Читать книгу Böse ist der Mensch? - Ekkehard Wolf - Страница 4

Оглавление

Racheengel

Der mittelgroße Mann mit dem Audi hatte die Autobahnraststätte an diesem Nachmittag bereits zum zweiten Mal angefahren. Wenige Minuten zuvor war er schon einmal zum Tanken hier gewesen, hatte aber die beiden Anhalterinnen zu spät registriert, um noch unauffällig halten zu können. Er hatte sich über sich selbst geärgert. Eigentlich fuhr er diese Strecke ziemlich regelmäßig ab, eben weil es um diese Zeit recht häufig vorkam, dass sich eine Anhalterin hierher verirrte. Gleich zwei zu übersehen, war ihm noch nie passiert. Er hatte sich daher beeilt und gleich die kommende Abfahrt genutzt, die Autobahn verlassen und war auf der Gegenfahrbahn zurückgefahren. Die beiden Anhalterinnen konnte er im Vorbeifahren schon erkennen. Sie standen noch immer an der alten Stelle. So war das auch noch als er mit hoher Geschwindigkeit erneut die kommende Abfahrt angesteuert hatte, um die Raststätte erneut zu besuchen. Dort angekommen erwartete ihn allerdings zunächst eine unangenehme Überraschung. Gerade in dem Moment, als er im Begriff war, sein Fahrzeug in Richtung der beiden Anhalterinnen zu lenken, kam ihm ein LKW zuvor. Offenkundig bot der Trucker den beiden jungen Frauen an, bei ihm mitzufahren. Genervt musste der Fahrer des Audi zur Kenntnis nehmen, dass der Typ da vor ihm im Begriff war, ihm seine Beute vor der Nase wegzuschnappen. Natürlich hatte er keine Schwierigkeiten, sich vorzustellen, wie das dann weiter gehen würde. Es war wohl kaum anzunehmen, dass der Mensch in dem LKW da vorhatte, den beiden Nixen die Weiterfahrt für Gottes Lohn zu ermöglichen. Natürlich würde er eine Gegenleistung erwarten. Der Mann in dem Audi hatte auch keine Probleme damit, sich vorzustellen worin die Gegenleistung zu bestehen haben würde. Dass die Beiden in der Lage sein würden, ihrem Fahrer mit einem kleinen Geldbetrag unter die Arme zu greifen, war jedenfalls unwahrscheinlich. Warum sollten sie auch sonst trampen, wenn sie Geld gehabt hätten, um ihre Reise traditionell zu bezahlen. Also würden sie sich etwas anderes einfallen lassen müssen. Noch während er sich vorzustellen versuchte, wie sich das abspielen dürfte, musste er feststellen, dass seine Verärgerung unbegründet war. Wie der Mann in seinem SUV unschwer erkennen konnte, signalisierten die beiden Mädel dem LKW Fahrer unmissverständlich, dass sie nicht bereit waren, sein Angebot anzunehmen. Der Truck setzte daraufhin seine Reise ohne die beiden Mädchen fort. Augenblicklich hellte sich die Stimmung des Audi Fahrers auf. Amüsiert stellte er sich vor, wie der Fahrer des LKW es andernfalls wohl fertig gebracht hätte, seinen Mitfahrerinnen klar zu machen, worin die Gegenleistung hätte bestehen sollen. Da der LKW das Nationalitätenkennzeichen SLO trug war wohl kaum anzunehmen, dass der Fahrer der deutschen Sprache allzu mächtig war. Dass die beiden Mädels slowenisch sprechen würden, war umgekehrt ja wohl auch nicht zu erwarten. Der Mann mit dem Bürstenschnitt musste grinsen, besann sich aber dann darauf, warum er hier war. Langsam setzte er seinen Wagen in Richtung der beiden Anhalterinnen in Bewegung. Dabei war er darauf bedacht, nicht in den Erfassungsbereich der Kameras zu gelangen, mit denen die Tankstelle gegen Treibstoffdiebe gesichert war. Nachdem er diesen Gefahrenbereich erfolgreich umschifft hatte, trat er etwas kräftiger aufs Gaspedal und beschleunigte den Wagen so, als ob er die Absicht hätte, sich in den laufenden Verkehr der Autobahn wieder einzufädeln. Kurz nachdem er die beiden Frauen passiert hatte, bremste er jedoch unvermittelt scharf ab und brachte sein Fahrzeug am Straßenrand zum Stehen. Ohne zu zögern öffnete er die Beifahrertür und signalisierten den beiden Frauen seine Bereitschaft, sie mitfahren zu lassen. Es dauerte einen Moment bis diese begriffen, dass das Angebot ihnen galt. Dann aber beeilten sie sich mit ihren Rücksäcken, den auf sie wartenden Wagen zu erreichen. Dort angekommen erkundigten sie sich ein wenig atemlos aber höflich, ob der Mann in dem 100000 Euro Auto zufällig nach Göttingen fahre. Vermutlich also Studentinnen. Als ihnen diese Frage lächelnd bejaht wurde, war