Читать книгу Die Mulgacamper Romane Band 3 und 4 - Elda Drake - Страница 11

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Kapitel 8

Hetty war enttäuscht. Sie hatte immer gedacht, Kai wäre ein Ausnahmefall und würde nicht die gleichen Verhaltensweisen, wie die meisten der australischen Männer, an den Tag legen. Aber jetzt sah er mit einem äußerst interessierten Blick zu, wie Susi in den Pool stieg. So wie alle anderen Männer, die momentan am Schwimmbecken waren.

»Was hast du erwartet, dass er nicht aus Fleisch und Blut ist? Du hast ja selbst schon konstatiert, dass jemand tot sein müsste, um nicht von Susi beeindruckt zu sein. Und auch wenn du ihn Graf Dracula nennst, weilt er doch unter den Lebenden.« Die Sarkasmusabteilung war seltsamerweise heute nur logisch und nicht messerscharf vernichtend.

Na ja, was sollte sie an ihr auch vernichten. Der morgige Blick in den Spiegel hatte gezeigt, dass aus der durchschnittlich aussehenden Frau Mitte vierzig, über Nacht keine zehn Jahre jüngere, tolle, aufregende Blondine geworden war. Damit standen ihre Chancen bei Kai zu landen, nach wie vor bei weit unter Null. Was gab es da noch zu sagen?

Hetty versuchte erneut in ihrem Buch zu lesen, das sie eigentlich nur noch als Alibi in der Hand hielt. Denn seitdem Kai sich vor einer Stunde in einen der Liegestühle neben sie gelegt hatte, war sie damit beschäftigt gewesen, ihn heimlich zu beobachten.

Der hatte inzwischen schon einige Runden im Pool gedreht und war nun seinerseits dabei, Susi zu observieren. »Ist deine Freundin eigentlich in festen Händen?«

Hetty wollte schon ätzend antworten. »Frag sie doch selber!«

Doch durch so eine Antwort hätte er weit mehr über ihre momentanen Gefühle erfahren, als ihr lieb war. Das wäre äußerst kontraproduktiv gewesen und die mühsam aufgebaute Tarnung der Desinteressiertheit wäre, wie ein marodes Kartenhaus, zusammengefallen. So schüttelte sie also nur den Kopf und erzählte ihrem Gegenüber, in einem absolut gleichgültigen Tonfall, was ihr Susi über ihre Wohngemeinschaft gesagt hatte.

Kai nickte zustimmend, als Hetty ihm erklärte, dass es für Susi nicht ganz leicht war, Beziehungen zu haben. »Das kann ich mir vorstellen. Es wird wenig Männer geben, die nicht nur an ihrem Äußeren interessiert sind.«

Er blickte in die Runde und deutete mit dem Kopf. »Schau dir das an, wie die alle gucken!«

Hetty dachte genervt: Und du selber? Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.

Bevor ihr eine deftige Antwort einfiel, fuhr Kai fort. »Weißt du was mir Hashimoto die ganze Nacht erzählt hat? Der ist völlig von den Socken, weil Susi die gleichen Interessensgebiete wie er hat, fließend japanisch spricht, hochintelligent ist und dazu auch noch so furchtbar nett.«

Kai hob den rechten Mundwinkel. »Ich glaube, wenn du den fragst wie sie aussieht, dann antwortet er, darauf hat er nicht so geachtet.«

Er stand auf. »Na, dann werde ich ihm mal die frohe Botschaft überbringen.«

»Mach den Mund zu, es zieht!« Diese Bemerkung ihres Verstandes weckte sie aus ihrer Erstarrung, in die sie verfallen war, während sie Kai nachschaute, als er sich entfernte.

Aus seiner Äußerung war sehr eindeutig zu entnehmen, dass er sozusagen in Hashimotos Auftrag unterwegs gewesen war, um für ihn das Gelände zu sondieren. Und so wie es aussah, hatte er Susis Aussehen zwar zur Kenntnis genommen, aber selber nicht das geringste Interesse an ihr.

»Also stell ihn wieder brav zurück auf das Podest, damit wir ihn weiter anbeten können!« Die Hormongruppe hatte sich schnell von der kurzzeitigen Irritation erholt und lag bereits wieder demütig auf den Knien.

