsieur, ich selbst entschloss mich vor 8 bis 10 Tagen, einen Missionar meines Seminars unter dem Vorwand, seine Eltern bei Saint-Pol de Léon zu besuchen, bis Port-Louis zu Monsieur de Chaulnes zu beordern; er durchquerte die gesamte Niederbretagne, sprach, anstelle der Priester, denen man nicht mehr glaubt, und, weil er in der Niederbretagne geboren wurde, im Heimatdialekt mit den Bauern und versuchte, dezent und einfühlsam, die aufsässigen Gemeinden zu mäßigen, damit deren Gesandte Monsieur de Chaulnes aufsuchen, um, durch ihn als Vermittler, die Milde des Königs zu erflehen und dadurch ihre Begnadigung zu erwirken.'

Und nun fragen wir den Leser, ob dieses Depeschen-Ensemble, ob die Zitate eines Gouverneurs, eines Kommandanten des Königs und eines Bischofs, hoher Herren, die für kleine Leute nie Partei ergriffen hätten, nicht belegen, dass die schlimme Rache der neuen Jacques de Bretagne dieselben Gründe hatte wie die große Jacquerie des 14. Jahrhunderts, also brutale Behandlung und überzogene Forderungen, die der Adel und der Klerus den Bauern zumuteten? Wen wundert es da, wenn halb wildes, verachtetes, unter Armut und Gewalt leidendes, mit dem Knüppel geführtes, kaum wie Vieh behandeltes Volk endlich eines Tages im Taumel der Verzweiflung gegen eine jahrhundertelange Unterdrückung aufbegehrt und gewillt, ein unerträgliches Joch zu brechen, Hieb für Hieb, Gräuel für Gräuel diesen Priestern und Herren zurückzahlt, die sich hoher Ränge erfreuen, die erhellt, durch Bildung verfeinert, in Luxus leben und doch nur bedacht sind, diesen auf widerwärtige Art zu vermehren, indem sie, um den Gewinn ihrer herrschaftlichen Güter zu verdreifachen, den Vasallen immense Taxen aufbürden, und so die Unglücklichen zu schaurigen Extremen treiben. Schließlich, und beachten Sie, liebe Leser, den wichtigen Unterschied zwischen der Jacquerie des 14. Jahrhunderts und jener des 17. Jahrhunderts in der Bretagne: Die Bauern, ein erheblicher Fortschritt, suchen den Weg des Vergleichs, bevor sie ihre Waffen ergreifen. Sie formulieren ihre Beschwerden, regeln ihre Interessen im Bauerncodex, und präsentieren ihn den Lehnsherren zur Akzeptanz… Verächtlich lehnen diese den Vergleich ab; also erklären die Bauern die Gewalt zum letzten Rechtsmittel der Unterdrückten.

Unsere Aussage zu Anfang dieser Einführung, dass 1675 neben der Bretagne auch die Guyenne, das Languedoc, die Saintonge und die Dauphiné rebellierten, folgte der historischen Realität. Diese Rebellionen, an denen mit den Parlamentariern auch das Bürgertum mehr oder weniger direkt beteiligt war, hatten ihre Ursachen in der Willkür des Königs, den überzogenen Steuern, der allgemeinen Not, der üblen Behandlung der Vasallen durch Adel und Klerus, den Übergriffen und Raubzügen des Militärs. Letzteres ist noch zu klären, und es gibt sehr viele Belege. Doch vorher werden wir, der Vollständigkeit halber, einige Brieffragmente zum Aufstand in Bordeaux zitieren, der fast zur gleichen Zeit wie der in der Bretagne begann. Elend, Enttäuschung und Verbitterung hatten bald ganz Frankreich erfasst.

Monsieur de Sève, Verwalter der Guyenne, schrieb an Colbert:

'Bordeaux, 17. Juni 1675.

Nach dem großen Aufstand schienen sich in der letzten Woche die Gemüter der Handwerker in Bordeaux beruhigt zu haben; jetzt erlebe ich sie wieder etwas nervöser. Nachdem ich genau die Ursache ermittelt und dazu mit einigen Anführern geredet habe, bin ich überzeugt, dass es Anwälte, Beamte und Notare sind, die immer wieder dieses Feuer schüren. Die Bayles 40 , die Syndizi der Handwerker und Arbeiter, am lautesten während der letzten Unruhen, schienen besser aufgelegt, und alle Leute spürten das; es wäre ein großer Erfolg gewesen, den Rest der Provinz davon abzubringen, eine Annullierung der Erlasse zu fordern, aber über Nacht schwanden diese guten Aussichten… Umso ärgerlicher finde ich es, Monsieur, dass die Bourgeoisie nicht besser gelaunt zu sein scheint als das Volk.'

'Ich sollte Ihnen nicht verschweigen, Monsieur, dass man sehr dreiste Reden hielt und die frühere Herrschaft der Engländer mit der des Königs verglich; würden die Holländer diese Lage ausnutzen und in der Guyenne, wo ihre Glaubensbrüder zahlreich sind, eine Landung versuchen, hätten wir großen Ärger.'

'Nachdem ich Ihnen über den Zustand der Stadt Bordeaux berichtet habe, bin ich verpflichtet, Ihnen mitzuteilen, dass auch die Leute in Périgueux zu drohen beginnen. In vielen Orten im Périgord haben Steuerbeamte ihre Funktion niedergelegt, um sich nicht dem Hass der Leute auszusetzen; es wird schwierig sein, Ersatz für sie zu finden. Zur gleichen Zeit erfahre ich aus Bergerac, dass die Bürger lautstark verlangen, sich derselben Steuerbefreiungen erfreuen zu dürfen wie die Einwohner von Bordeaux. Bisher waren das nur Gerüchte, Monsieur, doch es könnte zu Aufruhr kommen, und ich fürchte, dass das Beispiel in einigen Städten der Provinz Schule machen wird.'