ihnen die Freude ins Gesicht geschrieben. Das änderte sich naturgemäß auch nicht, als der Fahrer ihnen grinsend auch die Zusatzfrage bejahte. Na klar, war er bereit, sie mitzunehmen. Ob das nun ausgerechnet Göttingen sein würde, das, so machte sich der Mann mit den blauen Augen klar, würde sich dann schon zeigen. Bevor er die beiden Mädchen einsteigen ließ, blickte der Mann kurz aufmerksam in den Rückspiegel. Erst als er sicher war, keine Polizeistreife hinter sich zu haben, öffnete er auch die hintere Tür und forderte die beiden jungen Frauen mit einer einladenden Handbewegung dazu auf, ihr Gepäck einzuladen und einzusteigen. Bereitwillig und dankbar kletterte zunächst die mit den dunkelblonden Haaren auf die Rücksitzbank, während zugleich die Rothaarige auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Bereits im nächsten Augenblick trat der Fahrer des dunkelblauen Audi erneut auf das Gaspedal und im nächsten Augeblick fädelte er seinen teuren Q7 elegant wieder auf der Autobahn ein. Während der folgenden Minuten war seine Aufmerksamkeit hauptsächlich darauf konzentriert, sich vorzustellen, welches Gesicht die beiden Hübschen wohl machen würden, wenn sie begreifen würden, was er tatsächlich im Schilde führte. Er hatte kein Problem damit sich einzugestehen, dass allein der Gedanke an das, was nun folgen würde, ihn so in Erregung versetzte, dass er aufpassen musste, den Straßenverkehr nicht aus den Augen zu verlieren. Er versuchte sich vorzustellen, wie das sein würde, wenn sich in ihren hübschen Köpfen die Erkenntnis einstellen würde, dass sie ihm ausgeliefert waren. Genüsslich malte er sich aus, wie sie sein Ansinnen erst empört zurückweisen würden. Sobald ihnen aber klar würde, dass sie sich würden entscheiden müssen, entweder seine Wünsche zu erfüllen oder überhaupt keine Wünsche mehr erfüllen zu können, gegenüber niemandem, würden sie sich für den ersten Weg entscheiden. Eher beiläufig nahm er zur Kenntnis, dass sich die beiden Frauen inzwischen lebhaft und angeregt unterhielten. Lediglich das sich wiederholende, ein wenig hysterisch anmutende Wörtchen nein, mit dem seine Beifahrerin mehrfach auf die Erzählung der Frau auf der Rücksitzbank reagierte, nahm er unterbewusst wahr. Bereits beim Einsteigen hatte er die beiden Frauen aufmerksam gemustert und war daher nunmehr damit beschäftigt, sich sehr detailliert vorzustellen, welche der Beiden er sich zuerst vornehmen sollte. Als er sich dann auch noch auszumalen versuchte, wie er es machen würde, war seine Ablenkung für einen Moment so intensiv, dass er fast vergessen hätte zu bremsen, als der Wagen vor ihm die Geschwindigkeit deutlich verminderte. Wenn nicht die neben ihm sitzende Frau ihn mit einem kleinen Aufschrei aus seiner Vorstellungswelt gerissen hätte, wäre es womöglich zu einem Auffahrunfall gekommen. Immerhin reichte dieser Moment, um ihn dazu zu veranlassen, seine Beifahrerin eines etwas ausgiebigeren Blicks zu würdigen. Seine Überraschung hätte nicht größer sein können. Die junge Frau saß mit angezogenen Knien auf dem Beifahrersitz und gab den Blick frei auf ihre endlos langen Beine. Als sich der Blick des Mannes weiter nach oben wendete, blieb er unwillkürlich an der deutlich geöffneten Bluse haften. Es war nicht schwer zu erkennen, dass die junge Frau offenkundig nichts darunter trug. Vor Überraschung hätte er fast ein weiteres Mal den Straßenverkehr aus dem Auge verloren. Das hinderte ihn nicht daran, gleich darauf der jungen Dame einen neuerlichen Blick zuzuwerfen. Ihre Reaktion auf seinen fragenden Blick trug nicht dazu bei, ihn ruhiger werden zu lassen. Völlig ungeniert erkundigte sich die Rothaarige ganz ungeniert danach, ob er nicht Lust auf einen kleinen Zwischenstopp im Grünen habe. Das war eindeutig. Auch wenn sich damit abzeichnete, dass dieser Teil ihrer Begegnung ein wenig anders verlaufen dürfte, als er geplant hatte. Natürlich gab es für ihn keinen Grund, sich dem Ansinnen der Frau auf dem Beifahrersitz zu verweigern. Er spürte, wie seine Atmung schneller ging. Als der Mann mit dem Bürstenhaarschnitt seine Überraschung wieder einigermaßen überwunden hatte, hatte er natürlich auch leine Probleme damit, der Aufforderung der kessen jungen