»Was hast du heute eigentlich für uns geplant?« Susi trocknete sich, zum Vergnügen der männlichen Besucher des Pools, gründlich ab. Hetty überlegte kurz, ob sie mit einem Hut zum Sammeln gehen sollte. Eigentlich müsste Susi für die Show etwas verlangen.

Doch die wartete immer noch auf ihre Antwort und zeigte dabei in keinster Weise, dass sie bemerkte, welchen angenehmen Blickfang sie hier bot.

Hetty runzelte die Stirn. »Also etwas Bestimmtes habe ich nicht vorgehabt, aber wir könnten zum Nourlangie Rock fahren, da gibt es Aborigine Zeichnungen zu sehen und einen Wandertrack, der eine Stunde durch die Gegend führt.«

Sie tätschelte ihren Bauch. »Ich bräuchte wieder ein bisschen Bewegung.«

Susi hörte Aborigine und war sofort Feuer und Flamme. Sie beschlossen kurz nach dem Mittag loszufahren, denn da der Felsen sozusagen ums Eck lag, nämlich nur schlappe fünfzig Kilometer entfernt, reichte der Nachmittag für diesen Ausflug völlig aus.

Somit war für Hetty genug Zeit vorhanden, sich nochmals eine ausgedehnte Schwimmeinlage im Pool zu genehmigen. Nach einer Viertelstunde gönnte sie sich ein Päuschen auf einer der im Wasser integrierten Sitzbänke und erwischte damit genau den Augenblick, als Kai, mit Hashimoto im Gefolge, zum Badebereich zurückkehrte.

Auffällig unauffällig näherten sie sich dem Bereich, wo Susi es sich bequem gemacht hatte und die reagierte natürlich wie gewünscht und winkte ihnen zu, um dann auf die unbesetzten Liegestühle neben ihr zu deuten. Hetty konnte nicht hören was sie sagte, sah aber dass Hashimoto sich neben sie setzte, nickte und äußerst erfreut wirkte.

Kai blieb nicht lange neben den beiden stehen, sondern stieg ins Becken und schwamm mit ein paar kraftvollen Zügen zu ihrem Sitzplatz. »Susi hat uns erzählt, ihr fahrt zum Rock. Sie hat gemeint, wir sollten doch mitkommen.«

Hetty verdrehte innerlich die Augen. Genau das stand auf ihrer Wunschliste an absolut oberster Stelle. So wie es aussah würden Susi und Hashimoto sich gegenseitig wissenschaftliche Erkenntnisse erläutern und sie und Kai waren das Fußvolk.

Bevor Hetty antworten konnte, setzte Kai hinzu. »Hashimoto war nicht zu bremsen. Ich hoffe es ist dir recht, dass wir mitkommen?«

Was sollte sie darauf antworten? Eigentlich fand sie Kais Gesellschaft ganz angenehm. Mehr als angenehm. Viel zu angenehm! Und das war ja der sogenannte Kasus Knacktus. Sie hatte die letzten Monate damit verbracht, ihn nahezu erfolgreich aus ihrem Gedächtnis zu verdrängen und jetzt wurde alles wieder hervorgeholt.

»Erfolgreich! Das ich nicht lache!«

Sie ignorierte diesen unqualifizierten Einwurf aus der Sarkasmusabteilung. Schließlich war sie Realistin. Und deswegen hatte sie diesen Mann als schönen, unerfüllbaren Traum abgehakt, der ganz brauchbar war, wenn man sonst nicht wusste, an was man vor dem Einschlafen denken sollte.

»Dann fällt dir seit Monaten seltsamerweise nie was Interessantes ein!« Auch ihr Verstand konnte einfach nicht die Klappe halten.

Egal! Zumindest war ihr Leben in ruhigen, geordneten Bahnen gelaufen. Sie hatte seit ihrem letzten Zusammentreffen mehrere Fahrten durch Australien unternommen und war eigentlich wunschlos glücklich gewesen. Ihr großer Traum war in Erfüllung gegangen – was wollte sie mehr? Kai in weiter Ferne und mit der beruhigenden Gewissheit, ihn nie wieder zu sehen, war nur so ein kleiner Gedanke, der sich immer wieder mal durchs Gehirn schlich. Eine Erinnerung – nicht mehr.