'Die Nachricht von dem Aufruhr in Rennes, die sich gestern in Bordeaux verbreitete, hatte einen sehr ungünstigen Effekt. Ich werde Sie über alles, was geschieht, akkurat informieren, und diese Stadt nicht verlassen, außer der Dienst am König würde mich dringend woanders benötigen.'

'Es ist nie zu früh, dem Übel vorzubeugen, zu verhindern, dass es sich entlang der Garonne ausbreitet. Weil die Stimmung im Volk in anderen Gegenden nicht besser sein wird als hier, gab Maréchal d'Albret, nach Erhalt dieser Nachricht, sogleich den nötigen Befehl, um je 1 Kompanie leichte Reiter und Dragoner nach La Réole in Marsch zu setzen. Wir vereinbarten, dass ich mich übermorgen frühzeitig dahin begebe, um mich öffentlich zu zeigen, ohne noch meine Absichten zu verraten. Das ist gerade bei diesen Treffen wichtig, weil der ständige Kontakt der Städte am Fluss zu Bordeaux und die den Bootsführern eigene Frechheit es erfordern, dass ihnen eine Bestrafung prophezeit wird, die ihnen näher geht als die von Bigorre oder Bergerac, die nichts genützt haben.'

Wir werden diese Briefzitate um ein recht seltsames Dokument erweitern, das die Art und Weise beschreibt, wie die Strafjustiz während der Regentschaft des Großen Königs verwaltet wurde. Laubardemont, an den man sich mit Schrecken erinnert, hätte in der Tat nicht mehr Zynismus im Unrecht bekunden können, als dies Monsieur Daulède, der erste Präsident des Parlaments von Bordeaux, in dieser Depesche tat. Das Parlament hatte aus Furcht wegen der Tragweite des Aufstands die Erhebung neuer Steuern ausgesetzt; später aber, unterstützt durch eine erhebliche Streitmacht, führte es die Besteuerung fort, und griff gegen die Aufrührer nicht nur mit letzter Härte durch, sondern klagte sie mit einer scheußlichen Voreingenommenheit an. Zu diesem Thema zitieren wir jetzt eine Depesche, die der erste Präsident des Parlaments von Bordeaux an Colbert schrieb:

'Bordeaux, am 15. Juni 1675.

Monsieur, gleich Monsieur de Sève dachte ich nicht, mit Ihnen über unsere beiden Gefangenen sprechen zu müssen, denn ich wollte abwarten, ob sie uns die Handhabe für eine exemplarische Bestrafung liefern würden. Es dauerte lange, da man die spärlichen Beweise kräftig aufbauschen musste. Und dass die Strafsache, Monsieur, deren einzig korrekte Bezeichnung Aufruhr, meine ich, hinreichend war, um sie an die Tournelle41 zu delegieren, vor der höchsten Kammer, dem Rat der Tournelle, verhandelt wurde, bezeigte einerseits dem Volk, dass man immerhin den Anklagepunkt nicht verheimlicht und die Klage in aller Form mit äußerster Strenge führt; andererseits, weil die Strafsache vor mir verhandelt wurde, konnte ich Ihnen besser Bericht erstatten und verhindern, dass man Belastungspunkte abschwächt. Monsieur, ich sage, erfolgreicher hätte die Sache kaum sein können; beide, der Einbrecher und der Lastträger, wurden gestern zu den Galeeren verdammt; was zu tun war, wurde getan; Monsieur de Sève, dem ich im Beisein Maréchal d'Albrets über den Prozess Bericht erstattete, stimmte mir zu. Ich erzähle Ihnen das, Monsieur, damit Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass ich nichts versäumt habe. Bezüglich der Ruhe in der Provinz werden Ihnen die Messieurs d'Albret und de Sève zweifellos einen besseren Bericht geben als ich das könnte; die Lage scheint aber alles andere als wünschenswert zu sein; ich verlasse mich bei Details zu Dingen, die bedeutsam sein könnten, auf Sie, Monsieur. Es wird wohl nichts sein; es wäre aber leichtsinnig von Ihnen, darauf zu reagieren, etc.'

Wir fragen Sie, werte Leser, war das nicht eine beklagenswerte Zeit, in der sich der oberste Richter des Königreichs, sich selbst lobend, einen Namen bei einem Minister machte, indem er mit erschreckender Frechheit zugab, nichts versäumt zu haben, um sehr dürftige Anklagepunkte gegen Beschuldigte zu manipulieren; indem er 2 Pechvögel zu den Galeeren verurteilte, obwohl sie diese Strafe kaum verdienten, und es fast bedauerte, dass er nur tat, was man tun konnte, mit anderen Worten, dass er kein Todesurteil gegen sie erwirken konnte!

Eine der fatalen Folgen der Despotie jener Zeit war leider, alles zu pervertieren, zu korrumpieren, sich in allem gegenüber dem Volk zu rüsten, die Justiz und die Armee, beides Instanzen, die etabliert wurden, um die Rechte des Einzelnen wahren und die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten, auf das Volk zu hetzen; aber das Böse hat seine eigene, zwingende Logik; also bemühte sich der Richter, dessen heilige Pflicht es wäre, Unschuldige zu entlasten und Schuldige zu bestrafen, unter der Herrschaft des großen Königs stattdessen, schwache Beweise zu erhärten; also beleidigte, erpresste und bedrohte unter dem großen König der Soldat, der notfalls die Habe und das Leben aller schützen soll, die Bauern und Städter, aus deren Börse er besoldet, bekleidet, beherbergt und ernährt wird, mit dem Stock oder dem Schwert und gar zu oft beließ er es nicht bei Drohungen!