Frau nachzukommen. Da es in dieser Situation ja auch nicht mehr erforderlich war, sich irgendeinen Zwang anzutun, entschied er sich dazu, sich vorab schon einmal tastend einen Eindruck von dem Körper zu verschaffen, mit dem er in Kürze dann komplett würde machen können, wozu er Lust hatte. Ohne lange Umwege forderte er die Frau auf dem Beifahrersitz ganz direkt auf, sich schon mal in Stimmung bringen zu lassen. Wie erwartet, ließ sich die Rothaarige nicht zweimal bitten. Während sein Blick fest auf den Straßenverkehr konzentriert war, ertastete sich die rechte Hand des Mannes den Weg zum linken Bein der Rothaarigen, glitt unter den kurzen Rock, verweilte dort einen Moment und rutschte dann hinein in die Bluse, wo ihn allerdings ein kleiner Schlag der linken Hand der Frau erwischte. Grinsend streckt er die Hand ein zweites Mal aus und wieder ließ die Rothaarige ihn erst gewähren, um ihm dann ein wenig kokett den weiteren Zugang zu verweigern. Das Spielchen wiederholte sich in wechselnder Reihenfolge noch ein paar Mal. Dem Fahrer des Q7 gefiel das Spiel und er hatte nicht das Gefühl, dass es der Frau an seiner Seite anders ging. Genüsslich malte er sich aus, wie er diesem kleinen Flittchen gleich nach Erreichen der bewussten Stelle im Wald schon zeigen würde, was Sache war. Als die Rothaarige ihm kurz vor der nächsten Raststätte dann plötzlich zu verstehen gab, noch einmal schnell für Kleine Mädchen gehen zu müssen, sah er keine Veranlassung, ihr diesen Wunsch zu verweigern. Vielleicht eine Nuance zu salopp bremste er wenig später vor dem Toilettentrakt der Raststätte ab, war dann aber nicht schlecht überrascht, als ihm die dunkelblonde Frau auf dem Rücksitz ohne ein weiteres Wort ihr Smartphone vor die Nase hielt. Ganz deutlich war auf dem Monitor zu sehen, wie er seine Beifahrerin ausgiebig begrapschte. Dass die das wenig lustig fand, bewiesen ihre ständigen Nein Rufe. Unmittelbar nach dieser Vorführung hatte der völlig verdutzte Mann auf dem Fahrersitz dann auch nicht mehr das geringste Problem damit, gemeinsam mit der Frau neben sich samt der erbetenen Kontokarte zum nahe liegenden Geldautomaten zu gehen, dort für die junge Frau gut sichtbar den PIN einzugeben und 1000 Euro abzuheben. Als ihre Freundin gleich darauf verschwand und ohne ihr Smartphone wenig später zurückkehrte, schwante dem Mitvierziger bereits, dass die Sache hier eine Wendung zu nehmen begann, die ihm ganz und gar nicht behagte. Als die Rothaarige auf der nächsten Raststätte triumphierend erneut mit 1000 Euro in der Hand in das Auto zurückkehrte, keimte bei dem Mann mit dem Bürstenhaarschnitt noch einmal kurz die Hoffnung auf, dass die Sache damit beendet war. Dass er sich erneut geirrt hatte, merkte er in dem Moment, als ihm das Mädchen mit den roten Haaren kurz aber bestimmt eröffnete, dass sich dieses Spielchen jetzt an dem Geldautomaten jeder Raststätte bis Göttingen wiederholen würde. Diese Information nahm er zu seiner eigenen Überraschung mit einer gewissen Befriedigung auf. Er war sich sicher, in den nun folgenden Stunden schon eine Lösung für dieses Problem zu finden. Als ihn die Mädel kurz vor Göttingen aufforderten, die Autobahn zu verlassen, war er ganz sicher, dass seine Chance jetzt bald kommen würde. Ohne mit der Wimper zu zucken, steuerte er das schwere Fahrzeug genau dorthin, wohin ihn die beiden Frauen lotsten. Als sie in dem Waldstück eine kleine Lichtung passierten, sah er seine Chance gekommen. Er bremste den Wagen unvermittelt ab und schaltete zugleich den Motor aus. Bereits im nächsten Augenblick jedoch spürte er, wie sich die dünne Drahtschlinge von hinten um seinen Hals legte. Dass er keine weitere Chance haben würde, begriff er dann in den wenigen verbleibenden Sekunden, bevor er das Bewusstsein verlor. Noch im Sterben bemerkte er das Smartphone , mit dem die Rothaarige auf dem Beifahrersitz ihn filmte, während er dabei war, sein Leben auszuhauchen. „Für Gerda“ hatte sie mit ihrem Lippenstift fett auf das Display geschrieben. Dass die Mädel nunmehr ganz sicher darauf verzichten würden, ihn der Polizei zu übergeben, war für ihn unter diesen Umständen nur noch ein schwacher Trost.

Böse ist der Mensch?

Подняться наверх