Seit gestern Abend war sie nun wieder damit konfrontiert, dass sie den, in ihren Augen, idealen Mann vor der Nase hatte. Und leider wurde er von Minute zu Minute noch mehr genau das, was sie wollte. Das war nicht gut, gar nicht gut.

Denn sie kam sich vor, wie das personifizierte hässliche Entlein, das den wunderschönen Schwan anhimmelte, nur mit dem gravierenden Unterschied, dass bei ihr nicht über Nacht eine Verwandlung erfolgen würde, die sie auf die gleiche Stufe stellte. Auf der einen Seite wäre sie am liebsten in ihren Camper gestiegen und ans andere Ende der Welt gefahren, um möglichst viel Distanz zwischen sich und Kai zu bringen. Andererseits fühlte sie sich von ihm angezogen, wie von einem Magneten, und konnte ihre Augen und Gedanken nicht von ihm lassen. Das war eindeutig keine gute Gefühlslage. Gar keine gute. Und jetzt würde sie auch noch das zweifelhafte Vergnügen haben, den ganzen Nachmittag in seiner Gesellschaft verbringen zu müssen.

Wenn er zu ihr wenigstens genauso kaltschnäuzig wäre, wie zu den meisten Personen, die er traf. Dann hätte sie ihn als eingebildeten Angeber abqualifizieren können und endlich einmal etwas für die Negativliste gefunden. Aber nein, ihr gegenüber war er immer äußerst zuvorkommend. Was natürlich wieder dazu führte, dass sie sich fragte, warum eigentlich. Nur wegen dem bisschen Lebensretten?

Die strahlend blauen Augen warteten immer noch auf eine Antwort und so meinte sie mit einem lässigen Tonfall, der in nichts darauf schließen ließ, welche Dinge ihr soeben durch den Kopf gegangen waren. »Na, wenn es euch nicht zu langweilig wird. Du wirst den Nourlangie sicher schon mal gesehen haben?«

Kai nickte. »Auch die ganzen anderen Tracks, die man gehen kann. Aber ein bisschen Bewegung schadet nicht und die Gegend kann man öfter anschauen.«

Hetty machte erneut die irritierende Feststellung, dass Kai in ihrer Gegenwart für seine Verhältnisse äußerst viel redete. Schon gestern Abend war ihr das aufgefallen, denn auch da hatte er einiges zur Unterhaltung beigetragen. Anscheinend unterhielt er sich gerne mit ihr.

»Ihm fehlt wohl die mütterliche Zuwendung!« Ihre Sarkasmusabteilung sorgte sicherheitshalber dafür, dass aufkommende Hoffnungen gleich gründlich in den Boden getrampelt wurden.

»Ich hole euch dann mit dem Wagen ab.« Ohne ihr eine Möglichkeit zur Antwort zu geben, stieß sich Kai vom Beckenrand ab und tauchte einmal quer durch den Pool, womit auch gleich sichergestellt war, dass er nicht mehr hören konnte, wenn sie noch etwas sagte.

Hetty verbiss sich ein Lächeln. Inzwischen kannte er sie schon ganz gut. Bevor er sich auf eine Diskussion einließ, wer fahren würde, machte er die Fliege. Und der Campingplatz war nicht so groß, dass er lange suchen musste, wo ihr Camper stand. Abgesehen davon, dass er sicher ganz genau wusste, wo sie geparkt hatte.

Kai war grundsätzlich immer über alles informiert. Nicht umsonst war er der Gründer und Besitzer einer großen Sicherheitsfirma, die in ganz Australien tätig war. Die angegliederte Detektei erledigte noch Spezialaufgaben und dadurch war er es gewöhnt, grundsätzlich immer eine kurze Bestandsaufnahme zu machen, wenn er irgendwo auftauchte.

Dass sie mit dieser Meinung vollkommen recht hatte bewies, dass er nicht über die Tankstelle in den Platz einbog, sondern von der Lodge aus direkt auf sie zugefahren kam. Hashimoto sprang aus dem Wagen und bot Susi zuvorkommend seinen Platz auf dem Beifahrersitz an.

Die schüttelte lächelnd den Kopf. »Also das ist wirklich nicht nötig, ich sitze gerne hinten.« Als sie neben Hetty Platz genommen hatte, bekam die von ihr einen kurzen Stups und ein Zwinkern aus Susis Augen.