Lassen Sie uns immerfort zitieren, werte Leser, und Sie werden die Furcht, die Abneigung der Menschen in Stadt und Land vor dem Militär Ludwigs XIV. verstehen, des Königs, der, von sehr seltenen Verfolgungen abgesehen, ihre Exzesse tolerierte, denn die Basis der Macht dieses Fürsten war die militärische Gewalt. Hier folgt nun, was und mit welchen Begriffen Charles Colbert, ordentlicher Staatsrat und Intendant für Justiz, Polizei und Finanzen der Maréchaussée42 in Paris, an seinen Bruder schrieb:

'Toigny, 14. März 1675.

Seit meiner Abreise von Paris habe ich alle Tage dem Marquis de Louvois berichtet, was ich bezüglich der Befehle des Königs unternahm; obwohl, ich darf es ohne Übertreibung sagen, die Städte und Gemeinden völlig desolat und außerstande, das zu zahlen, was man sie unter Zwang zu zahlen geloben ließ, froh sind, dass ich ihnen Erleichterungen verschaffte und sie deren Wirkung spüren, gönnte ich der Infanterie und der Kavallerie wieder recht erhebliche Gewinne, die den Offizieren die Mittel geben, um ihre Kompanien bis Ende April, wie ich kalkulierte, zu komplettieren. Ich werde keine Mühe haben nachzuweisen, dass mein erstes Ziel die Wiederherstellung der Truppe Seiner Majestät, mein zweites die Mäßigung des Volkes war, dem ich neben den für seine Existenz absolut notwendigen Mitteln nur das lasse, was es dem König schuldig ist; und ich bin so kühn, es Ihnen zu sagen, ohne mich rühmen zu wollen, es war keine Kleinigkeit, diese 2 konträren Ziele in Einklang zu bringen. In Anbetracht der Schärfe der Vorwürfe, der drohenden Strafen, der Festnahmen von Kavalleristen und Infanteristen, habe ich Dokumente zur Eröffnung der Prozesse, Verhörprotokolle, sogar Vorladungen, Fahndungen, eigene Vertagungen angefügt und alles vorbereitet, um einige der brutalsten und undiszipliniertesten Offiziere exemplarisch zu bestrafen und ein für alle Mal die Gewalt zu beenden, die noch an diversen Orten gegen Untertanen des Königs angewandt wird, es sei denn, ich höre von allen Seiten, dass Seine Majestät meine Härte missbilligt; aber ich gestehe Ihnen, ich habe daran so meine Zweifel, denn seit 14 Tagen schreibe ich unentwegt an Monsieur de Louvois, ohne eine Antwort von ihm zu erhalten.'

Post Scriptum dieser Depesche:

'Nach meiner Rückkehr werde ich das Urteil fällen, die Strafe verhängen, die der Fall verdient; doch Disziplinlosigkeit ist in der Truppe, glaube ich, so zur Gewohnheit geworden, dass sie auch 100 Strafexempel nicht unterbinden können.'

War das nicht deutlich? Intendant Colbert war sich nach seiner Auslegung des Schweigens von Louvois nahezu sicher, dass der König seine Härte nicht gutheißen würde. Diese Disziplinlosigkeit, die auch 100 Strafexempel nicht unterbinden können, wie es Rat Colbert ausdrückte, vermehrte sich noch in den anderen Provinzen; und Monsieur Charron, Vicomte de Ménars, der in der Kommunalverwaltung von Orleans und im Chartrain43 für dieselben Sachgebiete zuständig war wie Charles Colbert in der Sénéchaussée von Paris, schrieb seinerseits an den Minister:

'Chartres, 31. März 1675.

Monsieur, die Gewalt und die Ausschreitungen des Regiments Tilladet werden so exzessiv, dass ich es für meine Pflicht halte, ein Exempel zu statuieren; es betrifft den Quartiermeister der Kompanie Folleville, den ich in Haft nehmen ließ. Anhand der Verhörprotokolle, die ich Ihnen übersende, werden Sie sehen, Monsieur, dass dieser Mensch jeden Tag bis zu 2 Louisdor für seine beiden Quartiere verlangte, ohne den Sold des Königs zu rechnen, auch dass er Collecteurs des tailles44 geschlagen hat. Würde man diese Unordnung tolerieren, könnten die anderen Regimenter kaum noch davon abgehalten werden, nach demselben Muster zu verfahren; es wäre der Ruin dieser Provinz. Ich bin mir der Bedeutung einer solchen Anmaßung im Dienst am König, bliebe sie straffrei, sehr wohl bewusst, sodass man diesen Quartiermeister morgen hängen würde, wäre da nicht die Sache, dass sich Monsieur de Louvois für dieses Regiment einsetzt, das er mit seinem Schutz ehrt. Deshalb beschloss ich, ihm die von mir gesammelten Bescheide zu senden und ihn zu bitten, mir die Absichten Seiner Majestät mitzuteilen.'

Monsieur de Louvois ehrte das Regiment de Tilladet mit seiner allmächtigen Protektion, erwies sich gegenüber der Regellosigkeit der Soldaten als unwürdig tolerant, und der Quartiermeister wurde nicht gehängt. Diese Pest infizierte, wie Monsieur de Ménars in jener Nachricht schrieb, die Regimenter Loe-Marra und Luxbourg, welche von den Bewohnern Lösegeld forderten und sie gemein behandelten. Monsieur de Ménars legte diesem Brief eine Verordnung bei, die er erließ; sie wird dem Leser zur Genüge den Grad der Unverschämtheit, das Ausmaß der Raubzüge der Soldateska während der Herrschaft Ludwigs XIV. verdeutlichen. Wer hätte geglaubt, dass dieser mit einem eisernen Willen begabte und mit der größten Macht, über die ein Souverän jemals verfügte, versehene Fürst nicht imstande sein würde oder sein wollte, den üblen Entgleisungen ein Ende zu bereiten und die Befehle, die Colbert in seinem Namen vergebens erteilt hatte, rigoros befolgen zu lassen! Hier nun die Verordnung des Monsieur de Ménars:

'Seine Majestät hatte uns befohlen, die Städte und Gemeinden dieses Bezirkes aufzusuchen, um uns über Disziplinarverstöße zu informieren, derer sich die Truppe, die sich dort im Winterquartier befindet, schuldig gemacht hatte. Nachdem wir während der Wahlen in Dourdan, Chartres, Châteaudun und Vendôme mehrere Klagen erhielten, dass unsere Anordnung vom genannten, laufenden Monat März bezüglich der von den Bewohnern der Städte und Gemeinden zu zahlenden lediglich 40 Sous für jeden Soldaten, inklusive der 11 Sol 45 für Verpflegung und Unterkunft entsprechend der Vorschrift des Königs, missachtet wird, verbieten wir bei Strafandrohung wegen Gebührenüberhebung allen Offizieren und Kavalleristen, höhere Beträge zu beanspruchen als die besagten 40 Sol… Einige lassen sich mit Verpflegung für sich und ihre Pferde im Wert von bis zu 3 Livres bezahlen, was die Bewohner zwingt, Heu an Orten zu beschaffen, wo es nicht geerntet wird, wo es nicht beschafft werden kann; andere erpressen die Bewohner, prügeln diese, wenn sie ihnen nicht die verlangten, durch gewisse Vorwände in die Höhe getriebenen Summen zahlen, und, nicht zufrieden mit ihren Ausschreitungen, jene Bewohner zwingen, ihnen bei ihrer Abreise Leinwand, Speck und Schinken zu geben. Das ist ein Verstoß gegen unsere Verordnung, die klar den Willen des Königs ausdrückt, und muss als Gebührenwucher, als ein Ungehorsam betrachtet werden, dem eine exemplarische Bestrafung gebührt. Diese ist erforderlich, um den völligen Ruin der Provinz zu verhindern…'

Diesem Schriftstück ist ein Protokoll der mündlichen Aussagen der erpressten Landarbeiter bei einer von Monsieur de Ménars verfügten Erhebung beigelegt. In eine welche Lage die Soldaten des großen Königs die Bauern gebracht hatten, möge der Leser beurteilen. Wir zitieren:

'Protokoll der Befragungen, geführt durch uns, Chevalier J.-J. Charron, Vicomte de Ménars… gegen den Quartiermeister der Kompanie des Sieur de Folleville im Kavallerieregiment Tilladet, mit Namen Languedoc, Antragsgegner und Angeklagter, zu dem wir, mit Beistand Maître Philippe Popparts, des Amtsschreibers unserer Ausschüsse, nach Chartres reisten, um die Dörfer zu überprüfen, in denen sich die Kavallerie im Winterquartier befindet.'

'Samstag, 30. März 1675.

Jean Brière, Feldarbeiter und Collecteur des tailles des Dorfes Baillau-sous-Gallardon, wohnhaft daselbst, 50 Jahre alt, sagt aus, der genannte Languedoc, Quartiermeister der Kompanie Folleville, kam in ihr Dorf und drohte, alles niederzubrennen, würde man ihm nicht 22 Livres pro Tag für seine 2 Quartiere zahlen, was 1 Louisdor pro Quartier bedeutete, welchen sie 10 Tage lang entrichteten, nicht mitgezählt jene 11 Sol Abzug von der Taille, die sie besagtem Languedoc separat zahlten; als er einsah, dass dieser Betrag nicht mehr einzuziehen war, gab er sich 20 Tage lang mit 12 Livres täglich und 1 Busch Hafer für die 2 Quartiere zufrieden, wiederum den königlichen Sold von 11 Sol nicht mitgezählt; als Languedoc danach erneut die Zahlungsunfähigkeit des Dorfes sah, beließ er es bei 10 Livres und 1 Scheffel Hafer täglich; als auch diese Forderung nicht erfüllt wurde, entsandte er Reiter zum Haus des Zeugen, die sagten, Languedoc habe sie geschickt, um nach Belieben so lange dort zu wohnen, bis die Forderungen Languedocs erfüllt seien. Der Zeuge sagt auch, er habe gesehen, wie der besagte Languedoc mehrere Leute ungebührlich belästigte und mit Stockschlägen traktierte, so den genannten Jacques Prochar, dem er ein Gelenk brach, weil dieser seinen Beitrag nicht rechtzeitig gezahlt hatte, wobei Languedoc scheußliche Flüche und Eide ausstieß; und dass dies alles sei, was er aussagen könne.'

'Nicolas Legast, 36 Jahre alt, Feldarbeiter, sagt aus, dass der genannte Languedoc die Glocke läuten und die Dorfbewohner zusammenkommen ließ, um 22 Livres für seine 2 Quartiere zu fordern; dass er, um sie dazu zu zwingen, gedroht habe, alles mit Feuer und Schwert zu verwüsten, dass sie ihn 3 bis 4 Tage nach Belieben zu verpflegen hätten, und dass er seitdem mehrere Leute mit dem Stock geschlagen habe.'

'Micuel Collas, 35 Jahre alt, Feldarbeiter, sagt aus, um sie zur Zahlung der 22 Livres Tribut zu zwingen, habe Languedoc ihnen angedroht, alles mit Feuer und Schwert zu verheeren und sie verpflichtet, ihm zu allen Mahlzeiten nur Essen mit Fleisch im Wert von 1 Pistole46 vorzusetzen, das er ihnen vor die Nase werfen, sie zwingen würde, es auch den anderen zu geben, da sie seine Leute zu verpflegen hätten; er wolle sich Pferde kaufen und Diener nehmen, wie er Geld hätte, und seine Kameraden holen lassen, um nach Belieben bei ihnen zu wohnen etc.'