Nach einer halben Stunde waren sie am Parkplatz vom Nourlangie angekommen und marschierten los. Ein kurzer behindertengerechter Boardwalk führte zu den Felsen mit Aboriginezeichnungen. Von dort aus schlängelte sich ein Track zwischen Büschen und Bäumen hindurch, bis zu einer Felsengruppe mit einem Aussichtspunkt. Von hier aus konnte man auf der einen Seite über das flache Land sehen und auf der anderen Seite den Nourlangie-Felsen bewundern.

Doch Hashimoto und Susi machten keinerlei Anstalten dem Weg zu folgen, sondern standen wie festgemauert vor der steinernen Wand und referierten, in einem englischen – japanischem Sprachgemisch, über Herkunft und Bedeutung der aufgemalten Skelettzeichnungen.

»Ich geh schon mal weiter – ihr könnt euch ja nicht verlaufen, da führt nur ein Weg herum.« Hetty hatte die Warterei satt.

Abgesehen davon dass sie, wie sie zu ihrer großen Schande gestehen musste, der Aborigine Kultur rein gar nichts abgewinnen konnte. Sie hatte schließlich schon mit den herkömmlichen Religionen ihre Probleme. Und die waren noch bedeutend verständlicher, als die Traumzeit der Aborigines.

Als sie sich umdrehte, um weiterzugehen, sah sie, dass auch Kai die Flucht ergriffen hatte. Nach ein paar Biegungen hatte sie ihn wieder eingeholt, denn er war stehen geblieben und wartete, bis sie eintraf. »Ich bin heilfroh, dass Susi dabei ist, sonst hätte ich mir die ganzen Erklärungen anhören müssen. Hashimoto liebt dieses Zeug und versucht mich immer wieder vergeblich davon zu überzeugen, dass es wirklich interessant ist.«

Er musterte Hetty und sein rechter Mundwinkel zuckte. »Wenn sie mich fragen, warum ich auch gegangen bin, werde ich sagen, ich wollte dich in dieser gefährlichen Gegend nicht alleine lassen.«

Die musste lachen. »Tja, ich habe auch schon gehört, hier soll es Fliegen geben, die sind die reinsten Monster.«

Sie schaute prüfend auf seine Hüften. »Meinst du, du schaffst es ohne Pistole, mich zu verteidigen?«

Kai wirkte amüsiert. »Na ja, wenn sie nicht zu groß sind, ansonsten rufe ich Hilfe übers Handy.«

Der Track war natürlich ohne die geringsten Schwierigkeiten zu bewältigen, jede achtzigjährige Oma mit Krückstock und Hüftprothese hätte es bis zu dem Aussichtspunkt geschafft. Hetty hatte in Deutschland immer wieder versucht zu erklären, wie gut ausgebaut die Wanderwege in Australien waren. Doch die meisten Leute konnten sich nicht vorstellen, dass in dem wilden Kontinent in den Gebieten, wo sich die Touristen bewegten, der blanke Luxus herrschte.

Auch hier war auf dem geteerten Parkplatz wieder eine blitzblank geputzte Toilettenanlage mit Edelstahlwaschbecken vorhanden. Selbstverständlich behindertengerecht. Und das große zusätzliche Wunder war: Es gab immer ausreichend frisches weiches Toilettenpapier. Hetty hatte lange gebraucht bis sie zum ersten Mal die Heinzelmännchen sah, welche für diese Ordnung sorgten. Es war ganz einfach: Die Parkranger waren gleichzeitig auch die Putzkolonne. Trotzdem, wenn man bedachte, dass die nächste Ansiedlung teilweise zweihundert Kilometer weit weg lag, dann war das Ganze schon äußerst erstaunlich.

Am Aussichtspunkt befanden sich sogar ein paar Menschen, die eifrig Fotos von dem Nourlangie Felsen machten, der als rot geäderter Bergvorsprung in die Landschaft hineinragte. Hetty musterte den Gipfel, der nur einige hunderte Meter hoch war. Irgendwann würde sie da einmal hinaufsteigen, aber die Wanderung war mit guten sechs Stunden angesetzt und da war es besser auf die Trockenzeit zu warten.