Wir könnten unzählige ähnliche Fälle zitieren. Aus den vorigen Texten geht hervor, dass Colbert, ein Mann der Regeln und der korrekten Amtsführung, im Namen des Königs (welch unnütze und eitle Formel) unter Mitwirkung des Verwalters der Provinz die gewaltsamen Übergriffe des Militärs zu zügeln bemüht war, aber diese Bemühungen wurden durch Louvois Unwillen völlig blockiert. Als Herr der Armee sorgte er für ewige Machtkämpfe mit Colbert, den er beneidete und hasste. Darum neutralisierte er die Reformversuche des weisen Ministers, indem er aus Kalkül die Exzesse der Soldaten, Werkzeuge der Expansionspolitik Ludwigs XIV., Büttel seiner Willkür, die man für künftige Dragonaden47 in den Cevennen bei Laune halten wollte, tolerierte. Nichts war niedriger, vor allem sträflicher als dieses Kalkül von Louvois, denn die Nation legte die durch seine Truppen erlittenen Schikanen dem König zur Last. Falls Sie aber denken, liebe Leser, dass nur die Bauern, die Bourgeoisie, die Vasallen unter diesen Exzessen litten, dann irren Sie sich! Was man Soldatenquartier nannte, verheerte und erschöpfte die Güter der höchsten Herren; so schrieb der Duc de Vivonne, der Bruder der Favoritin des Tages, Madame de Montespan, den folgenden Brief an Monsieur de Seignelay (den Sohn Colberts):

'Messina, 9. November 1675.

Monsieur, dürfte ich Sie um einen Freundschaftsdienst bitten? Ich würde gern Monsieur, Ihren Onkel, den Leiter der Pariser Stadtverwaltung sprechen, er möge, wenn möglich, ein Landgut entlasten, das mir gehört, genannt Bray-sur-Seine. Dieses Jahr hat mich die Beherbergung der Soldaten derart ​​ruiniert, dass ich pro Jahr 6.000 Écu48 an Renten verliere, würde man mit denselben weiter so verfahren. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir diesen Gefallen tun.

Vivonne.'

Die Not uferte aus, in allen Provinzen Frankreichs. Der Duc de Lesdiguières, Gouverneur der Dauphiné, schrieb an Colbert:

'Monsieur, ich kann Ihnen dieses Elend, das ich in der Provinz erlebe, nicht länger verschweigen. Der Handel dort steht vollständig still; und von allen Seiten bestürmt mich das Volk mit der Bitte, ich möge den König darauf hinweisen, dass es ihnen unmöglich ist, Gebühren zu zahlen und für Soldatenquartiere zu sorgen… Ich teile Ihnen das nur zur Information mit: Es ist gewiss, Monsieur, dass die Mehrzahl der Einwohner besagter Provinz, die im Winter Brot aus Eicheln und Wurzeln aß, nun, wie man sieht, Ackerkräuter und Baumrinde verzehrt! Ich bin verpflichtet, Ihnen die Fakten so zu schildern, wie sie sind, um anschließend nach Belieben Seiner Majestät Befehle zu geben; und ich nutze die Gelegenheit, Monsieur, Sie aufs Neue zu versichern, dass es keinen ehrlicheren Menschen gibt als mich.

Duc de Lesdiguières, aus Grenoble, am 29. Mai 1675.'

O großer König! O großes Jahrhundert! O prachtvolles Versailles! O Kostbarkeiten des raffiniertesten, des glänzendsten Hofs Europas! O schwülstige Beredsamkeit der katholischen Kanzel! O Bossuet49! O Massillon50! Die Bewohner einer französischen Provinz ernährten sich winters von Eicheln und Wurzeln, dann sogar dieser Ressource beraubt, Ackerkräuter und Baumrinde! Und wem verdanken wir diese Offenbarung? Dem Gouverneur. Beschränkte sich dieses entsetzliche Elend, unter dem auch die Bretagne und Guyenne litten, auf diese Provinzen? Leider nein. Lassen Sie uns weiter zitieren. Ein anderer Provinzgouverneur, der Duc de La Vieuville, schrieb an Colbert:

'Poitiers, 29. Mai 1675.

Monsieur, ich war in jener Stadt; es ist gewiss, die Stimmung der kleinen Leute dort ist aufgeheizt, aber ihre extreme Armut und das Vorbild der Straffreiheit ihrer Nachbarn in Bordeaux und in der Bretagne ließen sie glauben, sie bräuchten sich nur der Vollstreckung der neuen Edikte verweigern, um sich ihrer zu entledigen. Monsieur Marillac hatte also sehr gute Gründe, sie mit der Senkung der Steuern, die sie nie bezahlen könnten, zu schonen; und indem man die Dinge nicht überstürzt, ihnen Zeit gibt, ein sehr gutes Mittel, um diese Art von Volkszorn zu besänftigen. Mich traf das jäh und unvorbereitet; ich fand die Not und die Erregung dieser Menschen dort an einem solchen Höhepunkt, dass nur ein rücksichtsvoller Mensch stark genug sein kann, sie in ihrer Pflicht zu halten.

Duc de La Vieuville.'

Was ist noch zu erwähnen? Das Brigantentum der Krieger ging soweit, dass sich leichte Reiter, die Musketiere, die Gendarmen der schottische Kompanie der Leibgarde, kurz gesagt, der Adel des Militärs Ludwigs XIV. zu Banden vereinigte, die es sich angelegen sein ließen, auf den Hauptstraßen öffentliche Kutschen anzuhalten und Reisende auszurauben. Dies erschien aber, wie tolerant man gegenüber den Herrn mit Degen auch sein mochte, gar zu feudal, man spürte gar zu sehr das eigene Mittelalter; es war einfach ungehörig, den edlen Garden des großen Königs zu erlauben, sich in der dienstfreien Zeit derart zu verlustieren; es brauchte ein Exempel; es wurde statuiert, wie in den folgenden 2 Briefen zu lesen ist, die diese Edelleute der Hauptstraße betreffen, schuldig eines jahrhundertelangen Anachronismus.

Verwalter Robert schrieb an Colbert:

'29. März 1675.

Ich bin mit dem Prozess La Rondelière betraut, der schon verurteilt wäre, hätte ich es nicht für klüger befunden, eine Weile zu warten und zu versuchen, den Chevalier de la Guerche, den anderen der leichten Reiter, welche Monsieur de La Salle ausraubten und der der Kopf der ganzen Bande ist, festzunehmen und beide zur selben Zeit zu richten. Die Sache lief wie erhofft. Auzillon erfuhr am Montagmorgen, dass sich La Guerche und einige Leibwachen in einem Gasthof befanden und im Begriff waren, diesen zu verlassen. Auzillon wollte sie frei angreifen, weil das aber nicht zu machen war, ohne eine Menge Leute zu riskieren, musste ich ihn verpflichten, geschickter vorzugehen. Während dazu Schritte eingeleitet wurden, folgte Auzillon mit seiner Brigade La Guerche, legte sich, nun umso rühriger, mit Sieur Roland, Leutnant der Kompanie des Inselvogtes, auf die Lauer, holte La Guerche in Orléans ein, nahm ihn fest und hat ihn gerade als Gefangenen im Châtelet einsperren lassen. Das Engagement und die Umsicht dieses Offiziers lassen nichts zu wünschen übrig. Uns sind mittlerweile mehrere Überfälle auf Hauptstraßen bekannt, die diese 2 Gefangenen verübt haben…

Robert.'

'4. April 1675.

Monsieur, das gestern den beiden leichten Reitern verkündete Todesurteil wurde heute vollstreckt. Zu ihren Taten hatten sie nichts hinzuzufügen, denn, als man sie ihnen vorlas, gaben sie alle Raubzüge, derer man sie beschuldigte, zu, welche waren, die Kutsche von Poitiers, 2-malig die von Troyes, Monsieur de La Salle unweit Saint Germain, die Sieurs de Saint-André und Lubert auf derselben Straße nahe Paris sowie eine Kutsche bei Saint-Cloud, in der 3 Jesuiten reisten, beraubt zu haben; dazu 5 oder 6 nächtens in Paris verübte Raubzüge. Sie bezichtigten den noch flüchtigen Musketier La Rivière, den Reiter La Coste und den Gendarmen des schottischen Corps Du Moustier, ihre Komplizen gewesen zu sein. Ich ließ sie im Gebiet ihrer Wohnorte suchen, erfuhr jedoch, dass sie am Tag der Festnahme La Rondelières geflohen waren. Sie verrieten auch einen anderen leichten Reiter, namens Du Teil, den wir erst verhaftet hatten, ohne Beweise aber auf freien Fuß setzen mussten; ein Schuldiger, der der Justiz entging; doch dieses Exempel ist großartig, und ich denke, es wird zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit beitragen. Ich verbleibe mit tiefem Respekt etc.

Robert.'

Ein letztes Zitat, vielleicht das entsetzlichste von allen. Es hieß, die Stadt Le Mans müsse bald ein großes Kontingent Kavallerie und Infanterie beherbergen. Sofort verbreitete sich Bestürzung in der Stadt, alles bangte; und um der allgemeinen Katastrophe vorzubeugen, entsandten die Räte einen geachteten Bürger der Stadt zu Colbert. Welches Motiv leitete König Ludwig XIV., die Manceaux mit der Unterbringung von Truppen zu strafen? Lesen Sie dazu, werte Leser, die folgenden Zeilen, die der Bischof von Le Mans an Colbert schrieb:

'Mans, Juni 1675.

Monsieur, diese Stadt sieht ein großes Unwetter heraufziehen, und ist, wenn Sie kein Erbarmen mit ihr haben, ihrem totalen Ruin so nahe, dass sie es für notwendig hält, den Überbringer dieses Briefes zu Ihnen zu senden, um Ihnen die traurige Lage zu schildern, in welche unsere Stadt durch eine Missgunst gebracht würde, die sie nicht verdient, indem ihr Seine Majestät ein Kontingent von 600 Mann Kavallerie und 1 Bataillon, das sind 16 Kompanien Infanterie schickt, um dort auf Kosten der Bewohner verpflegt zu werden. Da ich glaube, Monsieur, dass Sie die Interessen des Königs teilen, und dass die Seiner Majestät darin bestehen, wahre Sachverhalte zu erfahren, bitte ich Sie nachdrücklich, der Person, die Ihnen diesen Brief zustellen wird, ein geneigter Zuhörer zu sein. Monsieur Olivier, so heißt diese Person, ist einstiger Stadtrat und renommierter Anwalt, ein verdienter, ehrenhafter, lauterer Mann, dem Sie ganz und gar vertrauen können, weil er Fakten nicht verschleiern wird. Seine Majestät ist viel zu akkurat und gerecht, als dass er eine Stadt, die ihm treu und ergeben ist, strafen und deren Bewohner wie Rebellen behandeln würde. Den jüngsten Tumult hier kann man nicht als Aufruhr bezeichnen, weil er nichts mit den Belangen des Königs zu tun hatte; es war ein simpler Gefühlsausbruch des Volkes, initiiert von Wegelagerern und Bettlern, bewaffnet allein mit Stöcken, der nur insofern ausartete, dass ein Haus aus Rache für Frauen und Kinder, die angetrunkene Soldaten darin grundlos getötet hatten, geplündert wurde.

Louis, Bischof von Le Mans.'

Dem ist wohl nichts mehr hinzufügen.