Denn wenn ein plötzlicher Regenschauer kam, dann wurde die relativ harmlose Kletterpartie gefährlich. In der Wetseason kamen da auf einen Schlag schon mal zehn bis zwanzig Zentimeter Wasser auf einmal herunter und das war dann ohne Unterschlupf nicht mehr lustig. Ganz abgesehen davon, dass sich der Kletterpfad dann innerhalb von Sekunden in einen kleinen Bach verwandelte und der feste Untergrund damit in eine glitschige Rutschbahn. Hetty hatte solch ein Erlebnis einmal in ihrem Leben mitgemacht und konnte auf eine Wiederholung dankend verzichten.

Nach einer kurzen Pause, in der sie in einvernehmlichem Schweigen die Aussicht bewunderten, setzten sie ihren Weg fort. Als nächstes gab es eine große Höhle zu besichtigen, in der ebenfalls Zeichnungen zu sehen waren, die eine besondere Bedeutung für die Aborigines hatte. Hetty hatte bei ihrem ersten Besuch den Text auf der großen Schautafel, die ausführlich darüber informierte, hingebungsvoll durchgelesen. Und, wie üblich, zwei Minuten später keine Ahnung mehr gehabt, was sie gelesen hatte.

Als sie Kai ihr Dilemma erzählte, entlockte ihm das ein Schmunzeln. »Und ich habe schon gedacht, ich bin der Einzige, dem es so geht.«

Hetty grinste ihn an. »Sollen wir jetzt das alles nochmal durchlesen und wieder vergessen, oder sparen wir uns die Zeit und gehen gleich weiter?«

Kais Lachfältchen wurden tiefer. »Ich glaube, da sind wir uns einig.«

Er deutete mit einer leichten Verbeugung zu den Eisenleitern, die zum nächsten Aussichtspunkt führten und ließ Hetty den Vortritt beim Klettern. Als sie oben waren, hatten sie den schweren Teil der Tour hinter sich und konnten nach einem kurzen Rundumblick über einen bequemen Weg gemütlich zu ihrem Ausgangspunkt zurückschlendern.

Hashimoto und Susi hatten sich inzwischen auf die Bank gesetzt, die vor den Felsmalereien stand und waren immer noch eifrig am Reden und Gestikulieren. Hetty stellte nach einem Blick auf ihre Uhr fest, dass nicht sonderlich viel Zeit vergangen war.

Sie sah Kai fragend an, während sie mit einem Kopfnicken Richtung Bank zeigte und ein Aufstöhnen andeutete. »Was meinst du, fahren wir noch schnell zum anderen Wanderweg, den schaffen wir leicht, bevor wir heimfahren müssen.«

Der warf nur einen kurzen Blick auf das angeregt diskutierende Pärchen und meinte. »Nichts wie weg!«

Als sie mit dem Wagen den Kilometer zum nächsten Parkplatz fuhren, war sich Hetty nicht sicher, ob die zwei überhaupt zugehört hatten, als sie ihnen erklärten, was sie unternehmen wollten. Na ja, in einer Stunde waren sie sowieso wieder zurück und sie hatte so eine leise Ahnung, dass sie bis dahin nicht vermisst werden würden.

Auch dieser Weg war einfach zu bewältigen und sie folgten ihm einige Zeit durch schattige Bäume und Büsche bis sie zum Ende des Pfades kamen, wo zwei Eisenleitern auf eine felsige Anhöhe führten, die sich durch einen wunderbaren Ausblick auf das umliegende Land hervortat.

Ein Felsvorsprung warf einen kühlen Schatten auf einige Steine und lud dazu ein, sich bequem hinzusetzen und eine Weile zu rasten. Während Hetty zusah, wie sich weiße Wölkchen am Himmel aufbauten, zog sie ein erstes Fazit des Tages. Kai hatte sich als äußerst angenehmer Wanderkamerad entpuppt, der sich ihrer Gehgeschwindigkeit anpasste und dabei nicht den Eindruck machte, dass es ihn nervte, wegen ihr langsamer gehen zu müssen.

Er liebte, genauso wie sie, Flora und Fauna und mit seinen scharfen Augen entdeckte er Besonderheiten an denen sie, ohne seine Hinweise, ahnungslos vorbeigelaufen wäre. Wobei zugebenermaßen der Blickfang, den er bot, den größten Reiz an der Wanderung ausmachte.

Und seine Schweigsamkeit hatte einen großen Vorteil – Hetty redete zwar gerne und viel, aber wenn sie wanderte, dann war sie voll und ganz damit beschäftigt, die Umgebung zu betrachten und hatte nicht die geringste Lust auf ein Gespräch. Bei den Pausen war das etwas anderes, da war es dann ganz nett einen Gesprächspartner dabei zu haben.

Wobei es ihr, wie in Kais Fall, auch genügte jemanden neben sich sitzen zu haben, der einfach nur zuhörte und sich dabei offensichtlich nicht langweilte.

»Das war heute ein richtig schöner Ausflug!« Susi war ganz euphorisch. »Hashimoto weiß unheimlich viel über die Aborigine Kultur. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der so interessant erzählen kann.«

Sie unterbrach ihre Lobeshymnen und musterte Hetty, die im Campingstuhl saß und die Füße hochgelegt hatte. »Es war doch kein Problem für dich – oder? Aber wir sind so ins Fachsimpeln gekommen, dass wir einfach kein Ende mehr gefunden haben.«

Hetty lachte. »Ich bin alt genug, um mich alleine zu beschäftigen. Abgesehen davon hatte ich ja Gesellschaft.«

Susi grinste. »Dein Ritter ohne Furcht und Tadel hat sich auch gleich angeboten, als es darum ging, dich vor dem Tod durch Langeweile zu retten!«

Hetty schüttelte lachend den Kopf. »Der hat sich vor allem selber gerettet und ist dir, glaube ich, ziemlich dankbar, dass du dich um Hashimoto gekümmert hast.«

»Wenn man vom Teufel spricht …«

Aha, Kai war im Anmarsch. Bevor er zu reden beginnen konnte, sagte Hetty. »Ja, wir kommen gerne.«

Jetzt hatte sie zwei Leute, die sie ansahen und dabei recht unterschiedliche Mienen zeigten. Susi war völlig von der Rolle und wusste überhaupt nicht, um was es ging.

Kai dagegen verbiss sich definitiv ein Lächeln und nickte. »Sieben Uhr.«

Ohne noch mehr von sich zu geben, drehte er sich um und ging wieder zur Lodge zurück. Hetty war sich sicher, dass er sich vor allem deshalb beeilte, um in aller Ruhe und Heimlichkeit laut lachen zu können. Dieser Mann liebte nichts mehr, als gute Antworten und rhetorische Spitzfindigkeiten.

»Kannst du mir bitte erklären, was das zu bedeuten hat?« Susi runzelte die Stirn.

»Ist doch ganz einfach. Ich bin davon ausgegangen, dass Hashimoto uns diesen Abend zum Essen einladen wird, um weiter deine Gegenwart genießen zu können. Kai hat er damit beauftragt, die Botschaft zu überbringen. Und ich habe die Sache etwas abgekürzt.«

Hetty verschränkte ihre Arme hinter dem Kopf und warf Susi einen prüfenden Blick zu. »Hashimoto ist ziemlich beeindruckt von dir.«

Die leichte Röte, die Susis Wangen überzog, war äußerst aufschlussreich. Hetty bekam langsam aber sicher das Gefühl, sie könnte auf ihren Werbeflyern für die Camperreisen gleich dazu schreiben, dass sie auch als Partnervermittlung fungierte. Offenbar genügte die längere Sichtung ihres Singlelebens, um alle Leute so schnell es ging, in eine feste Beziehung zu treiben.

Sie schüttelte innerlich den Kopf. Das konnte sie wirklich nicht verstehen, die Leute mussten doch zur Genüge mitbekommen, wie wohl sie sich fühlte. Ihr Singleleben ließ eigentlich keine Wünsche offen. Einen Partner vermisste sie nur, wenn es darum ging, schwere Dinge durch die Gegend zu tragen. Aber ein hilfloser Blick und ein freundliches Lächeln sorgten normalerweise dafür, dass sich die Männer anderer Frauen mit Freude opferten.

Liebesleben? Brachte nur Probleme. Okay, sie wandelte, wenn sie alleine unterwegs war, auch nicht immer auf dem Pfad der Tugend, aber mit Liebe hatte das wenig zu tun. Und nur deswegen musste man noch lange keine feste Beziehung, mit den dazu nötigen dauernden Kompromissen, ertragen. Nein, nein – sie konnte den lieben langen Tag nur das tun, was sie selber wollte – das war doch einfach ideal.

Die Mulgacamper Romane Band 3 und 4

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