Nun, liebe Leser, mit diesen Beweisen in der Hand, kennen Sie die Moral der Soldaten des großen Königs. Stellen Sie sich also die furchtbaren Gräueltaten vor, die sie verübt haben mussten, als sie nach Belieben über die meuternden Provinzen herfielen, um die Revolte im Blut zu ersticken! Was jedoch zum Abbruch, also zum Scheitern dieser gewaltigen Insurrektion führte, die 2 Drittel Frankreichs erfasst hatte, war ein mangelnder Konsens, waren die Unterschiede der Ziele der Anführer, je nachdem, ob Bauer, Bürger oder Parlamentarier, war die Zersplitterung der Truppen, hauptsächlich aber das Vertrauen der Bevölkerung in die erlogenen Zusagen ihrer Gouverneure, die Abschaffung der neuen Steuern betreffend; denn danach hatte die Mehrzahl der Rebellen die Waffen abgelegt, sodass sie wehrlos der prompten und brutalen Vergeltung preisgegeben waren. Wir rufen hierzu einige Zeilen der Korrespondenz Madame de Sévignés in Erinnerung. Trotz der bedauerlichen Selbstsucht, die mehrere ihrer Briefe kennzeichnete, besann sich diese geistvolle Grand Dame praktisch unbeabsichtigt ihrer bretonischen Wurzeln, wenn sie auf die unsäglichen Leiden zu sprechen kam, unter welchen ihr Heimatland stöhnte.

Madame de Sévigné51 an Madame de Grignan52:

'Paris, Mittwoch, 31. Juli 1675.

'Ich habe nach Ihnen geschickt, meine Liebe, weil mich unsere bretonischen Narreteien für einige Tage festhielten. Monsieur de Forbin muss mit 6.000 Mann ausrücken, um unsere Bretagne zu bestrafen, das heißt, um sie zu ruinieren.'

An Madame de Grignan:

'Paris, 31. Juli 1675.

Man lebt hier in ständiger Furcht; dennoch sind unsere 6.000 Männer losgezogen, um unsere Bretagne zugrunde zu richten; es sind Provencalen, die diesen Auftrag haben.'

An Madame de Grignan:

'La Silleraye, am 24. September 1675.

Unsere armen Niederbretonen, wie uns eben berichtet wurde, versammeln sich zu 40 oder 50 auf den Äckern und sobald sie Soldaten sehen, fallen sie auf die Knie und sagen meâ culpâ 53 . Man kann einfach nicht darauf verzichten, diese armen Leute zu hängen. Sie verlangen Fusel und Tabak, und dass man sich beeilt; und von Caron kein Wort 54 .'

An den Comte de Bussy:

'Aux Rochers, 20. Oktober 1675.

Die Meuterer von Rennes sind vor langer Zeit geflohen; daher werden die Guten für die Bösen leiden. Mir geht es soweit gut, vorausgesetzt, die 4.000 Krieger der Messieurs de Forbin und de Vins, die in Rennes sind, verwehren mir nicht, durch meine Wälder zu streifen, die so grandios und so märchenhaft schön sind… 25 bis 30 Männer wurden aufs Geratewohl ausgewählt und dann gehängt; das Parlament wurde verlegt.'

An Madame de Grignan:

'Aux Rochers, 30. Oktober 1675.

In der Bretagne sind zur Zeit 5.000 Mann, denn einige kamen noch aus Nantes dazu. Den Bürgern hat man eine Abgabe von 100.000 Écu auferlegt, und geht diese Summe nicht binnen 24 Stunden ein, wird sie verdoppelt und vom Militär eingezogen. Man verjagte und verbannte eine komplette große Straße und verbot jedem bei Androhung der Todesstrafe, dorthin zurückzukehren; danach sah man zu, wie all diese Elenden, Wöchnerinnen, alte Leute, Kinder, die weinend umherirrten, die Stadt verließen, ohne überhaupt zu wissen, wohin sie gehen, was sie essen, worauf sie schlafen sollen. Ein Violinist, der mit seinem Lied den Diebstahl des gestempelten Papiers eröffnete, wurde vorgestern gerädert; nach seinem Tod gevierteilt, wurden die 4 Teile in den 4 Stadtvierteln zur Schau gestellt. 60 Bourgeois hat man verhaftet, morgen wird man beginnen sie zu hängen. Diese Provinz ist ein leuchtendes Beispiel für alle anderen, vor allem dafür, dass man Gouverneure und Gouvernanten zu respektieren hat, dass man ihnen keine Beleidigungen sagt oder ihnen Steine ​​in den Garten wirft…'

'Alle Dörfler tragen zur Ernährung der Truppen bei, und man sichert seinen Bedarf, indem man Nahrungsmittel zurückhält. Früher wurden sie verkauft und man hatte Geld; das ist nicht mehr der Fall, alles hat sich geändert. Monsieur und Madame de Chaulnes sind nicht mehr in Rennes. Die Herren beruhigen sich: Man hat hängen müssen, um nicht selber zu hängen… Es gibt in Rennes nur noch 2.000 Männer.'

An Madame de Grignan:

'Aux Rochers, 6. November 1675.

Wenn Sie das Entsetzen, den Abscheu, den Hass, den man hier auf den Gouverneur hat, sehen, dann spüren Sie, mehr als Sie das tun, was es heißt, überall geliebt und geachtet zu werden. Diese Kränkungen! Diese Beschimpfungen! Diese Drohungen! Welche Vorwürfe! Und mit großen Steinen, die um Sie herumfliegen! Ich bezweifle, dass Monsieur de Grignan diesen Ort in diesem Zustand wollte; er träumte von einem anderen Stern.'

'Rennes gleicht einer Geisterstadt; diese Bestrafungen und die Steuern waren barbarisch; ich könnte Ihnen bis zum Morgengrauen tragische Geschichten erzählen.'

'Gestern wurde in Rennes ein Mann gerädert, die Nummer 10, der gestand, geplant zu haben, den Gouverneur zu töten. Man drohte dem Parlament mit Exilierung, um es zu drängen, dem Bau einer Festung in Rennes zuzustimmen; statt sich zu rehabilitieren, verschwand diese noble Gesellschaft aber stolz, und rascher als gewollt, weil alles auf Verhandlungen hinausliefe; nun, man schätzt die Krankheiten mehr als die Heilmittel.'

'Wenn die Soldaten zu den Bauern kommen, dann rauben und plündern sie sie aus. Es schmerzt seltsam, diesen bretonischen Bauern so ein Leid widerfahren zu sehen, das sie nie kannten. Angesichts der Trauer in dieser Provinz wagte es Monsieur de Rohan nicht, auch nur das geringste Fest zu geben; Monsieur de Saint-Malo, der 60-jährige Strohkopf mit Mitra, hat damit angefangen. Denken Sie, das kommt von den 40-Stunden-Gebeten 55 ? Nun ja… Ein Damenball und dann großes Souper: Es war ein öffentlicher Skandal. Man hat Monsieur de Pomereuil wie einen Gott empfangen; und ganz zu Recht, denn er bringt die Ordnung und die Justiz, um 10.000 Mann zu mäßigen, die uns, ohne ihn, alle umbringen würden.'

An den Comte de Bussy:

'Aux Rochers, 20. Dezember 1675.

Sie kennen das Elend dieser Provinz; hier hausen 10.000 oder 12.000 Krieger so, als wären sie noch jenseits des Rheins. Wir sind alle ruiniert. Aber egal! Teilen wir das einzige Gut unglücklicher Herzen, nicht allein unglücklich zu sein, heißt es doch, in der Guyenne sei man noch schlimmer dran…'

An Madame de Grignan:

'Aux Rochers, 6. Januar 1676.

Unsere Soldaten täten besser daran, sich wie ihre Cordeliers56 zu verhalten. Sie haben Spaß daran, zu Rauben und zu Töten. Neulich rösteten sie ein kleines Kind am Spieß!… Von anderen Schlampereien keine Nachrichten.'

Ein finales Zitat: Monsieur Maréchal de Bellefonds, ein bedeutender Militär dieser Zeit, der die Armee besser kennen musste und auch besser kannte als jeder andere, sah die Katastrophen, die Folgen einer Bestrafung der Revolte durch Militär, so sicher voraus, dass er am 19. Juli 1675 an Colbert schrieb:

'Monsieur, ich muss mich dazu zwingen, mir zu gestatten, mit Ihnen die Belange der Bretagne zu erörtern, über die wir hier schlecht informiert sind; weil uns die Bretagne jedoch wichtig erscheint, dachte ich, Sie würden es begrüßen, wenn ich Ihnen meine Gedanken mitteile; und zugleich bitte ich Sie inständig, die Güte zu haben, mich nicht zu zitieren.'

'Es gilt als sicher, dass sich fortlaufend Bauern zusammenrotten, um ihre Wut am Adel, an Amtsstuben und Steuerbeamten auszulassen, und dass sich Monsieur de Chaulnes in das Fort-Louis zurückgezogen hat. Weil die Heere des Königs durch die Feinde gebunden sind, glaube ich, dass man nur aus dem Adel und der Bürgerwehr, die man im vergangenen Jahr auf Kompanie- oder Regimentsstärke reduziert hatte, ein Korps bilden kann, das diesen Flächenbrand stoppt.'

'Außerdem wäre es dem Ansehen des Königs dienlicher, wenn Edelleute und Bürger, nicht reguläre Truppen, diesen Aufruhr beilegen; durch ein solches Verhalten könnte man Untertanen besser beibringen, was unter Treue und Pflichtbewusstsein zu verstehen ist. Es gibt da noch einen Grund, der Ihnen rät, diesen Weg zu wählen: Monsieur, der Ruin einer großen Provinz könnte verhindert werden, wenn die Kanaille, die diesen Ruin verursachen würde, von Ihresgleichen geschlagen wird.'

'Verzeihen Sie, Monsieur, falls ich mit meinem Eifer im Dienst am Meister Ihre Geduld missbrauche; ich hoffe, Sie lassen mir Gerechtigkeit widerfahren und glauben mir; alles ist wahr, so wahr ich Ihr demütiger und gehorsamer Diener bin.

Maréchal de Bellefonds.'

Die Prognosen des Maréchal de Bellefonds trafen zu. Auf lange Zeit war die durch Hinrichtungen dezimierte und von Soldaten unterworfene Bretagne ruiniert, wie in der Korrespondenz von Madame de Sévigné zu lesen war.

***

Mit dieser Auswahl an Briefzitaten, die man um viele nie zuvor veröffentlichte Dokumente erweitern könnte, die ebenso unwiderlegbar sind wie die, liebe Leser, die wir Ihnen präsentierten, war es uns möglich zu beweisen, dass die Revolte, deren ersten Schrei die arme Éveillonne, eine Frau vom Volk, ausstieß, trotz der Übel und des Blutes, das sie kostete, durchaus nicht fruchtlos war. Adel und Klerus, entsetzt über die Vergeltung ihrer zur Verzweiflung getriebenen Vasallen, erleichterten deren Los ein wenig; als später die anfängliche Wut einer raffgierigen, wilden Reaktion nachließ, wurden die besagten Steuern zwar nicht abgeschafft, aber gerechter verteilt; und Colbert betrieb mit mehr Erfolg, allerdings noch inkonsequent, die Ahndung der Exzesse des Militärs. Wir fürchten, Ihre Geduld zu missbrauchen, liebe Leser, würden wir einen Text verlängern, der schon lang genug ist; es schien uns nur unerlässlich, gemäß unserer Gewohnheit, vorab den historischen Wahrheitsgehalt der bedeutendsten Ereignisse der nun folgenden Erzählung zu ermitteln.

Savoie, Annecy-le-Vieux, 2. April 1855.

Eugène Sue

Die Geheimnisse des Volkes

Подняться наверх